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Tiere

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
448 Seiten
Deutsch
Ullstein Taschenbuchvlg.erschienen am29.02.2024Auflage
»Es gibt Bücher, an denen kommt man einfach nicht vorbei. Tiere ist so ein Debütroman. Einschüchternd gut.« PaagMag Am Rand eines abgelegenen Dorfes im Achterhoek liegt der Bauernhof der Familie Keller, vom Dorf gleichermaßen gefürchtet wie verachtet. Landwirtschaft wird hier schon lange nicht mehr betrieben, Tiere gibt es trotzdem: die illegale Nerzzucht des Großonkels. Auch als Isa längst den Hof verlassen hat und zum Studieren in die Stadt gegangen ist, verfolgt sie das Fiepen der Tiere noch bis in den Schlaf. Dann holt sie ein Anruf zurück ins Dorf: Ihr Vater ist verschwunden. Die Suche nach ihm wird zu einer Suche nach ihrer eigenen Identität. Und nach der Wahrheit über ihre Familie. »Wer weiß nun wirklich, was die Wirklichkeit ist: Die Person, die sich mitten in ihrem eigenen Leben befindet, oder die Gemeinschaft, die weit darüber hinaus das große Ganze überblicken kann, die sehen kann, dass du, obwohl du selbst verdammt gut weißt, dass du keine Flöhe hast, auf eine gewisse Art und Weise doch Flöhe hast.« »Tiere hat alles, was ein gutes Rennen ausmacht: Schnelligkeit, gefährliche Kurven und ein fiebriges Finale. Die Geschichte ist rasant und dunkel, aber stets durchdrungen von der Zärtlichkeit für die Figuren.« Daniel Schulz

Gijs Wilbrink (1984) ist Autor, Musiker und Podcaster. Er ist im Achterhoek aufgewachsen, der Region, die im östlichen Teil der niederländischen Provinz Gelderland und an der Grenze zu Nordrhein-Westfalen liegt - in dieser Gegend spielt auch sein Debütroman De beesten, an dem er acht Jahre lang gearbeitet hat. Das Buch steht auf der Shortlist für den Nederlandse Boekhandelsprijs 2023 und wird von Presse wie Leser:innen geliebt.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR19,99

Produkt

Klappentext»Es gibt Bücher, an denen kommt man einfach nicht vorbei. Tiere ist so ein Debütroman. Einschüchternd gut.« PaagMag Am Rand eines abgelegenen Dorfes im Achterhoek liegt der Bauernhof der Familie Keller, vom Dorf gleichermaßen gefürchtet wie verachtet. Landwirtschaft wird hier schon lange nicht mehr betrieben, Tiere gibt es trotzdem: die illegale Nerzzucht des Großonkels. Auch als Isa längst den Hof verlassen hat und zum Studieren in die Stadt gegangen ist, verfolgt sie das Fiepen der Tiere noch bis in den Schlaf. Dann holt sie ein Anruf zurück ins Dorf: Ihr Vater ist verschwunden. Die Suche nach ihm wird zu einer Suche nach ihrer eigenen Identität. Und nach der Wahrheit über ihre Familie. »Wer weiß nun wirklich, was die Wirklichkeit ist: Die Person, die sich mitten in ihrem eigenen Leben befindet, oder die Gemeinschaft, die weit darüber hinaus das große Ganze überblicken kann, die sehen kann, dass du, obwohl du selbst verdammt gut weißt, dass du keine Flöhe hast, auf eine gewisse Art und Weise doch Flöhe hast.« »Tiere hat alles, was ein gutes Rennen ausmacht: Schnelligkeit, gefährliche Kurven und ein fiebriges Finale. Die Geschichte ist rasant und dunkel, aber stets durchdrungen von der Zärtlichkeit für die Figuren.« Daniel Schulz

