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Das Erbe von Solomon Farthing

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
480 Seiten
Deutsch
CulturBooks Verlagerschienen am27.04.2023
Solomon Farthing ist ein Edinburgh-Mann, ein Erbenjäger, der Angehörige von Toten aufspürt, die etwas hinterlassen haben. Menschen sind auf die seltsamste Weise miteinander verbunden, besonders in einer Stadt wie Edinburgh. Wenn also ein alter Soldat im Pflegeheim stirbt und im Futter seines Anzugs ein kleines Vermögen steckt, ist das ein Fall für Solomon Farthing. Nur dass dieser Fall ein großes Fass aufmacht: Was geschah wirklich im November 1918 in Nordfrankreich, als Captain Godfrey Farthing sich bemühte, seine kleine versprengte Truppe junger Männer lebendig durch die letzten Wehen des großen Schlachtens zu bringen - jenes Krieges, der alle Kriege beenden sollte? »Ein Gegenwartsroman mit Wurzeln in dunkler Vergangenheit: Die bissig-heitere Story von Solomons Schatzsuche wechselt mit Kapiteln, die in den letzten Wochen des Ersten Weltkriegs an der Westfront spielen und anders klingen: düsterer, realistischer, einfühlsamer, kalt und zutiefst wahr. Diese Autorin hat ein echtes Talent für tiefgründige und komplex verzweigte Krimis.« The Scotsman »Die mitreißende Erzählung, die zwischen Gegenwart und Ende des Ersten Weltkriegs pendelt, folgt dem zwielichtigen Erbenjäger Solomon Farthing auf Beutezug. Ein genial gewebter, anspielungsreicher und berührender Plot.« Woman and Home

Die Autorin Mary Paulson-Ellis lebt in Edinburgh. Die frühere Drehbuchredakteurin, Kunstkuratorin und Reiseleiterin studierte Politik und Soziologie. Ihre ganz eigene Erzählweise verknüpft Krimi mit Geschichtsepos, sie sondiert biografisch-historische Spuren und legt erzählerische Fährten durch Jahrhunderte. Paulson-Ellis ist regelmäßig bei BBC Radio Scotland zu hören und rezensiert, was Fernsehen, Film, Theater, Kunst und Bücher aktuell zu bieten haben. Ihr Debüt »Die andere Mrs. Walker wurde« auf Anhieb ein Durchbruch, derzeit schreibt sie am vierten Roman. Die Übersetzerin Kathrin Bielfeldt ist Texterin und Übersetzerin und spricht fünf Sprachen. Sie hat u. a. Romane von Elisabeth Elo, James Sallis und Laura Lippman ins Deutsche gebracht.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR25,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR16,99

Produkt

KlappentextSolomon Farthing ist ein Edinburgh-Mann, ein Erbenjäger, der Angehörige von Toten aufspürt, die etwas hinterlassen haben. Menschen sind auf die seltsamste Weise miteinander verbunden, besonders in einer Stadt wie Edinburgh. Wenn also ein alter Soldat im Pflegeheim stirbt und im Futter seines Anzugs ein kleines Vermögen steckt, ist das ein Fall für Solomon Farthing. Nur dass dieser Fall ein großes Fass aufmacht: Was geschah wirklich im November 1918 in Nordfrankreich, als Captain Godfrey Farthing sich bemühte, seine kleine versprengte Truppe junger Männer lebendig durch die letzten Wehen des großen Schlachtens zu bringen - jenes Krieges, der alle Kriege beenden sollte? »Ein Gegenwartsroman mit Wurzeln in dunkler Vergangenheit: Die bissig-heitere Story von Solomons Schatzsuche wechselt mit Kapiteln, die in den letzten Wochen des Ersten Weltkriegs an der Westfront spielen und anders klingen: düsterer, realistischer, einfühlsamer, kalt und zutiefst wahr. Diese Autorin hat ein echtes Talent für tiefgründige und komplex verzweigte Krimis.« The Scotsman »Die mitreißende Erzählung, die zwischen Gegenwart und Ende des Ersten Weltkriegs pendelt, folgt dem zwielichtigen Erbenjäger Solomon Farthing auf Beutezug. Ein genial gewebter, anspielungsreicher und berührender Plot.« Woman and Home

