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Das Gewissen des Mörders

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
400 Seiten
Deutsch
Kampa Verlagerschienen am20.04.20231. Auflage
Ex-Journalistin Tess Monaghan hat endlich ihre eigene Privatdetektei. Allerdings hatte sie sich das alles etwas glamouröser vorgestellt: Das Büro liegt in Butchers Hill, einem der übelsten Viertel von Baltimore, die Möbel sind ausrangierte Erbstücke, und auf dem Firmenschild steht immer noch der Name des Vormieters, den Tess am Umsatz beteiligen muss. Noch dazu ist ihr erster Klient ein Mörder: Luther Beale, besser bekannt als »Schlachter von Butchers Hill«. Vier Jahre zuvor hat Beale einen elfjährigen Jungen erschossen, der sein Auto demoliert hat. Jetzt will der Ex-Häftling sein Gewissen beruhigen und die vier schwarzen Jugendlichen, die damals Augenzeugen waren, finanziell entschädigen. Tess soll sie finden. Kaum hat sie die Suche aufgenommen, kommen die Jugendlichen einer nach dem anderen ums Leben. Ihre Ermittlungen konfrontieren Tess nicht nur mit der von Gewalt, Drogen und Kriminalität geprägten Lebenswelt vieler Kinder in Baltimore, sondern auch mit dem Versagen der amerikanischen Jugendfürsorge.

Laura Lippman, geboren 1959 in Atlanta/Georgia, hat mit ihrer erfolgreichen Detektivfigur Tess Monaghan mindestens zweierlei gemein: Beide leben in Baltimore, und beide haben als Journalistinnen gearbeitet, Lippman allerdings mit deutlich größerem Erfolg. Als Tochter einer Bibliothekarin und eines Journalisten spielten die Literatur und das Schreiben schon früh eine wichtige Rolle in Laura Lippmans Leben. Die ersten sieben Tess-Monaghan-Romane schrieb sie neben ihrem Fulltime-Job bei der Baltimore Sun, für die schon ihr Vater arbeitete. 2001 zog sich Lippman aus dem journalistischen Tagesgeschäft zurück, um sich ganz dem Schreiben von Büchern zu widmen. Ihre Kriminalromane - ob mit oder ohne Tess Monaghan - wurden vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem weltweit renommiertesten Preis für Kriminalliteratur, dem Edgar Allan Poe Award. Lippman ist mit dem Drehbuchautor David Simon (The Wire) verheiratet. Das Paar hat eine Tochter.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextEx-Journalistin Tess Monaghan hat endlich ihre eigene Privatdetektei. Allerdings hatte sie sich das alles etwas glamouröser vorgestellt: Das Büro liegt in Butchers Hill, einem der übelsten Viertel von Baltimore, die Möbel sind ausrangierte Erbstücke, und auf dem Firmenschild steht immer noch der Name des Vormieters, den Tess am Umsatz beteiligen muss. Noch dazu ist ihr erster Klient ein Mörder: Luther Beale, besser bekannt als »Schlachter von Butchers Hill«. Vier Jahre zuvor hat Beale einen elfjährigen Jungen erschossen, der sein Auto demoliert hat. Jetzt will der Ex-Häftling sein Gewissen beruhigen und die vier schwarzen Jugendlichen, die damals Augenzeugen waren, finanziell entschädigen. Tess soll sie finden. Kaum hat sie die Suche aufgenommen, kommen die Jugendlichen einer nach dem anderen ums Leben. Ihre Ermittlungen konfrontieren Tess nicht nur mit der von Gewalt, Drogen und Kriminalität geprägten Lebenswelt vieler Kinder in Baltimore, sondern auch mit dem Versagen der amerikanischen Jugendfürsorge.

