Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

M. Die letzten Tage von Europa

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Klett-Cotta Verlagerschienen am14.10.2023Die Auflage entspricht der aktuellen Auflage der Print-Ausgabe zum Zeitpunkt des E-Book-Kaufes
»M ist der beste literarische Impfstoff gegen Populismus, den es gibt.«Corriere della Sera Das verhängnisvolle Bündnis von Hitler und Mussolini markiert den Höhepunkt von M - dem großen, mit zahlreichen Preisen ausgezeichneten literarischen Bestseller aus Italien. Auf einzigartige Weise zeichnet Antonio Scurati die letzten Tage eines gespaltenen Europas nach, das nicht in der Lage ist, dem Totalitarismus zu entkommen. Am 3. Mai 1938 erwartet Mussolini in Rom Adolf Hitler zu einem Staatsbesuch. Wenige Wochen zuvor hat Hitler den Anschluss Österreichs verkündet, während sich Mussolini darauf vorbereitet, folgenreiche Rassengesetze zu erlassen. Noch gibt sich Mussolini der Illusion hin, die Entscheidungen des deutschen Staatsoberhauptes beeinflussen zu können. Doch Hitler geht aus dem Kräftemessen als Sieger hervor und verpflichtet Italien mit der Unterzeichnung des Stahlpakts als Bündnispartner. Am Abend des 10. Juni 1940 verkündet Mussolini schließlich die Entscheidung, Nazi-Deutschland im Krieg gegen die Alliierten beizustehen. Antonio Scuratis antifaschistisches Romanprojekt wird weltweit als wegweisend gefeiert. Nun liegt der dritte Roman vor, ein literarischer Triumph. »M. Der Sohn des Jahrhunderts ist eine artistische und politische Bombe.« Tiago Rodrigues, Jurybegründung Prix du Livre Européen

Antonio Scurati, 1969 in Neapel geboren, ist Professor für vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Mailand und schreibt für die Zeitungen Corriere della Sera and El País. Seine Romane sind in viele Sprachen übersetzt und wurden mehrfach mit Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Premio Mondello und dem Premio Campiello. Sein großes Romanprojekt zum Aufstieg des Faschismus in Europa machte ihn international berühmt. Alle drei erschienenen Bücher standen auf Platz eins der italienischen Bestsellerliste. Für »M. Der Sohn des Jahrhunderts« erhielt den wichtigsten Literaturpreis Italiens, den Premio Strega; »M. Der Mann der Vorsehung« wurde mit dem Prix du Livre Européen ausgezeichnet.
mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR28,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR21,99

Produkt

Klappentext»M ist der beste literarische Impfstoff gegen Populismus, den es gibt.«Corriere della Sera Das verhängnisvolle Bündnis von Hitler und Mussolini markiert den Höhepunkt von M - dem großen, mit zahlreichen Preisen ausgezeichneten literarischen Bestseller aus Italien. Auf einzigartige Weise zeichnet Antonio Scurati die letzten Tage eines gespaltenen Europas nach, das nicht in der Lage ist, dem Totalitarismus zu entkommen. Am 3. Mai 1938 erwartet Mussolini in Rom Adolf Hitler zu einem Staatsbesuch. Wenige Wochen zuvor hat Hitler den Anschluss Österreichs verkündet, während sich Mussolini darauf vorbereitet, folgenreiche Rassengesetze zu erlassen. Noch gibt sich Mussolini der Illusion hin, die Entscheidungen des deutschen Staatsoberhauptes beeinflussen zu können. Doch Hitler geht aus dem Kräftemessen als Sieger hervor und verpflichtet Italien mit der Unterzeichnung des Stahlpakts als Bündnispartner. Am Abend des 10. Juni 1940 verkündet Mussolini schließlich die Entscheidung, Nazi-Deutschland im Krieg gegen die Alliierten beizustehen. Antonio Scuratis antifaschistisches Romanprojekt wird weltweit als wegweisend gefeiert. Nun liegt der dritte Roman vor, ein literarischer Triumph. »M. Der Sohn des Jahrhunderts ist eine artistische und politische Bombe.« Tiago Rodrigues, Jurybegründung Prix du Livre Européen

