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Gegen die Frauen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
256 Seiten
Deutsch
Wallstein Verlagerschienen am25.04.20231. Auflage
Über die Erfolge der Frauenemanzipation und die Abwehrreaktionen. Das weltweite Bildungsniveau ist im letzten halben Jahrhundert rasant gestiegen, insbesondere bei Mädchen und jungen Frauen. Das hat auch die Beziehungen zwischen Mann und Frau verändert. Frauen heiraten später, bekommen weniger Kinder, arbeiten länger und verdienen mehr. Dieser Zugewinn an Wissen, Einkommen und auch Macht ist für viele Männer schwer zu ertragen. Abram de Swaan zufolge führt dieses relative Schwinden der männlichen Dominanz zu sozialen und psychologischen Spannungen, die auf die Verletzung des männlichen Ehrgefühls zurückzuführen sind: eine kollektive und individuelle narzisstische Kränkung. Der Autor sieht den Aufstieg der extremen Rechten, des christlichen Fundamentalismus und des Dschihadismus als Reaktion auf die weltweite Emanzipation der Frauen, die offenbar von vielen Männern als bedrohlich wahrgenommen wird. Werden diese Bewegungen fortbestehen, oder sind sie ein letztes Aufbäumen des im Untergang befindlichen Patriarchats?

Abram de Swaan (1942) war von 1973 bis 2007 Professor für Soziologie und seit 2001 auch Professor für Sozialwissenschaften an der Universität von Amsterdam. Er lehrte unter anderem am Collège de France in Paris und an der Columbia University in New York. Zu seinen erfolgreichsten Büchern gehören America in Terms, Man is Man`s Worry, Care and the State, Human Society, Words of the World und Compartments of Destruction. Sein Werk ist in zwölf Sprachen erschienen. Er war viele Jahre Kolumnist beim NRC Handelsblad und erhielt 2008 den P. C. Hooft-Preis für sein Gesamtwerk. Bärbel Jänicke übersetzt wissenschaftliche Texte und literarische Sachbücher aus dem Niederländischen. Sie studierte Philosophie, Kunstgeschichte und Archäologie in Frankfurt und Saarbrücken und lebt heute in Berlin. 2021 wurde sie für ihre Übersetzung von 'Und überall Philosophie' von Ger Groot mit dem Else-Otten-Übersetzerpreis ausgezeichnet.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR26,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR25,99
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR25,99

Produkt

KlappentextÜber die Erfolge der Frauenemanzipation und die Abwehrreaktionen. Das weltweite Bildungsniveau ist im letzten halben Jahrhundert rasant gestiegen, insbesondere bei Mädchen und jungen Frauen. Das hat auch die Beziehungen zwischen Mann und Frau verändert. Frauen heiraten später, bekommen weniger Kinder, arbeiten länger und verdienen mehr. Dieser Zugewinn an Wissen, Einkommen und auch Macht ist für viele Männer schwer zu ertragen. Abram de Swaan zufolge führt dieses relative Schwinden der männlichen Dominanz zu sozialen und psychologischen Spannungen, die auf die Verletzung des männlichen Ehrgefühls zurückzuführen sind: eine kollektive und individuelle narzisstische Kränkung. Der Autor sieht den Aufstieg der extremen Rechten, des christlichen Fundamentalismus und des Dschihadismus als Reaktion auf die weltweite Emanzipation der Frauen, die offenbar von vielen Männern als bedrohlich wahrgenommen wird. Werden diese Bewegungen fortbestehen, oder sind sie ein letztes Aufbäumen des im Untergang befindlichen Patriarchats?

