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Die Fetzen des Himmels

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
294 Seiten
Deutsch
Books on Demanderschienen am05.10.20231. Auflage
Die Gitarristin Laura glaubt, glücklich verheiratet zu sein. Als ihr Mann Peter stirbt, wird ihr Leben auf den Kopf gestellt. Ihr Glück entpuppt sich als Illusion, als sie erfährt, dass Peter jahrelang eine Affäre mit seiner Doktorandin hatte. Laura hat genug. Nur mit der Gitarre ihres Vaters und zwei Koffern verlässt sie ihr Zuhause in Ostfriesland und gelangt zunächst nach Groningen, wo sie ihren alten Plan umsetzen will, professionell als Musikerin zu arbeiten. In einem Club begegnet sie Corvin. Ein ehemals erfolgreicher Rockstar, der der Bühne wegen schweren Depressionen den Rücken gekehrt hat. Auch wenn er für sich keine Hoffnung mehr hat, sieht Corvin das künstlerische Potential in Laura. Er bereitet sie auf ein mehrmonatiges Gastspiel in Venedig vor, das eigentlich für ihn vorgesehen ist. Aber Corvin ist weit mehr als ein Mentor für Laura. Obwohl beide nicht damit gerechnet haben und obwohl beide denken, nicht dafür bereit zu sein, wird ihnen klar, der Liebe ihres Lebens begegnet zu sein. Doch das Timing stimmt nicht. Zu fest haben die Depressionen Corvin im Griff. Laura reist nach Venedig, um Corvins Part in der Band des irischen Musikers Will zu übernehmen. Weitere Engagements folgen, Laura arbeitet mit anderen Musikern, knüpft einen Erfolg an den nächsten - und ist gleichzeitig auf der Suche nach Corvin. Allmählich entwickeln sich eigene Songs, in denen Laura sich ausdrücken kann. Wer sie ist und wie sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen kann - das muss sie erst entdecken und lernen. Und es gelingt.

Insa Segebade hat Literatur und kreatives Schreiben bei Hanns-Josef Ortheil sowie Musik an der Universität Hildesheim studiert. Als Stipendiatin der Hans-Böckler-Stiftung hat sie darüber promoviert, wie Rockstars in Medien dargestellt werden. Mit Rockmusik beschäftigt sie sich schon seit langem - nach einem längeren Aufenthalt in Paris war sie im Musikmanagement tätig, hat Tourneen organisiert und begleitet. Heute arbeitet Insa Segebade hauptberuflich als Schriftstellerin, Journalistin und Dozentin. Sie ist Mitglied im PEN Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland, Europa-Literaturkreis Kapfenberg, im Literaturkollegium Brandenburg und in der Künstlerinitiative GILS.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextDie Gitarristin Laura glaubt, glücklich verheiratet zu sein. Als ihr Mann Peter stirbt, wird ihr Leben auf den Kopf gestellt. Ihr Glück entpuppt sich als Illusion, als sie erfährt, dass Peter jahrelang eine Affäre mit seiner Doktorandin hatte. Laura hat genug. Nur mit der Gitarre ihres Vaters und zwei Koffern verlässt sie ihr Zuhause in Ostfriesland und gelangt zunächst nach Groningen, wo sie ihren alten Plan umsetzen will, professionell als Musikerin zu arbeiten. In einem Club begegnet sie Corvin. Ein ehemals erfolgreicher Rockstar, der der Bühne wegen schweren Depressionen den Rücken gekehrt hat. Auch wenn er für sich keine Hoffnung mehr hat, sieht Corvin das künstlerische Potential in Laura. Er bereitet sie auf ein mehrmonatiges Gastspiel in Venedig vor, das eigentlich für ihn vorgesehen ist. Aber Corvin ist weit mehr als ein Mentor für Laura. Obwohl beide nicht damit gerechnet haben und obwohl beide denken, nicht dafür bereit zu sein, wird ihnen klar, der Liebe ihres Lebens begegnet zu sein. Doch das Timing stimmt nicht. Zu fest haben die Depressionen Corvin im Griff. Laura reist nach Venedig, um Corvins Part in der Band des irischen Musikers Will zu übernehmen. Weitere Engagements folgen, Laura arbeitet mit anderen Musikern, knüpft einen Erfolg an den nächsten - und ist gleichzeitig auf der Suche nach Corvin. Allmählich entwickeln sich eigene Songs, in denen Laura sich ausdrücken kann. Wer sie ist und wie sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen kann - das muss sie erst entdecken und lernen. Und es gelingt.

