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Eine Tochter Harlems

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
304 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am17.10.20231. Auflage
Ein moderner Klassiker der amerikanischen Literatur, erstmals auf Deutsch, mit einem Vorwort von James Baldwin.  Harlem, 1934: Die 12-jährige Francie wächst in einem rauen Umfeld auf. Ihr geliebter Vater arbeitet als «Number Runner» im illegalen Lotteriegeschäft - besser als so manch denkbare Alternative. Francie ist eine Träumerin, doch Mädchen und Frauen in ihrer Welt haben nur begrenzte Möglichkeiten und sind ständig auf der Hut: vor den Männern, die ihnen auf Hausdächern, im Park oder im Kino auflauern, dem Bäcker, der für Zimtschnecken Gefälligkeiten verlangt, dem allgegenwärtigen Rassismus. Halt findet Francie im vertrauten Netz aus Nachbarn, Familie und Freunden. Aber die Gemeinschaft hat auch ihre Schattenseiten, wie die brutalen Straßengangs, die Macht und Kontrolle verheißen und in deren Sog Francies Bruder immer mehr gerät ... «Louise Meriwether erzählt allen, die lesen können und über Empathie verfügen, was es bedeutet, in diesem Land schwarz und eine Frau zu sein.» (James Baldwin)

Louise Meriwether, geboren 1923, war eine amerikanische Autorin, Journalistin, Essayistin und Aktivistin. Sie hat unter anderem Biografien über bedeutende afroamerikanische Persönlichkeiten wie Rosa Parks für Kinder verfasst. Ihr bekanntestes Werk, «Eine Tochter Harlems», ist in Teilen autobiografisch. Louise Meriwether starb am 10. Oktober 2023.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextEin moderner Klassiker der amerikanischen Literatur, erstmals auf Deutsch, mit einem Vorwort von James Baldwin.  Harlem, 1934: Die 12-jährige Francie wächst in einem rauen Umfeld auf. Ihr geliebter Vater arbeitet als «Number Runner» im illegalen Lotteriegeschäft - besser als so manch denkbare Alternative. Francie ist eine Träumerin, doch Mädchen und Frauen in ihrer Welt haben nur begrenzte Möglichkeiten und sind ständig auf der Hut: vor den Männern, die ihnen auf Hausdächern, im Park oder im Kino auflauern, dem Bäcker, der für Zimtschnecken Gefälligkeiten verlangt, dem allgegenwärtigen Rassismus. Halt findet Francie im vertrauten Netz aus Nachbarn, Familie und Freunden. Aber die Gemeinschaft hat auch ihre Schattenseiten, wie die brutalen Straßengangs, die Macht und Kontrolle verheißen und in deren Sog Francies Bruder immer mehr gerät ... «Louise Meriwether erzählt allen, die lesen können und über Empathie verfügen, was es bedeutet, in diesem Land schwarz und eine Frau zu sein.» (James Baldwin)

Louise Meriwether, geboren 1923, war eine amerikanische Autorin, Journalistin, Essayistin und Aktivistin. Sie hat unter anderem Biografien über bedeutende afroamerikanische Persönlichkeiten wie Rosa Parks für Kinder verfasst. Ihr bekanntestes Werk, «Eine Tochter Harlems», ist in Teilen autobiografisch. Louise Meriwether starb am 10. Oktober 2023.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644017948
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum17.10.2023
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.3
Seiten304 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse7995 Kbytes
Artikel-Nr.11381298
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Teil I Eine Tochter Harlems
Eins

«Letzte Nacht hab ich von Fisch geträumt, Francie», sagte Mrs Mackey, als sie die Kette zurückschob und die Tür öffnete, um mich hereinzulassen. «Welche Zahl steht in Madame Zoras Traumbuch bei Fisch?»

«Ich hab letzte Nacht auch von Fischen geträumt», rief ich aufgeregt. Vielleicht würde die Zahl ja heute gewinnen. «Ich hab geträumt, ein großer Katzenfisch ist vom Teller gehüpft und hat mich gebissen. In Madame Zoras Traumbuch steht bei Fisch fünf vierzehn.»

Ich lächelte Mrs Mackey glücklich an. Dass ich zu spät zur Schule kommen und Mrs Oliver mich wieder nachsitzen lassen würde, wenn ich hier noch länger rumstand und mit Mrs Mackey über Träume plauderte, war mir egal.