Antonio Scurati, 1969 in Neapel geboren, ist Professor für vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Mailand und schreibt für die Zeitungen Corriere della Sera and El País. Seine Romane sind in viele Sprachen übersetzt und wurden mehrfach mit Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Premio Mondello und dem Premio Campiello. Sein großes Romanprojekt zum Aufstieg des Faschismus in Europa machte ihn international berühmt. Alle drei erschienenen Bücher standen auf Platz eins der italienischen Bestsellerliste. Für »M. Der Sohn des Jahrhunderts« erhielt den wichtigsten Literaturpreis Italiens, den Premio Strega; »M. Der Mann der Vorsehung« wurde mit dem Prix du Livre Européen ausgezeichnet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783608122046
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum14.10.2023
AuflageDie Auflage entspricht der aktuellen Auflage der Print-Ausgabe zum Zeitpunkt des E-Book-Kaufes
SpracheDeutsch
Dateigrösse4406 Kbytes
Artikel-Nr.11546596
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Benito Mussolini
Rom, Nacht vom 3. auf den 4. Mai 1938


Die Menge ist monotheistisch. Niemand weiß das besser als er. Hat man ein Volk zu einer Masse Höriger gemacht, kann sie nicht anders, als seinen Leib und allein diesen anzubeten. Ihn anzubeten oder niederzumetzeln.

Das hat er wenige Monate zuvor selbst erfahren, am 28. September 1937, als die Vergöttlichung am Berliner Olympiastadion seinen Staatsbesuch im nationalsozialistischen Deutschland beschloss. Ein ausgesetzter Arbeitstag, zum Feiertag erklärt, an der Strecke Tausende italienische und deutsche, faschistische und nationalsozialistische Flaggen, sechzigtausend Kriegermönche der SS, angetreten in drei Reihen, Hunderte abgerichtete Köter an Leinen zum Bändigen der Menge, bewaffnete Patrouillenboote auf der Spree und dazu die Masse einer halben Million Menschen, Jünger, Gläubige, die den Ring des Olympiastadions umströmten wie aus einem Wundkrater pulsendes Blut.

Eine halbe Million huldigende Münder, die im Chor dieselbe Losung riefen, kaum dass die beiden Diktatoren vorüberzogen, Seite an Seite stehend in einem Kabriolett an der Spitze der Parade, ungerührt im leichten Dauerregen, der am frühen Nachmittag eingesetzt hatte.

Alles war geplant, um den italienischen Gast zu ehren, den Ersten, den Lehrer des Faschismus, sogar die beiden Züge, einer für jeden Diktator, die synchron in den Bahnhof einfuhren. Alles sollte den Duce der Italiener auf eine Stufe mit dem Führer der Deutschen heben. Als dieser den italienischen Freund dem gewaltigen Aufschrei des Maifeldes darbot - eine Art tellurisches Dröhnen, das dem Schlund eines Vulkans zu entweichen schien -, war Hitler unmissverständlich gewesen: »Was uns alle in diesem Augenblick zuerst bewegt, ist die große Freude, in unserer Mitte als Gast einen jener großen Männer der Zeiten zu wissen, an denen sich nicht die Geschichte erprobt, sondern die selbst Geschichte machen.«

Doch während er, der italienische Freund, im immer dichteren Regen seine auf Deutsch verfasste und akribisch auswendig gelernte Rede hielt, während das Gewitter hereinbrach und er jeden Schutz ablehnte, während seine Stimme im Donnergrollen zu einem unverständlichen Murmeln verklang und der Text auf den letzten Blättern in seinen Händen ins Unleserliche zerlief, während sich jene schicksalhaften Augenblicke mit den totemistischen Zügen einer finsteren und entsetzlichen Gottheit in die Zeit einmeißelten, stand außer Zweifel, dass die Verehrung jener Menge ausschließlich Adolf Hitler, dem Führer der Deutschen, galt und den Duce nur als Abglanz streifte, als Widerschein der numinosen Gestalt des anderen.

