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Die Saat von gestern

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
466 Seiten
Deutsch
Books on Demanderschienen am17.04.20231. Auflage
Arbeitslos, deprimiert, allein. Dann bringt sich auch noch Cousin Kurt um und keinen schert's. Außer Ferl. Einst waren sie wie Brüder, doch ausgerechnet an seinem Geburtstag erfährt Ferl, dass Kurt sich das Leben genommen hat. Kein Wunder bei seiner Vorgeschichte. Aber Ferl befürchtet, dass mehr dahintersteckt. Auf seiner unbeholfenen Spurensuche muss Ferl sich nicht nur seinen inneren Dämonen stellen, sondern auch den Konsequenzen seiner Taten. Denn die Geheimnisse, die er lüftet, werden sein Leben für immer verändern. »Die Saat von gestern« ist ein charmanter, tiefgründiger Anti-Krimi über Familie, Neid und Verbrechen. Der Wunsch nach Antworten bringt Ferl in größte Gefahr und er muss erkennen, dass man manchmal aufpassen sollte, was man sich wünscht.

Stefan K. Heider, Jahrgang 1992, wuchs in Goldegg im Pongau auf und studierte Germanistik in Graz. Neben dem Schreiben und der Kunst beschäftigt er sich in seiner Freizeit mit der Musik und dem Programmieren. 2023 veröffentlichte er den Anti-Krimi Die Saat von gestern, den zweiten Teil der Lässe-Ferl-Reihe. 2018 veröffentlichte er den gesellschaftskritischen Anti-Krimi Bauernschädel, den ersten Teil der Lässe-Ferl-Reihe. Unter dem Pseudonym Vincent Theodor Thomas veröffentlichte er 2015 den Fantasy-Roman Geschichten aus Falensia: Der Spiegel von Echenon. Der Autor lebt und arbeitet in Graz.
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Produkt

KlappentextArbeitslos, deprimiert, allein. Dann bringt sich auch noch Cousin Kurt um und keinen schert's. Außer Ferl. Einst waren sie wie Brüder, doch ausgerechnet an seinem Geburtstag erfährt Ferl, dass Kurt sich das Leben genommen hat. Kein Wunder bei seiner Vorgeschichte. Aber Ferl befürchtet, dass mehr dahintersteckt. Auf seiner unbeholfenen Spurensuche muss Ferl sich nicht nur seinen inneren Dämonen stellen, sondern auch den Konsequenzen seiner Taten. Denn die Geheimnisse, die er lüftet, werden sein Leben für immer verändern. »Die Saat von gestern« ist ein charmanter, tiefgründiger Anti-Krimi über Familie, Neid und Verbrechen. Der Wunsch nach Antworten bringt Ferl in größte Gefahr und er muss erkennen, dass man manchmal aufpassen sollte, was man sich wünscht.

Stefan K. Heider, Jahrgang 1992, wuchs in Goldegg im Pongau auf und studierte Germanistik in Graz. Neben dem Schreiben und der Kunst beschäftigt er sich in seiner Freizeit mit der Musik und dem Programmieren. 2023 veröffentlichte er den Anti-Krimi Die Saat von gestern, den zweiten Teil der Lässe-Ferl-Reihe. 2018 veröffentlichte er den gesellschaftskritischen Anti-Krimi Bauernschädel, den ersten Teil der Lässe-Ferl-Reihe. Unter dem Pseudonym Vincent Theodor Thomas veröffentlichte er 2015 den Fantasy-Roman Geschichten aus Falensia: Der Spiegel von Echenon. Der Autor lebt und arbeitet in Graz.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783749436583
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum17.04.2023
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.2
Seiten466 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.11184054
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Fort

Ein Kopf ist nicht zum Schmerzen da. Dennoch tut er es viel zu oft. Mit geschlossenen Lidern wälzte ich mich, tief ächzend, auf meiner Matratze herum. Die Geschehnisse der letzten Nacht kamen mir schemenhaft in den Sinn. Ohrenbetäubende Musik der Achtziger, Neunziger und frühen Zweitausender hatten einen Tinnitus ins Trommelfell gehämmert. Mit erhobener Flasche hatte ich zu Hits meiner Pubertät gegrölt: Toxicity, Give It Away, Self Esteem und Smells Like Teen Spirit. Der Geist meiner Jugend roch nach Zigaretten, Bier und Schweiß. Unter Hunderten von Leuten und doch mutterseelenallein hatte ich in das neue Lebensjahr hineingefeiert. Mit Alkohol war alles auszuhalten, auch das Alleinsein. Ganz einsam war ich gestern aber nicht. Manch freundliche, aber unbekannte Gestalt lud mich auf ein oder zwei Getränke ein. Hatte ich so bedürftig ausgesehen? Eine traurige Existenz, die Aufmunterung offensichtlich gebrauchen konnte? Wie viel hatte ich schlussendlich also getrunken? Zu viel, eindeutig, aber wie viel? Aufgrund meiner steten Eskapaden vertrug ich mehr denn je, was sich spätestens am nächsten Tag wieder rächte. Dies war einer dieser nächsten Tage.

