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Aus heiterem Himmel ...

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
152 Seiten
Deutsch
Books on Demanderschienen am19.05.20231. Auflage
Als eines von vielen Kindern 1964 geboren, spüre ich früh eine undefinierbare Schwere, einen dunklen Schatten, der über unserer Familie liegt. Erst 25 Jahre später gibt sich dieser Schatten hemmungslos zu erkennen. Er offenbart sich als Todesangst und bleibt. Ab diesem Zeitpunkt verheimliche und bekämpfe ich die Angst mit allen Mitteln. Beim Besuch eines Vortrags über »Kriegskinder« steht plötzlich fest: »Meine Angst hat einen Grund!« Und dieser Grund liegt in der Vergangenheit. Und zwar weit vor meiner eigenen. Mein Vater und ich fahren zurück in Richtung Osten, in das Jahr 1945. Hier fängt mein Vater an zu erzählen. Aus seiner Angst vor dem Sterben wurde meine Angst vor dem Leben. Das Geschrei der Todesangst war der Hilferuf, dem Leben nachzugehen, um jetzt eine leise Stimme zu werden, die mir behutsam mitteilt, was für mich wichtig ist.

Martin Heller, Jahrgang 1964 leitete bis zum 1. April 2022 als selbstständiger Architekt sein Büro in der Nähe von Bremen. Er engagiert sich ehrenamtlich in der Viktor und Martin Heller Stiftung. Martin Heller schreibt autobiografisch und stellt seine mitunter unbeschreiblichen und sehr persönlichen Erlebnisse mit einfachen Worten für seine Leser dar.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR19,90
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextAls eines von vielen Kindern 1964 geboren, spüre ich früh eine undefinierbare Schwere, einen dunklen Schatten, der über unserer Familie liegt. Erst 25 Jahre später gibt sich dieser Schatten hemmungslos zu erkennen. Er offenbart sich als Todesangst und bleibt. Ab diesem Zeitpunkt verheimliche und bekämpfe ich die Angst mit allen Mitteln. Beim Besuch eines Vortrags über »Kriegskinder« steht plötzlich fest: »Meine Angst hat einen Grund!« Und dieser Grund liegt in der Vergangenheit. Und zwar weit vor meiner eigenen. Mein Vater und ich fahren zurück in Richtung Osten, in das Jahr 1945. Hier fängt mein Vater an zu erzählen. Aus seiner Angst vor dem Sterben wurde meine Angst vor dem Leben. Das Geschrei der Todesangst war der Hilferuf, dem Leben nachzugehen, um jetzt eine leise Stimme zu werden, die mir behutsam mitteilt, was für mich wichtig ist.

Martin Heller, Jahrgang 1964 leitete bis zum 1. April 2022 als selbstständiger Architekt sein Büro in der Nähe von Bremen. Er engagiert sich ehrenamtlich in der Viktor und Martin Heller Stiftung. Martin Heller schreibt autobiografisch und stellt seine mitunter unbeschreiblichen und sehr persönlichen Erlebnisse mit einfachen Worten für seine Leser dar.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783757870584
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum19.05.2023
Auflage1. Auflage
Seiten152 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.11728069
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

12. Kapitel: Mittlere Reife - im umfänglichen Sinne des Wortes

Am 25. Juni 1975 schrieb Frau Greis in mein Abschlusszeugnis der Klasse 4b der Mittelpunktschule Bücken:

»Mit etwas mehr Einsatz und Ehrgeiz könnte Martin bessere Leistungen erbringen. Er wird versetzt nach Klasse 5.«

Recht hatte sie. Doch welchem Kind könnte man diesen Satz nicht ins Zeugnis schreiben?

Am Ende der Sommerferien fuhren die meisten meiner ehemaligen Mitschüler und ich nach Hoya in die Orientierungsstufe. In dieser besonderen Schulform sollten uns die Lehrer intensiv beim Lernverhalten in den kommenden zwei Jahren beobachten, um uns dann an die für uns geeignete weiterführende Schule zu verweisen. Ich dachte, das wäre grundsätzlich in der Schule so. In den Zeugnissen der OS waren zusätzlich zu den Noten noch Tabellen zur Beobachtung unseres Arbeitsverhaltens aufgelistet. Bei Arbeitstempo wurde bei mir »langsam« angekreuzt. Den meisten Schülern bis auf wenige Ausnahmen und auch mir wurde der Besuch der Realschule in Hoya empfohlen.

Und hier startete nun mein Weg zur schulischen Mittleren Reife, den ich gemeinsam mit vielen neuen Schülerinnen und Schülern in den kommenden vier Jahren gehen sollte. In dieser besonderen Zeit entwickelte sich ganz bewusst mein Leben und das meiner Mitschüler.