So ist es auch jetzt, ein Jahr später, während die Römer sich in Massen entlang der Via dei Trionfi drängen, um die von zwei herrlichen Pferden gezogene Galakutsche mit dem Mann zu begrüßen, den die Propaganda seit Wochen als Weggefährten des Duce präsentiert, nur um festzustellen - herbe Enttäuschung -, dass er gemäß Protokoll vom kleinen König begleitet wird. Auch wenn er, Benito Mussolini, nicht da ist und gezwungen war, diesem lächerlichen Monarchen, dem letzten elenden Vertreter der alten Welt, diesem Dreikäsehoch seinen Platz in der königlichen Karosse zu überlassen, die nun im Festzug den Obelisken von Aksum - Symbol des wiedererstandenen Reiches, Beutestück des jüngst geführten Abessinienkrieges -, die Ruinen des Palatins und die Caracalla-Thermen hinter sich lässt und am Kolosseum vorbeizeiht, in dessen Innerem Feuer flammen, gilt der Beifall der Menge, der sich aus den Überresten der glorreichen römischen Antike erhebt, samt und sonders ihm, dem Abwesenden, Benito Mussolini, Sohn eines Schmieds und Duce der Italiener.

Unter den Schaulustigen erregt Hitler Neugier, aber auch Argwohn und gewiss keine Liebe. Die Norditaliener hassen die Deutschen, den um den Preis von sechshunderttausend Toten im Großen Krieg bekämpften Erbfeind, und die Römer machen sich mit dem ihnen eigenen Humor einen Reim auf den unterkühlten Gast, während über den von Fackeln erleuchteten Ruinen sanft der Abend dämmert. »Was soll denn dieser schwarze Schnurrbart?«, fragen sie sich misstrauisch. Dieses Merkmal genügt ihnen, um sich ein politisches Urteil zu bilden; eine simple Äußerlichkeit entfacht im romanischen Volk erneut die Furcht vor dem Germanischen.

Er, Benito Mussolini, Erzitaliener, weiß das alles. Und während er, vom kleinen König brüskiert, bleich und keuchend auf dem Bett sitzt, auf dem er seine Clara wutentbrannt genommen hat - sogar in die Schulter hat er sie gebissen -, weiß er auch, dass man ihm all das zum Vorwurf machen wird. Er weiß, dass Vittorio Emanuele III. Hitler schlechtmacht, ihn als armen Irren, Wüstling und Kokser bezeichnet; er weiß, dass Italo Balbo, der ihn als Einziger unverhohlen und öffentlich zu kritisieren wagt, für all jene spricht - und es sind viele -, denen bei der Vorstellung graust, »diesen fanatischen Nazis die Stiefel lecken zu müssen«; er weiß, dass der Seher Gabriele D´Annunzio, der im vergangenen März nach einem unnachahmlichen, der Suche nach dem schönen Tod gewidmeten Leben wie ein stinknormaler Pensionär in seinem Bett an einer Hirnblutung gestorben ist, in seiner hitzigsten Zeit dazu aufforderte, den Deutschen und vor allem ihrem »grausamen Bajazzo«, diesem »Flachpinsel-Attila«, zu misstrauen - die Worte während ihrer letzten Begegnung am Bahnhof von Verona, auf der Rückreise aus Deutschland, klingen ihm noch in den Ohren; er weiß, dass im festlich beleuchteten Rom nur der Petersplatz dunkel bleibt, weil der Papst auf seine Art protestiert, das göttliche Licht löscht und die Fensterläden des Apostolischen Palastes gegen den heidnischen Götzendiener verrammelt, der in der Heiligen Stadt ein anderes Kreuz als das des Heilands hissen lässt: das Hakenkreuz. Vor allem weiß der Duce, dass zwischen seinem Besuch in Deutschland und Hitlers jetzigem Besuch in Italien der 11. März 1938 liegt, der Tag, an dem der sogenannte deutsche Freund, ohne ihn über die Operation auch nur in Kenntnis zu setzen, sich Österreich einverleibt und die Grenze des Tausendjährigen Reiches an den Brenner verschoben hat.