Die Autorin Mary Paulson-Ellis lebt in Edinburgh. Die frühere Drehbuchredakteurin, Kunstkuratorin und Reiseleiterin studierte Politik und Soziologie. Ihre ganz eigene Erzählweise verknüpft Krimi mit Geschichtsepos, sie sondiert biografisch-historische Spuren und legt erzählerische Fährten durch Jahrhunderte. Paulson-Ellis ist regelmäßig bei BBC Radio Scotland zu hören und rezensiert, was Fernsehen, Film, Theater, Kunst und Bücher aktuell zu bieten haben. Ihr Debüt »Die andere Mrs. Walker wurde« auf Anhieb ein Durchbruch, derzeit schreibt sie am vierten Roman. Die Übersetzerin Kathrin Bielfeldt ist Texterin und Übersetzerin und spricht fünf Sprachen. Sie hat u. a. Romane von Elisabeth Elo, James Sallis und Laura Lippman ins Deutsche gebracht.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783959882347
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum27.04.2023
Seiten480 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse804 Kbytes
Artikel-Nr.11592182
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


2016
Eins
Sie nannten ihn Old Mortality. Nach dem Buch. Aber hier zu stranden hatte er denn doch nicht erwartet. Mit dem Gesicht nach unten auf einer Matratze, die nach Urin stank. Nichts zwischen ihm und dem Fußboden als eine Pritsche aus kaltem Beton. Es war Mai, über der stolzen Stadt Edinburgh zog die Morgendämmerung herauf. Doch Solomon Farthing konnte keine Gardinen aufziehen und sie bewundern, denn er war schon in der Gosse gelandet - kein Geld, keine Freunde, keine Wertschätzung -, was von ihm übrig war, sabberte den Steinboden einer Arrestzelle voll, und es gab nicht mal eine Flasche Fino zum Wegspülen der Würdelosigkeit seines Lebens.

»Hopp hopp, hoch mit euch, ihr Nichtsnutze! Aufstehen und feinmachen.«

Draußen vernahm er das Rumoren eines erwachenden Polizeireviers, das seinen Tagesbetrieb aufnahm. Drinnen spürte er das Stottern seines Herzens. Solomon drückte auf das weiche Fett um seine Brustwarze. Er war kein gesunder Mann, das wusste er nur zu gut, ein Wrack aus Gedächtnislücken und Fehltritten, mit gereizter dünner Haut innen wie außen.

Sein jüngstes Dilemma war auch nicht gerade förderlich, wobei er nur aufgrund eigenen Handelns jetzt ohne Schnürsenkel in einer Arrestzelle lag. Was hätte sein Großvater ­davon gehalten, ein Mann, für den Ehrbarkeit mit dem Auf- oder Zuknöpfen eines Kragens stand und fiel. Und doch war sein Nachkomme nun hier, sechsundsechzig Jahre alt, Tendenz steigend, mit heraushängendem Hemd, die Hosensäume schlammverdreckt. Und die Knie auch.

Dann plötzlich das Schlurfen schwerer Stiefel, zwei Poli­zisten kamen den Gang entlang und polterten im Vorbei­gehen gegen jede Metalltür.

»Zeit zum Aufstehen, Gentlemen.«

Solomon setzte sich auf, leckte eine Handfläche an und fuhr sich damit übers Haar. Er hoffte, dass Detective Inspec­tor Roberts, ehemals Rechercheeinheit, Lakai von DCI Franklin, ihm zur Strafe die Leviten lesen kam. Eine Verwarnung. Eine kleine Geldstrafe. Ein Klaps auf die Finger. Oder mit etwas Glück die unverzügliche Entlassung aus der Tür des Polizeireviers Gayfield in eine elegante Edinburgher Grünanlage. Dieser alte Tummelplatz von Prostituierten und Strichern, erster Wohnsitz jener Immigranten der ersten Generation, die ins Athen des Nordens kamen, um ihre Träume aufzupolieren. Nun natürlich gentrifiziert. Fünfhundert­tausend und mehr für vier Zimmer. In Edinburgh mit seiner undurchsichtigen Vergangenheit fand sich immer ein Weg, bei dem irgendwer profitierte.

