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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
287 Seiten
Deutsch
Wallstein Verlagerschienen am09.10.20231. Auflage
Eine literarische Bestandsaufnahme von Galizien 1942/43. In einer Sprache, die um Angemessenheit ringt - in einer Weise, die in der polnischen Literatur ihresgleichen sucht. Der deutsch besetzte 'Distrikt Galizien' auf dem Höhepunkt der Shoah. Eine Handvoll Überlebender irrt durch die Wälder nahe eines fiktiven Schtetls - sucht nach Verstecken, flieht vor Erpressung, Denunziation, Plünderung und letztlich Ermordung. Immer bedrohlicher wird auch die Lage der nichtjüdischen Bevölkerung: Terror der Besatzungsmacht, Verschleppung zur Zwangsarbeit, Partisanenkrieg und offen ausbrechende zwischenethnische Konflikte. Im täglichen Kampf ums Überleben ist keine Strategie verlässlich - auch nicht der bewaffnete Widerstand, der die Romanfiguren vor fundamentale ethische Fragen stellt. Buczkowski transponiert das Grauen und das Chaos von Krieg und Shoah in eine Prosa von erstaunlicher sprachlicher Intensität. Durch eine nichtlineare, polyphone Erzählstruktur, einen verknappten, zuweilen schroffen Sprachduktus sowie den bewussten Wechsel von naturalistischer Präzision und märchenhafter Stilisierung entsteht eine vielschichtige Textlandschaft, in der die Geschichte einer vernichteten multiethnischen Region widerhallt.

Leopold Buczkowski (1905-1989) studierte polnische Philologie und Kunst. 1944 Flucht nach Warschau. Sein Prosadebüt »Unwegsames Gelände« (publiziert 1947) brachte ihm die Anerkennung der Kritik. Durchbruch 1954 mit dem Roman »Der schwarze Bach«, der als einer der bedeutendsten Texte der polnischen Literatur über die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung im besetzten Polen gilt. 1957 folgte »Der dorische Kreuzgang« (Roman), 1959 »Junger Dichter im Schloss« (Erzählungen).
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR28,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
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E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR21,99

Produkt

KlappentextEine literarische Bestandsaufnahme von Galizien 1942/43. In einer Sprache, die um Angemessenheit ringt - in einer Weise, die in der polnischen Literatur ihresgleichen sucht. Der deutsch besetzte 'Distrikt Galizien' auf dem Höhepunkt der Shoah. Eine Handvoll Überlebender irrt durch die Wälder nahe eines fiktiven Schtetls - sucht nach Verstecken, flieht vor Erpressung, Denunziation, Plünderung und letztlich Ermordung. Immer bedrohlicher wird auch die Lage der nichtjüdischen Bevölkerung: Terror der Besatzungsmacht, Verschleppung zur Zwangsarbeit, Partisanenkrieg und offen ausbrechende zwischenethnische Konflikte. Im täglichen Kampf ums Überleben ist keine Strategie verlässlich - auch nicht der bewaffnete Widerstand, der die Romanfiguren vor fundamentale ethische Fragen stellt. Buczkowski transponiert das Grauen und das Chaos von Krieg und Shoah in eine Prosa von erstaunlicher sprachlicher Intensität. Durch eine nichtlineare, polyphone Erzählstruktur, einen verknappten, zuweilen schroffen Sprachduktus sowie den bewussten Wechsel von naturalistischer Präzision und märchenhafter Stilisierung entsteht eine vielschichtige Textlandschaft, in der die Geschichte einer vernichteten multiethnischen Region widerhallt.

