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Glänzende Aussicht

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
176 Seiten
Deutsch
Hoffmann und Campe Verlagerschienen am03.02.2024
Der Durchbruchs- und Supererfolgsroman der chinesischen Bestsellerautorin | »Eine unglaublich reiche Geschichte.« Lukas Bärfuss, SRF Literaturclub Dieser heute in China unterdrückte Roman machte Fang Fang bei seinem Erscheinen 1987 schlagartig berühmt: Glänzende Aussicht erzählt das Leben einer einfachen Arbeiterfamilie aus Wuhan aus Sicht des verstorbenen jüngsten Sohnes. Es ist ein drastisches Porträt: Zu elft haust die Familie in einer dreizehn Quadratmeter kleinen Hütte. Schon die Jüngsten lernen stehlen, um ihren Beitrag zum Familienleben zu leisten, Schlägereien sind an der Tagesordnung und zärtlichere Töne rar. Im Schatten eines Vaters, der vor allem mit der Faust erzieht, versuchen die neun Brüder und Schwestern auf je eigene Weise, den Fesseln ihrer Herkunft und den Nachwehen der Kulturrevolution zu entkommen und eine bessere Zukunft zu finden. Mit einem Nachwort des Übersetzers Michael Kahn-Ackermann »Mit einer Lakonie erzählt, der gleichzeitig das Kunststück gelingt, nicht kalt, sondern warmherzig zu sein.« Mark Siemons, Frankfurter Allgemeine Zeitung »Ein burleskes Buch, traurig und komisch, von einer schönen Logik der Zärtlichkeit.« Fritz Göttler, Süddeutsche Zeitung »Ein Buch, das mich sprachlich umgehauen hat.« Laura de Weck, SRF Literaturclub »Ein schmales Buch, das lange nachhallt.« Corinne Orlowski, WDR3 Lesestoff

Fang Fang ist eine der bekanntesten Schriftstellerinnen Chinas. Sie wurde 1955 geboren und lebt seit ihrem zweiten Lebensjahr in Wuhan. Ihr 2020 auf Deutsch erschienenes Wuhan Diary stand wochenlang auf der Spiegel-Bestsellerliste. Zuletzt erschien von ihr bei Hoffmann und Campe der vielfach gefeierte Roman Glänzende Aussicht (2024).
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR18,99

Produkt

KlappentextDer Durchbruchs- und Supererfolgsroman der chinesischen Bestsellerautorin | »Eine unglaublich reiche Geschichte.« Lukas Bärfuss, SRF Literaturclub Dieser heute in China unterdrückte Roman machte Fang Fang bei seinem Erscheinen 1987 schlagartig berühmt: Glänzende Aussicht erzählt das Leben einer einfachen Arbeiterfamilie aus Wuhan aus Sicht des verstorbenen jüngsten Sohnes. Es ist ein drastisches Porträt: Zu elft haust die Familie in einer dreizehn Quadratmeter kleinen Hütte. Schon die Jüngsten lernen stehlen, um ihren Beitrag zum Familienleben zu leisten, Schlägereien sind an der Tagesordnung und zärtlichere Töne rar. Im Schatten eines Vaters, der vor allem mit der Faust erzieht, versuchen die neun Brüder und Schwestern auf je eigene Weise, den Fesseln ihrer Herkunft und den Nachwehen der Kulturrevolution zu entkommen und eine bessere Zukunft zu finden. Mit einem Nachwort des Übersetzers Michael Kahn-Ackermann »Mit einer Lakonie erzählt, der gleichzeitig das Kunststück gelingt, nicht kalt, sondern warmherzig zu sein.« Mark Siemons, Frankfurter Allgemeine Zeitung »Ein burleskes Buch, traurig und komisch, von einer schönen Logik der Zärtlichkeit.« Fritz Göttler, Süddeutsche Zeitung »Ein Buch, das mich sprachlich umgehauen hat.« Laura de Weck, SRF Literaturclub »Ein schmales Buch, das lange nachhallt.« Corinne Orlowski, WDR3 Lesestoff

