Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Wo ist Valentin?

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
336 Seiten
Deutsch
Kanon Verlagerschienen am02.08.20231. Auflage
Die Katze kann ohne den Menschen leben, aber der Mensch nicht ohne Katze. Der Kater Valentin wurde am Tag der Liebenden geboren, daher sein Name. Sein plötzliches Verschwinden stürzt die beschauliche Kleinstadt Aschersburg in einen Taumel. Die Biologielehrerin Katja sucht verzweifelt nach Valentin, ihre Schülerin Ricky nach der Wahrheit. Warum lügt Katja? Wird Ricky ihre Lehrerin überführen? Und wer wird Valentin zuerst finden? Ein hinreißender Abenteuerroman über die Sehnsucht auszubrechen und einen ganz besonderen Kater. »Wer immer schon wissen wollte, warum ein Leben ohne Katze möglich, aber sinnlos ist, lese diesen liebenswerten Roman!« Nele Neuhaus

Kai Hensel arbeitete als Werbetexter, Comedy-Autor und Drehbuchschreiber für TV und Kino. Er ist vielgespielter Bühnenautor. Sein Werk wurde in zwölf Sprachen übersetzt, für den Hörfunk adaptiert und mehrfach ausgezeichnet. Sein Roman »Sonnentau« war für den Glauser-Preis nominiert. Kai Hensel lebt in Berlin.
mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR16,99

Produkt

KlappentextDie Katze kann ohne den Menschen leben, aber der Mensch nicht ohne Katze. Der Kater Valentin wurde am Tag der Liebenden geboren, daher sein Name. Sein plötzliches Verschwinden stürzt die beschauliche Kleinstadt Aschersburg in einen Taumel. Die Biologielehrerin Katja sucht verzweifelt nach Valentin, ihre Schülerin Ricky nach der Wahrheit. Warum lügt Katja? Wird Ricky ihre Lehrerin überführen? Und wer wird Valentin zuerst finden? Ein hinreißender Abenteuerroman über die Sehnsucht auszubrechen und einen ganz besonderen Kater. »Wer immer schon wissen wollte, warum ein Leben ohne Katze möglich, aber sinnlos ist, lese diesen liebenswerten Roman!« Nele Neuhaus

Kai Hensel arbeitete als Werbetexter, Comedy-Autor und Drehbuchschreiber für TV und Kino. Er ist vielgespielter Bühnenautor. Sein Werk wurde in zwölf Sprachen übersetzt, für den Hörfunk adaptiert und mehrfach ausgezeichnet. Sein Roman »Sonnentau« war für den Glauser-Preis nominiert. Kai Hensel lebt in Berlin.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783985680931
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum02.08.2023
Auflage1. Auflage
Seiten336 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2124 Kbytes
Artikel-Nr.12205240
Rubriken
Genre9201
Verwandte Artikel

Inhalt/Kritik

Leseprobe

6.

»Valentin?«

Katja stand auf der Schwelle, den Türgriff in der Hand. Kein Tapsen, kein Miauen. Kein Streichen von Fell um ihr Bein.

Sie schloss leise die Haustür, vielleicht schlief er auf seiner Wolldecke. Doch da lag er nicht, die Wolldecke lag verlassen in der Ecke des Sofas. Sie ging in die Küche. Der Napf stand neben dem Vorratsschrank, Valentin hatte die Futterkroketten nicht angerührt. Auch die Katzentoilette war unbenutzt.

Sie hatte nicht viel Zeit, musste sich fürs Joggen umziehen. Draußen wartete Enno. Sie öffnete die Terrassentür und rief: »Valentin!«

Keine Bewegung, kein Rascheln im Gebüsch. Im Nachbargarten lief der Rasenmäher. Sie machte sich zu viele Sorgen, was konnte ihm schon passiert sein? Der erste warme Frühlingstag, er war eben unterwegs. Wenn sie nachher zurückkam, würde er bestimmt zu Hause sein.

Die Märzstürme hatten Bäume entwurzelt und Äste auf die Pfade geweht. Immer wieder musste Katja Pfützen ausweichen. Doch das Laufen tat ihr gut, füllte ihre Lunge mit frischer Luft, die nach Erde und feuchtem Holz roch. Ihr Blick glitt über Galloway-Rinder auf den Weiden und Osterlämmer, die an den Eutern ihrer Mütter saugten. Sie übersah ein Schlammloch, der Schlamm spritzte ihr bis zur Hüfte.

