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@ichbinsophiescholl

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
246 Seiten
Deutsch
Wallstein Verlagerschienen am30.08.20231. Auflage
(Wie) kann Geschichte in sozialen Medien erzählt werden? Interdisziplinäre Perspektiven auf das Instagramprojekt @ichbinsophiescholl. Was wäre, wenn Sophie Scholl auf Instagram aktiv gewesen wäre? Soziale Medien werden auch zur Vermittlung von Geschichte immer populärer. Eines der jüngsten Beispiele ist das Instagramprojekt @ichbinsophiescholl der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten SWR und BR, das Nutzer:innen an den letzten 10 Monaten des Lebens einer remediatisierten Sophie Scholl, gespielt von Luna Wedler, teilhaben ließ. Der Ansatz, Geschichte 'hautnah, emotional und in nachempfundener Echtzeit' zu erzählen, führte dabei zu großer medialer Aufmerksamkeit und Reichweite, im Projektverlauf jedoch zunehmend auch zu kritischen Auseinandersetzungen mit Geschichtsdarstellungen im Social-Media-Format. Anhand eines der erfolgreichsten Produkte der Public History in den letzten Jahren wird die Darstellung von Geschichte in Social Media eingehend analysiert. Der Band vereint interdisziplinäre Perspektiven aus der Geschichtswissenschaft, Medienwissenschaft, Psychologie, Didaktik und historisch-politischer Bildung auf das Projekt, dessen Rezeption und Analyse.

Mia Berg, geb. 1993, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Geschichtsdidaktik und Public History im Citizen Science-Projekt 'SocialMediaHistory. Geschichte auf Instagram und TikTok' an der Ruhr-Universität Bochum. Christian Kuchler, geb. 1974, ist Professor für Didaktik der Gesellschaftswissenschaften an der RWTH Aachen mit Schwerpunkt auf der Didaktik der Geschichte.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR28,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR27,99
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR27,99

Produkt

Klappentext(Wie) kann Geschichte in sozialen Medien erzählt werden? Interdisziplinäre Perspektiven auf das Instagramprojekt @ichbinsophiescholl. Was wäre, wenn Sophie Scholl auf Instagram aktiv gewesen wäre? Soziale Medien werden auch zur Vermittlung von Geschichte immer populärer. Eines der jüngsten Beispiele ist das Instagramprojekt @ichbinsophiescholl der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten SWR und BR, das Nutzer:innen an den letzten 10 Monaten des Lebens einer remediatisierten Sophie Scholl, gespielt von Luna Wedler, teilhaben ließ. Der Ansatz, Geschichte 'hautnah, emotional und in nachempfundener Echtzeit' zu erzählen, führte dabei zu großer medialer Aufmerksamkeit und Reichweite, im Projektverlauf jedoch zunehmend auch zu kritischen Auseinandersetzungen mit Geschichtsdarstellungen im Social-Media-Format. Anhand eines der erfolgreichsten Produkte der Public History in den letzten Jahren wird die Darstellung von Geschichte in Social Media eingehend analysiert. Der Band vereint interdisziplinäre Perspektiven aus der Geschichtswissenschaft, Medienwissenschaft, Psychologie, Didaktik und historisch-politischer Bildung auf das Projekt, dessen Rezeption und Analyse.

Mia Berg, geb. 1993, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Geschichtsdidaktik und Public History im Citizen Science-Projekt 'SocialMediaHistory. Geschichte auf Instagram und TikTok' an der Ruhr-Universität Bochum. Christian Kuchler, geb. 1974, ist Professor für Didaktik der Gesellschaftswissenschaften an der RWTH Aachen mit Schwerpunkt auf der Didaktik der Geschichte.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783835384958
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum30.08.2023
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.1
Seiten246 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse5417 Kbytes
Illustrationenz.T. farbig
Artikel-Nr.12319025
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

History und Memory
Sophie Scholl in der biographischen Forschung und im Boom der Erinnerung
Hans Günter Hockerts
Erforschen und Gedenken

Sophie Scholl ist wohl das bekannteste Gesicht des deutschen Widerstands gegen Hitler. Aber ihr kurzer Lebensweg wird sehr unterschiedlich gesehen und gedeutet. Warum ist das so? Ein Teil der Antwort lautet: Die öffentliche Erinnerungskultur (Memory) folgt überwiegend anderen Regeln und Routinen als die fachwissenschaftliche Forschung (History).[1] Anders als diese werden Akte des Gedenkens, Gedächtnisfeiern, aber auch populäre Formen der Erinnerung oft von einem Verehrungsbedürfnis geleitet, das zu Glättungen führt und zur Überhöhung neigt. Daher erscheint Sophie Scholl nicht selten in einem hagiografischen Licht. Außerdem spielen Aktualisierungsbedürfnisse in der Erinnerungskultur eine große Rolle. Dabei wird die Vergangenheit den Sinnerwartungen und Deutungswünschen der Gegenwart angepasst. Dafür gibt es zweifellos legitime Spielräume, doch kann die Projektion aktueller Ideen und Interessen auf historische Ereignisse so übermächtig werden, dass die Geschichte wie ein »beliebig füllbarer Hohlraum«[2] erscheint. Um die Geschichte mithilfe der Aktualisierung interessant zu machen, werden befremdliche Teile historischer Zusammenhänge mitunter auch einfach ausgeblendet. So hat beispielsweise die Instagram-Serie @ichbinsophiescholl die religiöse Grundorientierung der Protagonistin weitgehend ignoriert, weil diese Seite ihres Persönlichkeitsbilds für ein junges Publikum heutzutage nicht attraktiv genug erscheint. Schließlich: Die Erinnerungskultur neigt dazu, die Bedeutung historischer Ereignisse ins Symbolische zu transferieren. Das ist völlig legitim, lockert jedoch den strengen Bezug zum empirisch Belegbaren.