Gijs Wilbrink (1984) ist Autor, Musiker und Podcaster. Er ist im Achterhoek aufgewachsen, der Region, die im östlichen Teil der niederländischen Provinz Gelderland und an der Grenze zu Nordrhein-Westfalen liegt - in dieser Gegend spielt auch sein Debütroman De beesten, an dem er acht Jahre lang gearbeitet hat. Das Buch steht auf der Shortlist für den Nederlandse Boekhandelsprijs 2023 und wird von Presse wie Leser:innen geliebt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783843731157
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum29.02.2024
AuflageAuflage
Seiten448 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3143 Kbytes
Artikel-Nr.12579550
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

WAS ICH VORAB ÜBER
TOM KELLER ERZÄHLEN MUSS

Ich will ja nichts sagen, aber wenn man mich fragt, dann war es um Tom Keller schon geschehen, als seine beiden Onkel ihn nachts in den Wald mitgeschleppt und ihn da Sachen haben machen lassen, die ein Neunjähriger einfach noch nicht machen darf. Sein Vater, Frank, war damit garantiert nicht einverstanden. Oder wahrscheinlich wusste er gar nichts davon, auch wenn er damals noch nicht im Knast saß.

Aber er sollte es früh genug erfahren, sollte erfahren, was wir alle erfahren haben: Johan und Charles haben den armen Knirps in der längsten Nacht des Winters in ihren schrottreifen Volvo verfrachtet, Stahldraht zwischen die Reifen gespannt, sind damit in einem Höllentempo über die gefrorenen Waldwege gepest und haben dann den Knirps, ihr eigen Fleisch und Blut, ihren Neffen, den ganzen Weg zu Fuß zurücklaufen lassen, damit er die geköpften Kaninchen vom Boden kratzt.

Die zwei haben sich einen Dreck um ihn geschert. Hatten eine Scheißlaune; die Tiere waren wuschig die Nacht, haben garantiert den Sturm gespürt, der im Anmarsch war.

Der warme Dunst im Auto muss nach Tabak und Schweiß gestunken haben, und nach dem toten Hasen, dem Iltis und dem Fasan, die sich, schon gehäutet, auf der Hutablage stapelten. Im Dunkeln sah der klebrige Fleischklumpen aus wie die Überreste von einem Tier mit sechs Beinen und drei Schwänzen. Eigentlich haben sie die Kadaver sonst in Kissenbezüge gestopft, sie ordentlich zugeknotet, aber in dieser Nacht ging es schludrig zu.

Das Häuten hatten sie Tom tagsüber beigebracht. Dass er das Fell an den Pfoten hängen lassen musste, damit die Kunden im Dorf erkennen konnten, dass es wirklich ein Kaninchen oder ein Iltis war und nicht die ausgebüxte Nachbarskatze. Dass er das Fell knapp über den Pfoten einschneiden musste, um es dann mit Daumen und Zeigefinger zu lösen und nach oben abzuziehen. Dass sich mit einem weiteren Schnitt am Steißbein der Rest auch noch abtrennen ließ - ein auf links gedrehter Mantel.

Bei Tageslicht hatte Tom sich gar nicht mal so dumm angestellt; unter dem aschgrauen Mond artete das Ganze aber schnell in eine ziemliche Sauerei aus.

Und die feinen Herrn Onkel haben keinen Finger krumm gemacht. Sind im Auto hocken geblieben und haben die beschlagenen Scheiben angestarrt. Hatten sich nichts zu sagen. Manchmal konnten Johan und Charles eine ganze Nacht durch die Gegend streifen, ohne ein einziges Wort zu wechseln, bloß verfluchte scheiße. Wenn einer von den beiden in einer tiefen Pfütze ausrutschte, hieß es verfluchte scheiße. Wenn ein Tier sich aus dem Staub machte, bevor sie es mit der Lee-Enfield abknallen konnten, die Frank nach dem Krieg einem Kanadier abgekauft hatte: verfluchte scheiße. Und jetzt hieß es auch wieder verfluchte scheiße, als Tom nach einer Viertelstunde noch immer nicht mit den geköpften Kaninchen zurück war.