Insa Segebade hat Literatur und kreatives Schreiben bei Hanns-Josef Ortheil sowie Musik an der Universität Hildesheim studiert. Als Stipendiatin der Hans-Böckler-Stiftung hat sie darüber promoviert, wie Rockstars in Medien dargestellt werden. Mit Rockmusik beschäftigt sie sich schon seit langem - nach einem längeren Aufenthalt in Paris war sie im Musikmanagement tätig, hat Tourneen organisiert und begleitet. Heute arbeitet Insa Segebade hauptberuflich als Schriftstellerin, Journalistin und Dozentin. Sie ist Mitglied im PEN Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland, Europa-Literaturkreis Kapfenberg, im Literaturkollegium Brandenburg und in der Künstlerinitiative GILS.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783756882458
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum05.10.2023
Auflage1. Auflage
Seiten294 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.12501280
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Rixum

Eigentlich hatte sie gedacht, eine gute Ehe zu führen. Eigentlich hatte sie gedacht, glücklich zu sein. An seiner Seite. Glück, was war Glück? Eine philosophische Frage. Für ihre Beantwortung wäre ein anderer Ort sicher besser geeignet als der, an dem sie sich gerade befand.

Laura starrte auf die roten Rosen des Grabgebindes. Dutzende waren es. Es hatte geregnet in den vergangenen Tagen. Unaufhörlich. Zuerst sah es aus, als belebte der Regen die schlaff gewordenen Blütenblätter neu. Jetzt begann er damit, ihr Rot auszuwaschen, sie in eine blasse, klumpige Masse zu verwandeln. Sie würde all die Kränze vom Grab räumen und entsorgen müssen. Bald. Ihren, den der Nachbarn, den der Universität, des Fachbereichs und all der anderen.

Wie machte man das? Konnte man die Kränze einfach in den Behälter mit den Grünabfällen werfen? Musste sie vorher all die Drähte und Kunststoffteile daraus entfernen? Sie würde die Friedhofsverwaltung fragen müssen. Auf eine Bitte mehr oder weniger kam es nicht mehr an. Jetzt, nachdem sie ihr gestattet hatten, Peters Leichnam auf dem kirchlichen Friedhof zu bestatten. Obwohl er längst aus der Kirche ausgetreten war. Wie sie. Aber es war sein Wunsch gewesen, hier beerdigt zu werden. Davon hatten sich die Herren, es waren allesamt Männer gewesen, letztlich überzeugen lassen. Davon. Und dass Peter, ein bekannter Wissenschaftler, sich nicht zu schade dafür gewesen war, den Lokalzeitungen vor Ort stets und gerne bei Umfragen aller Art Rede und Antwort zu stehen. Ein bis zwei waren es pro Woche gewesen. Und stets hatte darin gestanden, dass Peter in Rixum wohnte. Nicht weit entfernt von der Kirche und ihrem Friedhof, auf dem er seit zwei Wochen ⦠ruhte. War das der richtige Begriff? Laura stutzte. Kaum. Peter musste aufgebracht sein. Der Tod ⦠der galt nur für andere. Nicht für ihn. Schließlich hatte er noch so viel vorgehabt.

Was den Herren aber vor allem gefallen und sie in ihrer Entscheidung beeinflusst hatte, war, dass Peter, ohne ein Honorar dafür zu verlangen, der Bitte des Pfarrers nachgekommen war, eine über einhundert Seiten umfassende Schrift über die Kirchengeschichte des Ortes zu verfassen. »Ich habe gehört, Sie interessieren sich für Volksdichtung und haben dazu bereits ein wenig veröffentlicht«, hatte der Pfarrer den Eingang seiner Bitte formuliert, und Laura hatte Peter bereits zu einer Erläuterung darüber ansetzen gehört, dass er Professor für Germanistik an der Universität Bremen sei und über fünfzig Publikationen in renommierten Verlagen im gesamten europäischen Raum vorzuweisen habe.