Blind, aber routiniert griff ich mit meiner Linken zum Nachtkästchen, auf dem die Gute-Nacht-Bierdose auf mich wartete. Dosen und Flaschen hielt ich schon seit jeher mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger. Langsam hatte ich mich an den verkürzten Mittelfinger gewöhnt. Das fehlende Fingerglied fiel mir kaum mehr auf. Witzig, wie schnell so etwas geht. Genauso schnell wie ein Alkoholproblem.

Ich hatte mir da etwas angewöhnt, das ich früher zutiefst verpönt hatte: Ein Bier zum Schlafengehen trinken. Das dämpfte die trüben Gedanken, die einem Sturm gleich durch das Hirn jagten, obwohl man bloß in das Land der Träume wollte. Manche Leute stellen sich ein Glas Wasser neben das Bett; ich Gerstensaft. Doch wie jedes Mal hatte ich kaum davon getrunken, war meiner Trance verfallen und behandelte nun, am nächsten Morgen, den Kater damit. Die Kohlensäure war fast fort, die Flüssigkeit hatte Zimmertemperatur angenommen. Widerlich war das. Genauso widerlich, wie ich mich fühlte - und das war gut so. Gleich und gleich gesellt sich gern.

Sie ist fort.

Mein Cousin Kurt kam mir in den Sinn. Der hatte bereits um die zwanzig ein Alkoholproblem entwickelt, ich erst Mitte dreißig. Ach, dieser Kurt war schon ein irrer Kauz. Von allen geächtet und trotzdem zog er sein Ding mit der Kunst durch. Freilich konnte er davon nicht leben, verdiente seine Brötchen als Totengräber, aber da blieb nebenbei genügend Zeit zum Malen und Zeichnen. Den Job hatte ihm Pfarrer Hausmann zugeschanzt, der durch Zufall von seinen Geldproblemen erfahren hatte. Das letzte Mal, als ich Kurt gesehen hatte, hatte er mir sein »Büro« gezeigt, wie er es nannte, wo er sich während der Arbeitszeit, wenn halt gerade kein Loch zu buddeln oder Grabpflege zu betreiben war, aufhielt. Das sagenumwobene Totengräberhäuschen von Österdorf. Das war ein richtiges Atelier. Ich meine, ich kenne mich einen Dreck mit dergleichen aus, aber so stelle ich mir zumindest eines vor. Dieser Besuch war schon wieder etliche Jahre her. Was Kurt wohl zurzeit so trieb? Er war gut drei Jahre älter als ich, war wie ein Bruder für mich und das wohl größte Vorbild meiner Jugend. Eine Zeitlang hatte er sogar bei uns gelebt. Durch ihn rauchte ich meinen ersten Tschick, trank mein erstes Bier. Er zeigte mir seine Musik, steckte mich damit an. Wir versuchten es sogar einige Wochen in einer Band, die aber kläglich scheiterte. Bei den Proben wurde mehr getrunken und gekifft als gespielt. Sein großes Idol war sein Namensvetter Kurt Cobain gewesen. Dass sie denselben Vornamen trugen, machte ihn unglaublich stolz. War ja doch kein häufiger Name. Selbst die Haare ließ er sich wegen des Frontmanns wachsen und färbte sie platinblond. Sah scheiße aus, aber ihm gefiel es und für Kritik war er taub - positive wie negative. Er zog einfach sein Ding durch und kümmerte sich nicht um die Meinung anderer. Ich hatte viel von ihm gelernt.

Ich stellte die Dose zurück und wischte meinen Mund an der Tuchent ab, wie ich es fast jeden Morgen tat. Die Stelle war schon hart und roch ⦠herb. Euphemismus ahoi.

Da ich noch k. o. war, schloss ich wieder die Lider. Strahlendes Licht verdrängte prompt die Dunkelheit vor Augen. Darin erschien mir ein Engel. Er sah ganz anders aus, als seinesgleichen für gewöhnlich dargestellt wurde. Keine güldenen Löckchen, kein Renaissance-Gesicht. Mein Cherub sah ostasiatisch aus. Anfangs konnte ich das Antlitz nicht zuordnen, mir dämmerte aber langsam, wen ich da sah: die mongolische Schönheit der letzten Nacht. Hohe Wangenknochen tanzten im Blitzlicht, ihre weichen Züge wurden von Azur und Purpur in Szene gesetzt. Die Mandelaugen mit dem gekonnt gezogenen Lidstrich waren wie ein sternenklarer, mondloser Nachthimmel. Wie aus dem Nichts prostete sie mir zu, strahlte mich an, als kannten wir einander. Wir tanzten einen Tanz, der keiner war. Betrunkenes Herumgehopse. Becken, die aneinander rieben. Meine Hände auf ihren breiten Hüften wagten sich graduell auf ihren üppigen Hintern. Winzige Funken durchfuhren meine Handflächen, ein Kribbeln, so angenehm und wohlig, als wärmte man seine verfrorenen Finger an einem offenen Feuer. Sie verzog keine Miene. Ihren Namen hatte ich im selben Moment vergessen, in dem sie ihn mir nannte. Er klang wie eine verbotene Gottheit, der man seine Seele für eine einzige gemeinsame Nacht darbot - was ich zweifellos getan hätte. Wie ein Wesen des kosmischen Horrors aus H. P. Lovecrafts Gehirnwindungen. Zum ersten Mal seit Monaten fühlte ich wieder ein Kitzeln im Herzen. Das war die Frau meines Lebens, ich wusste es mit Bestimmtheit. Das konnte kein Zufall sein. Sie war das erste weibliche Wesen seit langem, das mir Beachtung schenkte.