Verfluchte scheiße.

Charles, der Jüngere der beiden, schnappte sich die Lee-Enfield und den Motorradscheinwerfer, den sie zum Strahler umfunktioniert hatten, sprang aus dem Auto und schmiss die Tür zu. Sein großer Bruder Johan nickte und folgte ihm in seinem üblichen Schleichgang.

Sie waren sich überhaupt nicht ähnlich. Okay, die Augen standen bei beiden weit auseinander, das sah sogar ein Blinder mit Krückstock, aber ansonsten: nichts. Johan hatte mit fünfundzwanzig schon ein Gesicht wie ein Kerl, der nach einem harten Arbeitsleben nur noch stur und verbittert vor sich hin starrt. Ein Gesicht voller Furchen, Beulen, Schürfwunden und borstiger, unregelmäßiger Stoppeln. Charles war sehniger und fünf Jahre jünger, und nur durch seinen merkwürdigen Besenschnurrbart wirkte er einigermaßen erwachsen, so, als wäre er sein eigener Chef und nicht bloß der garstige kleine Bruder seines größten Idols und Mentors. Scharrel nannten sie ihn im Dorf, und Scharrel nannte er sich selbst, als dürfte ein echter Keller keinen piekfeinen französischen Vornamen wie Charles haben und den dann auch noch piekfein französisch aussprechen, ohne sich zu schämen. Er war ein Hundsfott mit langen, fettigen Haaren, die von hinten aussahen wie ein Fliegenvorhang; das Gegenteil von Johans ausrasiertem Hamburgernacken. Woran man trotzdem erkannte, dass sie zusammengehörten: die Augen, der gleiche knüselige Blaumann, tief in die Stiefel gestopft, dunkelblaue Schirmkappen, das ständige Vor-sich-hin-Fluchen. So gingen sie zurück über den Waldweg.

Die Kellers wohnten hier schon mindestens hundertfünfzig Jahre (klingt viel, ist aber ein Witz, verglichen mit meiner Familie zum Beispiel, die schon seit Jahrhunderten mitten im Dorf wohnt; wir über der Gaststätte Teeking im Schatten der Kirche, sie, seit sie hier angekommen waren und sich plötzlich alles nur noch um sie drehte und nicht mehr um die Jahrhunderte davor, tief versteckt im Hinterland, auf der anderen Seite vom Wald) - in diesem großen Haus ohne Vorhänge, das auch keine Vorhänge brauchte, weil sowieso nie jemand durchs Fenster guckte, denn es ging nie jemand auf ihre Seite vom Wald, und wenn sich doch mal jemand auf ihre Seite vom Wald verirrte, dann sah die verlorene Seele nie direkt Richtung Keller-Hof, sondern immer daran vorbei, um bloß nicht mitzukriegen, was sich in den kleinen Zimmern von diesem großen Haus ohne Vorhänge alles abspielte. Man hätte es einen Bauernhof nennen können, aber in der Keller-Familie gab es keine Bauern - der einzige Tiergeruch kam von den Kadavern, die Johan und Charles draußen trocknen ließen. Der Geruch nach Tod wurde überdeckt vom widerlichen Benzin- und Motoröldunst, ein Gestank, der einem noch mindestens eine Stunde nach einem dieser seltenen Besuche auf ihrer Seite vom Wald in der Nase hing.

Der Morgen graute schon, als Johan und Charles den Waldweg nach ihrem Neffen absuchten. Und mit dem Morgengrauen würde der Jagdaufseher kommen und mit dem Aufseher auch die Polizei, falls auch nur der kleinste Verdacht bestand, dass sie wieder krumme Dinger mit dem Volvo gedreht hatten. Die Matschklumpen an ihren Stiefeln wurden mit jedem Schritt größer und schwerer. Frank würde ihnen den Kopf abreißen, wenn sie ohne Tom zurückkämen. Hätte er´s bloß getan - ach, hätte er ihnen bloß den Kragen umgedreht, dann wär´s vorbei gewesen und allen wäre später das Drama erspart geblieben, und dann hätte vielleicht niemand diese Geschichte je erzählen müssen. Aber sie fanden ihn, im grellen Licht des Motorradscheinwerfers, zwischen den Disteln und den Brennnesseln am Wegesrand, bibbernd und flennend, wie es von einem Neunjährigen in so einer Situation nicht anders zu erwarten war.