Eine herbe Schlappe, die erste echte Niederlage faschistischer Außenpolitik nach dem Triumph in Äthiopien und den Siegen in Spanien. An jenem Tag hatte er, der Anführer der Italiener, der sich immer als Beschützer Österreichs erklärt hatte, die bittere Pille schlucken müssen, während der österreichische Kanzler Schuschnigg verhaftet, geschlagen und von den Nazi-Invasoren im Oberen Belvedere festgehalten wurde und die Wiener Juden unter Zwang auf Knien und mit bloßen Händen das eisige Straßenpflaster mit Seife und ätzender Lauge schrubben mussten.

An jenem Tag war er, Benito Mussolini aus Predappio, in Wutgebrüll ausgebrochen gegen »dieses Volk von Mördern und Kinderschändern«, das »den Untergang der Zivilisation« bedeutete, sollte es Europa genauso überrennen, wie es Österreich annektiert hatte. Und gegen ihren Führer, diesen grässlichen Perversen und gefährlichen Irren.

Er selbst hatte damit gedroht, »die ganze Welt gegen die Deutschen zu verbünden und Deutschland für weitere zwei Jahrhunderte zu Boden zu werfen«, sollten sie es wagen, den Grenzpfahl zu Italien auch nur um einen Meter zu verrücken. Doch nachdem er hinter verschlossenen Türen Gift und Galle gespuckt hatte, hatte er in der Öffentlichkeit gute Miene zum bösen Spiel gemacht und sich schlau zurückgehalten.

Jetzt, dank seines absoluten Gehörs für die Stimmungen im Volk, meint er die Römer zu hören: War nicht er es, der nach der Ermordung von Kanzler Dollfuß durch ein paar nationalsozialistische Putschisten vier Divisionen an der Grenze hatte aufmarschieren lassen, um Österreich zu schützen? War nicht er es, der sich als »Wache am Brenner« geriert hatte? Hatte er nicht versprochen, für Österreichs Souveränität zu kämpfen? Und was nun, will er kneifen? Sich in die Büsche schlagen?

Er meint die Witze der Römer über den Schnurrbart des Führers zu hören, den böswilligen Tratsch des kleinen Königs, das Getuschel der Diplomaten, während Joachim von Ribbentrop, Hitlers durchgedrehter Außenminister, in einem fort von Krieg schwadroniert. Er meint das verächtliche Gähnen der Hofschranzen und das Zähneklappern seiner fett gewordenen Faschisten zu hören, das vernichtende Schweigen des Stellvertreters Christi auf Erden.

Er hört sie alle und beschließt dennoch, ihnen kein Gehör zu schenken. Was wissen sie schon von den taktischen Notwendigkeiten der Politik, von ihren so schmutzigen wie erhabenen Winkelzügen, von den Bühnentricks und dem heiligen Schauder der Geschichte? Sollen sie ruhig behaupten, er...
mehr

Autor

Antonio Scurati, 1969 in Neapel geboren, ist Professor für vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Mailand und schreibt für die Zeitungen Corriere della Sera and El País. Seine Romane sind in viele Sprachen übersetzt und wurden mehrfach mit Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Premio Mondello und dem Premio Campiello. Sein großes Romanprojekt zum Aufstieg des Faschismus in Europa machte ihn international berühmt. Alle drei erschienenen Bücher standen auf Platz eins der italienischen Bestsellerliste. Für »M. Der Sohn des Jahrhunderts« erhielt den wichtigsten Literaturpreis Italiens, den Premio Strega; »M. Der Mann der Vorsehung« wurde mit dem Prix du Livre Européen ausgezeichnet.Verena von Koskull, geboren 1970, studierte Italienisch und Englisch für Übersetzer sowie Kunstgeschichte in Berlin und Bologna. Seit 2002 ist sie als Literaturübersetzerin tätig, außerdem übersetzt sie für die Wochenzeitung DIE ZEIT.