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Chaos, Glück und Höllenfahrten

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
360 Seiten
Deutsch
FUEGOerschienen am10.03.20231. Auflage
Wiglaf Droste hat Zeit seines Lebens immer wieder autobiographische Erzählungen verfasst, die verstreut veröffentlicht wurden, zusammen aber eine Schnitzeljagd durch sein wildes Leben ergeben. Wiglaf Droste nimmt einen mit auf eine Reise mit Max Goldt durch Finnland, er berichtet über seine ersten Leseauftritte in den östlichen Provinzen zusammen mit Michael Stein, über eine abenteuerliche Fahrt mit Joachim Król, Fritz Eckenga und anderen ins Old Trafford Stadion, um dem Fußballgott Jürgen Kohler zuzujubeln, über ein gekreuzigtes Kaninchen in Portugal, wo Droste mit seinem Freund Vincent Klink unterwegs war, über eine Recherche im Frankfurter Blaulichtmilieu mit Achim Greser, aber er beichtet auch einiges aus seinem strummseligen Leben als Jugendlicher und wie er in Erwartung eines psychedelischen Erlebnisses Curry rauchte. So wie auch Wiglaf Droste gerne befreundete Autoren einlud, um in seinen Büchern zu veröffentlichen, haben wir auch für seine Autobiographie einige seiner Weggefährten um einen Gastbeitrag gebeten. Mit Episoden aus dem Leben Wiglaf Drostes, erzählt von seinen Freunden Hans Zippert, Gerhard Henschel, Ralf Sotscheck, Christian Y. Schmidt, Rayk Wieland, Joe Bauer, Franz Dobler, Funny van Dannen, Jane Kramer, Fritz Eckenga, Arnulf Rating und Peter Köhler.

Wiglaf Droste, geb. am 27. Juni 1961, gestorben am 15. Mai 2019, Schriftsteller, Journalist, Dichter, Polemiker, Kolumnist, Satiriker, Vortragsreisender, hat über 30 Bücher geschrieben und war an vielen anderen als Beiträger beteiligt. Als Sänger und Hörbuchsprecher kann man ihm auf zahlreichen CDs lauschen. Er schrieb für den Rundfunk, taz, junge Welt und viele andere Zeitungen. Erhielt 2003 den Ben-Witter-Preis, 2005 den Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis, war 2009 Rheinsberger Stadtschreiber und wurde 2017 für sein Lebenswerk mit dem Göttinger Elch ausgezeichnet.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextWiglaf Droste hat Zeit seines Lebens immer wieder autobiographische Erzählungen verfasst, die verstreut veröffentlicht wurden, zusammen aber eine Schnitzeljagd durch sein wildes Leben ergeben. Wiglaf Droste nimmt einen mit auf eine Reise mit Max Goldt durch Finnland, er berichtet über seine ersten Leseauftritte in den östlichen Provinzen zusammen mit Michael Stein, über eine abenteuerliche Fahrt mit Joachim Król, Fritz Eckenga und anderen ins Old Trafford Stadion, um dem Fußballgott Jürgen Kohler zuzujubeln, über ein gekreuzigtes Kaninchen in Portugal, wo Droste mit seinem Freund Vincent Klink unterwegs war, über eine Recherche im Frankfurter Blaulichtmilieu mit Achim Greser, aber er beichtet auch einiges aus seinem strummseligen Leben als Jugendlicher und wie er in Erwartung eines psychedelischen Erlebnisses Curry rauchte. So wie auch Wiglaf Droste gerne befreundete Autoren einlud, um in seinen Büchern zu veröffentlichen, haben wir auch für seine Autobiographie einige seiner Weggefährten um einen Gastbeitrag gebeten. Mit Episoden aus dem Leben Wiglaf Drostes, erzählt von seinen Freunden Hans Zippert, Gerhard Henschel, Ralf Sotscheck, Christian Y. Schmidt, Rayk Wieland, Joe Bauer, Franz Dobler, Funny van Dannen, Jane Kramer, Fritz Eckenga, Arnulf Rating und Peter Köhler.