Johan entdeckte die zitternden Jungenbeine, die aus dem hohen Unkraut ragten, und nach ein paar großen Schritten sah er hinunter auf Tom, der auf dem Bauch lag und dessen Hand, zusammen mit einem Kaninchen, in einer Schlingfalle feststeckte. Das Kaninchen, mittelgroß mit stumpfem fahlweißen Fell, war halb tot. Es zuckte nur noch, seinen linken Hinterlauf hatte der Stahldraht fast völlig abgetrennt.

Ob Tom es befreien oder von seinem Leiden erlösen wollte, weiß kein Mensch, darüber hat er nie gesprochen, nicht, als er später der ganzen Familie den Rücken kehrte, und erst recht nicht, als er nach seinem Unfall gezwungen war, wie ein Hund mit lahmen Beinen wieder zu ihnen zurückzukriechen, wieder bei ihnen einzuziehen, sich wie ein Hund dreimal am Tag von ihnen füttern und versorgen zu lassen, wie ein Hund an den Hof gekettet zu sein, bis jemand mit ihm rausgeht.

Aber irgendwas war mit diesem halb toten Kaninchen in der stählernen Schlinge, was sich anders anfühlte als die ganz toten Kaninchen, die er bis dahin gesehen hatte, etwas, wodurch er nach dieser Nacht nie mehr mitgehen würde, egal wie wichtig ihm die Anerkennung der beiden anderen war.

je fester du ziehst, desto enger wird´s, sagte Charles.

Der Knirps lag ein paar Sekunden unverändert da, bibbernd auf der kalten Erde.

Johan zog die Kneifzange aus seinem Blaumann und knipste den Draht durch, Toms Hand schoss aus der Schlinge. Er klemmte sie sich unter die Achsel, drehte sich auf den Rücken und sah hoch zu den zwei Schreckgespenstern. Langsam brachte er sein Flennen unter Kontrolle, dämpfte es zu einem halblauten Fiepen. Das Kaninchen humpelte über den Waldweg, schlitterte mit seiner abgerissenen Pfote über eine zugefrorene Pfütze.

Johan griff nach Toms freier Hand und zog ihn hoch. Dann drückte Charles ihm den Kolben der Lee-Enfield in den Magen und sah ihn lange aus seinen blutunterlaufenen, weit auseinanderstehenden Augen an, und dieser Blick bohrte sich tiefer in Toms Kinderhirn als der Gewehrlauf in seine Eingeweide. Ein warmer Strahl lief ihm die Beine hinunter. Er fing wieder an zu flennen.

abknallen. Unwillkürlich sah Charles in den Gewehrlauf, was ihn einen Moment lang aus der Fassung zu bringen schien, als würde er seinem eigenen Tod ins Auge blicken. Das machte ihn nur noch wütender. Wieder stieß er seinem Neffen den Kolben in den Magen.

Tom fiel hin, rückwärts in die Disteln, aber er berappelte sich schnell wieder. Nahm die Lee-Enfield und balancierte sie mühsam aus,...
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Autor

Gijs Wilbrink (1984) ist Autor, Musiker und Podcaster. Er ist im Achterhoek aufgewachsen, der Region, die im östlichen Teil der niederländischen Provinz Gelderland und an der Grenze zu Nordrhein-Westfalen liegt - in dieser Gegend spielt auch sein Debütroman De beesten, an dem er acht Jahre lang gearbeitet hat. Das Buch steht auf der Shortlist für den Nederlandse Boekhandelsprijs 2023 und wird von Presse wie Leser:innen geliebt.
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