Abram de Swaan (1942) war von 1973 bis 2007 Professor für Soziologie und seit 2001 auch Professor für Sozialwissenschaften an der Universität von Amsterdam. Er lehrte unter anderem am Collège de France in Paris und an der Columbia University in New York. Zu seinen erfolgreichsten Büchern gehören America in Terms, Man is Man`s Worry, Care and the State, Human Society, Words of the World und Compartments of Destruction. Sein Werk ist in zwölf Sprachen erschienen. Er war viele Jahre Kolumnist beim NRC Handelsblad und erhielt 2008 den P. C. Hooft-Preis für sein Gesamtwerk. Bärbel Jänicke übersetzt wissenschaftliche Texte und literarische Sachbücher aus dem Niederländischen. Sie studierte Philosophie, Kunstgeschichte und Archäologie in Frankfurt und Saarbrücken und lebt heute in Berlin. 2021 wurde sie für ihre Übersetzung von 'Und überall Philosophie' von Ger Groot mit dem Else-Otten-Übersetzerpreis ausgezeichnet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783835384101
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum25.04.2023
Auflage1. Auflage
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1654 Kbytes
Artikel-Nr.11585785
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Einleitung

Das ist, noch immer, das Zeitalter der Emanzipation. Dieses Zeitalter währt schon anderthalb Jahrhunderte. Es begann im Westen mit der Abschaffung der Sklaverei, Mitte des 19. Jahrhunderts. Nicht viel später kam in den westlichen Ländern die Arbeiterbewegung auf, der es nach vielen Kämpfen gelang, für die Lohnabhängigen eine menschenwürdige Existenz zu erringen. Gegen Ende dieses Jahrhunderts kündigte sich die Frauenbewegung mit Kampagnen für das Frauenwahlrecht an. Mitte des vergangenen Jahrhunderts kam es nahezu überall in Asien und Afrika zur Befreiung von der westlichen Kolonialherrschaft. Und vor etwa 50 Jahren manifestierte sich eine neue Welle von Emanzipationsbestrebungen: Frauen, aber auch Schwarze und Homosexuelle nahmen den Kampf für gleiche Rechte und gleiche Würde auf. Das vollzog sich nicht nur im Westen, sondern auch in der außerwestlichen Welt. Natürlich sind Gleichberechtigung und Autonomie noch längst nicht verwirklicht, nicht überall, nicht für alle und nicht in allen Hinsichten.

Das vergangene Jahrhundert war auch eine Epoche der Weltkriege, der Genozide und der Tyrannei. Auch heute noch leiden hunderte Millionen von Menschen unter Kriegen, Massenmorden und Diktaturen. Und dennoch ist die Emanzipation von Milliarden von Menschen weiter vorangeschritten. Ein Jahrhundert, anderthalb Jahrhunderte sind in der Geschichte der Menschheit eine sehr kurze Zeitspanne, gemessen an einem Menschenleben aber eine sehr lange Zeit. Die Einführung des Frauenwahlrechts, in den meisten westlichen Ländern ungefähr vor einem Jahrhundert, ist für die Jugend von heute eine Wegmarke, die ihre Ururgroßmutter wohl in jungen Jahren passiert hat.

In der zweiten feministischen Welle ging es um Gleichbehandlung am Arbeitsplatz und vor dem Gesetz, um das Recht auf Verhütung und Schwangerschaftsabbruch. Das ist ein halbes Jahrhundert her und liegt somit unserer heutigen Realität schon ein gutes Stück näher. Dafür kämpften die Großmütter jener Menschen, die heute studieren oder ihren ersten Job angetreten haben. Diese aufeinander folgenden Emanzipationswellen bilden also einen Teil der Familiengeschichte der jungen Leute von heute.

Die Frauenemanzipation fügt sich in die breitere Emanzipationsgeschichte der vergangenen anderthalb Jahrhunderte ein. Es war keineswegs so, dass diese kämpferischen Frauen auch immer für andere Benachteiligte - für Arbeiter, Kolonialisierte, Schwarze oder Homosexuelle - Partei ergriffen hätten. Und umgekehrt verhielten sich diese anderen Gruppen gewiss nicht immer solidarisch mit den kämpferischen Frauen. Und doch ist all diesen Emanzipationsbewegungen etwas gemeinsam. Sie haben sich allesamt an demselben Funken entfacht: dem revolutionären Gedanken, dass alle Menschen im Prinzip gleichwertig sind. Alle Menschen können demnach auf die gleichen Grundrechte Anspruch erheben; jeder und jede kann - so weit wie möglich - über das eigene Leben verfügen.