Laura Lippman, geboren 1959 in Atlanta/Georgia, hat mit ihrer erfolgreichen Detektivfigur Tess Monaghan mindestens zweierlei gemein: Beide leben in Baltimore, und beide haben als Journalistinnen gearbeitet, Lippman allerdings mit deutlich größerem Erfolg. Als Tochter einer Bibliothekarin und eines Journalisten spielten die Literatur und das Schreiben schon früh eine wichtige Rolle in Laura Lippmans Leben. Die ersten sieben Tess-Monaghan-Romane schrieb sie neben ihrem Fulltime-Job bei der Baltimore Sun, für die schon ihr Vater arbeitete. 2001 zog sich Lippman aus dem journalistischen Tagesgeschäft zurück, um sich ganz dem Schreiben von Büchern zu widmen. Ihre Kriminalromane - ob mit oder ohne Tess Monaghan - wurden vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem weltweit renommiertesten Preis für Kriminalliteratur, dem Edgar Allan Poe Award. Lippman ist mit dem Drehbuchautor David Simon (The Wire) verheiratet. Das Paar hat eine Tochter.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783311704126
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum20.04.2023
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.3
Seiten400 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1131 Kbytes
Artikel-Nr.11547852
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Prolog

Vor fünf Jahren â¦

 

Er träumte seinen Lieblingstraum, den von Annie, als er glaubte, Steinchen an seine Fensterscheibe fliegen zu hören. Klick, klick, klick. Nein - er war doch derjenige, der die Kiesel an Annies Fenster geworfen hatte, vor so vielen Jahren, damals in der Castle Street. Und wenn er sah, dass sie ihren Vorhang beiseitezog, sang er: »Buffalo girl, won t you come out tonight, come out tonight, come out tonight.« Und das tat sie.

Sie war ein dünnes, langbeiniges Mädchen gewesen, war mit nackten Füßen die Feuerleiter heruntergestiegen, die hochhackigen Schuhe steckten in den Taschen ihres Kleids wie leuchtend rote Vögel, die ihre langen Hälse hervorreckten. »Tolle Taschen«, hatte sie gesagt, als er diese bewunderte. Er bewunderte alles an ihr - die weiße Spitze, die sie an Saum und Ausschnitt ihres Kleids genäht hatte, um ihm mehr Flair, wie sie sagte, zu verleihen, ihr herzförmiges Gesicht, die Mulde am Ansatz ihres Halses, in die er ihr ein herzförmiges Medaillon hängte.

Egal wie oft sie die Feuerleiter herunterstieg, um sich mit ihm zu treffen, sie zögerte jedes Mal auf der letzten Stufe, etwa ein halbes Stockwerk über dem Erdboden, als fürchtete sie zu fallen. Aber er wusste, dass sie sich ein wenig vor ihm fürchtete, davor, ihn zu lieben, davor, was es für ein junges, gut gelauntes Mädchen bedeutete, einen so ernsthaften und düster dreinschauenden Mann zu lieben. So hing sie an der letzten Sprosse, und die Zehen ihrer nackten Füße krümmten sich vor Angst, als sie über dem Bürgersteig hin und her schwang, und er lachte, er konnte nicht anders, er lachte über dieses dünne, langbeinige Mädchen, das über der Castle Street schwebte. Seine Annie. »Der Prinz soll doch sein Mädchen in ein Schloss entführen, aber du lebst schon in einem«, sagte er ihr immer. »Wo soll ich nur mit dir hin, meine Prinzessin?« Er versprach ihr, sie nach Europa mitzunehmen, nach Jamaika, nach New York. Am Ende hatte er sie nur fünf Blocks weit zur Fairmount Avenue entführt, und jeden August eine Woche nach Virginia Beach.

Klick, klick, klick.

Aber das war vierzig Jahre her, und Annie war tot, schon fast zehn Jahre, er lag allein im Ehebett. Die Geräusche an seinem Fenster mussten von einem Ast stammen oder von Eisregen. Aber es gab verdammt wenig Bäume in der Fairmount Avenue, und es war Anfang Juni, der dritte Juni. Selbst im Halbschlaf wusste er, welches Datum es war, er wusste, welche Zahlen gezogen worden waren, denn er schrieb sie immer in den Kalender. 467 beim Pick Three, 4526 beim Pick Four, die hatten ihm glatt 350 Dollar eingebracht. Sein Glückstag. Aber das war gestern gewesen. Er hatte seinen Schein schon beim Koreaner eingelöst. Am Morgen müsste er in sein Traumbuch sehen, er müsste nachschlagen, welche Zahl für eine verlorene Liebe stand, für ein Herz, für die Farbe Rot.

Klick, klick, klick. Dann ein lauteres Geräusch, das er sofort erkannte, das mittlerweile allzu bekannte Geräusch zerbrechender Scheiben. Fensterscheiben direkt unter ihm - nein, diesmal eine Windschutzscheibe. Das Geräusch ließ verfliegen, was von seinem Schlaf noch übrig war, von seinem Traum, von seiner Annie.

