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Die Spucke des Teufels

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
352 Seiten
Deutsch
treditionerschienen am27.01.2021
Man schreibt das Jahr 1756. Lisbeth Ochs, verwitwete Gastwirtin am Niederrhein, hat ihre liebe Not mit dem Kartoffeldiktat Friedrichs des Großen. Sie soll das fremdländische Gemüse für die preußischen Besatzer kochen, obwohl der Pfarrer am Ort es als 'Spucke des Teufels' ächtet. Zu allem Überfluss stellt ein zynischer Mayor Lisbeth nach und erpresst sie. Um heil aus der Zwickmühle zu kommen, greift Lisbeth zu drastischen Maßnahmen. Der Roman belegte den 2. Platz beim Gerhard-Beier-Preis 2010. 'Humorvoll und mit viel Gespür für Zeitkolorit erzählt' (Zeitschrift Brigitte) 'Ein Kartoffelkrimi, süffig und deftig wie ein richtig guter Eintopf' (Westdeutsche Zeitung) '... nicht nur deftige Hausmannskost, sondern auch eine feine Spitze der Literatur' (Neue Rhein Zeitung)

Ella Theiss lebt in der Nähe von Darmstadt. Sie hat Germanistik und Sozialwissenschaften studiert und rund zwanzig Jahre unter ihrem Klarnamen Elke Achtner-Theiss als Redakteurin und Texterin gearbeitet, insbesondere im Themenbereich Ökologie und Bio-Lebensmittel. Seit 2008 schreibt sie auch Romane und Erzählungen. Mit ihrem historischen Krimi »Die Spucke des Teufels« belegte sie Platz 2 zum Gerhard-Beier-Preis 2010. Für ihre Erzählungen und Kurzgeschichten erhielt sie mehrere Preise und Auszeichnungen. Mehr unter www.ellatheiss.de
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR21,99
BuchKartoniert, Paperback
EUR12,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR4,99

Produkt

KlappentextMan schreibt das Jahr 1756. Lisbeth Ochs, verwitwete Gastwirtin am Niederrhein, hat ihre liebe Not mit dem Kartoffeldiktat Friedrichs des Großen. Sie soll das fremdländische Gemüse für die preußischen Besatzer kochen, obwohl der Pfarrer am Ort es als 'Spucke des Teufels' ächtet. Zu allem Überfluss stellt ein zynischer Mayor Lisbeth nach und erpresst sie. Um heil aus der Zwickmühle zu kommen, greift Lisbeth zu drastischen Maßnahmen. Der Roman belegte den 2. Platz beim Gerhard-Beier-Preis 2010. 'Humorvoll und mit viel Gespür für Zeitkolorit erzählt' (Zeitschrift Brigitte) 'Ein Kartoffelkrimi, süffig und deftig wie ein richtig guter Eintopf' (Westdeutsche Zeitung) '... nicht nur deftige Hausmannskost, sondern auch eine feine Spitze der Literatur' (Neue Rhein Zeitung)

Ella Theiss lebt in der Nähe von Darmstadt. Sie hat Germanistik und Sozialwissenschaften studiert und rund zwanzig Jahre unter ihrem Klarnamen Elke Achtner-Theiss als Redakteurin und Texterin gearbeitet, insbesondere im Themenbereich Ökologie und Bio-Lebensmittel. Seit 2008 schreibt sie auch Romane und Erzählungen. Mit ihrem historischen Krimi »Die Spucke des Teufels« belegte sie Platz 2 zum Gerhard-Beier-Preis 2010. Für ihre Erzählungen und Kurzgeschichten erhielt sie mehrere Preise und Auszeichnungen. Mehr unter www.ellatheiss.de
Details
Weitere ISBN/GTIN9783347184411
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum27.01.2021
Reihen-Nr.64
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4902 Kbytes
Artikel-Nr.12570185
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



2      Lisbeth

Der Karren mit dem Holzsarg holpert hinter der Mähre her, ruckt bei jedem Stein, hakt bei jedem Lehmloch. Die ganze lange Straße zum Dorf hinunter klappert das Gefährt, dass es Lisbeth schaudert. Eine Schar Krähen flattert aus den alten Kopfweiden, verzieht sich kreischend zum Horizont, wo der Reichswald wie eine dunkle Narbe zwischen Himmel und Erde klafft.

Dem Trauerzug voran schreitet der Pfarrer in feierlicher Langsamkeit, den Kopf gebeugt, die Hände zum Gebet gefaltet, links und rechts neben ihm stolpern die Ministranten durch aufgeweichte Fuhrrinnen, bekleckern ihre weißen Roben mit Morast. Hinter dem Sarg geht Lisbeth. Allein. Der Ochsenwirt, den sie zu Grabe tragen, hat sonst keine Angehörigen.

Erst als sie das Dorf erreichen, wächst die Trauergemeinde an, verlängert sich mit jedem Gehöft um ein oder zwei schwarze Gestalten, die sich stumm und mit Abstand einreihen. Der Ochsenwirt ist an der Ruhr gestorben, so heißt es. Was hilft es da, die Ritzen des Sargs mit Pech zu verschmieren, wie Lisbeth es gemacht hat! Seuchen suchen sich immer ihren Weg, zumal wenn der Winter bevorsteht.

