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Chosen by Death

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
400 Seiten
Deutsch
Moon Noteserschienen am05.01.2024
Eine uralte Fehde verbietet ihnen, zusammen zu sein. Trotzdem erliegen sie einander. Einst von den Göttern verflucht, kann die 24-jährige Elena die Toten sehen - eine Bürde, die schwer auf ihr lastet. Die Seelen der Verstorbenen sind völlig entfesselt. Elena befürchtet, dass sie etwas mit den mysteriösen Todesfällen zu tun haben, von denen ihr Dorf heimgesucht wird. Als der attraktive, aztektische Gott Nan Elena erscheint, schließt sie widerwillig einen Pakt mit ihm, um ihre Gemeinde zu retten. So reist sie an seiner Seite ins Reich der Toten. An jenen Ort, an dem der Hass zwischen Menschen und Göttern geboren wurde. Doch Elena erkennt zu spät, dass sie dort unten nicht nur ihr Leben, sondern auch ihr Herz verlieren könnte ...

Rebecca Humpert, geboren 1995, studierte Psychologie in Freiburg im Breisgau. Heute arbeitet sie an der Universität Tübingen und liebt es, mit ihren Geschichten in düstere Mythologien abzutauchen.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextEine uralte Fehde verbietet ihnen, zusammen zu sein. Trotzdem erliegen sie einander. Einst von den Göttern verflucht, kann die 24-jährige Elena die Toten sehen - eine Bürde, die schwer auf ihr lastet. Die Seelen der Verstorbenen sind völlig entfesselt. Elena befürchtet, dass sie etwas mit den mysteriösen Todesfällen zu tun haben, von denen ihr Dorf heimgesucht wird. Als der attraktive, aztektische Gott Nan Elena erscheint, schließt sie widerwillig einen Pakt mit ihm, um ihre Gemeinde zu retten. So reist sie an seiner Seite ins Reich der Toten. An jenen Ort, an dem der Hass zwischen Menschen und Göttern geboren wurde. Doch Elena erkennt zu spät, dass sie dort unten nicht nur ihr Leben, sondern auch ihr Herz verlieren könnte ...

Rebecca Humpert, geboren 1995, studierte Psychologie in Freiburg im Breisgau. Heute arbeitet sie an der Universität Tübingen und liebt es, mit ihren Geschichten in düstere Mythologien abzutauchen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783969810491
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum05.01.2024
Seiten400 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.12498509
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2. Kapitel

»Es ist letzte Nacht passiert«, flüsterte Marisol, während wir den verlassenen, von der Nachmittagssonne erhitzten Marktplatz des Pueblo del agua betraten. Das Dorf lag nur wenige Minuten von unserem entfernt. Die Dörfer waren durch eine schmale Gasse zwischen Marisols Haus und unserem Rathaus miteinander verbunden. Das Pueblo del agua war für seine tiefblauen, überraschend modernen Häuser bekannt, die ebenfalls halbmondförmig um die Plaza angeordnet waren. Meine Zähne gruben sich unaufhörlich in meine Unterlippe, bis ich Blut schmeckte. Jedes dieser Häuser war nun verwaist. Und die Stille, die hier herrschte, war unheimlicher, als es ein Friedhof jemals sein könnte. »Der Tod hat sie letzte Nacht alle auf einmal zu sich geholt.«

Obwohl ich nicht überrascht sein sollte, fiel es mir immer noch schwer, die Wahrheit zu akzeptieren.

Mit zögerlichen Schritten näherte ich mich dem schlanken steinernen Torbogen, der an der gegenüberliegenden Seite der runden Plaza in die Höhe ragte. Doch es waren nicht die kunstvollen, wellenförmigen Eingravierungen, die meine Aufmerksamkeit auf sich zogen, sondern eine kleine, rechteckige Bronzetafel, die den Bogen zierte. Sie trug die Namen aller Dörfer, die unsere Insel ihr Zuhause nannten.

Ich presste mir die Hand auf den Mund, während ich die Tafel studierte, immer und immer wieder. Dabei spürte ich Marisols Präsenz hinter mir, aber ich wandte mich nicht um. Stattdessen streckte ich eine Hand aus und berührte den obersten Namen.

Pueblo de la noche, Tezcatlipoca.

Erst jetzt merkte ich, dass Blut von meinen Lippen auf meine Finger gelangt war. Blut, mit dem ich gerade den Namen des Dorfes samt den des Gottes, der jenes gegründet haben sollte, durchgestrichen hatte. Mit der Hand fuhr ich auch die restlichen Namen entlang, beschmierte sie mit Blut, ertränkte sie.