Leopold Buczkowski (1905-1989) studierte polnische Philologie und Kunst. 1944 Flucht nach Warschau. Sein Prosadebüt »Unwegsames Gelände« (publiziert 1947) brachte ihm die Anerkennung der Kritik. Durchbruch 1954 mit dem Roman »Der schwarze Bach«, der als einer der bedeutendsten Texte der polnischen Literatur über die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung im besetzten Polen gilt. 1957 folgte »Der dorische Kreuzgang« (Roman), 1959 »Junger Dichter im Schloss« (Erzählungen).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783835384835
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum09.10.2023
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.4
Seiten287 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4619 Kbytes
Artikel-Nr.12527219
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Der Weg und die Nacht, sie nahmen kein Ende. Es dämmerte bereits, als Heindl sich durch den Taumatsch zum Trójnóg hinaufgeschleppt hatte. Er tastete sich zum Fenster der Kate und klopfte. Die heiße Stirn an die Scheibe gelehnt, sagte er:

»Mach auf, keine Angst. Jetzt mach schon, was gibt es da lange nachzudenken. Dass du es später nicht bereust; du tust, als wäre dir nicht klar, was passiert ist.«

Aus dem dunklen Türspalt zur Diele kam ein Flüstern, hastigâ, vom Warten erschöpft.

»Na, wie geht es dir?«, fragte es aus dem Dunkel.

»Immer schlimmer. Aber jetzt, wo alles überstanden ist, bereue ich keine Sekunde.«

»Du bist zur falschen Tür raus. Wir sind gleich hinterher auf die Treppe, da hast du schon auf dem Boden gelegen. Es war keine Zeit, dir auf die Beine zu helfen. Die Juden aus Szajas Bande haben dich gesucht, wir auch. Morgens immer CyruliÅski und Dukat, mittags zogen Kunda oder Latadywan los. Kunda hat die Leiche von Buchsbaums Enkel hinterm Teich bei BoÅdurki gefunden, da soll jemand mit Dumdum auf die Jesusfigur im Wald geschossen haben, und ein Stück weiter auf dem Weg nach Huciska lagen Tefillin und ein Stock, die hat er mit nach Hause genommen. Und du warst verschwunden, ein Jahr lang. Du schuldest uns eine Erklärungâ, die Leute erzählen, du hättest viel Leid angerichtet.«

»Meinetwegen«, sagte der andere. »Es ist wie mit jenem Mann, der eine Brücke über den Sumpf gebaut hat, angeblich zur Sühne. Da stellt sich dieser Sünder eines Tages unter die Brücke - stellt sich hin und hört, was denn die Leute über sein Werk sagen. Da kommen sie, und die einen schimpfen, dass die Brücke aus Holz ist, die anderen schelten, sie ist zu hoch, und ein kalter Wind würde dort blasen, auch dass sie schon löchrig ist - wie die Leute so reden. Zuerst geschossen, sagst du? Ich für meinen Teil könnte fragen: Hast du die Tür verriegelt, wie abgesprochen? Ich hatte genug um die Ohren: Futter besorgen für die Pferde, Zigaretten für Chaim, eine Zinksalbe aus der Apotheke, für die Emilka Bilder vom heiligen Antonius, weil s ihr so in den Sinn kam, und nen Haufen anderes Zeugâ, kann dir jetzt nicht alles aufzählen. Jeder könnte der erste gewesen sein. Ich saß bei einem Glas warmer Milch. Kunda sagte: Bei dem Sauwetter hätten wir die Plache mitnehmen sollen. Ich darauf: Trifft sich gut, ich weiß noch, Bernstein hat eine bei der Hanczarka gelassen - wir gehen heute zu ihr, bevor wir aufbrechen, holen uns die von der Schlampe, da wird nicht lang gefackelt. Rózia war gerade dabei, sich auf meinen Rat hin eine Hose überzuziehen. Sie stand hinterm Stuhl, raffte das Kleid, um es in die Hose zu stopfen. Und du warst in der Mitte, hast dir eine gedreht. Hättest du nur die Tür verriegelt oder auf gut Glück geschossen. Szerucki und Kunda hatten an dem Tag keine Waffen, so einfach ist das. Und als von drüben ein Schuss gefallen ist - da hast du angefangen zu schreien. Wozu in aller Welt? Darfst dich nicht wundern, dass ich dir nicht länger vertraut habe. Es ist wie mit dem üblen Geruch, der einem nachgeht. Dem Kerl ist nicht mehr zu helfen, wenn er erst einmal stinkt. Du weißt ja, das Leben zählt in jedem seiner Augenblicke, immer liegt der gesamte Einsatz auf dem Tisch. Du schlüpfst nicht durch. Die Spitzel, die schaffen s manchmal, aber am Ende macht ihnen der Brotgeber den Garaus, dann liegt so n Köter zerdrückt im Matsch. Du bist doch dabei gewesen, als Ciszka gebettelt hat: Ach, legt mich nicht um! Ich will mich nützlich machen. Du Hurensohn! , schreit darauf Szerucki und scheuert ihm eine in seine Spitzelseele, dass der sich vollgeschissen hat. Da konnte einen ja noch der Jammer packen, aber darum geht s hier nicht. Das war erst der Anfang. Vergiss nicht, was sie mit Rózia angestellt haben. Wie sie ihr die Beine gespreizt haben - und sie: Ich fleh euch an, lasst mich in Ruh -, da bist du mir grad über den Rücken getrampelt. Es soll dir im Gedächtnis bleiben: Rózia würgt an den Fingern eines Mazepiners, bekommt keine Luft. Hättest du bloß geschossen, jeder Augenblick zählt. WÄskopyski wird s dir nicht verzeihen. Du weißt, ein Mann wie der, dünn, mit Augen aus Stahl und schmaler Nase - so einer verzeiht keinem. Das mit Rózia wirst du ihm büßen, du hättest sie retten sollen. Da kannst du noch so viele Winkeladvokaten haben, es hilft nichts. Eines Tages wird er bei dir klopfen, ganz gleich, wo du dich versteckst. Das ist dann dein Ende.«

