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Der unendliche Gipfel

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
352 Seiten
Deutsch
mairisch Verlagerschienen am07.03.2023
Der Tag, an dem Walter Welzenbach seinen ersten Berg bestieg, sollte sein ganzes Leben bestimmen: Nie wieder würde er etwas anderes wollen. Jetzt steht er auf seinem letzten Gipfel, der 8188 Meter hoch ist, und blickt auf seine Einsamkeit. Der unendliche Gipfel ist die atemberaubende Geschichte der Bergsteigerfreunde Lenny und Walter, die in den Alpen und im Himalaja ihre Träume verfolgen und dabei ihr Schicksal besiegeln. Sie tragen die Geschichten der großen Alpinisten mit sich und suchen gemeinsam einen Weg, Geschichte zu schreiben. Aber in der dünnen Luft gelten andere Gesetze. Zehn Jahre nach der Veröffentlichung seines gefeierten Bestsellers Irrfahrt entführt Toine Heijmans die Leser*innen erneut in eine unerbittliche Welt, mit einem Roman über Freiheit und Freundschaft, Stürme und Lawinen und die Folgen radikaler Entscheidungen. Was die Berge dem Menschen antun und was der Mensch den Bergen antut, darum geht es. Der Roman wurde 2022 mit dem niederländischen Boekhandelsprijs ausgezeichnet, einem der wichtigsten Preise des Landes.

Toine Heijmans, 1969 im niederländischen Nijmegen geboren, studierte Geschichte und arbeitete seitdem für verschiedene Tageszeitungen. Derzeit schreibt er eine Kolumne für die niederländische Tageszeitung De Volkskrant, in der er aktuelle Themen und das Leben in seinem Land kommentiert. Nach der Veröffentlichung mehrerer Reportagesammlungen debütierte er im Jahr 2011 mit dem Roman Op zee (dt. Irrfahrt, 2012), einer tiefgründigen Seglergeschichte. Der Roman wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt, verfilmt und als erster niederländische Roman überhaupt mit dem französischen Prix Médicis Étranger ausgezeichnet. Neben zahlreichen weiteren Literatur- und Journalistenpreisen wurde Heijmans auch in den Ordre des Arts et des Lettres aufgenommen.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR16,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR19,99

Produkt

KlappentextDer Tag, an dem Walter Welzenbach seinen ersten Berg bestieg, sollte sein ganzes Leben bestimmen: Nie wieder würde er etwas anderes wollen. Jetzt steht er auf seinem letzten Gipfel, der 8188 Meter hoch ist, und blickt auf seine Einsamkeit. Der unendliche Gipfel ist die atemberaubende Geschichte der Bergsteigerfreunde Lenny und Walter, die in den Alpen und im Himalaja ihre Träume verfolgen und dabei ihr Schicksal besiegeln. Sie tragen die Geschichten der großen Alpinisten mit sich und suchen gemeinsam einen Weg, Geschichte zu schreiben. Aber in der dünnen Luft gelten andere Gesetze. Zehn Jahre nach der Veröffentlichung seines gefeierten Bestsellers Irrfahrt entführt Toine Heijmans die Leser*innen erneut in eine unerbittliche Welt, mit einem Roman über Freiheit und Freundschaft, Stürme und Lawinen und die Folgen radikaler Entscheidungen. Was die Berge dem Menschen antun und was der Mensch den Bergen antut, darum geht es. Der Roman wurde 2022 mit dem niederländischen Boekhandelsprijs ausgezeichnet, einem der wichtigsten Preise des Landes.

Toine Heijmans, 1969 im niederländischen Nijmegen geboren, studierte Geschichte und arbeitete seitdem für verschiedene Tageszeitungen. Derzeit schreibt er eine Kolumne für die niederländische Tageszeitung De Volkskrant, in der er aktuelle Themen und das Leben in seinem Land kommentiert. Nach der Veröffentlichung mehrerer Reportagesammlungen debütierte er im Jahr 2011 mit dem Roman Op zee (dt. Irrfahrt, 2012), einer tiefgründigen Seglergeschichte. Der Roman wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt, verfilmt und als erster niederländische Roman überhaupt mit dem französischen Prix Médicis Étranger ausgezeichnet. Neben zahlreichen weiteren Literatur- und Journalistenpreisen wurde Heijmans auch in den Ordre des Arts et des Lettres aufgenommen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783948722265
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum07.03.2023
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse896 Kbytes
Artikel-Nr.11167683
Rubriken
Genre9201
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Inhalt/Kritik

