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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
320 Seiten
Deutsch
Hoffmann und Campe Verlagerschienen am04.01.2024
Eine stimmgewaltige, elektrisierende Geschichte über soziale Ungerechtigkeit und städtische Gewalt,  ein moderner Schelmenroman über den  Aufstieg und Fall zweier Männer und ihrer Familien aus dem Nichts.   Porto Alegre, heute: Das Leben ist hart. Tag für Tag schleppen sich Pedro und Marques in den Supermarkt in den rauen Favelas. Sie schuften und rackern und leben trotzdem nur von der Hand in den Mund. Sie haben die Schnauze voll. Warum geht es so vielen Leuten besser als ihnen?   Weil sie ein paar Dealer kennen und die Möglichkeit sehen, sich etwas dazuzuverdienen, verticken sie bald kleine Mengen Gras.  Fast  unmerklich  bauen sie ein florierendes Unternehmen auf.  Aber mit den steigenden Umsätzen werden der Witz und der Charme, mit denen sie anfingen, zu Gewalt und Einschüchterung. Die sorgfältig organisierte Welt bekommt Risse, bevor sie in einem letzten, tödlichen Showdown untergeht. 

José Falero wurde 1987 in Porto Alegre geboren, wo er auch heute lebt. Er hat als Maurergeselle gearbeitet und bereits eine Sammlung von Kurzgeschichten über das Leben der ärmeren Bevölkerung im Süden Brasiliens veröffentlicht. All seine Texte durchzieht eine Mischung aus lyrischem Storytelling, sozialer Beobachtung, meisterlicher Dialoge und einem unglaublichen Gespür für die Alltagssprache seines Personals. Supermarkt ist sein erster Roman, er war nach Erscheinen 2020 der literarische Überraschungserfolg Brasiliens und hat sich bisher über 30.000-mal verkauft.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR25,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR19,99

Produkt

KlappentextEine stimmgewaltige, elektrisierende Geschichte über soziale Ungerechtigkeit und städtische Gewalt,  ein moderner Schelmenroman über den  Aufstieg und Fall zweier Männer und ihrer Familien aus dem Nichts.   Porto Alegre, heute: Das Leben ist hart. Tag für Tag schleppen sich Pedro und Marques in den Supermarkt in den rauen Favelas. Sie schuften und rackern und leben trotzdem nur von der Hand in den Mund. Sie haben die Schnauze voll. Warum geht es so vielen Leuten besser als ihnen?   Weil sie ein paar Dealer kennen und die Möglichkeit sehen, sich etwas dazuzuverdienen, verticken sie bald kleine Mengen Gras.  Fast  unmerklich  bauen sie ein florierendes Unternehmen auf.  Aber mit den steigenden Umsätzen werden der Witz und der Charme, mit denen sie anfingen, zu Gewalt und Einschüchterung. Die sorgfältig organisierte Welt bekommt Risse, bevor sie in einem letzten, tödlichen Showdown untergeht. 

José Falero wurde 1987 in Porto Alegre geboren, wo er auch heute lebt. Er hat als Maurergeselle gearbeitet und bereits eine Sammlung von Kurzgeschichten über das Leben der ärmeren Bevölkerung im Süden Brasiliens veröffentlicht. All seine Texte durchzieht eine Mischung aus lyrischem Storytelling, sozialer Beobachtung, meisterlicher Dialoge und einem unglaublichen Gespür für die Alltagssprache seines Personals. Supermarkt ist sein erster Roman, er war nach Erscheinen 2020 der literarische Überraschungserfolg Brasiliens und hat sich bisher über 30.000-mal verkauft.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783455016635
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum04.01.2024
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1311 Kbytes
Artikel-Nr.11431160
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
CoverVerlagslogoTitelseiteWidmung12345678910111213141516171819202122DanksagungBiographienImpressummehr
Leseprobe

1

Eine unerfreuliche Angelegenheit

»Nee, wirklich, tchê? Ist ja unfassbar!«

Das Handy, in das Senhor Geraldo sprach, war definitiv nicht für seine riesigen Pranken gemacht. Er hatte nicht weniger als fünf Versuche gebraucht, um die Nummer seines Chefs in die winzigen Tasten zu tippen. Als er Senhor Amauri endlich am Apparat hatte, schien er kaum glauben zu können, dass der andere ihn hörte, so laut brüllte er jedes Wort.

»Gut, aber deswegen habe ich nicht angerufen.« Er lachte. »Eigentlich wollte ich fragen, ob wir uns nicht vielleicht zum Mittagessen treffen könnten, um eine ... ähm ... sagen wir, unerfreuliche Angelegenheit zu besprechen.«

Jedes einzelne Detail, vom lockeren Tonfall bis zur indirekten Frage, alles hatte Senhor Geraldo genauestens durchdacht und außerdem drei- oder viermal geprobt, um zu hören, wie es klang. Besser als jeder andere wusste er, dass Senhor Amauri als Chef der Fênix-Supermarktkette ständig einen Haufen Probleme zu lösen und deswegen praktisch nie Zeit hatte, weshalb er unerwartete Einladungen nicht schätzte, selbst wenn sie von seinem engagiertesten und kompetentesten Manager kamen, was Senhor Geraldo in der Tat war, und sie darüber hinaus gut befreundet waren.