Sie ist fort.

Als ihre Arme auf meinen Schultern ruhten, unsere Blicke miteinander verschmolzen, spürte ich es. Ihr Lächeln war gütig, aber mit Verführungskraft gepaart. Jetzt oder nie. Ich setzte an ⦠Meine Lippen küssten die Luft.

Sie ist fort.

Den überfüllten Raum durchsuchend, fanden meine Augen ihren Rücken. Und als hätte sie meinen Blick gespürt, drehte sie sich ein letztes Mal zu mir um. Ihr samtenes, langes Haar wehte durch die Bewegung. Dann sah ich nur noch ihr Gesäß, das ihren Körper die Treppe hinauf trug.

Sie ist fort.

Lange war ich danach nicht mehr geblieben.

Traurig über diese flüchtige Bekanntschaft, presste ich mein Gesicht in das Kopfkissen. Ich hoffte, einfach zu ersticken, einen kurzen, schmerzlosen Tod zu erfahren. Die Bettwäsche stank jedoch zu sehr, das wurde mir nun ob meines reizbaren Magens bewusster denn je. Wann hatte ich sie zuletzt gewechselt? Ich eigentlich nie. Das war immer ihre Aufgabe gewesen. Seit Monaten lag ich also schon in derselben Wäsche. Wahrscheinlich, weil ich hoffte, sie so noch riechen zu können. Mittlerweile ein Ding der Unmöglichkeit. Ela fehlte mir. Alleine an ihren Namen zu denken, tat weh. Sie war nie einfach gewesen, wie ein sanfter Gebirgsbach, der bei Starkregen zu einem reißenden Fluss anschwoll. Und geregnet hatte es häufig. Dennoch hatte ich sie unglaublich gern â¦

Sie ist fort.

Hätte ich um sie kämpfen und all die Scherben zusammenkleben sollen? Nein, dafür waren es zu viele. Die Beziehung wäre wieder zerbrochen, tausende feinste Splitter hätten sich am Boden verteilt und sich einzeln in meine Fußsohlen gebohrt. Zu großen Schaden hatte ich in ihrem Leben angerichtet. Nie würde sie mir das alles verzeihen können. Was auch immer ich unternahm, ihr unter die Augen zu treten, wäre mir nicht möglich. Ich musste akzeptieren, dass es unwiderruflich vorbei war. Daran war nichts zu ändern. Diese Scherben wollte ich mir nicht eintreten.

Sie ist fort.

Ein winziger Funken Glück glimmte am Horizont: Wäre meine mongolische Schönheit hierher mitgekommen, hätte ich mich nur genieren können. So blieb ich von dieser Schmach wenigstens verschont. Es sind die kleinen Dinge, über die man sich freuen muss.

Dies war er also: Der 26. Jänner, mein erster Geburtstag als Single seit Jahren. Ich hatte ihn nie sonderlich gefeiert, aber zumindest sie hatte gewusst, wie sie jedes Mal aufs Neue einen ganz besonderen Tag daraus machen konnte. Es waren die Kleinigkeiten, die Details, die nur ihr geläufig waren. Nun war ich allein und hatte keine Ahnung, wie ich mich selbst aus dem Treibsand meiner Gefühlswelt ziehen konnte. Ich strampelte, sank und sank, hatte keine Kraft, denn mein Herz war krank. Mein Kater trug auch nicht sonderlich dazu bei, dass ich mich besser fühlte. Und obwohl mein Magen so lädiert von den vielen Shots war, auf die man mich eingeladen hatte, bettelte er kreischend um Nahrung. Der Kühlschrank war wie gewohnt leer, also musste ich mich hinaus in die Eiseskälte des Grazer Winters wagen, um das quengelnde Organ zu beruhigen - und der Winter in Graz war vertraut grau und grausig.

Ich konnte mich glücklich schätzen, dass mein Geburtstag auf einen Samstag gefallen war; die Geschäfte waren offen. Da ich zurzeit ein arbeitsloser Taugenichts war, konnte mir der Wochentag aber eigentlich egal sein. Um Kurt zu zitieren: »Für mich ist jeder Tag ein Samstag.« Man verliert das Gefühl für Zeit schnell, wenn man tun und lassen kann, was man will. Wäre heute jedoch Sonntag gewesen; das hätte mir den Rest gegeben.

Ich kehrte vom kleinen türkischen Krämer um die Ecke zurück in meine halbverwaiste Pärchen-WG und machte mich über den Einkauf her. Auf das Fladenbrot schmierte ich mir großzügig Hummus, belegte es mit der Putenextra, auf der in riesigen Lettern...
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