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Das Opernhaus: Rot das Feuer

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
400 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am01.03.2024
Der zweite Teil des groß angelegten Dresden-Epos von Bestsellerautorin Anne Stern.  Dresden 1849: Elise lebt als gefeierte Violinistin und angesehene Ehefrau des Komponisten Adam Jacobi in Dresden. Doch eine schicksalshafte Begegnung mit dem Kulissenmaler Christian droht, das fragile Gleichgewicht ihres Lebens zu erschüttern. Mit dem aufstrebenden Künstler an der Semperoper verbindet sie eine große Sehnsucht, eine Leidenschaft für die Kunst - und eine romantische Erinnerung. Elise spürt, dass ihre Liebe auch nach Jahren noch stärker ist als alle Konventionen. Doch bevor sie das Unmögliche wagen kann, brechen blutige Aufstände in der Stadt aus. Unzufriedene Arbeiter und Dienstmädchen, Künstler und Intellektuelle, Männer und Frauen ziehen für ihre Rechte in den Kampf. Auch das prächtige königliche Hoftheater im Herzen der Stadt wird zum Schauplatz der widerstreitenden Gegner. Denn selbst Kapellmeister Richard Wagner und Gottfried Semper rufen zum Widerstand gegen die Obrigkeit auf. Dann bittet der König die preußische Armee um Hilfe. Es kommt zum Äußersten. Und Elise muss sich in den blutigen Wirren entscheiden, auf welcher Seite sie steht - und wie viel zu opfern sie bereit ist. Die Semperoper als Schauplatz von politischen Wirren und dramatischen Schicksalen. Und eine Liebe - stärker als alle Konventionen und Gefahren der Zeit.

Anne Stern ist promovierte Germanistin und Historikerin und lebt in Berlin. Ihre Reihe um die Berliner Hebamme «Fräulein Gold» ist ein großer Erfolg, jeder Band ein Spiegel-Bestseller.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR17,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextDer zweite Teil des groß angelegten Dresden-Epos von Bestsellerautorin Anne Stern.  Dresden 1849: Elise lebt als gefeierte Violinistin und angesehene Ehefrau des Komponisten Adam Jacobi in Dresden. Doch eine schicksalshafte Begegnung mit dem Kulissenmaler Christian droht, das fragile Gleichgewicht ihres Lebens zu erschüttern. Mit dem aufstrebenden Künstler an der Semperoper verbindet sie eine große Sehnsucht, eine Leidenschaft für die Kunst - und eine romantische Erinnerung. Elise spürt, dass ihre Liebe auch nach Jahren noch stärker ist als alle Konventionen. Doch bevor sie das Unmögliche wagen kann, brechen blutige Aufstände in der Stadt aus. Unzufriedene Arbeiter und Dienstmädchen, Künstler und Intellektuelle, Männer und Frauen ziehen für ihre Rechte in den Kampf. Auch das prächtige königliche Hoftheater im Herzen der Stadt wird zum Schauplatz der widerstreitenden Gegner. Denn selbst Kapellmeister Richard Wagner und Gottfried Semper rufen zum Widerstand gegen die Obrigkeit auf. Dann bittet der König die preußische Armee um Hilfe. Es kommt zum Äußersten. Und Elise muss sich in den blutigen Wirren entscheiden, auf welcher Seite sie steht - und wie viel zu opfern sie bereit ist. Die Semperoper als Schauplatz von politischen Wirren und dramatischen Schicksalen. Und eine Liebe - stärker als alle Konventionen und Gefahren der Zeit.

Anne Stern ist promovierte Germanistin und Historikerin und lebt in Berlin. Ihre Reihe um die Berliner Hebamme «Fräulein Gold» ist ein großer Erfolg, jeder Band ein Spiegel-Bestseller.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644015357
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum01.03.2024
Reihen-Nr.2
Seiten400 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse7873 Kbytes
Artikel-Nr.12580064
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1.

Dresden, Mittwoch, 4. April 1849

«Geh nicht zu nah ans Wasser, Netty», rief Elise und eilte hinter ihrer Tochter her, von der sie nur wippende schwarze Locken und eine wehende Schleife am Rücken sah. Netty hatte die Enten an den Elbwiesen unten erspäht, für die sie, sooft ihre Mutter und das Kindermädchen sie auch deswegen schalten, stets Brotkrümel in ihren Kleidertaschen aufbewahrte.