«Muss da einer noch lange rumdenken» - Mrs Mackey grinste - «wenn wir beide von Fischen träumen? Im Traum letzte Nacht geh ich zur Brücke, ein paar Brassen kaufen, und da fängts an zu regnen. Keine Tropfen, Francie, Fische. Brassen. Also halt ich einfach meinen Beutel auf und fang mir ein paar. Ist das ein Träumchen?»

Beim Lachen blies sie die Backen auf; sie sahen aus wie schwarze Pflaumen, und ich lachte mit. Bei Mrs Mackey musste man immer mitlachen, sie war so lustig und dick. Als sie zum Esstisch watschelte, musste ich ihr die ganze Zeit aufs hüpfende, breite Hinterteil gucken. Wenn Mrs Mackey auf der Straße vorbeiging, riefen die Jungs immer: «Muss Pudding sein, weil Mus nicht wackelt», und sie lachte glatt mit. Sie hatten recht. Ihr Hinterteil war ein wabbelndes, bebendes Wunder, und ich hoffte inständig, dass ich, wenn ich groß wäre, genug Speck auf dem mageren Po hätte, damit ich auch so schön damit schuckeln könnte.

Mrs Mackey setzte sich an den Esstisch, um ihren Schein auszufüllen.

«Mrs Mackey», sagte ich zaghaft, «mein Vater möchte, dass Sie bitte Ihre Zahlen schon vorher fertig ausfüllen, damit ich nicht warten muss. Ich komme immer zu spät zur Schule.»

«Alles schon tippitopp fertig, Schätzchen. Ich will nur noch fünf vierzehn dazuschreiben. Auf die setz ich ´nen Quarter, und sechzig Cent auf Kombination. Wie gehts deinem Daddy und deiner Mama?»

«Beiden gut.»

Sie drückte mir ihren Schein in die Hand, dazu zwei Dollarnoten, die ich in die Tasche meiner Matrosenbluse steckte.

«Die da sind meine letzten zwei Dollar, Francie, also bring mir heute Abend ´nen Gewinn ins Haus, hörst du? Ich wollt gar nicht so viel ausgeben, aber bei so ´nem Fischtraum wie unserem kann man nicht knausern, hä?»

Wir kicherten beide, dann zog ich weiter.

Mit angehaltenem Atem sauste ich die Treppe runter. Himmel, was für ein Gestank im Hausflur, alle Gerüche aus Harlem prallten da aufeinander. Gammelnder Müll im Schacht für den Lastenaufzug mischte sich mit gebratenem Fisch. Ein Säufer hatte in eine Ecke Wein erbrochen und in die andere gepinkelt, und die Fäulnis, die aus dem Keller aufstieg, sagte mir, dass da unten irgendwo eine tote Ratte lag.

Draußen war die Luft nicht viel besser. Der 2. Juni 1934 war ein heißer, drückender Tag. An den Bordsteinkanten standen lauter vollgestopfte Mülltonnen, die in den Rinnstein überquollen, und der müde Gaul, der den Gemüsekarren hinter sich herzog, hatte gerade mitten auf der Straße einen dampfenden Haufen hinterlassen.

Die plötzliche Hitze hatte alle aus den Mietblöcken getrieben. Kleinkinder, die noch zu jung waren für die Schule, spielten auf den Gehwegen, und ihre Mamas hingen aus den Fenstern, um einen kühlen Luftzug zu erhaschen, oder gönnten sich ein paar Minuten auf der Feuertreppe.

Männer hatten sich zusammengerottet, knobelten ihre Zahlen aus, saßen auf Vortreppen oder standen breitbeinig vor den Geschäften rum, die Hemden so schweißschlapp, dass man darunter ihre schwarzen Rippen sehen konnte. Die meiste Zeit schlossen sie Einfachwetten ab - tippten jede Zahl, die ausgeknobelt wurde - und blieben den ganzen Tag auf der Straße, bis die letzte feststand. Ich war froh, dass Daddy nur die Einsätze einsammelte und nicht wie diese Männer an den Straßenecken rumlümmelte. Die Leute fragten mich dauernd, ob ich schon wüsste, welche Zahl rausgekommen war, als wäre ich was Besonderes, und wahrscheinlich war ich das auch. So ein ehrlicher Mann wie Daddy, der gleich am Abend die Treffer auszahlte, war überall beliebt. Der Einsammler, der auch die Gewinne verteilt, ist so was wie der Weihnachtsmann, und am Tag, an dem deine Zahl rauskommt, ist Weihnachten.