Anders die Fachwissenschaft. Sie ist an die Gebote kritischer Quellenforschung gebunden und zudem aufgefordert, ihre Befunde in historische Zusammenhänge einzuordnen - gerade auch dann, wenn diese heute fremd erscheinen und die Anstrengung des Verstehens besonders herausfordern. Bekanntlich führt das fachliche Regelwerk jedoch keineswegs zu einem einheitlichen Geschichtsbild, auch nicht im Fall von Sophie Scholl. Die methodischen Standards lassen vielmehr Raum für unterschiedliche Sichtweisen - je nach der Auswahl, Gewichtung und Verknüpfung der empirischen Befunde. Bei Sophie Scholl kommt hinzu, dass die Quellenlage umso schwieriger und lückenhafter wird, je mehr man sich dem konspirativen Kern des Geschehens nähert. Das hat mit Praktiken der Geheimhaltung zu tun sowie - später in den Verhören - mit dem Einflechten von Schutzbehauptungen. Beides erschwert eindeutige Befunde, so dass der Geltungsanspruch historischer Aussagen in diesem Arkanbereich oft auf »wahrscheinlich« oder »vermutlich« reduziert werden muss. Im Übrigen ist auch die Fachwelt nicht davor gefeit, ihren Gegenstand übermäßig zu aktualisieren. Zum Beispiel bemüht sich eine der jüngsten Biographien darum, Sophie Scholl für die queere Bewegung anschlussfähig zu machen. Der Autor rückt sie in die Nähe der »Sehnsucht nach gleichgeschlechtlicher Liebe« und des Gedankens an »eine Lösung der sexuellen Orientierung vom biologischen Genus« - beides ohne belastbare Belege.[3]

Gleichwohl hat die Erforschung des Lebens von Sophie Scholl in letzter Zeit große Fortschritte gemacht, auch dank einer stark verbesserten Quellengrundlage.[4] Hervorzuheben ist der riesige Nachlass von Sophies älterer Schwester, Inge Aicher-Scholl, der seit 2005 im Münchner Institut für Zeitgeschichte zugänglich ist - eine reiche Fundgrube biographischer Dokumente, bis hin zu Sophies Sparkassenbuch bei der Ulmer Gewerbebank.[5] Wichtig ist vor allem die zeitweilig sehr dichte Überlieferung von Briefen, Tagebüchern und Aufzeichnungen. Sie ist seither vollständig zugänglich, nicht mehr nur in der von Inge Aicher-Scholl eigenwillig kontrollierten Auswahledition aus dem Jahr 1984.[6] Besonders aufschlussreich ist zudem Sophies umfangreiche Korrespondenz mit ihrem festen Freund Fritz Hartnagel, die aus dessen Familienbesitz ebenfalls 2005 verfügbar wurde.[7] Über Jahre hinweg gab sie dem Adressaten (und uns) in einem »anstrengenden Nähe-Distanz-Spiel«[8] Einblicke in den Sturm ihrer Gedanken und Gefühle.
Auf dem Weg in den Widerstand