Diese verdammten Kinder, die aus der Fayette. Aber es reichte jetzt, schwor er sich, dann sagte er es laut: »Es reicht.«

Er bewahrte seine Pistole in der untersten Kommodenschublade auf, sie lag in einem Nest aus einzelnen Socken, die er aufhob, weil die Gegenstücke vielleicht eines Tages wieder auftauchten. Und man konnte damit gut sauber machen, man zog sich einen Strumpf über die Hand und konnte Staub wischen. Die Patronen befanden sich zusammen mit seinen nie getragenen Manschettenknöpfen in der kleinen Schublade am Rande des altmodischen Ankleidetischs. Er lud die Pistole in aller Ruhe. Die Kinder hatten es ja auch nicht eilig. Wenn diese Kinder erst mal anfingen, ließen sie sich verdammt viel Zeit, sie wussten, dass niemand die Polizei rief, und es wäre auch egal, wenn doch. In dieser Gegend hatten alle Angst vor den Kindern, und den Bullen war das so egal, dass man heulen könnte. »Es sind ja bloß Sachen«, sagten sie jedes Mal, wenn er anrief. Aber es waren nicht ihre Sachen. Nur sein Wagen, sein Radio, seine Fenster, seine Haustür. Sein, sein, sein.

Langsam ging er im Dunkeln die Treppe herunter. Er keuchte ein wenig. Teufel, er wurde dick, er müsste Magermilch auf seine Frühstücksflocken gießen. Aber ein Mann musste tun, was ein Mann tun muss. Das hatte John Wayne gesagt, da war er sich ziemlich sicher. Er hatte den Film mit Annie im alten Hippodrom-Kino gesehen, oder vielleicht auch im Mayfair. Einem von beiden. Es war nicht einfach, sich seine Erinnerungen zu bewahren, so, wie in dieser Stadt Häuser abgerissen wurden. Und was die Stadt nicht abriss, fiel von allein in sich zusammen. Annie und er waren danach tanzen gegangen, da war er sich sicher, drüben auf der Pennsylvania Avenue.

Als er hinaus auf den Treppenabsatz trat, waren die Kinder viel zu konzentriert auf ihren nächtlichen Zerstörungszug, um auf ihn zu achten. Sie kratzten mit Stöcken seitlich an dem geparkten Wagen entlang, sie traten methodisch die Scheinwerfer ein und hämmerten Steine auf die Kotflügel. Irgendwann, das wusste er, würden sie alle Scheiben einschlagen und dann die Radios stehlen, sofern die Radios es wert waren, gestohlen zu werden. Diejenigen, die kein vernünftiges Radio im Wagen hatten, wurden mit zerfetzten Sitzen belohnt, Müll auf dem Wagenboden, Hundescheiße auf den Sitzen.

Die Marmorstufen fühlten sich kalt und glatt unter seinen nackten Füßen an. Er verfehlte die unterste, stürzte mit einem peinlich dumpfen Geräusch auf den Bürgersteig, wie ein überreifer Apfel, der zu Boden klatschte. Entgeistert schauten die Kinder auf. Als sie sahen, dass er es war, lachten sie.

»Geh wieder rein, Alter«, sagte der Dünne, der immer für alle sprach. »Du brauchst deinen Schlaf, sonst schaffst du morgen nicht alle deine Nickerchen.«

Der kleine Dicke lachte über diesen tollen Witz, die anderen stimmten ein. Es waren insgesamt fünf, alles Pflegekinder, die bei einem jungen christlichen Ehepaar lebten. Ausgesprochen nette Leute, sie meinten es gut, aber sie konnten mit diesen Kindern nichts anfangen. Sie konnten ihnen nicht mal vernünftige Klamotten anziehen. Sie nahmen einfach immer mehr Kinder auf und sahen hilflos zu, wie sie durchdrehten. Der Dünne, der Dicke, die Zwillinge, ein Junge und ein Mädchen, und der Neue, ein Gerippe, dem irgendjemand mal sagen müsste, er sollte sich die Nase putzen. Ja, dafür immerhin waren diese neuen Sicherheitslaternen gut, man konnte sich die Kriminellen bei der Arbeit ordentlich anschauen.