Pueblo de la vida, Quetzalcoatl.

Pueblo del cocodrilo, Cipactli.

Pueblo del agua, Tlaloc.

Mit den Fingern hielt ich inne, als ich den untersten Namen erreicht hatte. Diesen versah ich als einzigen nicht mit Blut.

Pueblo del sol y la luna, Nanahuatl y Metztli.

Einst beherbergte die Isla Mujeres fünf Dörfer. Zu der Zeit hatten wir Nachbarinnen und Nachbarn, waren eine große Gemeinde.

Ich ballte meine Hand zu einer Faust und schlug auf die Tafel ein, bis sich Schmerz in meine Knöchel fraß. Bis ich in die Knie gehen musste, weil ich es nicht verstand, es nicht verstehen wollte.

Seit dem heutigen Tage gab es auf der Insel nur noch ein einziges Dorf.

Ein Dorf, das nun ebenfalls im Sterben lag wie einst seine Brüder und Schwestern.

Ich kehrte jedes Mal an den Totenaltar meines Bruders zurück, nachdem jemand gestorben war. Die Zeiten, in denen die Toten unseres Dorfes geehrt worden waren, gehörten längst der Vergangenheit an. Selbst Abuela konnte sich nicht mehr daran erinnern, dass es zu ihren Lebzeiten je Altäre für jeden Verstorbenen gegeben hatte. Aber ich musste einfach eine Ofrenda für Mateo errichten. Auch wenn die meisten Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner Halloween feierten und die Tradition des Día de los muertos größtenteils begraben hatten. Der Tod war etwas, was unser Dorf gern verdrängte. Vor allem jetzt, da er so nah war wie noch nie zuvor. Augenblicklich stahlen sich die Bilder der letzten Monate an die Oberfläche. Erinnerungen an unsere benachbarten Dörfer, die eines nach dem anderen gefallen waren. Es gab keinerlei Anzeichen für eine Seuche, aber mittlerweile schien das die logischste Begründung zu sein. Wie sonst sollte man erklären, dass vier Dörfer innerhalb eines Jahres komplett ausgestorben waren?

Mein Blick fiel auf den frischen Schnitt und die blutverschmierte Haut an meiner Hand. Zu der Sorge um die zahllosen, unerklärlichen Todesfälle mischte sich nun eine neue. Noch immer verstand ich nicht, warum Marias Seele so früh im Reich der Lebenden erschienen war. Sie war erst vor Kurzem gestorben. Ihre Seele hätte eigentlich die nächsten vier Jahre mit der Durchquerung der Unterwelt beschäftigt sein sollen, um ewigen Frieden zu finden. Erst danach war es ihr gestattet, das Reich der Lebenden wieder zu betreten, und das auch nur am Día de los muertos. Niemals davor, niemals danach. Ich presste meine blutige Hand dorthin, wo mein Herz viel zu schnell schlug. Und sie hatte auch nicht die typischen Spuren aufgewiesen, die ich von den Seelen Verstorbener kannte. Allen voran hatte das klaffende Loch in ihrer Brust gefehlt.

Hastig überquerte ich unsere menschenleere Plaza, hielt jedoch kurz inne, als ich den Torbogen erreicht hatte, der den Eingang zum Pueblo del sol y la luna markierte. Jedes Mal, wenn ich unter dem Bogen hindurchschritt, las ich die darin eingravierte Inschrift oberhalb unserer Bronzetafel, in der Hoffnung, sie endlich zu verstehen.

Mientras exista el pueblo del sol y la luna, habrá dioses. Links und rechts der Inschrift prangten eine Sonne und ein Halbmond.

»Solange das Pueblo del sol y la luna besteht, so lange werden die Götter fortbestehen.« Ich schüttelte den Kopf. Als ob sich die Götter für unser Dorf interessierten. Als ob sie sich für irgendjemanden außer sich selbst interessierten.

Schließlich kehrte ich dem Bogen den Rücken zu und eilte weiter.

Kaum, dass ich das Dorf verlassen hatte, breitete sich eine Ruhe in mir aus, die mich stets einhüllte, sobald ich fort von allem war. Sobald ich allein war. Allein mit den Seelen, die vergessen worden waren.

Ich hatte Mateos Ofrenda nahe der felsigen Klippe errichtet, die wenige Hundert Meter vom Dorf entfernt lag. Weil mein Bruder den Ausblick von hier so sehr genossen hatte.

Weil er davon geträumt hatte, die Insel eines Tages zu verlassen.