Ich bog um die Ecke und rannte über die verbotene 118th Street, weil ich zu spät dran war und für den Umweg um den Block keine Zeit mehr hatte. Daddy wollte nicht, dass ich mich hier rumtrieb, wegen der Prostituierten, aber ich wusste wieso über alles Bescheid. Sukie hatte es mir erzählt, und die kannte sich aus. Ihre Schwester, China Doll, war eine Hure und arbeitete genau an dieser Straße. Außerdem wars noch zu früh fürs Huren, Daddy brauchte sich also keine Sorgen machen, dass ich was Verbotenes sehen könnte.

Ein halbes Dutzend Jungs machten wie immer vor dem Drugstore Faxen, taten, als würden sie mit Rasiermessern kämpfen; ihre Knickerbocker hingen ihnen unter den Kniekehlen, damit sie wie lange Hosen aussahen. Drei von ihnen gehörten zu den Ebony Earls, da war ich ganz sicher. Ich wollte mich vorbeischleichen, aber sie hatten mich schon gesehen.

«Hey, Skinny Mama», rief einer von ihnen. «Wenn du mal zwei Koteletts auf den Rippchen hast, mach ich Liebe mit dir.»

Die anderen Jungs bogen sich vor Lachen, aber ich sauste vorbei, ohne sie weiter zu beachten. An einer Horde Jungs vorbeizugehen war mir furchtbar unangenehm, weil sie mir immer irgendwelche Sprüche hinterherriefen, meist fiese, besonders jetzt, wo ich zwölf war. Ich war mager und schwarz und sah doof aus mit meinen kurzen Haaren und dem langen Hals und der ganzen nackten Haut dazwischen. Wie ein gerupftes Huhn sah ich aus.

«Hey, da läuft ein gelber Hurensohn!», rief einer der Jungs. Sie vergaßen mich und guckten stattdessen rüber zu einem dünnen Jungen, der daraufhin abzischte wie der Seventh Avenue Express. Mit wildem Geheul jagte die Bande ihm hinterher und rannte dabei jeden um, der ihnen in die Quere kam.

«Verdammtes Pack», murmelte eine Frau und rieb sich den Fuß, auf den einer von ihnen getrampelt war.

Hoffentlich konnte der hellhäutige Junge ihnen entkommen. Die Meute verschwand in der Lenox Avenue, und ihr Geheul wurde leiser.

Ich rannte weiter, aber als ich in die Fifth Avenue bog, wich ich rasch zurück, denn da war Sukie, allein vor meinem Haus beim Hüpfspiel, als wärs ihr egal, ob sie zu spät zur Schule kommt oder nicht. Diese Sukie. Sie war ein Jahr älter als ich, aber nicht viel größer. Ich wartete, bis sie sich von mir weggedreht hatte, dann sprintete ich auf unseren Hauseingang zu. Aber sie hatte mich gesehen, ihr kupfriges Gesicht wurde ganz rosa, und sie jagte mir nach wie eine Feuerhexe. Ich galoppierte um den Absatz im ersten Stock, als ich sie unten im Eingang hörte.

«Irgendwann musst du runterkommen, du Miststück, und wenn ich dich erwisch, gibt es Prügel.»

Diese Sukie. Wir waren beste Freundinnen, aber wenn sie giftig war, was oft passierte, zettelte sie Streit an, und wenn sie mir drohte, mich zu verprügeln, dann machte sie das auch.

Ich rannte weiter, bis ich ganz oben war, dann sackte ich auf der letzten Stufe zusammen und lehnte meinen Kopf ans rostige Geländer. Da hörte ich was auf der Dachtreppe, und mein Herz fing einen wilden Stepptanz an, wie immer, wenn ich Angst hatte.

Jemand flüsterte: «Hey, Kleine!»

Ich schlich ums Geländer herum und spähte nach oben, direkt ins Gesicht dieses weißen Mannes, der mir letzten Montag ins Kino gefolgt war. Als er versucht hatte, meine Beine zu betatschen, hab ich den Platz gewechselt. Aber er ist hinterher, hat sich einfach neben mich gesetzt und mir einen Dime gegeben. Dann hat er mir die Hände untern Rock geschoben, aber als er sich unter mein enges Schlüpfergummi vorfummeln wollte, hab ich mich schnell wieder umgesetzt. Ja, das war derselbe Mann, klein, vorn Glatze, hinten so ´n Kranz mit fisseligen Haaren. Er stand in der Tür zum Dach.