Wiglaf Droste, geb. am 27. Juni 1961, gestorben am 15. Mai 2019, Schriftsteller, Journalist, Dichter, Polemiker, Kolumnist, Satiriker, Vortragsreisender, hat über 30 Bücher geschrieben und war an vielen anderen als Beiträger beteiligt. Als Sänger und Hörbuchsprecher kann man ihm auf zahlreichen CDs lauschen. Er schrieb für den Rundfunk, taz, junge Welt und viele andere Zeitungen. Erhielt 2003 den Ben-Witter-Preis, 2005 den Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis, war 2009 Rheinsberger Stadtschreiber und wurde 2017 für sein Lebenswerk mit dem Göttinger Elch ausgezeichnet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783862872398
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum10.03.2023
Auflage1. Auflage
Seiten360 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1385 Kbytes
Artikel-Nr.11181141
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Neger nie Dieter nennen

ES BEGANN GANZ HARMLOS mit einer Lesung: Eckhard Henscheid hatte sich in der Berliner Galerie am Chamissoplatz angekündigt, und geduldig lungerten kleinere Trupps geselliger junger Menschen im Foyer dieses kulturellen Brennpunktes herum, linke Hand in der Hosentasche oder an der Zigarette und die rechte ums Getränk geballt; während ich noch mit dem Inhaber der Galerie, Herrn Tammen, wichtige Informationen und Beobachtungen austauschte - »Ein richtiges Flens -Publikum ist das hier«, brummte der Galerist nicht unzufrieden -, sah ich unter den Platznehmenden auch die Kollegin Frau Geighi in Begleitung eines sehr blonden, sehr gutgewachsenen jungen Mannes, der unentwegt an ihr herumnestelte, was ihr aber nicht unangenehm zu sein schien; Frau Geighi ist, wie ich selbst, in der Kulturberichterstatterbranche tätig, allerdings beinahe ausschließlich im Fach des Hochdramatischen und Schwertheatralischen, wo sie sich trotz ihrer Jugend bereits den Ruf erworben hat, profunde Kenntnis mit emotionalem Engagement in Reibung bringen und verschmelzen zu können; diese junge, vielversprechende und nebenbei durchaus flotte Person hatte nun auch mich erspäht, hob die Hand, entbot lässig einen Gruß und wandte sich wieder ihrem Begleiter zu, um ihrerseits Körperkontakt aufzunehmen.

Von einem nagenden Gefühl wie Einsamkeit angesprungen, trollte ich mich und warf mich wieder ins allgemeine Rennen. Vorfreude leuchtete in vielen Gesichtern, schließlich hatten sich alle gesetzt, und meine Vorderfrau - nicht Frau Geighi, sondern eine mir gänzlich Unbekannte - entblößte ihre Schulter, von der mich ein prächtiger Eiterpickel anlachte; nur zu gern hätte ich ihr den funkelnden Bunken ausgedrückt - ich war in einer merkwürdigen, leicht verwahrlosten Stimmung an diesem Abend -, aber das hätte sie sicher nicht verstanden oder nur ganz falsch.

Henscheid erschien, Plastiktüte in der Hand, Gurkenschuhe an den Füßen, setzte sich ans Tischchen und berichtete leise von der »Uninteressiertheit unserer Katzen am Fernsehen und zwar an allen Programmen«. Durchgearbeitet das Gesicht, angegraut das volle Haar, die Beine, in einer taubenblauen Hose steckend, übereinandergeschlagen, den Oberkörper, bedeckt mit einer irisierenden Grün-Blau-Mischung, mürb gebeugt, rasch noch einen Text aus der Hosentasche ziehend und in der Unordnung der Blätter auf dem Tisch herumstochernd, fahrig-kon­zentriert hockte er da, sackte endlich zusammen und las eine Passage aus der »Verfilmung des Kafkaschen Landarztes«. Bedächtig zurückgenommen im Vortrag, schimmerte von dem Lesenden der tröstliche Glanz eines Menschen ab, der tief in die Wirrnis, ja, in die Idiotie des Daseins eingedrungen ist - als habe all das Ranzig-Knüppel­dumme seine hirnmarternde und herzwämmsende Kraft verloren.