Lisbeth spürt, wie sich die Blicke in ihren Rücken bohren. Furcht und Argwohn durchdringen ihren Mantel so ungehindert wie die feuchtkalte Luft, schubsen sie weiter und weiter durchs Dorf. Eisiger Schlamm sickert durch die Löcher in ihren Stiefeln, macht die Zehen taub und starr.

Der Friedhof liegt zu Füßen der Dorfkirche, die mächtig und wie eine Burg, von Stützmauern gesäumt, in den Himmel ragt. Die Glocke dröhnt, der Pfarrer stapft durch die Pfützen zum Kopfende des schmalen Erdlochs, das die Totengräber vorbereitet haben. Lisbeth blickt hinauf zum Glockenturm, wo zierlich gemauerte Fensterchen den Koloss aus Sandstein verjüngen und wie Stufen in den Himmel führen. Dort hinauf wird er niemals gelangen, der Ochsenwirt. So viel ist gewiss.

Der Pfarrer spricht von den Todsünden, die da heißen Stolz, Habsucht, Zorn, Völlerei ⦠Lisbeth graust es. Der Ochsenwirt war sündig sein Lebtag.

»Denn der Lohn der Sünde ist der Tod!«, donnert der Pfarrer. »Der Lohn der Todsünde aber ist die ewige Verdammnis, wenn dem Sterbenden das Sakrament der Buße nicht zuteil wird.«

Was ist das, die ewige Verdammnis? Lisbeth würde es gern genauer wissen. Kann ein ewig Verdammter nicht doch wiedergeboren werden? Als Wolf vielleicht? Oder als Schlange? Kann er als Geist umherwandeln? Womöglich aus den hohlen Bäumen des Reichswalds oder aus den Sümpfen entlang der Rheinschleife kriechen? Lisbeth hat sich nie getraut nachzufragen.

»Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub«, ruft der Pfarrer und greift feierlich zur Schaufel.

Dreck zu Dreck, denkt Lisbeth, als die nassen braunen Krumen auf den Sarg des Ochsenwirts plumpsen, blickt wieder hinauf zum Kirchturmdach, wo das goldene Kreuz in einen Nebelschleier getaucht ist. Nein, nein, er wird niemals wiederkehren in die Welt. Er wird sie niemals wieder ein Trampel schimpfen, ein Aas, eine Mistsau. Er wird sie niemals mehr grün und blau schlagen, sie nackt im Kellerloch einsperren - nie wieder. Eine fröhliche Leichtigkeit strömt Lisbeth aus dem Herzen, drängt den Hals hinauf wie ein tosender Strom, bricht lauthals aus ihr heraus. Lisbeth lacht. Lacht und lacht, bis der Pfarrer innehält, die Hände ringt, sich bekreuzigt.

»Sie hat es auch schon, das Fieber!«, kreischt eine Weiberstimme. Und all die Leute aus dem Dorf, die in ihren schwarzen Umwürfen das Grab umringen, sie reißen ihre Mäuler zu abgrundtiefen Löchern auf, weichen langsam vom Grab zurück, drängen durchs Friedhofstor, laufen wie vom Teufel gejagt davon. Bis auf den Müller aus Hommersum und den jungen Doktor aus Goch. Die eilen im Gegenteil herbei, fangen Lisbeth auf, als tausend Sternlein sie umkreisen und sie in Ohnmacht sinkt.

»Das kommt davon, wenn man tagelang nichts isst«, sagt der Doktor, als Lisbeth auf der Bank vor dem Wirtshaus erwacht.

»Bin ich jetzt auch - krank?«

Der Doktor schüttelt den Kopf. Erstens sei die Ruhr nicht wirklich ansteckend. Zweitens sei der Ochsenwirt nun einmal alt und schwach gewesen. Lisbeths Ohnmacht, die rühre von der Anspannung der letzten Tage her, von der gewiss tiefen Trauer. Dennoch müsse Lisbeth nun ins Bett, sagt der Doktor und schleppt sie eigenhändig dorthin, brüht einen Sud aus grünem Hafer und Johanniskraut und prüft, dass sie ihn artig schluckt.

Kaum ist der Doktor aus der Tür, schlägt Lisbeth die Decke zurück und setzt sich im Bett auf. Der nebelverhangene Mond wirft ein schwaches Licht durch das Fenster. Lisbeth zündet die Kerze auf dem Nachttisch an, greift nach dem Rosenkranz, der immer in der Schublade bereitliegt, fingert die tönernen Perlen ab und murmelte die Wortfolge, die sie seit ihrer Kindheit auswendig kennt.

»In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti ⦫

Lisbeth liebt das Rosenkranzbeten. So ist man Gott gefällig und kann doch seinen Gedanken nachhängen, je weniger man von den Lauten versteht, desto leichter gelingt es.