All diese Emanzipationsbewegungen weisen noch weitere gemeinsame Züge auf. Sie beginnen stets mit einer Phase allgemeiner Unterdrückung. Schließlich beginnt sich eine kleine Vorhut zu widersetzen. Mit der Zeit gewinnen sie Anhänger und Einfluss, bis sich die Gruppe nach und nach zu einer breiten Bewegung ausweitet. Dieser Vormarsch der Emanzipationsbewegung stößt sodann in der Regel auf den Widerstand all jener, die ihre ererbten Privilegien plötzlich angegriffen sehen. Das wird selten widerstandslos akzeptiert.

Von dieser unnachgiebigen Gegenwehr gegen die Frauenemanzipation, die vorrangig von fundamentalistischen Gläubigen ausgeht,[1] handelt dieses Buch. Dabei spielt es nur eine untergeordnete Rolle, um welchen Glauben es sich handelt. Die zweite Widerstandsfront bilden die Rechtsextremen in der Politik.

Das gesellschaftliche System zur Unterdrückung der Frauen wird meistens als Patriarchat bezeichnet, eine Gesellschaft unter der Herrschaft - vor allem älterer - wohlwollender Männer mit grauen Bärten, die mit füg- und sorgsamen Frauen (ohne Bärte) nur das Beste im Sinn hatten. Aber dem war beileibe nicht so. Mit einem Wort ausgedrückt handelte es sich, schlimmstenfalls, um ein Terrorregime: eine Schreckensherrschaft, in der Frauen von einer despotischen Religion, einer alles erstickenden Kultur und notfalls mit brutaler Gewalt geknechtet wurden. Um diese gewaltsame Unterdrückung geht es im ersten Teil dieses Buches.

Im zweiten Teil geht es um die großen Errungenschaften der Frauen in dieser Zeit. Sie verdanken sich größtenteils der weltweiten Frauenbewegung. Frauen engagieren sich für Selbstbestimmung und Gleichheit im Bildungsbereich, am Arbeitsplatz und in der Politik. Das geschieht heute überall. Der dritte Teil widmet sich einem Thema, das überall dort aufkommt, wo Frauen auf dem Vormarsch sind. Orthodoxe Gläubige, Dschihadisten oder Rechtsextreme: Sie alle wollen die Frauen als Hausfrauen und Mütter im Haus sehen und ihnen ihre Rechte außerhalb des Hauses vorenthalten.

Gegenwärtig geht es dabei nur noch selten um das Frauenwahlrecht, aber immer noch, wie schon seit einem Dreivierteljahrhundert, ist das Recht auf Schwangerschaftsabbruch umstritten. Auch dieses Recht ist eine Form der Selbstbestimmung - über den eigenen Körper: »Mein Bauch gehört mir«, lautete die Losung der niederländischen Gruppe Dolle Mina in den siebziger Jahren, die sich für den Zugang zu Möglichkeiten der Geburtenregelung und zur Beendigung einer Schwangerschaft sowie um Gleichbehandlung und Chancengleichheit für Frauen, die arbeiten und studieren wollten, einsetzte. Eine dritte feministische Bewegung schlägt heute hohe Wellen. Die #MeToo-Kampagnen proklamieren den Anspruch auf Schutz vor unerwünschten Annäherungsversuchen, vor Übergriffen, Vergewaltigungen und allen anderen Formen sexuellen Missbrauchs. Dabei geht es nicht an erster Stelle um Sitte und Moral, sondern um die Möglichkeit für Frauen, sich frei und sicher an all jenen Orten zu bewegen, die bis vor kurzem noch zur Männerwelt gehörten.

Je mehr Frauen den Männern gleichgestellt werden, desto weniger gleichen sie sich untereinander. Wenn Frauen gleichwertig sind und daher dieselben Rechte genießen wie Männer, können sie selbst freier über ihr Leben verfügen. Wenn sie selbst besser entscheiden können, wie sie leben wollen, wird jede von ihnen für sich andere Entscheidungen treffen. Größere Gleichheit zwischen den Geschlechtern bedeutet daher eine größere Verschiedenheit zwischen den Frauen; und sie bedeutet auch größere Verschiedenheit zwischen den Männern.