Von derart einschneidenden Gedanken getrieben, strolch­te ich in der Pause verloren durch die Galerie, als mich auf einmal Frau Geighis Stimme in die Wirklichkeit, der ich eben so glücklich noch entronnen schien, zurückriss: Man könne doch später gemeinsam »eine Kleinigkeit trinken« gehen, blitzte sie, und ihr Begleiter, den sie mir als »das ist der Dieter« vorstellte, nickte mich auch gleich wie begeistert an und ergänzte mit einer für sein Alter erstaunlich jovialen Dumpfheit » nen Happen essen oder so«; möglicherweise hatten die beiden schon nach ca. 45 Minuten genug voneinander - junge Menschen sind ja selten sehr gehaltvoll, für die Kurzstrecke mag es ja eben noch angehen, aber auf lange Sicht und Distanz ist da nicht viel drin und zu holen, substantiell gesehen. Wie dem auch immer gewesen sein mag, ich sagte jedenfalls zu, und man verabredete sich »für nachher« in den Heidelberger Krug, eine unweit der Galerie gelegene Wirtschaft von gediegener Gastlichkeit - mit andern Worten: ein Schuppen, dem noch selten jemand auf andere Weise entronnen ist als mit den Füßen voran.

Bis es aber soweit war, lief noch einmal Henscheid zu großer Form auf; geradezu feurig startete er in den zweiten Teil seines Vortrags und begann, an den Niederungen der Zerwirrnis nun auch selbst - vor fremden Leuten! - Spaß zu haben. Das Publikum gnickerte ausgelassen, bei »Lust! Lust! Lust! schrien seine Negeraugen ...« ging jäh ein Ächzen durch die Reihen, wie röchelnd, ja schier sich selbst auswürgend schwoll das Gelächter, als die Worte mehr ums Untenrum kreisten. Henscheid, im Furor des für ihn so klasse sich gestaltenden Abends, setzte noch die »Buhusen«-Predigt des Adolf Sommerauer drauf, Worte wie »Sexyrummel« und »Buhusengröße« versetzten offensichtlich nicht nur den »Tränenrucksack« und Oberquallhans Sommerauer in allerhöchste Begeisterung, auch Henscheid selbst, wie behext vom Rausch dieses selbstproduzierten Glanzlichts, ruderte nun in der Luft herum und schürzte Augen wie Lippen. Immer leichter wurde es, sinnentleerter und befreiter, ganz so, als habe er, Henscheid, schon geahnt oder vorwegnehmen wollen, was an diesem Abend an Chaos-Anarchie-Unglück noch auf mich ausgegossen werden sollte.

Im Heidelberger Krug harrte bereits das Duo Geighi/ »der Dieter«; energisch über ihr Weißweinglas peilend, schnatterte Frau Geighi auf mich ein, »echt geil die Lesung, echt geil der Mann, echt«, »der Dieter« nickte wieder hingebungsvoll, als sei dies seine Haupt- und Lieblingsbeschäftigung, zumindest im Beisein Frau Geighis; diese wiederum knottete nun pausenlos Informationen über ihr kurzes, aufregendes und wahrscheinlich »echt geiles, echt« Leben auf mich herab; ich vergaß eingangs wohl zu erwähnen, dass die junge Kollegin mehr von der Psyche herkommt, ihres Wortschwalles, von dem mir nur Fetzen wie »Iran« bzw. »Bremerhaven« im Gedächtnis geblieben sind, zwei Vokabeln, die ich auch nach langem Grübeln und beim besten Willen nicht miteinander in fruchtbare Verbindung zu bringen weiß, unterstützt noch durch das grobnotorische wie feinmotorische Kopfnicken von »Dieter«, wusste ich nicht recht Herr zu werden - jedenfalls waren wir alle drei, jeder aus einem anderen, wiewohl gleichsam einsamen Motiv heraus, innerhalb kürzester Frist stark betrunken, stramm wie die Natter, prall wie die Axt usw.