»Wer bin ich und wer möchte ich sein?«

Diese großen und existenziellen Fragen stellten sich mehr oder weniger von selbst, drängten sich mir sogar regelrecht auf. Leider waren die Antworten auf diese wichtigen Fragen nicht ganz so einfach zu erhalten, wie ich mir das gewünscht hatte. Die endgültige und zufriedenstellende Beantwortung dieser Fragen ist bei mir bis heute noch nicht ganz erfolgt. Und diese Teilentwicklung haben wir Schüler gemeinsam erlebt. Ob die meisten von uns menschlich die Mittlere Reife erreicht haben, bezweifle ich.

Ab dem ersten Schultag saß ich neben Coboldt. Wir sollten echte Freunde fürs Leben werden und sind es deshalb heute noch. In der ersten Reihe saß Horsti, damals eigentlich der beste Freund von Coboldt, der aber aus Erfahrung wusste, weshalb er im Unterricht nicht neben Coboldt sitzen wollte. Horsti sollte später noch eine wichtige berufliche Rolle in meinem Leben spielen. Wir waren auch hier wieder viele Kinder in der 7a. Irgendwie sahen wir alle gleich aus. Möglichst nicht auffallen, war den meisten von uns mit auf den Lebensweg gegeben worden. Das schien unseren Eltern ganz wichtig zu sein. Umso mehr stachen einige Kinder aus der grauen Masse heraus, die es nicht als unangenehm empfanden, im Mittelpunkt zu stehen. Jeder von uns hatte in kurzer Zeit seine Verbündeten gefunden und damit seinen Platz in der Hierarchie der 7a. Im Laufe der Jahre sollte aus unserer Klasse eine echte eingeschworene Gemeinschaft werden.

Die Schule war für mich Treffpunkt mit Freunden. Der lästige Unterricht musste irgendwie hingenommen werden. Gelernt wurde nur das Allernötigste, und zwar hauptsächlich dann, wenn es um die Versetzung ging. Ich gehörte ins Mittelfeld unserer Klasse, der größten Menge an Kindern, die die Schule eher doof fand und bei der Einigkeit darin bestand, für die Schule nichts zu tun, um bloß nicht als Streber gebrandmarkt zu werden. Wir hatten bis auf die üblichen Ausnahmetalente alle ähnlich durchschnittliche Noten. Ich belegte in Englisch und Mathematik die A-Kurse und gehörte damit dem gymnasialen Zug unserer Realschule an und konnte bei erfolgreichem Abschluss nach der 10. Klasse weiter auf ein Gymnasium in einer anderen Stadt gehen. Obwohl ich nur zum Durchschnitt gehörte, hatte ich kurioserweise nach wie vor das tiefe kindliche Vertrauen, dass mir alles Wesentliche für meinen weiteren schulischen und beruflichen Weg einfach so zufallen würde.

Nach dem Unterricht verabschiedete ich mich kurz für das Mittagessen nach Hause. Am Nachmittag traf ich mich gleich wieder mit Freunden aus meiner Klasse. Wir hörten Musik, hingen ab oder vagabundierten durch die Stadt. Allerdings störten mich die Hausaufgaben in dieser eingespielten Tagesordnung. Weil ich schnell wieder loswollte, schob ich die Hausaufgaben erst einmal nach hinten. Ich rechtfertigte diese Entscheidung damit, dass ich das schnell noch im Bett vor dem Einschlafen erledigen würde. Endlich im Bett, war ich natürlich zu müde. Als fleißiger Schüler brauchte ich meinen Schlaf. Die Busfahrt zur Schule war immer noch eine Option. Doch während der Fahrt gab es zu viele wichtige Informationen aus erster Hand, die ich nicht verpassen durfte. Die letzte Möglichkeit, vor der ersten Stunde bei jemandem überhastet die Aufgaben abzuschreiben, funktionierte nie. Letztlich saß ich häufig ohne Hausaufgaben im Unterricht und musste den Nervenkitzel ertragen, gleich aufgerufen zu werden.

Meine Eltern spielten in dieser Zeit eher eine Nebenrolle, war ich doch zeitlich bedingt nur zum Essen und Schlafen zu Hause. Jetzt kamen die wichtigen und neuen Einflüsse aus unterschiedlichen Richtungen, die meine ganze Aufmerksamkeit forderte. Wir trafen uns meistens bei den Mitschülern, deren Eltern nie oder selten zu Hause waren oder diese ein schöneres Zuhause hatten als wir. Ich fühlte mich aus mir unerklärlichen Gründen zu Hause nicht so wohl, deshalb besuchte ich lieber meine Mitschüler.

