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Alles Blau der Welt

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
294 Seiten
Deutsch
Verlagsbuchhandlung Liebeskinderschienen am20.02.2023Deutsche Erstausgabe
Der neunzehnjährige Simon will ausbrechen aus dem Leben, das seine fürsorglichen Eltern für ihn geplant haben: studieren, ein nettes Mädchen heiraten, ein Haus ganz in der Nähe bauen. Überhastet bricht er sein Studium ab und stürzt sich in eine Affäre mit Carla, die zwanzig Jahre älter ist als er und im Café des örtlichen Hallenbads arbeitet. Umgeben vom blauen Funkeln des nächtlich beleuchteten Wassers erleben die beiden eine leidenschaftliche Liebesbeziehung. Es gibt Gerüchte über Carlas Vergangenheit und über John, ihren gewalttätigen Ehemann. Doch als Simon erkennt, dass er sich in ein Gewirr aus Lügen verstrickt, steckt er schon viel zu tief in der Sache drin ... In seiner klaren, suggestiven Prosa erzählt Peter Terrin die Geschichte zweier Menschen, die am entscheidenden Punkt ihres Lebens vor einer unmöglichen Entscheidung stehen. »Alles Blau der Welt« ist ein ebenso eindringlicher wie feinfühliger Roman über Freundschaft und Liebe - und über die schwierige Suche nach dem eigenen Ich.

Peter Terrin, 1968 im belgischen Tielt geboren, veröffentlichte Erzählungen, Theaterstücke und bislang acht Romane, darunter »Der Wachmann«, für den er 2010 den Literaturpreis der Europäischen Union erhielt, und »Post Mortem«, der 2012 mit dem AKO-Literaturpreis ausgezeichnet wurde. Bei Liebeskind erschien zuletzt »Blanko«. Peter Terrins Romane wurden in über fünfzehn Sprachen übersetzt.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR16,99

Produkt

KlappentextDer neunzehnjährige Simon will ausbrechen aus dem Leben, das seine fürsorglichen Eltern für ihn geplant haben: studieren, ein nettes Mädchen heiraten, ein Haus ganz in der Nähe bauen. Überhastet bricht er sein Studium ab und stürzt sich in eine Affäre mit Carla, die zwanzig Jahre älter ist als er und im Café des örtlichen Hallenbads arbeitet. Umgeben vom blauen Funkeln des nächtlich beleuchteten Wassers erleben die beiden eine leidenschaftliche Liebesbeziehung. Es gibt Gerüchte über Carlas Vergangenheit und über John, ihren gewalttätigen Ehemann. Doch als Simon erkennt, dass er sich in ein Gewirr aus Lügen verstrickt, steckt er schon viel zu tief in der Sache drin ... In seiner klaren, suggestiven Prosa erzählt Peter Terrin die Geschichte zweier Menschen, die am entscheidenden Punkt ihres Lebens vor einer unmöglichen Entscheidung stehen. »Alles Blau der Welt« ist ein ebenso eindringlicher wie feinfühliger Roman über Freundschaft und Liebe - und über die schwierige Suche nach dem eigenen Ich.

Peter Terrin, 1968 im belgischen Tielt geboren, veröffentlichte Erzählungen, Theaterstücke und bislang acht Romane, darunter »Der Wachmann«, für den er 2010 den Literaturpreis der Europäischen Union erhielt, und »Post Mortem«, der 2012 mit dem AKO-Literaturpreis ausgezeichnet wurde. Bei Liebeskind erschien zuletzt »Blanko«. Peter Terrins Romane wurden in über fünfzehn Sprachen übersetzt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783954381630
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum20.02.2023
AuflageDeutsche Erstausgabe
Seiten294 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1316 Kbytes
Artikel-Nr.11099921
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

4

Das ist nicht dein Ernst. Echt? Marcs Blick irrt zu den Betonplatten auf der Terrasse. Bei Simons Füßen sieht er Moos in den Fugen, rostbraun durch die Trockenheit. Er kann es nicht glauben. Simon ist intelligenter als er. Simon kann werden, was immer er will. Das Studium abbrechen? Marc lässt die Luft aus seinen aufgeblasenen Wangen. Und was sagen deine Eltern dazu?

Marc hört, wie seine Mutter im Haus mit dem Löffel in einer Schüssel herumkratzt. Es ist Samstagmittag, seine Eltern und sein Bruder sitzen noch zu Tisch. Er hat schnell aufgegessen und ist mit Simon in den Garten gegangen. Simon parkt immer vor der Garage in der Straße hinter dem Haus. Alle Besucher kommen durch die Hintertür. Wenn es klingelt, ist es ein Fremder.

Simon wartet auf der Terrasse, während Marc Jacke und Portemonnaie holt. Am Esstisch entsteht eine kurze, gedämpfte Diskussion, der Simon nicht folgen kann, ein paar Sätze, eine bissige Antwort. Er kommt sich vor wie ein Eindringling und geht schon mal zu seinem Auto, nicht über den Rasen, sondern über den Kiesweg, der einen kleinen Bogen zur Garagentür beschreibt, damit man drinnen seine sich entfernenden Schritte hört.