Leseprobe

8188 m

Jedes Geräusch kommt von mir, und es ist ohrenbetäubend. Knirschend presse ich den Schnee zusammen zu einem Fußabdruck, dann der nächste - die Anstrengung dröhnt in meinem Innern, Blut, das sich durch dünne Adern zwängt, Herzschläge, Keuchen; die ganze Maschinerie aus zweihundert Knochen und fünf Vitalorganen flattert und bebt wie ein übertakeltes Boot.

Ich bin ein intakter, warmer Körper, der vorübergehend die natürliche Ordnung stört, der kurz, sehr kurz, die Temperatur verändert, nicht mal um ein Tausendstel Grad. Ein Körper, der Spuren in die Schneedecke zieht und verschwindet, wie auch die Gebetsfahnen verschwinden, Andenken an unbedeutende Besteigungen.

Ich bin auf dem Gipfel angekommen, und hier ist nichts. So war es schon immer, und erst jetzt wird es mir klar: Den ganzen Weg nach oben habe ich nichts anderes im Kopf, haben die Menschen, die mit mir zu schaffen haben, nichts anderes im Kopf, wochenlang, und jetzt bin ich da, hier, allein, unversehrt, pünktlich laut meines eigenen Fahrplans, und blicke ins Leere.

Hier oben zu sein hat keine Bedeutung - das zu begreifen, ist das Schwierigste.

Atmen. Ganz ruhig.

Das Schneefeld ist erstarrt in dünner, tiefvioletter Frostluft. Nichts bewegt sich außer mir; es geht kein Wind. Die Wolken, zu dünnen Nebelschwaden ausgefranst, hängen tief und fangen das erste Licht.

Hier ist der Gipfel, und ich muss noch höher, weiter.

Eins. Zwei. Drei Schritte und ausruhen, atmen. Eins. Zwei. Drei Schritte näher am Ziel.

Als Erster oben - was sonst. Früher aufbrechen als der Rest, härter pushen, mehr Schmerz aushalten, klüger sein. Meine Rechnungen gehen immer auf. Na dann, herzlichen Glückwunsch: Ich, der Fanatiker, habe wieder mal das Nichts erreicht.

Der Berg ist fünfunddreißig Millionen Jahre alt, ein Zufall zwischen zwei Erdplatten, und wächst fünf Millimeter pro Jahr - noch immer, jeden Tag wächst der Berg, während ich schrumpfe.

Hinter mir hängt fahl der Halbmond, bereit zu verschwinden. Die umstehenden Berge sehen mich an, herbeigeeiltes Publikum, sie legen die Köpfe schief, als würden sie nachdenken. Ändern die Farbe, werfen ihre Nachtmäntel ab, die Sonne steigt schon, lässt aber die Täler noch dunkel.

Die glitzernden Eiskristalle. Der Gletscher, der sich an den Berg schmiegt wie ein Kätzchen.

Ich erkenne die Felsketten, die Couloirs, die Grate, die Gendarmen, die Strecke, die ich gleich zurücklegen muss. Wie eine Bleistiftzeichnung. Näher als je zuvor.

Von Weitem ist der Berg eine Einheit, ein fast frei stehendes Element in dem Gebirgszug, den wir Himalaja nennen, aber wenn man ihm so nahekommt, zerfällt er in tausend Teile. Dann erst kann man darin verloren gehen.

Seine Form verändert sich laufend, je nach Blickwinkel und je nachdem, was man darin sieht. In dieser Höhe ist die Landschaft eine Luftspiegelung, das Ergebnis gestörter Körperfunktionen. Man kann keine Entfernungen einschätzen. Die dünne Luft fungiert als Objektiv, das die Berge näher heranholt; was ich sehe, ist nicht die Wirklichkeit, sondern ein physikalisches Konstrukt, das ich selbst ausgeheckt habe.

Das Gehirn nimmt Helligkeit als Maßstab für Entfernungen: Das Klare, das Deutliche ist nah, und umgekehrt - Maler machen sich das zunutze, indem sie Bergen im Hintergrund einen Blauton geben. So erzeugen sie die Illusion von Tiefe im zweidimensionalen Raum.