»Panem nostrum quotidianum da nobis hodie, et dimitte nobis debita nostra ⦫

Man darf beim Rosenkranzbeten getrost einige Sätze überspringen, wenn einem die richtigen Wörter nicht einfallen, da ist der liebe Gott nachsichtig. Das hat ihr die Mutter erklärt, als Lisbeth klein war. Und erst bei der eiförmigen Kugel in der Mitte der Kette, da dürfen die geheimen Verse einsetzen.

»Uns ist in alten Mären wunders vil geseit, von Helden lobebären, von großer Arebeit ⦫

So geheim sind sie, dass nicht einmal der Pfarrer sie wissen darf.

»Was saget Ihr mir von Manne, viel liebste Mutter min? Ohne der Recken Minne will ich immer sin. So schöne soll es blieben, bis an minen Tod, dass ich sell von Manne nimmer gewinne Not.«

Weiter kommt Lisbeth nicht, die Kerze flackert, lässt zarte Schatten durch den Raum tanzen und sich neu ordnen. Die Mutter sitzt auf der Bettkante und stopft eine Wollsocke, der die Ferse durchlöchert ist.

»Nicht so gut gelaufen auf dem Friedhof, gelt?«, sagt sie und kneift ein Auge zu, wie sie es früher immer getan hat, wenn sie Lisbeth unterweisen, aber nicht schelten wollte.

»Jetzt haben sie einen Grund mehr, über mich herzuziehen.« Lisbeth lässt den Rosenkranz sinken und die Mutter das Stopfei mit der Socke.

»Wie sie davongerannt sind! Als hätten sie den Leibhaftigen gesehen. - Das Ärgste ist, dass ich so gelacht hab.« Lisbeth schlägt die Hände vors Gesicht.

»Der Doktor hat gesagt, das waren nur die Nerven, Lisken.«

»Die Nerven sind den Leuten gut dafür, wenn sie der Rücken zwickt oder wenn der Fuß lahmt. Dann schreiben die Doktores sie für krank, dass sie nicht fronarbeiten müssen für die Fürsten und Bischöfe. Aber im Kopf, da sind die Nerven vom Teufel. Im Alemannischen haben sie neulich eine Frau als Hexe verbrannt, dabei hat s vielleicht nur die Fallsucht gehabt, heißt es. Und die war hellblond wie ein Engel, nicht so rot wie ich.« Lisbeth beißt sich auf die Finger. »Ob die was gemerkt haben?«

Die Mutter schüttelt den Kopf, dass ihre Löckchen zittern. »Woher denn! Machst ihnen jetzt die Trauer glaubhaft vor. Trag das schwarze Kleid, tu demütig und red ganz wenig.«

Lisbeth lächelt tapfer. »Mit wem soll ich auch schon lang reden? Das schwarze zieh ich gern an. Das steht mir nicht zu Gesicht und hängt an mir wie ein Lappen. Da lassen mich die Kerls in Ruh und die Frauen sind friedlich.«

Die Mutter nimmt die Socke wieder auf, sticht in die Maschen, zieht einen langen Wollfaden durchs Geflecht, dass ihr Arm nach oben fährt und ihr Zeigefinger samt Stopfnadel sich zum Himmel richtet: »Halt dich an den Pfarrer. Der tut dir nix, denn der ist nur geil auf seinen Herrn Jesus. Geh oft in die Kirch. Gib was in den Klingelkasten. Spend ein paar Eier, wenn ein Fest ist.«

Lisbeth nickt. Da lässt die Mutter Hand und Stimme sinken, zwinkert Lisbeth zu und flüstert: »Weißt, dann halten die andern dich für dumm. Und wer dumm scheint, kommt gut durchs Leben.«

Lisbeth greift nach dem Rosenkranz. »Heilig ist das Land, das ich liegen sehe, den Asen nah und Alfen. Dort in Thrudheim soll Thor wohnen, bis die Götter vergehen ⦫ Bei der Perle mit der angebrochenen scharfen Kante werden ihr die Lider schwer. »Dem Volke schien - sein Fürst geboren, sie wünschen sich Glück - Glück - zu goldener Zeit - goldener Zeit -«

»Musst die Kerze ausblasen, Kind«, ruft die Mutter erschrocken.

Lisbeth gehorcht und schläft ein.

Mit der Morgendämmerung kommt Wind auf. Der Nebel zerreißt, verwandelt sich in ein Meer weißer Schlieren, durch die...

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Autor

Ella Theiss lebt in der Nähe von Darmstadt. Sie hat Germanistik und Sozialwissenschaften studiert und rund zwanzig Jahre unter ihrem Klarnamen Elke Achtner-Theiss als Redakteurin und Texterin gearbeitet, insbesondere im Themenbereich Ökologie und Bio-Lebensmittel. Seit 2008 schreibt sie auch Romane und Erzählungen. Mit ihrem historischen Krimi »Die Spucke des Teufels« belegte sie Platz 2 zum Gerhard-Beier-Preis 2010. Für ihre Erzählungen und Kurzgeschichten erhielt sie mehrere Preise und Auszeichnungen.Mehr unter ellatheiss.de