»Wir hätten an der Saale laufen sollen«, rief sie zu Enno, der vor ihr lief.

»Bei dem Wetter? Zu viele Spaziergänger mit gestörten Hunden.«

Da hatte er recht. Hier, auf abgelegenen Pfaden durch den Wald, waren sie allein. Allerdings erforderte das Laufen Konzentration, und Enno war besser trainiert. Er war nicht der Typ, der gönnerhaft für eine Frau das Tempo reduzierte, was sie ihm anrechnete. Seitenstiche meldeten sich, sie presste die Luft mit Faustschlägen und Atemstößen aus der Bauchhöhle.

Die Lichtung vor ihnen war traditionell der Ort für ihre Gehpause. Enno reduzierte das Tempo, der Pfad wurde breiter, sie gingen jetzt nebeneinander, vorbei an zersägten Baumstämmen, die hier letztes Jahr noch nicht gelegen hatten.

»Herrliche Luft«, sagte er.

»Allerdings.«

»Man könnte vergessen, wie kaputt die Natur ist.«

»Das gesamte untere Saaletal ist Naturpark.«

»Und warum fällen sie die Bäume? Alles greenwashing, alles Kommerz.«

Sie hätte ihm schon erklären können, warum auch in einem Naturpark hin und wieder Bäume gefällt wurden. Aber Enno sah überall kapitalistische Verschwörungen, und der Nachmittag war zu schön für politische Diskussionen. Sie nahm ihre Trinkflasche aus dem Gürtel, Enno aß einen Müsliriegel.

»Hast du schon gehört?«, sagte er. »Krugmeyer hört auf.«

»Wann?«

»Sobald wie möglich. Sein letztes EKG war wohl nicht gut.«

»Wer sagt das?«

»Gerüchte. Aber musst ihn dir nur mal ansehen.«

Krugmeyer war der Direktor des Humboldt-Gymnasiums, seit fast drei Jahrzehnten. Die Schule war sein Geist und seine Seele, alle wussten um die Kämpfe, die er täglich führte - um mehr Stellen, mehr Mittel, die Sanierung der Sporthalle, in der es seit letztem Winter durchs Dach regnete (»Stellen Sie bis zur nächsten Haushaltssitzung einen Eimer drunter«, hatte man ihm beschieden). Diese Kämpfe zehrten an Krugmeyer, und seit einiger Zeit sah man es ihm an. Er wirkte unkonzentriert, ließ die Zügel schleifen, die Vertretungspläne wurden wirr.

»Gibt s schon eine Nachfolge?«, fragte Katja.

»Wird gesucht.«

»Dann kann s dauern.«

Schlimmer als der Mangel an Lehrkräften war der Mangel an Direktoren. Katja wusste von fünf Schulen allein im Landkreis, die kommissarisch geleitet wurden, in einem Fall von der Sekretärin. Wer tat sich diesen Job freiwillig an? Tägliche Verwaltung des Mangels, Klagen der Eltern über ausgefallenen Unterricht, veraltetes Lehrmaterial, kaputte Waschbecken. Und jedes Mal beschwichtigen, die Lage schönreden, auf nächste Woche, nächsten Monat, den nächsten Haushaltsplan vertrösten. Diese Lügerei musste selbst eine Frohnatur wie Krugmeyer auslaugen.

»Wir sind die Kapelle auf dem sinkenden Schiff«, sagte Enno. »Das letzte Gymnasium im Landkreis.«

»Das vorletzte.«

»Lise-Meitner wird in zwei Jahren fusioniert. Integrierte Gesamtschule, Beschluss aus Magdeburg. Für uns gibt s auch bald nicht mehr genügend Schüler.«

»Es wird welche geben. Aschersburg verliert keine Einwohner mehr, im Gegenteil. Junge Familien ziehen her, sie merken, dass das Leben in einer Kleinstadt besser ist als in den Metropolen.«

»Aber reicht das für ein eigenes Gymnasium? Ich meine, wen unterrichten wir? Kinder von Eltern, die sich für was Besseres halten.«

»Oder Kinder, die auf dem Gymnasium besser aufgehoben sind.«

»Wir fördern keine Individualität, sondern Elitendenken. Und was hat Krugmeyer erreicht mit seinen Kämpfen? Übergewicht und ein krankes Herz.«