Marcs Eltern sind ein ganzes Stück älter als die von Simon. Marc war nicht geplant, oder besser gesagt, ein wahres Wunder, angesichts des Alters der Mutter bei seiner Geburt. Sein Bruder ist siebzehn Jahre älter als er. Simon besucht ihn nicht gern zu Hause, denn die Stimmung dort ist immer seltsam angespannt, vor allem, weil der Bruder noch daheim wohnt, aber mit seinem Vater nicht spricht. Marcs Bruder ist meist in einen schmutzigen blauen Kittel gehüllt. Jede freie Minute bastelt er an einem alten Citroen SM herum, der schon seit Jahren komplett demontiert ist.

Durch die Garage geht Simon etwas langsamer. Die Werkbank ist tipptopp aufgeräumt, an der Wand hängt Werkzeug, darüber ein Kruzifix, hinter dem ein verdorrter Palmenwedel steckt. Auf einem Regalbrett ein Transistorradio, die Antenne schräg zum trüben Fenster gerichtet. Der Geruch von Gummi und Handwaschpaste. Nach der schmalen Straße hinter dem Haus scheint die Provinzstadt aufzuhören. Wiesen voller Maulwurfshügel, Kühe liegen im Schatten des nackten Sockels einer Hochspannungsleitung.

Er lehnt sich an sein Auto und raucht eine Zigarette. Er mustert seine weißen Basketballschuhe und krempelt die Ärmel seines breitschultrigen Leinensakkos um. Marc kommt aus dem Dunkel der halb offenen Garage, setzt seine Sonnenbrille auf und stellt sich schweigend zu ihm. Mit dem Blick folgen sie einer alten Frau im Blümchenkleid, die sich ihnen mit dem Rad nähert, über den Lenker gekrümmt und so langsam, dass sie fast umkippt. Immer schön geradeaus, sagt Marc lakonisch, als die Frau schließlich auf ihrer Höhe angekommen ist. Sie lächeln, und die Spannung, die Marc mit nach draußen gebracht hat, ist mit einem Mal verflogen. Mazda?, fragt Marc. Simon nickt und schnippt seine Kippe weg. Mit seinem Bruder teilt Marc sich einen weißen Ford Escort 1100, nichts Tolles, die alte Mühle seiner Eltern. Sie steigen ein und kurbeln die Fenster nach unten. An der Kreuzung holt Marc eine Kassette aus seiner Brusttasche und schiebt sie in den Rekorder. Was ist das?, fragt Simon. INXS, antwortet Marc, »New Sensation«, und Simon swingt mit dem Kopf mit und dreht die Lautstärke auf.

Die Musik ist zu laut zum Reden. Schweigend fahren sie durch die belebte Innenstadt. Simon hält für jeden Passanten, der die Einkaufsstraße überqueren will. Am Morgen hat er den Mazda gewaschen. Die Alufelgen glänzen wie neu, obwohl nach der Fahrt von der Siedlung zu Marc schon wieder feiner schwarzer Bremsstaub darauf liegt, den man allerdings nur sieht, wenn man mit dem Finger darüberfährt. Er hat den Mazda im Schatten gewaschen, damit das Shampoo nicht zu schnell trocknet und keine Flecken auf dem Lack hinterlässt, ein Tipp seines Vaters. Samstagmorgens liegt die Garageneinfahrt zufällig im Schatten. Sein Vater wäscht den Opel Ascona immer freitags, wenn er eine Stunde früher aus der Fabrik zurück ist. Bei schönem Wetter fällt dann die Sonne in die Einfahrt. Aber sein Vater wäscht in drei Phasen: Oberseite, Unterseite und Räder, schön nacheinander. So kann man es auch machen, sagt er zu seinem Sohn, damit ist man dem Trocknen immer einen Schritt voraus.

Simon darf das Autowaschzeug seines Vaters benutzen, wenn er es hinterher wieder genauso wie vorher in die Garage zurücklegt. Im Eimer findet er eine Strumpfhose seiner Mutter; sein Vater verwendet sie für die eingetrockneten Insekten auf Scheinwerfern und Stoßstange. Das alte Fensterleder ist voller Löcher, aber die alten sind die besten, sagt sein Vater. Neue Leder saugen einfach nichts auf. Sein Vater hat kräftige Hände und schwielige Finger, die das Leder kaputt wringen. Zwei weitere Männer in ihrer Straße waschen jeden Samstagmorgen ihre Autos, einen weißen Peugeot und einen hellbraunen Volvo Kombi. Es ist, als würde Simon ungefragt in eine Gruppe aufgenommen, eine Gruppe von Männern, mit denen er nichts zu tun hat.