Aber nein, nichts von alledem geschah. Peter hatte kommentarlos zugesagt, sogar ihren jährlichen Bretagne-Aufenthalt im Sommer um ein paar Tage verschoben, um in der Landschaftsbibliothek in Aurich alte Schriften zu studieren, die die Angestellten ihm aus den hintersten Winkeln der Archive zusammentrugen. In der Bretagne selbst, genauer gesagt in dem kleinen Fischerhaus in Lostmarc'h, das sie schon seit Jahren von Mitte Juni bis Ende September mieteten, arbeitete Peter diesmal nicht an seinem Roman über bretonische Geisterwesen, sondern an einer Schrift über den ostfriesischen Ort Rixum, in den sie vor zehn Jahren gezogen waren.

Noch vor Ende des Jahres wurde die Schrift in einer Auflage von fünfhundert Exemplaren in einem alteingesessenen Familienbetrieb in Emden auf Kosten des Synodalverbands gedruckt und vor geladenen Gästen im Gemeindehaus präsentiert. Eine der Lokalzeitungen vor Ort, »Ostfriesland nebenan«, lobte den Autor für seinen feingeschliffenen Stil, mit dem er den Sachverhalt präzise und verständlich auf den Punkt gebracht habe. Im Gegensatz zu seinen sonstigen Veröffentlichungen, ergänzte Laura in Gedanken. Die strotzten nur so von Fachbegriffen und hochtrabenden Formulierungen, für die Peter in Fachkreisen so geschätzt wurde.

Warum er sich auf die Rixum-Schrift eingelassen hatte, ⦠Laura war es ein Rätsel. Jedenfalls bis vor wenigen Tagen, als sie damit begann, Peters Nachlass zu ordnen. Dabei war sie auf ein neues Romanprojekt gestoßen. »Die unsichtbaren und sichtbaren Geister Ostfrieslands«, lautete der, wie sie fand, sperrige Titel. Dass es dabei um einen Roman ging, fand sie erst heraus, als sie die ersten zwanzig, die einzigen schon fertig geschriebenen Seiten des Romans las. Sie erzählten von einem älteren Mann namens Martin. Ein Witwer, der in ein kleines ostfriesisches Dorf gezogen war und Nacht für Nacht Besuch von einem Geist, einer wunderschönen, aber leider durchscheinenden Frau namens Simone erhielt. Warum Simone Martin regelmäßig heimsuchte, war diesen Seiten ebenso wenig zu entnehmen wie ein Motiv oder eine Spur, wohin die Spukerei führen sollte. Die Rede war allein von Rumpeln und Knarzen, von Quietschen und Ächzen, von einer wunderbar zarten Alabasterhaut, samtenen Haaren, feuerroten Locken, wogenden Brüsten und einer schmalen Taille über breiten Hüften.

Laura fragte sich, ob Peter das Werk, vorausgesetzt er hätte es irgendwann beendet, unter seinem eigenen Namen oder einem Pseudonym veröffentlicht hätte, um dem Spott der Kollegen zu entgehen. Vielleicht waren es auch nur geheime Phantasien eines älteren Mannes. Von Goethe bis Martin Walser hatten doch viele Autoren von jungen Frauen geschwärmt, die ihnen im Alter begegneten. Aber alle hatten sie ihre Schwärmereien veröffentlicht. Und das hätte auch Peter getan. Jeden Satz, den er formulierte, sah er bereits in gedruckter Fassung vor sich. Schreiben war für ihn untrennbar mit Auflagen verbunden. Selbst der Bretagne-Roman, an dem er bereits seit zwanzig Jahren arbeitete. Vielleicht gerade der. Ein Pseudonym wäre nicht infrage gekommen. Zu gerne sah Peter seinen Namen auf einem Buchcover. Und dass er für etwas, das er verfasst hatte, Spott hätte ernten können, ⦠nein, auf diese Idee wäre er nicht gekommen.