Noch vor zwei oder drei Generationen war man fest davon überzeugt, zu wissen, was das Wesen einer Frau ausmache, was weiblich und was unweiblich sei, was Frauen konnten und wozu sie niemals in der Lage sein würden. Weil diejenigen, die das Sagen hatten, und das waren fast ausschließlich Männer, sich dessen so sicher waren, sorgten sie auch dafür, dass Frauen keine unweiblichen Dinge taten, die dem Wesen einer Frau zuwiderliefen. Daher durften sie in ihrem Leben nichts tun, was ihrer weiblichen »Natur« entgegenstand. In der Folge entsprach der größte Teil der Frauen tatsächlich den Vorstellungen, die man sich von ihnen gemacht hatte. Das herrschende Vorurteil erwirkt so seine eigene Bestätigung. Darüber ist man sich in der Soziologie und im Feminismus völlig einig.

Um seine Vormachtstellung aufrechtzuerhalten, bedarf das Vorurteil über die Frau eines Vorurteils über den Mann, das einen ebenso starken Zugriff auf die Wirklichkeit hat. Männer und Frauen, die sich ein festes Bild von »der Frau« gemacht haben, müssen dem ein Gegenbild des Mannes gegenüberstellen. Auch dieses männliche Gegenbild formt die Männer nach seinem Ebenbild. Das gefestigte Vorurteil erwirkt auch hier seine eigene Bestätigung: Der Mann ist darin in jeder Hinsicht das Gegenteil der Frau, er ist nicht weibisch, nicht mädchenhaft, nicht schwach oder ängstlich - sondern stark und mutig. Und so wünscht sich die Frau den Mann auch. Also muss dieser Mann genau so sein, in seiner eigenen Wahrnehmung und in der aller anderen.

Eine erstaunliche Konsequenz ungleicher Machtverhältnisse besteht darin, dass diejenigen, die Macht über andere ausüben können, gerade dadurch gezwungen sind, sich auch selbst diesen ungleichen Verhältnissen zu fügen, zumindest in der Öffentlichkeit. Gerade sie müssen sich unzählige Restriktionen auferlegen, die mit ihrer Machtposition verbunden sind und die bestätigen sollen, dass sie tatsächlich und zu Recht die Machthaber sind. Mit anderen Worten, auch Männer sind unter ungleichen Verhältnissen zwischen den Geschlechtern Einschränkungen unterworfen. Sie müssen »Männer« sein und den damit einhergehenden Mustern entsprechen. Schon daraus folgt, dass sich die Befreiung der Frauen auch für Männer befreiend auswirken kann. Sie dürfen dann die Art Mann sein, die am besten zu ihnen passt.

Ich fasse hier in meinen eigenen Worten den Kern eines knappen Jahrhunderts feministischer Theoriebildung zusammen. Das ist im Grunde gar nicht so schwer, denn dieser Kern stimmt größtenteils mit den Grundgedanken der Sozialwissenschaft überein. Gleichwohl handelt es sich, noch immer, um eine radikale Idee.

Vor ein paar Jahren fragte mich eine Studentin, was nun eigentlich der Unterschied zwischen Männern und Frauen sei. Ich bin der Letzte, den man das fragen sollte. Fast alles, was ich vor 60 Jahren über die Natur von Männern und Frauen zu wissen glaubte, ist seither von den Fakten widerlegt...
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Abram de Swaan (1942) war von 1973 bis 2007 Professor für Soziologie und seit 2001 auch Professor für Sozialwissenschaften an der Universität von Amsterdam. Er lehrte unter anderem am Collège de France in Paris und an der Columbia University in New York. Zu seinen erfolgreichsten Büchern gehören America in Terms, Man is Man`s Worry, Care and the State, Human Society, Words of the World und Compartments of Destruction. Sein Werk ist in zwölf Sprachen erschienen. Er war viele Jahre Kolumnist beim NRC Handelsblad und erhielt 2008 den P. C. Hooft-Preis für sein Gesamtwerk.

Bärbel Jänicke übersetzt wissenschaftliche Texte und literarische Sachbücher aus dem Niederländischen. Sie studierte Philosophie, Kunstgeschichte und Archäologie in Frankfurt und Saarbrücken und lebt heute in Berlin. 2021 wurde sie für ihre Übersetzung von "Und überall Philosophie" von Ger Groot mit dem Else-Otten-Übersetzerpreis ausgezeichnet.