»Du regst dich auf«, kam aus dem Dunkel die Antwort. »Ich hab immer gesagt, du bist n schlauer Bursche, aber in der Nacht damals, da warst du völlig verdattert. Was hast du dich nur so in mich verbissen? Wirst wohl gedacht haben, ich hätte was mit Rózia. Ich will dir ehrlich sagen: Da war nichts. Und wenn du s wissen willst, dann sag ich: Szerucki. Lass das Zähneknirschen. Szerucki hat ihre Mutter in Huciska versteckt, sie immer im Auge behalten. Konnte doch keiner wissen, dass gerade die in die Diele kommen würden. Ich hatte auf deinen Riecher gesetzt. Da ging noch der Wecker los, Szerucki ist mit einem Satz zur Kommode, um das Rattern zu stoppen. Alles in Ordnung , hast du gesagt, das hat mich verwirrt. Was ich dir auch noch sagen wollte: Aus dir war der Dampf raus. Brotkrümel hast du in den Fingern geknetet. Ich lass nicht zu, dass man alle Schuld auf mich schiebt. Gib deinen Fehler zu. Du warst zur falschen Tür raus. Kunda war s, der geschrien hat, nicht ich. Die haben ihm ne Ladung in den Bauch gejagt, und er - klemmt sich die Hände zwischen die Beine, stöhnt und trampelt auf der Stelle, als wollte er ein Feuer ersticken. Dann ist bei dem Knall noch die Lampe erloschen. Weiß der Teufel, auf wen man da hätte schießen sollen - hier ein Schatten, dort ein Schatten. Rózia kam mir unter die Hände. Sie ist mir nicht teurer als die Sache und auch nicht billiger gewesen. Ich war sicher, sie wäre gleich hinter mir. Gut so - dachte ich. Da lagst du schon auf der Schwelle, und hinter mir lief Szerucki, nicht Rózia.«

»Nein, du bleibst nicht bei der Wahrheit. Umkehren, das hättest du tun sollen, Licht drauf und in den Haufen schießen. Die Angst saß dir im Nacken, da wirst du gedacht haben: Ach, das ist es nicht wert, so oder so wird jetzt alles viel schlimmer kommen. Selbst als ich zu Boden fiel, wollte ich noch immer nicht glauben, du wärst einer, der die Sonne nicht mehr sieht.«

»Was weißt du, was ich dachte«, versetzte der im Dunkel. »Du redest wie ein Pfaffe, der Worte in großer Eile in ein Fass stopft. Deine Gereiztheit versteh ich ja, ich frag mich nur: Warum bist du der Sache nicht auf den Grund gegangen, da wär dir einiges klar geworden?«

»Was denn?«, fragte der Ankömmling.