Einmal in der Woche musste ich noch zum Konfirmandenunterricht und fieberte auf meine Konfirmation hin. Denn zu diesem Ereignis kam richtig Geld ins Haus und die strengen Vorgaben, wann ich abends zu Hause sein sollte, wurden gelockert und kurze Zeit später ganz aufgegeben. Am Nachmittag meiner Konfirmation telefonierte ich mit Freunden, um die aktuellen finanziellen Hochrechnungen durchzugeben. Am Abend konnte ich dann mit 1.100 DM ein gutes mittleres Ergebnis verkünden.

Wir hatten schon mit einigen Jungs aus meiner Klasse vorab überlegt, dass wir uns von dem Geld Musikinstrumente kaufen, um eine Band zu gründen. Wir wollten richtige Rockstars werden. Damit könnten wir dem tristen Schulalltag entfliehen und würden bestimmt von den Mädchen angehimmelt. Kurze Zeit später gründeten wir mit einem Schlagzeuger, einem Bassisten und Coboldt und mir als Gitarristen die »Gang« und los ging es. Bei Coboldts Eltern im Keller lernten und probten wir »Smoke on the water« und ähnliche Songs. Unsere steile Karriere als Stars gipfelte in einigen Auftritten in unserer Schule, in einer versifften Kneipe in Hoya und auf dem Abschlussball einer zehnten Klasse, bevor wir dann am Ende unserer Schulzeit am fernen Rock- und Pophimmel schnell wieder verglühten.

Die ersten Partys wurden an den Wochenenden veranstaltet und ich durfte zunächst mit einem vorgegebenen zeitlichen Limit dort hingehen. Eine höchst aufregende Zeit begann für mich. Die Partys fanden meistens in Kellern von Wohnhäusern meiner Mitschüler statt, wenn die Eltern nicht zu Hause waren. Der Zugang in diese fremde aufregende Unterwelt erfolgte häufig durch den Garten und dann über eine rückwärtige Außentreppe, die in den Keller führte. Hier stieg ich nun zum ersten Mal in die dunklen Sphären eines Partykellers hinab, um dort unten Licht in meine bisher tristen Abende zu bringen. Auf dem Fußboden lagen alte Matratzen, die schon bessere Tage beziehungsweise Nächte gesehen hatten. Die Kellerdecken mit befestigten Kabeln und Abwasserrohren wurden oft mit Tarnnetzen abgehängt und die Beleuchtung farbig angestrichen. Die Wände waren für VIPs reserviert, wie Suzi Quatro, Chris Norman und Co. Hin und wieder gab es eine nur für diese Events reaktivierte Toilette im Keller, die aber aus hygienischen Gründen nach kurzer Zeit wieder geschlossen werden musste. In dieser Unterwelt roch es nach feuchten Wänden, einer spannenden Zeit und kleinkarierten Eltern.

Jeder brachte Schallplatten oder Kassetten von zu Hause mit. Ich konnte leider keine Musik zu den Partys beisteuern, weil ich mir nicht sicher war, was ich genau gut finden durfte. Led Zeppelin, Pink Floyd und The Who hörte mein ältester Bruder, war auf unseren Partys aber doch eher selten zu vernehmen. Die Standardfete meiner Zeit wurde von »Born To Be Alive« von Patrick Hernandez, »El Lute« von Boney M., »Y.M.C.A.« von Village People und »I Was Made For Lovin You« von Kiss angefeuert. Später schlich sich dann, verlässlich wie das Amen in der Kirche, eine Art Hymne mit »Was wollen wir trinken sieben Tage lang« von Bots in die Partys ein, bei dem alle aufstanden, gemeinsam im Kreis getanzt und gesungen haben. Fand ich immer richtig scheiße.

Auf meiner ersten Party habe ich natürlich auch mein erstes Bier probiert. Ein Haake-Beck Pils in der unverwechselbaren Maurerknolle. Nach dem ersten Schluck war ich schockiert. Versprochen wurde ein gradlinig und authentisch wirkender, norddeutscher Pilstyp. Das Bier schmeckte überhaupt nicht. Ich hatte gehört, dass besonders coole Jungs oder Landwirte aus den oberen Klassen ganze Kisten davon an einem Abend trinken können. Ich wusste nicht einmal, wie ich diese einzige Flasche jemals leeren sollte. Irgendwie hat es dann doch geklappt und nach einigen Partys und etlichen Kotzereien weiter gehörte ich endlich zu diesen coolen Jungs.

Um noch lässiger zu wirken,...
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