Als sie das Stadtzentrum hinter sich haben, fährt Simon schneller. Ab und zu schaltet er einen Gang zurück und lässt den Motor aufheulen. Er nimmt die Landstraße zur Stadt im Süden der Provinz, wo Marc an der Fachhochschule studiert. Die Strecke unterscheidet sich wenig von der zu Simons Universitätsstadt. Teppichhändler, Gartencenter, Frittenbuden und Teestuben, Bad- und Sanitär-Läden, Trödler und eine Windmühle ohne Flügel. Die Bordelle sind besser versteckt, anonymer, diskrete Neonbeleuchtung hinter dicken Fichten, ein Schild, das einen zu einem Parkplatz auf der Rückseite des Etablissements lotst.

Marc ist froh, dass ihr gemeinsamer Samstag heute früher beginnt und er nicht erst um fünf oder sechs von zu Hause loskommt. Es fühlt sich wie ein kleines Abenteuer an, mitten am Wochenende seine Fachhochschule und die anderen Studierenden zu sehen. Als würden Simon und er schon zum Partymachen ausziehen, obwohl er gleich einen weißen Kittel überstreifen und ein paar Experimente im Labor vorführen muss. Der Campus liegt zwischen einem Villenviertel und einem Gewerbegebiet, ein neu gebauter, einladender Gebäudekomplex. Er kann sich nicht vorstellen, zu Hause plötzlich mit der Nachricht anzukommen, er wolle sein Studium abbrechen. Seine Eltern würden es für einen Witz halten, und sein Bruder würde bestimmt laut loslachen. Marc findet es aufregend, dass Simon den Mut gehabt hat, sein Studium zu schmeißen.

Was haben sie gesagt, fragt Marc, als du´s ihnen erzählt hast? Nicht viel, antwortet Simon. Sie haben gefragt, was ich denn stattdessen vorhätte. Da hab ich geantwortet, ich weiß es noch nicht. Willst du was anderes studieren? Simon zuckt mit den Schultern. Waren sie nicht sauer oder so? Gefreut haben sie sich nicht. Und wie hast du´s ihnen gesagt? Ganz normal: Ich hör auf. Ich hör auf? Ja. Keine Erklärung, nur: Ich hör auf? Ja. Und dann? Wie haben sie reagiert? Meine Mutter hat weiter abgewaschen, und mein Vater hat die Teller, die ich abgetrocknet hatte, in den Schrank gestellt. Und das war´s, echt? Ein paar Minuten später hat mein Vater gefragt, was ich nun stattdessen vorhätte.

Simon weiß: Marcs Eltern wären wütend geworden. Er kann sich denken, worum es bei den gedämpften Diskussionen geht, wenn er Marc abholt. Es hat nie jemand ausgesprochen, und Marc schon gar nicht, aber er spürt, dass er den Eltern im Grunde nicht gut genug ist. Es spielt keine so große Rolle, aber diese Stimmung schwingt immer mit. Simons Eltern haben mit vierzehn in der Fabrik angefangen. Sie wohnen in einem Reihenhaus in »der Siedlung«, einem sozialen Neubaugebiet. Marcs Vater ist Buchhalter bei der Staatlichen Telefongesellschaft in der Hauptstadt, seine Mutter ist Hausfrau. Reich sind sie nicht, Marc bekommt weniger Taschengeld als er, und doch ist bei ihnen alles anders. Zum Beispiel hat Marcs Vater ein Hobby. Auf dem gesamten Dachboden hat er auf Böcken und Spanplatten eine Berglandschaft nachgebaut, mit acht verschiedenen Strecken für seine elektrische Eisenbahn. Auf den Alpenwiesen weiden Kühe, auf einem Bahnsteig warten Kinder in Schuluniform. Marc behauptet, sein Vater verkleide sich als Schaffner, er habe eine Uniform mit Mütze, und sonntagnachmittags, wenn er mit der Eisenbahn spielt, statt zu basteln, könnten sie vom Speicher her seine Trillerpfeife hören.

Simon fühlt sich versucht, seine Eltern zu verteidigen, denn er vermutet, dass Marc in ihrer ersten, gelassenen Reaktion den Beweis dafür sieht, dass ihm zu Hause das Studium madiggemacht wird. Er erklärt, nächste Woche werde darüber bestimmt noch ein ernstes Wörtchen gesprochen. Sein Vater denke vor dem Reden lieber immer erst nach, und noch während er es ausspricht, denkt er selbst: Lügner. Kurz darauf gibt er zu, dass seine Mutter es vielleicht gar nicht so schlimm findet und jetzt wahrscheinlich hofft, er würde hier in der Nähe bleiben und ein Haus auf dem...
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Autor

Peter Terrin, 1968 im belgischen Tielt geboren, veröffentlichte Erzählungen, Theaterstücke und bislang acht Romane, darunter »Der Wachmann«, für den er 2010 den Literaturpreis der Europäischen Union erhielt, und »Post Mortem«, der 2012 mit dem AKO-Literaturpreis ausgezeichnet wurde. Bei Liebeskind erschien zuletzt »Blanko«. Peter Terrins Romane wurden in über fünfzehn Sprachen übersetzt.