»Es reicht jetzt«, sagte er. »Ihr hört jetzt sofort auf.«

Darüber lachten sie noch lauter, sie lachten über diesen bemitleidenswerten alten Mann, der am Boden saß und ihnen vorschreiben wollte, was sie zu tun hatten. Dann fingen sie an, ihn zu bewerfen, mit Steinen, Stöcken und Getränkedosen. Er versuchte nicht, sein Gesicht oder seinen Kopf zu schützen, er saß einfach da und ließ ihren Müllregen auf sich niedergehen. Als alle Steine und Stöcke geworfen waren, als sie ihn mit allen Schimpfworten bedacht hatten, die ihnen einfielen - dann, erst dann zeigte er ihnen die Pistole.

»Scheiße, Alter, das kannst du doch nicht machen«, sagte der Dünne, aber er schien nicht mehr ganz so selbstsicher zu sein wie vorher.

»Glaubst du?« Er schoss nach oben in den Himmel.

»Er bringt uns um. Er bringt uns alle um«, schrie das Mädchen und lief weg. Das Mädchen war schnell, schneller als die anderen, obwohl ihr Zwillingsbruder fast genauso schnell war. Die beiden hatten schon das Ende des Blocks erreicht und bogen nach Norden ab, bevor er wusste, was los war. Der Dicke lief hinter ihnen her, während der große Dünne an dem Kleinsten zerrte, dem Rotznasigen, der erstarrt schien, nicht so sehr aus Angst, sondern aus reiner, großmäuliger Dummheit.

»Komm schon, Donnie«, bettelte der Dünne und zerrte an seinem Arm. »Der Alte hat eine Pistole. Diesmal will er uns nicht verarschen.«

Die Rotznase zögerte noch einen Moment, dann lief sie in Richtung der Straßenecke, der Junge machte ungeschickte, krummbeinige Schritte, aber er konnte mehr oder weniger mit dem dünnen Langbeinigen mithalten. Er hätte die Kinder einholen können, wenn er gewollt hätte. Stattdessen schoss er noch einmal und dann noch einmal, die Pistole in seiner Hand war lebendig geworden, sie hatte sich von ihm losgelöst. Ein Wagen bog in die Fairmount ein, als sie davonliefen, jemand öffnete ein Fenster und brüllte, dass endlich Ruhe sein sollte, und dann war da noch ein Knall zu hören, ein Junge schrie, ein weiterer Knall, die Pistole schoss einfach immer weiter. All diese Geräusche gerieten durcheinander, er konnte nicht mehr sagen, in welcher Reihenfolge sie aufgetreten waren. Der Kleinste taumelte und stürzte, und jetzt schrie der Dünne mit hoher, piepsiger Stimme, wie ein Mädchen.

Und dann war die Straße leer, abgesehen von einem kleinen Haufen zerknüllter Klamotten an der Straßenecke.

Er schaute auf die Waffe, die er immer noch auf Schulterhöhe in seiner merkwürdig ruhigen rechten Hand hielt, die aber jetzt schwieg. Er wartete darauf, dass etwas passierte, dann wurde ihm klar, dass es schon passiert war.

Er ging hinein und legte die Pistole unter einige Decken am Boden von Annies Schrank, hinter eine Tür, die er selten öffnete. Er griff nach Handfeger und Schaufel, er zog Schuhe an, um seine Füße zu...
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Autor

Laura Lippman, geboren 1959 in Atlanta/Georgia, hat mit ihrer erfolgreichen Detektivfigur Tess Monaghan mindestens zweierlei gemein: Beide leben in Baltimore, und beide haben als Journalistinnen gearbeitet, Lippman allerdings mit deutlich größerem Erfolg. Als Tochter einer Bibliothekarin und eines Journalisten spielten die Literatur und das Schreiben schon früh eine wichtige Rolle in Laura Lippmans Leben. Die ersten sieben Tess-Monaghan-Romane schrieb sie neben ihrem Fulltime-Job bei der Baltimore Sun, für die schon ihr Vater arbeitete. 2001 zog sich Lippman aus dem journalistischen Tagesgeschäft zurück, um sich ganz dem Schreiben von Büchern zu widmen. Ihre Kriminalromane - ob mit oder ohne Tess Monaghan - wurden vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem weltweit renommiertesten Preis für Kriminalliteratur, dem Edgar Allan Poe Award. Lippman ist mit dem Drehbuchautor David Simon (The Wire) verheiratet. Das Paar hat eine Tochter.