Tatsächlich war sein Chef verärgert.

»Hör zu, Geraldo, was auch immer für Probleme du in deinem Laden hast, du bist befugt, sie selbst zu lösen. Um ehrlich zu sein, du bist nicht nur befugt, sondern sogar verpflichtet, sie selbst zu lösen. Du bist schließlich der Manager. Oder nicht?«

»Doch, ja, natürlich, aber ...« Senhor Geraldo räusperte sich. Obwohl er davon ausgegangen war, dass sein Chef nicht begeistert sein würde, hatte er nicht mit einer derart vehementen Ablehnung gerechnet. »Hör mal, tchê, wenn du es genau wissen willst, ich bin nicht unbedingt stolz darauf, was ich jetzt sagen werde«, fuhr er fort, diesmal aus dem Stegreif. »Aber ich denke, du wirst mich verstehen. Ich hoffe es zumindest. Die Sache ist die: Ich weiß einfach nicht, wie ich dieses spezielle Problem lösen soll. Das ist alles.« Dann hatte er einen Geistesblitz: »Du warst doch auch mal Manager, Amauri, und ich frage mich, ging es dir denn damals nie so, also warst du nicht ein einziges Mal in der Situation, dass du nicht mehr wusstest, was du tun sollst?«

»Gut ... also, manchmal ... manchmal vielleicht schon ...«, gab Senhor Amauri widerwillig zu, da er nicht wusste, wie er die Andeutung ignorieren sollte, ohne überheblich zu wirken. »Aber«, fing er wieder an, »kannst du denn wirklich nicht allein eine Lösung finden? Müssen wir uns unbedingt treffen?«

»Also, tchê, wenn ich es nicht für so wichtig hielte, hätte ich ja gar nicht erst angerufen.«

Amauri schnalzte mit der Zunge.

»Na gut. Wenn es denn sein muss. Dasselbe Restaurant wie letztes Mal, ja? In einer halben Stunde?«

»Ja, natürlich, wunderbar«, stimmte Geraldo zu und genoss seinen kleinen Triumph. »Danke, und bis gleich. Liebe Grüße.«

Er legte das Handy weg, lehnte sich in seinem Drehstuhl zurück, zündete sich eine Zigarette an und sah sich in seinem kleinen Büro um. Der ganze Raum war vollgestopft mit Dingen, für die sich nie ein geeigneter Platz finden ließ, es sah eher aus wie ein improvisierter Lagerraum denn wie das Büro eines Supermarktleiters. So viele Jahre schon war er in diesen Raum eingesperrt ... Er hasste es, aber diesmal verspürte er noch etwas anderes. Nicht, dass sich irgendetwas geändert hätte, ganz im Gegenteil. Es wäre ein Leichtes gewesen, sich wieder aufzuregen, er musste sich nur die vielen Unannehmlichkeiten in diesen vier Wänden vor Augen führen. Andererseits machten seine Probleme ihm bewusst, was dieser Raum, so klein und vollgestellt er auch sein mochte, alles für ihn repräsentierte: einen guten Job, ein geregeltes Leben, eine hart erkämpfte Position ... Er fragte sich, wie lange er wohl noch hier sitzen würde, und seufzte. In letzter Zeit seufzte er oft.

Senhor Geraldo war untersetzt und neigte zu Fettleibigkeit. Er hatte weit aufgerissene Glupschaugen, eine Knollennase und insgesamt etwas Grobes, Vulgäres an sich. Trotz seiner tadellos gekämmten grauen Haare und seinem glatten, bartlosen Gesicht wirkte er kein bisschen kultiviert. Dank der sonoren Stimme und seiner gutmütigen, ein wenig ironischen, einschüchternden Art ließ sich manchmal nur schwer sagen, wann er scherzte und wann er es ernst meinte. Man würde kaum denken, dass mehr hinter ihm steckte als auf den ersten Blick erkennbar: ein ungehobelter Kerl ohne jede Ausstrahlung, vermeintlich elegant gekleidet, genauer gesagt, ein Mensch aus ärmlichen Verhältnissen, der es mit mühsamer Rechtschaffenheit zu etwas gebracht hatte. Die Mitarbeiter liebten ihn, weil er ihnen nicht jeden Fehler ankreidete, nicht zu viel von ihnen verlangte und nicht den Tyrannen spielte, neben anderen Vorzügen, die jeder mehr oder weniger vernünftige Angestellte zu schätzen wusste. Allerdings graute ihm regelrecht vor Müßiggängern, Menschen, die alles dafür taten, nichts zu tun. Er hasste Drückeberger. Um mit gutem Beispiel voranzugehen, half er selbst bei der körperlichen Arbeit im Supermarkt, vergoss literweise Schweiß und packte genauso hart mit an wie die Fleißigsten seiner Untergebenen, und das, obwohl er als Manager natürlich keineswegs dazu verpflichtet war.