Was ich sehe, ist eine Wahnvorstellung, am trockenfrostigen Himmel, keimfrei wie ein Labor. Hier zu sein bedeutet vor allem zu glauben, dass ich hier bin.

Die höchsten Berge, die ich bestiegen habe, kommen kameradschaftlich näher. Aus dem Schwarz schieben sich als Erste der Mount Everest und der Lhotse heraus, Nuptse, Shishapangma und Manaslu warten am Horizont. Ich kenne sie. Ich kenne ihre Zugangsrouten. Ich kenne ihre Haut, ihren Atemrhythmus, ich weiß, wie sie sich während einer Besteigung verändern, wie sich auch das Fell eines Tieres im Laufe des Tages verändert, aber nicht das Tier selbst.

Mehr Gipfel als Freunde haben sich in meinem Leben angesammelt, und jetzt stehe ich wieder hier, allein.

Die sich zusammenrottenden Berge mir gegenüber sind hoch, aber nicht hoch genug. Die meisten warten noch auf ihre Besteigung: unbekannte Sechs- und Siebentausender, ein paar davon haben Namen, Lunag Ri, Langdak, Melungtse, aber viele müssen sich nach wie vor mit einer Nummer begnügen, P6064, P6589, P6037, wie unbedeutende Asteroiden. Allein in Nepal gibt es vierzehntausend Berge, die höher sind als sechstausend Meter, und warum sollte man denen Namen geben?

Gipfel sind de facto nutzlos, sie bringen nichts hervor, im Gegensatz zu den Tälern. Oder den Pässen, über die man Vieh treiben oder Handelsware transportieren kann: Die bieten Aussicht auf Fortschritt. Hier oben wird nichts hergestellt. Hier wird abgebaut, Zelle für Zelle.

Es ist warm, so schrecklich warm, aber wenn ich die Handschuhe ausziehe, frieren mir die Finger ab.

Dieser Teil des Himalaja liegt regungslos unter einer Hochdruckglocke, vom Sturm ist nichts mehr übrig, er hat den Berg sauber gefegt und sich verzogen, war nie hier. Es ist ein idealer Gipfeltag. Überall auf den höchsten Bergen der Welt stehen jetzt Menschen, und noch mehr sind unterwegs, alle im Schneeanzug, wie ich. Noch bevor sie wieder unten ankommen, schmieden sie neue Pläne für neue Berge, ich weiß das, ich war auch so.

Natürlich werden heute Bergsteiger sterben, darauf sind sie vorbereitet, sind mit dem eigenen Tod im Reinen. Wenn schon sterben, dann so hoch wie möglich auf einem Berg, an einem Ort, wo die Gehirnzellen erst nach Schwerkraft suchen und danach ein neues Gleichgewicht finden. Hier oben ist alles klarer als da unten.

Ich sehe Lenny im Augenwinkel, er wühlt sich durch den Schnee, zieht eine Spur, auf der Suche nach dem höchsten Punkt, genau wie ich.

Dieser Berg hat keine Spitze, sondern eine Ebene, ich stehe auf einem Schneeplateau, so weitläufig, dass ich die Ränder nicht sehen kann. Es ist praktisch waagerecht. Das Gegenteil von einem Berg: ein Gipfel, von dem man nicht herunterfallen kann. Ich fühle mich orientierungslos, schwanke.

Ich bin nicht zum ersten Mal hier, aber wieder genauso verwirrt.

Über mir erlöschen noch ein paar Sterne. Eins. Zwei. Drei Schritte, und ich muss Runden drehen über die Platte, um den höchsten Punkt nicht zu verfehlen. Der Schnee, sein helles, aggressives Weiß, verwischt jedes Relief. Also drehe ich meine Runden, hinterlasse Fußabdrücke, sacke ein, ziehe Kreise, geometrische Muster. So markiere ich meine Besteigung: eine kleine Zugabe, damit ich weiß, ich war wirklich oben.

Zum Beweis muss ich meine Spuren fotografieren, bevor sie untergehen zwischen den Spuren der anderen, die mit mir den Berg besteigen. Es wird nicht mehr lange dauern, bis sie aufkreuzen: Erst Monk, der ist stark, danach die Chinesen und die Inder und die Niederländer, mit denen ich aufgebrochen bin. Die Russen. Es wird hier nur so wimmeln von Erfolg.