«Komm ein Weilchen zu mir rauf, meine Kleine», flüsterte er.

Ich schüttelte den Kopf.

«Ich hab einen Dime für dich.»

«Schmeiß runter.»

«Komm und hol ihn dir. Ich tu dir nichts. Du sollst den hier nur mal anfassen.»

Er fummelte an seiner Hose rum und holte seinen Pipimann raus. Der war richtig hässlich, lila und nass. Sukie hat erzählt, dass es alle tun. Ficken. So werden Kinder gemacht, hat sie gesagt. Dass die Huren das machten, glaubte ich schon, aber doch nicht meine Eltern. Sukie behauptete jedoch steif und fest, alle täten es, und sie hatte meist recht.

«Komm hoch zu mir, meine Kleine. Ich tu dir nichts.»

«Will aber nicht.»

«Ich geb dir einen Dime.»

«Schmeiß runter.»

«Komm hoch und hol ihn dir.»

«Ich sags meinem Daddy.»

Er warf den Dime runter. Als ich ihn aufhob, verschwand der Mann durch die Tür aufs Dach. Ich stemmte mich gegen unsere Wohnungstür, die einfach aufsprang. Daddy versprach dauernd, das Schloss zu reparieren, machte es aber nie.

Unsere...
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Autor

Louise Meriwether, geboren 1923, war eine amerikanische Autorin, Journalistin, Essayistin und Aktivistin. Sie hat unter anderem Biografien über bedeutende afroamerikanische Persönlichkeiten wie Rosa Parks für Kinder verfasst. Ihr bekanntestes Werk, «Eine Tochter Harlems», ist in Teilen autobiografisch. Louise Meriwether starb am 10. Oktober 2023.Andrea O'Brien übersetzt zeitgenössische Literatur aus dem Englischen. Sie wurde bereits mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Arbeitsstipendium des Freistaats Bayern (2016) und mit dem Literaturstipendium der Stadt München (2019). O'Brien lebt und arbeitet in München.Magda Birkmann ist seit ihrer Jugend begeisterte Schatzsucherin in Bibliotheken, Antiquariaten und auf Bücherflohmärkten, seit 2018 teilt sie diese Begeisterung für Literatur als Buchhändlerin in der Berliner Buchhandlung Ocelot und als freiberufliche Literaturvermittlerin auch regelmäßig mit der Öffentlichkeit. Magda Birkmann ist Mitglied der Jury für den Deutschen Buchpreis 2024. Nicole Seifert ist gelernte Verlagsbuchhändlerin undpromovierte Literaturwissenschaftlerin. Sie lebt inHamburg und arbeitet frei als Autorin, Übersetzerin undLiteraturkritikerin. 2021 erschien bei Kiepenheuer & Witsch ihr Buch FRAUEN LITERATUR, Abgewertet, vergessen, wiederentdeckt, 2024 folgte "Einige Herren sagten etwas dazu", Die Autorinnen der Gruppe 47.James Baldwin, geboren 1924 in New York, wuchs in Armut in New York auf. Engagement in der Civil Rights Bewegung. 1948 ging er nach Paris. 1953 wurde seine erste Erzählung Go Tell It on the Mountain veröffentlicht. Gestorben 1987 in Saint Paul-de-Vence (Côte d'Azur).Magda Birkmann ist seit ihrer Jugend begeisterte Schatzsucherin in Bibliotheken, Antiquariaten und auf Bücherflohmärkten, seit 2018 teilt sie diese Begeisterung für Literatur als Buchhändlerin in der Berliner Buchhandlung Ocelot und als freiberufliche Literaturvermittlerin auch regelmäßig mit der Öffentlichkeit. Magda Birkmann ist Mitglied der Jury für den Deutschen Buchpreis 2024. Hannes Riffel ist gelernter Verlagsbuchhändler und seit dreißig Jahren als freischaffender Übersetzer und Lektor tätig. Er wurde viermit dem Kurd-Laßwitz-Preis für die beste Übersetzung des Jahres ausgezeichnet. 2023 hat er, zusammen mit Hardy Kettlitz, den Carcosa Verlag gegründet.