Und weil er hier gestorben war.

Ich krallte meine Finger um die Träger meines Rucksacks und versuchte, ruhig zu atmen. Mein Blick huschte zum Zentrum des Altars, zu dem leeren Holzrahmen, den ich mit Flor de muerto verziert hatte und der von Orangen und Bananen umringt war. Die Zeichnung, die dort hineingehörte, war immer noch nicht fertig. In mir gab es eine Blockade, sobald ich versuchte, das Gesicht meines Bruders auf dem feinkörnigen Papier zu verewigen. Vielleicht, weil es vollenden würde, was ich selbst nach fast vier Jahren noch nicht wirklich begreifen wollte. Weil es Mateos Tod eine Endgültigkeit verleihen würde, von der ich fürchtete, dass sie mich schließlich doch zerbrechen würde.

Ich kniete mich in den Schatten einer nahen Palme und vor den Totenaltar, klaubte etwas Flor de muerto zusammen und schob es in den Gürtel meines Kleides, direkt neben Mateos Taschenmesser. Die Toten hatten eine besondere Beziehung zu den orangefarbenen Blüten, fürchteten und liebten sie gleichermaßen. Wenn sie sie berührten, kehrten sie automatisch nach Mictlan zurück. Deshalb schmückte man Ofrendas und den Friedhof am Día de los muertos mit diesen Blüten. So gelangten die Toten nach Hause.

Als ich mich aufrichtete und einen Schritt nach hinten trat, glitt mein Blick hinunter, dorthin, wo die tiefblauen Wellen gegen die Klippe schlugen. Fast augenblicklich verschnellerte sich mein Atem. Ich schloss die Augen, versuchte, gleichmäßig Luft zu holen, aber scheiterte kläglich. Erinnerungen drängten sich in mein Bewusstsein, Stimmen, die Lügen erzählt hatten.

Er hatte keine Chance, Elena. Niemand überlebt einen Sturz aus dieser Höhe.

Es war ein Unfall, Mija.

Unwillkürlich war ich mit meinen zittrigen Fingern meine Brust hinaufgefahren, bis ich fand, wonach ich jede Nacht tastete. Wenn der Schlaf sich wieder einmal weigerte, mich zu betäuben.

Seit Mateos Tod suchte ich unaufhörlich nach Hinweisen, hielt nach einer Erklärung dafür Ausschau, wer meinen Bruder diese Klippe hinabgestoßen hatte.

Die Jahre waren seitdem quälend langsam vergangen, das Stechen in meiner Brust jedoch war geblieben. Ebenso wie das weiße, von Gold durchzogene Haar, das sich in meinem Medaillon befand. Auch wenn niemand daran glaubte, wusste ich, wem dieses Haar gehören musste. Ein Haar, das am Leichnam meines Bruders gefunden worden war. Ein Haar, das von demjenigen stammte, der Mateo de Jesús vor fast vier Jahren von dieser Klippe gestoßen hatte. Und weil die Toten aus irgendeinem Grund viel zu früh erwacht waren, war ich der Antwort so nah wie nie zuvor. Mateo würde mir meine Frage beantworten können, wenn er mir erschien, da war ich mir sicher. Und vielleicht würde ich ihn dann endlich loslassen können. Würde mein Versprechen Abuela gegenüber einlösen und dieses gottverdammte Dorf verlassen. Oder vielleicht würde ich losziehen und Rache nehmen, den Schmerz durch Hass betäuben. Vielleicht -

Plötzlich legte sich etwas Warmes um meine Taille und riss mich zurück.

Ich stieß einen erschrockenen Laut aus, während ich zurückgezerrt wurde, fort von der Klippe.

»Alles in Ordnung?«, murmelte eine dunkle, raue Stimme in mein Ohr. Ich sah hinunter und entdeckte eine Hand, die sich, verborgen in einem dunklen Lederhandschuh, auf meinen Bauch presste. Ohne nachzudenken, krallte ich meine Fingernägel in den schwarz gekleideten Arm und versuchte, mich aus dem eisernen Griff zu befreien.

»Lass mich los!«, schrie ich panisch und trat nach hinten. Ich hatte offenbar ein Schienbein erwischt, denn der Griff des Fremden lockerte sich, bis er schließlich ganz von mir abließ. Aber nicht, ohne mich von der Klippe fortgezerrt zu haben.

Ich stolperte ein paar Schritte nach vorn und wartete, bis sich mein Atem etwas beruhigt hatte. Dann wandte ich mich um, eine Hand an Mateos Messer. Niemand berührte mich ohne meine...
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