War Martin Peters Alter ego? Wer war Simone, ein unpassender Frauenname für die Protagonistin einer alten ostfriesischen Spukgeschichte, wie Laura nebenbei fand. Hatte sie Peter alias Martin mit ihren feuerroten Locken bezirzt? Aber wann? Und wo? In der Universität? War Simone eine von Peters Studentinnen, die sich nach seinen Vorlesungen seine Bücher von ihm hatten signieren lassen - wohlwissend, damit die Note für ihre Prüfungsleistungen positiv zu beeinflussen? Oder war Simone eine von Peters Lehrbeauftragten gewesen? Während seine Kollegen, allesamt Männer, mehr auf Kontinuität in ihrem Mitarbeiterstamm setzten und, wann immer es der Etat erlaubte, Lehraufträge in feste Verträge umwandelten, hatte Peter das Abhängigkeitsverhältnis gepflegt, das seine Lehrbeauftragten, allesamt Frauen, an ihn band. Von seinem Wohlwollen war es abhängig, ob die schlecht bezahlten Aufträge verlängert wurden - oder eben auch nicht. Semester für Semester. Immer das gleiche Spiel. Immer nach Peters Regeln.

Laura riss ihren Blick von den ausgewaschenen ehemals roten Rosenblättern. Peter hatte rote Rosen geliebt. Zu jedem Hochzeitstag hatte er ihr rote Rosen geschenkt. Jedes Jahr eine mehr. »Langsam wirst du mir zu teuer«, hatte er letzten März im Scherz gesagt, als er ihr die vierzehn Rosen überreichte, das Blumenpapier zerknüllt zu einer Kugel noch in der Hand. Wer von den Frauen, die bei der Beerdigung an Peters Grab vorbeigelaufen waren, war Simone? Wer hatte rote Locken gehabt? Laura konnte sich nicht erinnern, sah allein Schuhe vor sich. Glänzend geputzte Lederschuhe. Die meisten in Schwarz, einige in Braun, ein einziges Paar in Weiß. Damenschuhe. Schnürschuhe. Ballerinas. Keilabsätze. Hohe Absätze. Stöckelschuhe müssen darunter gewesen sein. Sie hörte sie, als sie in der Kirche saß. Ganz vorne. Rechts am Sarg vorbei auf die hohe Vase mit den weißen Lilien starrend.

Laura schüttelte den Kopf. Ihr Körper straffte sich, bevor sie ihn zwang, sich nach rechts zu wenden und den Friedhof zu verlassen. Und damit, so zumindest hoffte sie, auch all die negativen Gedanken hinter sich zu lassen, die sie seit kurzem verfolgten und die alle in der Frage mündeten: Hatte sie geglaubt, eine gute Ehe zu führen? War sie glücklich gewesen an Peters Seite ⦠oder hatte sie die vergangenen vierzehn Jahre, seit dem Tag, als sie ihm ihr Ja-Wort gab, ⦠vergeudet? Laura zuckte zusammen. Duckte sich unter der Schwere dieses einen Wortes. Vergeudet.

Die ersten Tage nach Peters Tod waren dagegen vergleichsweise leicht gewesen. Sie war wie in einer Luftblase gefangen. Hatte nichts von dem realisiert, was um sie herum geschah. Nicht, dass der Notarzt plötzlich aufgehört hatte, den Mann vor ihr auf dem Teppich seines Arbeitszimmers, ihren Mann wiederzubeleben. Nicht, dass er regungslos dalag. Nicht seine weit geöffneten Augen, die erstaunt zu gucken schienen, bevor einer der beiden Sanitäter sie sanft mit einer Handbewegung schloss. So, als wollte er den Leichnam streicheln, ihn trösten. Den Leichnam. Nein, dieses Wort war damals gewiss nicht in ihrem Kopf gewesen. Noch war es Peter, ihr Mann, den die Sanitäter auf eine Trage legten, ihn mit einem Tuch zudeckten, komplett zudeckten,...
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