Fang Fang ist eine der bekanntesten Schriftstellerinnen Chinas. Sie wurde 1955 geboren und lebt seit ihrem zweiten Lebensjahr in Wuhan. Ihr 2020 auf Deutsch erschienenes Wuhan Diary stand wochenlang auf der Spiegel-Bestsellerliste. Zuletzt erschien von ihr bei Hoffmann und Campe der vielfach gefeierte Roman Glänzende Aussicht (2024).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783455016796
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum03.02.2024
Seiten176 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1191 Kbytes
Artikel-Nr.11413715
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
CoverVerlagslogoTitelseiteMotto1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel14. KapitelNachwortFußnotenBiographienImpressummehr
Leseprobe

2. Kapitel

Seit seiner Hochzeit bewohnte Vater mit seiner Frau, seinen sieben Söhnen und zwei Töchtern ein dreizehn Quadratmeter großes Zimmer mit Wänden aus Holzbrettern in den Henan-Baracken in Hankou. Hier zeugten und gebaren er und Mutter im Verlauf von siebzehn Jahren ihre neun Kinder. Ein achter Sohn starb einen halben Monat nach der Geburt. Vater war über den frühen Tod des kleinen Lebewesens untröstlich. Er war damals achtundvierzig Jahre alt. Nicht nur, dass das Neugeborene, wie er, im Jahr des Tigers geboren wurde, sondern es erblickte auch am selben Tag, im selben Monat, zur selben Zeit das Licht der Welt. Überglücklich wiegte Vater den kleinen Sohn fünfzehn Tage in seinen Armen, keinem der anderen Kinder war ein solches Maß an Vaterliebe vergönnt gewesen. Am 16. Tag jedoch wurde das Baby plötzlich am ganzen Körper von Krämpfen geschüttelt und hauchte am Abend desselben Tages sein Leben aus. Mutters Schreck über Vaters bodenlose Trauer ließ sie fast ohnmächtig werden. Vater kaufte Bretter, zimmerte einen winzigen Sarg und begrub das Baby unter dem Fenster vor der Baracke. Das Baby bin ich.

Ich bin Vater unendlich dankbar, dass er mir zu einer Existenz aus Fleisch und Blut und zu einer ewigen Gemeinschaft mit meiner Familie verholfen hat. In aller Stille habe ich das Leben und Aufwachsen meiner Geschwister beobachtet, ihre Kämpfe mit den armseligen Verhältnissen und ihre Prügeleien untereinander. Ich habe jeden von ihnen aus dem Fenster gelehnt sagen hören, der kleine Bruder Acht habe es von allen am besten getroffen. Obgleich ich in keiner Weise dafür verantwortlich bin, dass das Schicksal mir gegenüber, verglichen mit ihnen, so viel gnädiger gewesen ist, plagen mich häufig Gewissensbisse. Beim Beobachten meiner Eltern und Geschwister fühle ich mich oft schuldig, dass ich so viel glücklicher und ruhiger bin als sie. In für sie besonders schlimmen Momenten überfällt mich der Impuls, aufzustehen, mein rundum seliges Refugium zu verlassen und ihr Elend zu teilen. Aber am Ende schrecke ich davor zurück. Ihre Welt jagt mir, ehrlich gesagt, Angstschauer ein. Ich bin feige, ein Schwächling und bitte dafür meine Lieben oft um Verzeihung. Ich bitte sie um Verzeihung, dass ich als Einziger die Ruhe und Wärme genieße, die ihnen allen zusteht, bitte sie um Verzeihung, dass ich mit ungerührtem Blick bis in jedes Detail ihre Mühseligkeiten und Aufregungen verfolge, ihre Qualen und Ängste beobachte.

Das war der Fall im Jahr 1961, als die neun Kinder mit vor Hunger stumpfen Blicken ihre mageren Hälse Vater und Mutter entgegenreckten.8 Damals erst begruben Vater und Mutter ihren in jungen Jahren gefassten Plan, einen kompletten Zug9 in die Welt zu setzen.