Wie wurde aus einer begeisterten NS-Jungmädelführerin eine Aktivistin im Kampf gegen das Hitler-Regime? Das ist eine der großen Fragen an das Leben der Sophie Scholl. Zwölf Jahre alt, trat sie im Januar 1934 den »Jungmädeln« in der Hitlerjugend bei; mit 14 rückte sie in den »Bund Deutscher Mädel« (BDM) auf, wo sie bald Führungspositionen übernahm: Als Scharführerin war sie für rund 40 Mädchen zuständig, als Oberscharführerin (1937/38) sogar für 120. Damit folgte sie dem Beispiel ihres Bruders Hans und ihrer älteren Schwester Inge, die ebenfalls in den NS-Jugendorganisationen leitende Funktionen übernahmen, obgleich das evangelisch-humanistisch geprägte Elternhaus keinerlei Nähe zum NS-Regime aufwies. Es fehlen Selbstzeugnisse, die über die Gründe und die Intensität von Sophies Engagement im BDM Klarheit verschaffen. Doch liegen genügend Hinweise darauf vor, dass sie enthusiastisch bei der Sache war - »romantisch, idealistisch, fanatisch«.[9] Offenbar fand sie das Prinzip »Jugend führt Jugend« attraktiv, ebenso die Idee der Kameradschaft und die vom BDM eröffnete Chance, dass Mädchen »ganz selbstbewusst auf öffentlichen Plätzen in Erscheinung« traten. Hinzu kam das abenteuerliche Element: Zelten und Wandern, Mutproben und Härtetests, Lagerfeuer und Heldenfibeln. Die Frage nach der Eindringtiefe der ideologischen Schulung ist jedoch strittig. Robert M. Zoske hat Sophie Scholl mit Blick auf die frühen Jahre als »überzeugte Nationalsozialistin« bezeichnet.[10] Das würde allerdings voraussetzen, dass sie sich auch den rassistischen Kern der nationalsozialistischen Ideologie zu eigen machte. Dafür liegt indes kein Beweis vor. Eher ist zu vermuten, dass sie diesen Kern lange nicht erkannt hat. Auf Zoskes Biographie gestützt, hob der Spiegel mit Fettdruck hervor: »Sophie Scholl sang: Deutschland erwache, Juda den Tod, Volk ans Gewehr «. Doch hat der Biograf einschränkend vermerkt, dass die antisemitische Attacke in den BDM-Liedbüchern durch »ende die Not« ersetzt war.[11] Ob Sophie Scholl sich während ihrer Schulzeit für jüdische Klassenkameradinnen eingesetzt hat, ist aufgrund einer unzulänglichen Quellenlage umstritten.[12] Eine zweifelsfreie Bestätigung dafür gibt es nicht.

Einige äußere Daten, bevor die innere Abkehr vom Nationalsozialismus in den Blick kommt: Nach dem Abitur im März 1940 ließ Sophie Scholl sich in Ulm zur Kindergärtnerin ausbilden - nicht zuletzt in der Hoffnung, auf diese Weise der Zwangsgemeinschaft des Reichsarbeitsdiensts (RAD) entgehen zu können. Das gelang jedoch nicht. Für den halbjährigen Arbeitsdienst war sie ab April 1941 in einem RAD-Lager in Krauchenwies eingesetzt. Es folgte der obligatorische »Kriegshilfsdienst«, den sie wiederum sechs Monate lang bis März 1942 in der Bergarbeiterstadt Blumberg als Leiterin eines Kindergartens der NS-Volkswohlfahrt leistete. Im Mai 1942 zog sie dann nach München, wo sie sich an der Universität für die Fächer Biologie und Philosophie einschrieb. In den ersten Semesterferien wurde sie zum Rüstungseinsatz in einer Ulmer Schraubenfabrik herangezogen. In München lebte sie in enger Verbindung mit ihrem Bruder Hans, der dort Medizin studierte. Ab Dezember wohnten sie gemeinsam zur Untermiete in der Schwabinger Franz-Joseph-Straße, nahe der Universität.

So rasch diese äußeren Lebensstationen umrissen sind, so schwierig verlief der Prozess der inneren Selbstfindung. Für die Zeit ab 1938 gibt es eine Fülle von Selbstzeugnissen, die erst in den neuen Biographien gründlich ausgeschöpft wurde. Man kann den Menschen hinter dem Mythos daher erst neuerdings profund und lebensnah kennenlernen. Dabei treten viele unterschiedliche Seiten hervor. Neben einer großen musischen, künstlerischen und intellektuellen Begabung kommt eine komplizierte Mischung aus Lebenslust und Selbstzweifeln, aus Übermut und Ängsten zum Vorschein. Sophie Scholl hatte es mit einem so heftigen Ansturm widerstreitender Gefühle und Gedanken zu tun, dass sie einen beinahe obsessiven Hang zur Selbstbeobachtung und Selbstkritik entwickelte - den sie dann aber auch wieder mit Ironie brechen konnte. Es kam ihr oft vor, »als zerfalle sie in Einzelteile, die sie nicht mehr zusammenbringen konnte«.[13]

Die Phase der Selbstfindung zog sich über Jahre hin und war - das ist nun das Entscheidende - mit einer oppositionellen Wendung gegen das NS-Regime verbunden. Die neuere Forschung stimmt darin überein, dass es dabei kein plötzliches Erwachen gab, keinen zentralen Umschlagspunkt. Der Wandel vollzog sich vielmehr allmählich und betraf zunächst nur einzelne Aspekte des NS-Regimes. Daher ist die Frage umstritten, wann die zunehmende Distanzierung sich zur grundsätzlichen Gegnerschaft vertieft hat. Das sei im Frühjahr 1941 noch nicht der Fall gewesen, lautet eine Lesart.[14] Als Indiz dafür gilt, dass Sophie Scholl bis dahin noch an den BDM-Treffen teilnahm, obwohl sie nur bis zum 18. Lebensjahr (also bis Mai 1939) dazu verpflichtet war. Sie sei 1941 »längst eine Gegnerin des NS-Systems« gewesen, wird dem mit guten Gründen entgegengehalten.[15] In dieser...
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Autor

Mia Berg, geb. 1993, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Geschichtsdidaktik und Public History im Citizen Science-Projekt »SocialMediaHistory. Geschichte auf Instagram und TikTok« an der Ruhr-Universität Bochum.