Zwar weist meine Erinnerung von diesem Punkt an diverse kleinere und mittlere Lücken, ja sogar faustgroße Löcher auf; empirisch gesichert aber ist in jedem Fall diese Äußerung Frau Geighis: »Ich fahr euch jetzt nach Hause.« Einwände, ihrer Trunkenheit wegen vielleicht doch lieber ein Taxi bestellen zu wollen, mochte die Kollegin keinesfalls gelten lassen und wischte sie kategorisch vom Tisch; geschlossen verließen wir den Heidelberger Krug und taumelten zielstrebig Frau Geighis Automobil entgegen, als der links gehende »Dieter« plötzlich ausscherte und stracks auf eine Hecke zumarschierte, um sich dort lauthals und ohne Vorwarnung klatschend zu erbrechen. Während mich dies schlagartig an meinen eigenen, ebenfalls durchaus angegriffenen Zustand gemahnte, ergriff Frau Geighi ihrerseits die ihr offensichtlich günstig erscheinende Gelegenheit, mir mit einem blitzschnellen, hastigen, ja auch irgendwie routinierten Griff an den Sack menschlich näherzukommen; dies natürlich vor der recht unappetitlichen Kulisse von »Die­ters« fruchtlosen Versuchen, über besagte Hecke gebeugt, seine angeschlagene Würde wiederzuerlangen, und wenn mir auch Frau Geighis Bemühungen grundsätzlich nicht unsympathisch waren, mochte ich doch die äußeren Begleitumstände nicht ignorieren, zumal jetzt überraschenderweise der zuvor doch eher schweigsame »Die­ter«, die Worte »Bukowski echt. Voll Bukowski« im Munde, den er sich gleichermaßen umständlich wie erfolglos abzuwischen versuchte, führend, sich in unsere Richtung aufmachte. Glücklich erreichten wir schließlich das Auto, einen dieser identischen Klein- und Stadt- bzw. sogar City-Wagen, in denen identische Menschen herumsitzen und durch identische Gegenden juckeln, einen VW Polo, auf dessen Rücksitz »Dieter« augenblicklich einzuschlafen und mundoffen zu röcheln begann, während Frau Geighi wie abwesend startete und abwechselnd schaltete, mein Knie knetete, schaltete, knetete usw., bis ich irgendwann erlöst meiner Haustür zustrebte, wie weltgewandt noch »weiterhin eine schöne Nacht« wünschte, in mein Bett fiel und zügig einschlief, allerdings nur, um bereits nach ca. 30 Minuten von meinem wie wütend klingelnden Telefon jäh aus trübem Schlummer gerissen zu werden.

Am anderen Ende erklärte Frau Geighi barsch: »Ich komme jetzt vorbei. Geht das klar?« Meine Einwände, was denn mit »Dieter« sei, wischte sie mit einem laxen »den kann ich sowieso nicht mehr ab, den blöden Hund« aus der Leitung; es gelang mir jedoch, ihr mit diversen, im beschwörenden Tonfall vorgetragenen Argumenten - »geht jetzt nicht, muss schlafen, Haustür abgeschlossen, morgen siehst du das alles ganz anders« - ihr Ansinnen nachhaltig auszureden.

Meine telefonische Absage führte aber keineswegs zu einer Drosselung des Frau Geighischen Erlebnishungers bzw. Tatendurstes; als ich am nächsten Tag mit vielen Fragezeichen im wehen Kopf im Redaktionsbüro unserer kleinen Zeitung erschien, um mein Tagwerk zu vollbringen, wurde ich des Redakteurs Qpferdach gewahr, der am Kantinentisch - bei dem es sich übrigens um ein Großraummöbel der ehemaligen Kommune eins handelt - zornig von »nächtlicher Ruhestörung« berichtete, »um halb fünf kommt die an, klingelt Sturm, und als ich aufmache, geht die einfach rein, legt sich aufs Sofa und sagt doch zu meiner Frau, sie soll verschwinden, weil sie jetzt mit mir einen klarmachen müsse« usw., bis er, Qpfer­dach, ihr nach annähernd zwei Stunden Diskussion endlich die Tür gewiesen habe....
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Autor

Wiglaf Droste, geb. am 27. Juni 1961, gestorben am 15. Mai 2019, Schriftsteller, Journalist, Dichter, Polemiker, Kolumnist, Satiriker, Vortragsreisender, hat über 30 Bücher geschrieben und war an vielen anderen als Beiträger beteiligt. Als Sänger und Hörbuchsprecher kann man ihm auf zahlreichen CDs lauschen. Er schrieb für den Rundfunk, taz, junge Welt und viele andere Zeitungen. Erhielt 2003 den Ben-Witter-Preis, 2005 den Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis, war 2009 Rheinsberger Stadtschreiber und wurde 2017 für sein Lebenswerk mit dem Göttinger Elch ausgezeichnet.

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