Im Zimmerchen gab es ein großes Bett und einen niedrigen kleinen Esstisch. Mit Kleidern voll gestopfte Holzbottiche und Kartons stapelten sich in einer Ecke. Für die beiden Töchter hatte Vater ein winziges Dachgeschoss gebaut. Die sieben Söhne schliefen nebeneinander aufgereiht auf abends provisorisch auf die Erde gelegten Matten. Vater zählte sie jeden Abend vor dem Schlafengehen, ihm genügte die Feststellung, dass alle noch am Leben waren. Anschließend fiel er aufs Bett, benutzte Mutters Arm als Kopfkissen und begann zu schnarchen.

Vater erzählte, dass dieser Ort Henan-Baracken10 genannt wurde, weil Großvater sich mit einer Gruppe anderer auf der Flucht vor einer Hungersnot hier angesiedelt habe. Heute ist das Gelände der Henan-Baracken mehr oder weniger Teil des Stadtzentrums. In Richtung Süden stieß man nach Überquerung der Peking-Kanton Bahnlinie auf die Bahnhofstraße. An ihrem Ende erhob sich, düster wie eine Kirche, der Bahnhof von Hankou. Bog man von der Bahnhofstraße nach rechts ab, kam man auf den Abschnitt des Sun-Yatsen-Boulevards, auf dem sich Geschäft an Geschäft reihte. Hier befanden sich nahezu alle die von Menschengedränge erfüllten Orte, zum Beispiel das Iron-Bird-Fotostudio, das Tongcheng-Hotel, die Bekleidungsfabrik Nr. 1, die Yangtze-Straße, die Jianhan-Straße, die Liudu-Brücke. Vater überquerte jeden Tag den Sun-Yatsen-Boulevard, um direkt in den Binjiang-Park11 zu gelangen, wo er Taijiquan praktizierte. Er brüstete sich dort vor seinen Taijiquan-Freunden damit, dass er zu den Alteingesessenen der Henan-Baracken gehöre. Um der Wahrheit willen muss jedoch auch gesagt werden, dass die alteingesessenen Bewohner Hankous es unter ihrer Würde gefunden hätten, die Ortsbezeichnung Henan-Baracken anders als im Ton der Verachtung in den Mund zu nehmen.

Vater erzählte, Großvater sei 1886, im zwölften Regierungsjahr des Guangxu-Kaisers, auf der Flucht vor einer Hungersnot aus Zhoukou in der Provinz Henan nach Hankou gekommen und dort Dockarbeiter geworden. Bruder Vier war daher in der dritten Generation in diesem Gewerbe tätig. Bruder Drei sprach häufig davon, dass, wenn Großvater Soldat geworden wäre, er womöglich an der Qinhai-Revolution12 teilgenommen und sich zu einem Anführer aufgeschwungen hätte. Dann wäre die Familie vielleicht zu Vermögen gekommen, und er und die Geschwister würden heute zu den Pekinger »Söhnen und Töchtern hoher Funktionäre«13 gehören. Er rede einen Scheißdreck, brüllte Vater dann. Im Vergleich zu Großvaters Leben sei das Leben von Leuten, die anders gelebt hätten, total bedeutungslos. Großvater sei ein Baum von einem Mann gewesen, kraftstrotzend wie ein Büffel, großzügig und hilfsbereit bis zur Selbstaufgabe. Er sei früh Mitglied der Hong-Bruderschaft14 geworden. Es war damals die Hochzeit der Kämpfe zwischen den Dock-Gangs. Großvater habe dabei seine außergewöhnlichen Fähigkeiten bewiesen und sei von sämtlichen »Drachenkopf-Krückstöcken«15 der Bruderschaft hoch geschätzt worden. Großvater habe zu hundert Prozent zu seinen Kumpels gestanden und habe sich bei jedem Ruf mit Feuereifer an vorderster Front ins Getümmel gestürzt. Vater erzählte, er habe als Vierzehnjähriger Großvater zu den Dockkämpfen begleitet und habe mit eigenen Augen Großvaters Heldenmut und Wildheit gesehen. Später sei Großvater bei einem üblen Kampf schwer verwundet worden. Mehrere Rippen seien gebrochen, sein gesamter Körper blutüberströmt gewesen, als hätte man ihn in ein rotes Tuch gewickelt. Als man ihn dem Tode nahe auf einer Bahre nach Hause schaffte, habe auf seinem Gesicht noch immer ein Lächeln gestanden. Vater erzählte, Yan Qizhou, Chef aller Chefs, habe extra Leute mit Weißpulver aus Yunnan zu Großvater geschickt. Yan Qizhou war damals der in Hankou berühmteste »Kaiser der Docks«, und Vater spricht noch heute seinen Namen mit ehrfürchtigem Schauder aus. Aber auch dessen Medizin konnte Großvaters Leben nicht retten. Großvater klopfte Vater zweimal auf die Schulter und verschied. Vater kniete tränenüberströmt vor dem Sterbenden. Als er Großvaters Kopf sich zur Seite neigen sah, schrie er auf und stürzte sich über ihn. Alle Anwesenden begriffen sofort, dass es mit Großvater zu Ende gegangen war. Schluchzen und Klagen erhoben sich wie aus der Ferne heranrollender Donner. Die Zahl der um Großvater Trauernden war schier unüberschaubar. Bis heute versteht Vater nicht, warum es so viele waren. Er vermutet, es habe daran gelegen, dass Großvater sich bei den Dockkämpfen so hervorgetan hatte. Vater war damals zwanzig. Abgesehen davon, dass er etwas weniger robust gewachsen war, glich er Großvater aufs Haar. Drei Tage nachdem er Großvater beerdigt hatte, sei er zu einem Dockkampf gerufen worden. Den Gegnern sei der Mund offen stehen geblieben, als er sich mit Funken sprühenden Augen ins Gefecht stürzte, und manche hätten sich zitternd gefragt, ob sie einem Menschen oder einem Dämon gegenüberstanden.