Solomon zog seine knittrigen rosaroten Socken über den Knöcheln straff und versuchte die Falten eines durchgesumpften Wochenendes zu glätten. Wann genau war er falsch abgebogen?, fragte er sich. Ein echter Edinburgh-Mann mit zumindest dem Anschein eines Berufs sowie der Gabe, die Gezeitenströme des Lebens zu seinem Vorteil zu nutzen, jetzt jedoch aufgeschmissen, fast wie ein im Unwetter ausgesetztes Waisenkind. Sein Hilfeersuchen an die einzige verbleibende Verwandte in der Stadt - eine Tante, die eigentlich nicht seine Tante war - hatte nichts bewirkt als Funkstille. Kein Anruf bei einem Rechtsanwalt. Kein Antrag auf vorzeitige Haftentlassung. Noch nicht mal frische Kleidung. Solomon schnupperte verstohlen erst an der einen, dann an der anderen Achselhöhle und wartete auf Erlösung in Gestalt eines Polizisten, dem er vielleicht einst, vor langer Zeit, einen Gefallen getan hatte. Es war noch gar nicht so viele Jahre her, da hatte er alle Polizisten der Stadt gekannt - auch beim Vornamen:

Eine Hand wäscht die andere.

Die Fähigkeit, jemanden zu umgarnen, eine von Solomon Farthings wertvolleren Eigenschaften, wobei selbst er wusste, dass sie inzwischen am seidenen Faden hing.

Doch als die Luke geöffnet wurde, kannte Solomon die ausdruckslosen Augen nicht, die ihn durch das Loch in der Tür anstarrten. Weiblich. Jung. Kritisch. Alles, was er nicht war. Die Polizistin betrachtete ihn etwas länger, als angenehm war, dann verschwand sie, bevor Solomon um irgendetwas ersuchen konnte. Einen Schiss. Eine Rasur. Ein Guten ­Morgen. Von Frühstück gar nicht zu reden. Nicht mehr als die ganz normalen Freuden des Lebens.

In der Zelle nebenan erhob sich ein Stöhnen, dasselbe urige Wehklagen, das ihn den Großteil des Wochenendes wach ­gehalten hatte.

»Oh Mann, oh Mann, oh Mann. Du Arsch.«

Dann eine Pause. Solomon wartete (die Illusion einer Hoffnung). Dann die Wiederholung.

»Oh Mann, oh Mann, oh Mann â¦«

Du Arsch.

Was gab es da noch hinzuzufügen?

 

Der Fehltritt hatte ganz normal angefangen. Ein Versuch, Geld zu machen. Hastig, um ja der Erste zu sein. Nur darauf kam es an, wenn man Erbenermittler war, Jäger all dessen, was zurückblieb, wenn jemand ohne Testament verstarb.

Immobilien waren der Schlüssel, besonders in einer Stadt wie Edinburgh. Vierzimmerwohnung zu verkaufen; fünfhunderttausend Pfund zum Aufteilen unter den Hinterbliebenen. Die Provision war der Ertrag. Zehn Prozent. Zwanzig Prozent. Manchmal sogar dreißig, wenn es gut lief. Das Wichtigste - der Knackpunkt - war, die Immobilien aufzutun, die eine halbe Million und mehr wert waren. Und als Erster an ihnen dran zu sein.

Das Haus stand leer, zumindest war Solomon das gesagt worden. Eine stattliche Immobilie in einer ruhigen Wohngegend, der Eigentümer längst verstorben. Großzügige Einfahrt. Nach hinten raus unverschlossene Terrassentüren. Es war ein Tipp von Freddy Dodds, für gewöhnlich der verlässlichste von Solomons Edinburgh-Leuten, jemand, der ihm Gelegenheiten steckte und dafür als Erster eventuelle Kostbarkeiten abgriff, die niemand vermissen würde. Solomons Plan war simpel, die typische Masche des Erben­ermittlers. Eine schnelle Erkundungstour durch die verlassene Immobilie, um den Wert zu schätzen, dann am nächsten Tag, bevor das Crown Office sich einschaltete, Anspruch auf die Erbmasse anmelden samt dem Angebot, Angehörige, die er auftat, beim Veräußern und Entrümpeln zu unterstützen. Fünfhunderttausend und mehr für vier Zimmer. Eine leerstehende Immobilie ohne ersichtlichen Eigentümer - das machte regelmäßig neun von zehn Fällen für einen Erben­ermittler aus. Es hätte ein leichter Ein-Abend-Job sein ­sollen.