Auf der Erdkrümmung liegt die sterbende Nacht und darüber, zartorange, ein neuer Tag. Bald wird die Sonne mehr Kraft haben, mich ausleuchten. Bald wird es noch wärmer sein. Ich starre die Gipfel an, die mich beobachten, und muss sie davon überzeugen, dass mein Entschluss der richtige ist.

Ich konzentriere mich auf mein rauschendes Blut, meine Atmung. Höre mich in meiner dicken, überdimensionalen Daunenkapuze murmeln. Wenn ich mich bewege, rasselt die Ausrüstung an meinem Klettergurt, ein beruhigendes Klirren: die Karabiner, die Seilbremse, die Eisschrauben, Metall auf Metall. Ein Engelsgeläut, hell und zerbrechlich.

Lenny, der schnaufend, immer murrend die letzten Meter zurücklegt, stapfend in seinen Plastik-Expeditionsstiefeln. Höher. Nicht mehr atmen.

Eins. Zwei. Drei Schritte, und ich schlage mit dem Beil den festgebackenen Schnee aus meinen Steigeisen. Hab ich von Lenny, das Schlagen. Für ihn ist es Routine, ursprünglich gedacht für besseren Grip: Der Schnee setzt sich in großen Klumpen zwischen den Stahlzacken fest und macht ihre Wirkung zunichte. Es ist Technik. Aber für Lenny ist alles Rhythmus, auch das Freischlagen seiner Steigeisen: kling, kling, Metall auf Metall. Das Geräusch ist ein Lebenszeichen, prallt gegen die Felswände, echot durch die Täler, ein Beweis seiner Existenz.

Wie er mit seinen langen Armen und Beinen wüst hin und her schlackert, ganz und gar da ist. Wie seine Sohlen durch den Schnee stapfen, wie er Stufen ins Eis schlägt, wie er kling, kling haut, singt, flucht, an einer Zigarette zieht.

In den Bergen wird Lenny doppelt so groß, er schießt in die Höhe und in die Breite. In eine Wand oder ein Couloir steigt er ein, als wäre er deren rechtmäßiger Besitzer, er rudert mit den Armen, »Platz da, hier kommt Lenny«, ein Überfall. Lenny klettert nicht, er kapert einen Berg und steckt ihn sich unter den Pulli. Springt über Randkluften, zerrt am Seil, Radau, Radau, will immer wieder beweisen, dass in den leblosen Bergen Leben herrscht. Dass es heute nichts anderes gibt, nur den Berg.

Einmal, beim Abstieg von der Lenzspitze, ist er bis zu den Achseln in einer Gletscherspalte verschwunden, seine langen Arme steckten wie Widerhaken im Schnee. Eine Todesfalle, und er wartete grinsend, bis ich ihn hochziehen kam. Juli war es, warm, das Eis in der Nordwand unberechenbar, aber Lenny mogelte uns an dem Tag nach oben, zack, zack, jeder Schlag mit der Eisaxt saß, ich vertraute seinen Sicherungen, vertraute Lenny, und er vertraute mir. Wir, die Zwei-Mann-Armee, bei der Erstürmung der Alpen.

Das ist lange her. Wie lange ist das her?

Am späten Nachmittag, auf dem Rückweg vom Gipfel, schoben wir uns durch den schweren...
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Autor

Toine Heijmans, 1969 im niederländischen Nijmegen geboren, studierte Geschichte und arbeitete seitdem für verschiedene Tageszeitungen. Derzeit schreibt er eine Kolumne für die niederländische Tageszeitung De Volkskrant, in der er aktuelle Themen und das Leben in seinem Land kommentiert.

Nach der Veröffentlichung mehrerer Reportagesammlungen debütierte er im Jahr 2011 mit dem Roman Op zee (dt. Irrfahrt, 2012), einer tiefgründigen Seglergeschichte. Der Roman wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt, verfilmt und als erster niederländische Roman überhaupt mit dem französischen Prix Médicis Étranger ausgezeichnet.

Neben zahlreichen weiteren Literatur- und Journalistenpreisen wurde Heijmans auch in den Ordre des Arts et des Lettres aufgenommen.
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