»Rózia sagte vor dem Abend zu Szerucki: Sprich du mit ihm. WÄskopyski will mich verstecken, aber ich mag nicht mehr darüber reden. Ich würde sein Angebot sogar gerne annehmen, dann wäre ich näher bei Vater. Versteht sich - da wäre sie näher am Steinbruch in Sasów gewesen. Und dir kam nicht in den Sinn, dass das Mädel litt. Sie wollte euch nicht entzweien.«

»Ich will dir was sagen - als sie damals in die Diele kamen, da war ich mir sicher, es ist WÄskopyski gewesen, und meine Meinung über ihn stand fest, obwohl ich ihn nie gesehen hatte. Ich konnte es dir nicht sagen. Du hast mich ja aufgenommen. Einer, der die Prügel der Kripo kennt, der ist wie ne Ratte, die durchs Feuer gelaufen ist.«

»Zieh du ihn nicht in den Dreck«, sagte der andere. »Etwas, was du nicht verstehst, willst du in einen Topf mit kriminellen Dingen werfen. Du redest wie einer, der noch nichts vom Leben weiß, und da trifft ihn aus heiterem Himmel ein Faustschlag auf den Schädel.«

»Du brauchst dich nicht zu ereifern. In welchen Dreck? Mir geht es nur darum, dass ich nicht den Glauben hatte, das hat zu dem Schlamassel geführt. Ich kann nichts dafür. Als ToÅka noch lebte, da hat alles noch seinen Sinn gehabt, ganz gleich, wie die Sache ausgehen mochte, alles schien heller beleuchtet. Nun nage ich an mir selbst und rühr keinen Finger. Früher war ich durch jede Tür gegangen, um sie frei zu bekommen. Heute küsse ich die Stelle, wo sie gestorben ist. Nichts erwarte ich mehr, und nichts mehr erwartet mich.«

»Und Buchsbaum, hast den mal gesehen?«, wollte der im Dunkel wissen.

»Die Kinder der Hynda Glas haben ihn gefunden, eine Woche nach Neujahr. Er lag erfroren unter einer Kiefer, nur unter seinem Körper taute es ein wenigâ, mehr nicht. Schwammiges, bleiches Gesicht. Der graue Bart auf seiner bloßen Brust.«

»Wer hat ihn begraben?«

»Zwei Überlebende aus dem Steinbruch in Sasów. Die Leute in Huciska erzählen sich, dass er noch immer über die Felder streift, halberfrorene Kinder soll er auflesen. Und da ist tatsächlich einer, aus dem Gebüsch am Waldrand kommt er, die Hand über der Stirn, sieht vom Hügel in die Stadt hinab, das verbrannte Szabasowa. Dem Aussehen nach - ein Mann. Möglich, dass es Gabbe GudeÅ ist.«

»Einer aus Szabasowa hat mir erzählt, Buchsbaum hat die kleine Kalma gefunden, auf dem Acker bei Pasieki. Zu wem kam sie dann?«

»Zur Arbuzowska, die war damals schon Witwe.«

»Was war denn passiert? Ein kräftiger Kerl wie der .â.â.«

»Die Mazepiner, sie kamen...
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Autor

Leopold Buczkowski (1905-1989) studierte polnische Philologie und Kunst. 1944 Flucht nach Warschau. Sein Prosadebüt "Unwegsames Gelände" (publiziert 1947) brachte ihm die Anerkennung der Kritik. Durchbruch 1954 mit dem Roman "Der schwarze Bach", der als einer der bedeutendsten Texte der polnischen Literatur über die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung im besetzten Polen gilt. 1957 folgte "Der dorische Kreuzgang" (Roman), 1959 "Junger Dichter im Schloss" (Erzählungen).