Das erste Problem war die Straßenbeleuchtung, die genau in die Lücke schien, durch die Solomon verschwinden musste, um von hinten ans Haus zu gelangen. Er stand auf der gegenüberliegenden Straßenseite, atmete den kopflastigen Nachtduft von Flieder ein und versuchte auszusehen wie ein Mann, der die Natur wertschätzt, statt wie jemand, der dir kalt lächelnd deinen Nachlass raubt. Gehen. Oder bleiben. Das war hier die Frage. Solomons Instinkt riet ihm Ersteres. Doch obwohl er ein Laissez-faire-Typ war - was du heute kannst besorgen, wartet auch noch gern bis morgen -, wusste Solomon, dass er diesmal keine Zeit zu verlieren hatte.

Sein zweites Problem waren die Terrassentüren, die nicht aufgingen, als er sich zum Handeln durchrang: nicht länger gänzlich unverschlossen, wie Dodds ihm zugesichert hatte.

Das dritte war das Fehlen eines mehr als lukengroßen offe­nen Fensters zum Hindurchzwängen, als die Bewegungsmelder ihr grelles Leuchten aktivierten. Der ganze Garten urplötzlich zerschnitten in Schatten und blendende Helle. Es war Solomons Selbsterhaltungstrieb, der ihn anschob. Kopf voran, versteht sich.

Auf der Hälfte blieb er stecken. »Scheiße!«

Riss sich den Ärmel seines zweitbesten Hemdes auf. Schlitterte wehrlos auf den Boden einer kalten Toilette. Knallte mit dem Kopf gegen die Kloschüssel und fragte sich, was um alles in der Welt aus seinem Leben geworden war. Ein Mann, dessen Kinderstube fest vorschrieb, jeden Sonntag gewissenhaft die Schuhe zu polieren, Seite an Seite mit seinem Großvater in der Spülküche. Gottlob war der alte Herr längst tot, lag seit über vierzig Jahren im Grab.

Solomon kam sich vor wie selbst schon im Grab, als er sich hochhievte und in den trüben Spiegel starrte, der über dem winzigen Waschbecken hing. Er sah alt aus. Er sah verlottert aus. Er sah besoffen aus. Und alles traf zu. Seine linke Hand hörte nicht auf zu zittern, als er sie unter ein dünnes Rinnsal aus dem Hahn hielt und sich das kalte Wasser ins Gesicht spritzte. Es gab kein Handtuch zum Abtrocknen, also nahm er stattdessen den Zipfel seines zweitbesten Hemdes. Dann stand er an der Tür und horchte, als wäre er insgeheim wieder ein Kind, bevor er in den dunklen Flur hinaustrat.

Das Haus erwartete ihn - die Verheißung einer Schatztruhe, bereit zur Preisgabe ihrer Geheimnisse an den, der zuerst suchen kam. Vielleicht Kästen mit Silberbesteck. Fami­lienporträts in verschnörkelten Goldrahmen. Eine Perlenkette. An derlei Dingen war Dodds interessiert. Von Solo­mons eigenem Anliegen ganz zu schweigen: vier Zimmer, ­bezugsfertig, der Traum aller Immobilienmakler. Er pirschte weiter, überprüfte jede Tür, an der er vorbeikam, ein lautloses Öffnen und Schließen der Zimmer, die einem Toten gehörten, wobei hier und da sein Spiegelbild dräute, wo überm Elektrokamin ein Spiegel hing. Jeder Zoll des Hauses war mit Teppich ausgelegt - Zimmer, Flure, Abstellräume und Kammern -, und Solomons ausgelatschte Lederschuhe sanken in den Flor ein, als kosteten sie von einem Luxus, der ihnen einst versprochen, aber nie gewährt worden war. Er merkte schon jetzt, dass das Haus jungfräuliches Gebiet war, noch hatten keine anderen Erbenermittler hergefunden und seinen Claim besudelt.

Er linste in einen Wäscheschrank, fuhr mit der...

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