Katja und Enno waren bei den Schülern beliebt, aber auf unterschiedliche Art. Katja nahm ihre Arbeit ernst und erwartete, dass die Schüler den Unterricht ernst nahmen. Biologie und Chemie waren Schlüsselfächer, wer hier nichts begriff, begriff vom Leben wenig. Unbegreiflich war ihr die Ignoranz mancher Kollegen von den Geisteswissenschaften; sie wollten ihre Schüler zu umfassend gebildeten Menschen erziehen, aber hielten Eukaryoten für eine Inselgruppe. Enno war in vieler Hinsicht ihr Gegenteil: Die Schüler nannten ihn einfach »Schrader«, seit Jahren war er Vertrauenslehrer und einer der wenigen Kollegen, der die Schüler aller Jahrgänge duzte, obwohl das eigentlich ab der zehnten Klasse nicht mehr erlaubt war. Im Englisch-Unterricht lasen sie Texte aus Rocksongs oder sahen Antikriegsfilme aus den Siebzigern. Im Sportunterricht war er etwas fordernder, aber auch nur so, dass seine Schüler sich bei den Schulmeisterschaften nicht blamierten. So geschickt, wie mancher Schüler beim Abschreiben war, war Enno darin, gute Noten zu geben. Hier eine Andeutung, welcher Text in der nächsten Klausur Thema sein würde, dort ein Wink beim Verteilen der Fragen, ein freundschaftlicher Blick über die Schulter, Tippen auf einen Fehler ⦠Am Ende schrieb kaum jemand weniger als zehn Punkte. Enno galt als engagierter Pädagoge, Eltern wie Schüler himmelten ihn an. Und kaum einer arbeitete so wenig. »Ich bin zu lange im Job«, hatte er Katja einmal beim Abendessen gestanden, dabei war er nur sechs Jahre älter. In wenigen Jahren, fürchtete sie, würde auch er beim Therapeuten auf der Couch liegen.

»Caroline hat die letzte Klausur komplett abgeschrieben«, sagte sie. »Von Wikipedia.«

»Wie hat sie das gemacht?«

»Das frage ich mich auch. Neue Smartwatch? Brille mit eingebautem Display? In ein paar Jahren kommen Kontaktlinsen mit augmented reality auf den Markt. Dann können wir einpacken.«

»Wie viele Punkte gibst du ihr?«

»Null, was sonst?«

»Sei ein bisschen großzügig.«

»Caroline gehört nicht aufs Gymnasium. Sie quält sich, wir quälen sie.«

»Sie ist in einer schwachen Phase, Probleme mit den Eltern, ich versuche da zu vermitteln. In einem halben Jahr kann das ganz anders aussehen.«

»Das hast du letztes Jahr auch gesagt. Sie interessiert sich für nichts außer Haaren und Fingernägeln. Sie will Stylistin werden, wunderbar. Dafür braucht sie kein Abitur.«

»Sei streng, aber nimm ihr nicht die Würde.«

Sie stiegen über einen herabgestürzten Ast, dahinter war der Pfad frei. Sinnlos, diese Diskussion fortzuführen, sie wussten es beide. Katja stand für Leistung und Ehrlichkeit, Enno für gute Stimmung und Ein-Auge-Zudrücken. Und Caroline war der Abgrund zwischen ihnen, über den keine Brücke führte. Also liefen sie weiter, auf die Abendsonne zu. Ein Reh sprang ins Dickicht, aus einem Teich flatterten Enten und Kormorane.

»Valentin!« Katja stand auf der Terrasse, in der Hand hielt sie den Futternapf. Sie raschelte mit den Kroketten, obwohl das sonst nicht nötig war. Wenn sie abends nach Hause kam, wartete er auf sie. Wollte gestreichelt und am Bauch gekrault werden, wollte sich auf ihrem Schoß zusammenrollen, während sie fernsah oder ein Buch las.

Die Tage wurden länger, sicher. Heute Abend war es besonders warm. Trotzdem, etwas stimmte nicht. War es möglich, dass er ihr wegen heute Morgen immer noch böse war?

Sie ging in die Küche, fischte die eingeschrumpelte Maus aus der Spüle und entsorgte sie endlich...
mehr