An dieser Stelle seiner Erzählung angelangt, brach Vater jedes Mal in dröhnendes Gelächter aus. Hatte er sich ausgelacht, nahm er einen kräftigen Schluck Schnaps, schob sich an die zehn Sojabohnen auf einmal in den Mund und zerkaute sie krachend.

Jedes Mal wenn Vater trank, erzählte er endlos von seinen »Kriegsabenteuern«. Alle Söhne hatten dann brav und still um ihn herum zu sitzen und aufmerksam seiner »Traditionserziehung« zu lauschen. Als Bruder Zwei einmal zu einem Freund gehen wollte, um zur Vorbereitung der Aufnahmeprüfung der weiterführenden Schule Unterrichtsstoff zu wiederholen, kamen wie aus dem Nichts, noch ehe er die Wohnungstür erreicht hatte, von Vater geworfene geröstete Sojabohnen einschließlich des Tellers hinter ihm hergeflogen. Die Schwestern Großer Duft und Kleiner Duft stießen spitze Schreie aus, die Sojabohnen verstreuten sich auf dem Fußboden, der Teller flog Bruder Zwei ins Gesicht und hinterließ eine bluttriefende Schnittwunde auf seiner Stirn. »Los, setz dich«, sagte Vater, »und hör deinem Alten zu, wie aus ihm ein anständiger Mensch geworden ist.« Seither traute sich keiner mehr in solchen Situationen auch nur mit dem Hintern zu wackeln. Bruder Sieben konnte ein paarmal vor Angst das Wasser nicht halten und pinkelte sich in die Hosen.

Wenn Vater aus der Vergangenheit erzählte, war Mutter seine treueste Zuhörerin. Sie hatte ein weitaus besseres Gedächtnis als er und bei der Nennung von Daten, Orten und Namen war er vollständig auf Mutters Angaben angewiesen. Konnte auch Mutter sich nicht erinnern, musste sich Vater verzweifelt gegen die Stirn trommeln, um seinem Gedächtnis nachzuhelfen, wobei sich sein Gesicht vor Anstrengung zu einer schmerzvollen Grimasse verzerrte. Wenn er sich an ein Detail nicht erinnern konnte, war er außerstande, die...
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Fang Fang ist eine der bekanntesten Schriftstellerinnen Chinas. Sie wurde 1955 geboren und lebt seit ihrem zweiten Lebensjahr in Wuhan. Ihr 2020 auf Deutsch erschienenes Wuhan Diary stand wochenlang auf der Spiegel-Bestsellerliste. Zuletzt erschien von ihr bei Hoffmann und Campe der vielfach gefeierte Roman Glänzende Aussicht (2024).