Nachdem er seine Zigarette geraucht hatte, übergab er den Supermarkt der Obhut von Paulo, seinem Stellvertreter, und machte sich auf den Weg zu seiner Verabredung mit Senhor Amauri. Erst einige Minuten nach ihm betrat dieser das Restaurant in seinen eleganten Lackschuhen, die ihm Senhor Geraldo selbst zum letzten Geburtstag geschenkt hatte, was er sofort bereute, als er ihn sie anprobieren sah und zu spät erkannte, wie viel besser sie ihm selbst gestanden hätten. Enthusiastisch schüttelten sie sich die Hände und wechselten breit lächelnd ein paar Begrüßungsworte. Als kurz darauf das Essen serviert wurde, war nicht zu übersehen, dass beide Hunger hatten.

»Sag mal, Geraldo, was machen deine Rückenschmerzen?«, fragte Senhor Amauri unerwartet, nachdem er geräuschvoll ein nur halb gekautes Stück Fleisch heruntergeschluckt hatte. Aus seinem roten Pferdegesicht sprachen Neugier und Sorge.

Senhor Geraldo ließ das Messer sinken und machte eine Bewegung, als wollte er eine Fliege verscheuchen.

»Ach, lass uns nicht damit anfangen. Der Arzt meinte, die Schmerzen würden allmählich nachlassen, bis sie irgendwann ganz weg sind. Na ja, also warte ich ab.«

»Er hat dir doch bestimmt Ruhe empfohlen.«

»Hat er. Aber du weißt ja, wie Ärzte sind.«

»Klar. Und ich weiß vor allem, wie du bist«, erwiderte Senhor Amauri.

Geraldo rollte mit den Augen, die Predigt, die jetzt folgte, kannte er in- und auswendig. Jedes Mal musste er damit anfangen. Es war wie ein unverzichtbares Ritual.

Und tatsächlich fuhr er tadelnd fort: »Du machst morgens den Laden auf und machst ihn abends zu ... Kommst als Erster, gehst als Letzter ... Nie ruhst du mal aus. Stimmt doch.« Er schüttelte den Kopf. »Hör mal, tchê, das musst du nicht, das weißt du. Warum machst du es nicht wie die anderen und teilst dir die Verantwortung mit deinem Abteilungsleiter?«

»Ach, ich hab eben gern ein Auge auf alles«, antwortete Senhor Geraldo achselzuckend zwischen zwei Bissen. »Das haben wir doch schon besprochen, Amauri. Genauso, wie wir besprochen haben, dass du in meiner Anwesenheit nicht diese Schuhe tragen sollst.«

Senhor Amauri war nicht gut darin, einen strategischen Themenwechsel zu erkennen. Er lächelte.

»Dabei hatte ich sie vorhin gar nicht an. Ich war extra noch zu Hause und hab sie angezogen, nur um dich zu ärgern.«

Daraufhin schwiegen sie eine Weile. Beide hielten es offensichtlich für besser, mit dem Hauptthema bis nach dem Essen zu warten. Noch bevor sie die Teller geleert hatten, nutzte Amauri die Gelegenheit für ein Anliegen: »Ich schätze, ich werde dir nächste Woche ein paar Leute abziehen müssen, Geraldo. Sieht so aus, als wollten diesen Sommer alle an den Strand. Da ist die Hölle los: endlose Schlangen an den Kassen, Kunden, die sich ständig über alles beschweren ...« Er zog die Augenbrauen zusammen und schüttelte den Kopf, wie um den Gedanken loszuwerden. »Ein Chaos, du kannst es dir nicht vorstellen. Jedenfalls rekrutiere ich Kassiererinnen aus den Filialen in der Stadt und schicke sie nach Cidreira, Pinhal, Quintão und andere Orte an der Küste. Für, sagen wir, zwei Wochen. Was meinst du? Ginge das?«

»Ja, sicher, ich bin voll besetzt«, erklärte Senhor Geraldo nicht ohne Stolz. »Außerdem, bei uns ist sowieso kaum was los. Porto Alegre ist wie leergefegt. Scheint tatsächlich, als wären alle an den Strand gereist. Ja, ich denke, drei Kassiererinnen kann ich dir problemlos überlassen. Zwei Wochen, sagst du?«

»Vielleicht auch länger. Das ist wirklich nicht normal, selbst im Sommer, und ich habe keine Ahnung, wie lange es dauern wird. Jedenfalls nicht genau.«

Daraufhin senkten sie den Blick und widmeten sich wieder dem Essen. Als sie fertig waren, riefen sie den Kellner. Nein, danke, keinen Nachtisch, stattdessen hätten sie gern einen Kaffee. Danke. Der Kellner verschwand mit den schmutzigen Tellern und versprach, gleich wieder da zu sein. Senhor Amauri machte es sich auf seinem Stuhl bequem und verschränkte die Hände auf dem Tisch.

»Nun gut, nun gut ...« Er lächelte selbstzufrieden und kniff die Augen zusammen. »Kommen wir also zu der unerfreulichen Angelegenheit, die du erwähntest, was immer es...

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