«Denk daran, dass du neue Schuhe trägst!», rief Elise ihr hinterher. «Da unten ist es furchtbar schlammig.» Wie ein Aufblitzen zog eine Erinnerung an ihr vorbei - die Frau, die Netty geboren hatte, war kurz nach der Geburt des Mädchens nicht weit von dieser Stelle in die Elbe gegangen. Kurz danach war das nunmehr elternlose Kind als Adoptivtochter ins Haus der Jacobis gekommen.

Außer Atem kam Elise am Ufer an. Netty hockte bereits inmitten der Entenschar im Matsch und achtete nicht auf ihr hellblaues Kleid. Der Saum hing in den Pfützen, die der kalte Frühlingsregen dort hinterlassen hatte. Die Wasservögel, die vom Fluss heraufgekommen waren, quakten aufgeregt und umringten das Mädchen, um nur ja keinen der herrlichen Brothappen zu verpassen. Mit ihren gelben Schnäbeln scheuchten sie sich gegenseitig beiseite und schnappten nach den Krumen. Netty schlug die Hände begeistert in der Luft zusammen, warf Brot hierhin und dorthin und sprach energisch mit den aufgebrachten Tieren, als könnten sie jedes Wort verstehen.

«Kusch!», rief sie. «So seid doch nicht so ungeduldig. Es gibt für jede genug, seid artig! Nicht so schlingen!»

Elise blieb stehen und betrachtete liebevoll ihre Tochter. Sie hörte in Nettys Stimme ihre eigenen Worte, wenn sie bei Tisch versuchte, das ungestüme Kind zur Mäßigung zu rufen. Doch nichts an Netty war jemals gemäßigt oder zurückhaltend, sie war wie eine Naturgewalt, gegen die Elises mahnende Worte nichts ausrichten konnten. Groß gewachsen, mit langen, schlanken Gliedern schritt, nein, schwebte sie durch die Welt, mit ihren wilden dunklen Haaren und eindringlichen schwarzen Augen. Niemand, der sie sah, konnte annehmen, dass sie Elises leibliches Kind war - sie selbst sah mit ihrem honigfarbenen Haar und den blauen Augen ganz anders aus. Auch Adam, Elises Mann, hatte keine Ähnlichkeit mit Netty. Sein Haar war inzwischen gänzlich silbern, seine Augen funkelten nicht wie schwarze Edelsteine, sondern waren eher durchscheinend, und sein Gang steif und hölzern, vor allem, seitdem er an Gicht litt.

Die Jacobis hatten die kleine Annette an Kindes statt angenommen, als sie fast drei Jahre alt gewesen war. Elise hatte schon nach ein paar Tagen kaum noch daran gedacht, dass sie das Mädchen nicht selbst geboren hatte. Vergessen hatte sie es nicht, und das würde sie auch nie. Doch sie liebte Netty mehr, als sie es selbst fassen konnte. In Adams Miene aber bemerkte sie manchmal, wenn er sich unbeobachtet glaubte, ein leises Befremden. Er beäugte Netty so, als frage er sich, wer ihm dieses Kuckucksei ins Nest gelegt hatte. Trotzdem schien er ein stolzer Vater. In jedem Fall war er liebevoller im Umgang mit dem Mädchen, als Elise es ihm je zugetraut hätte. Sie sah ihm und Netty gern zu, wenn sie in seltenen Momenten gemeinsam über ein Buch gebeugt saßen und sich unterhielten, es brachte ihr den strengen, distanzierten Ehemann näher.

Eigene Kinder hatten sich in ihrer inzwischen sieben Jahre währenden Ehe nicht eingestellt, und Elise hatte aufgehört, darauf zu warten, dass sie schwanger würde. Manchmal befiel sie deswegen eine stille Traurigkeit. Sie hätte es gern erlebt, wie es wäre, ein Kind im eigenen Leib zu tragen, es zu gebären, es sofort danach in den Armen zu halten. Eigentlich wäre es für sie nicht zu spät - sie war noch immer eine junge Frau, keine dreißig Jahre alt. Doch sie fühlte sich manchmal bereits wie eine Matrone mit ihrer großen Tochter, die schon lange zur Schule ging, und in ihrer langjährigen Ehe mit einem deutlich älteren Mann.

Adam war inzwischen fast sechzig und kam in ein Alter, in dem er mehr Ruhepausen brauchte als zuvor, in dem er länger als früher über einem Artikel für die Zeitung brütete und oft tagelang nicht aus seiner Studierstube oder dem Musikzimmer kam, wo er am Klavier saß und komponierte. Alles fiel ihm zusehends schwerer, und Elise sorgte dafür, dass die Diener ihm viel abnahmen und ihn gut versorgten, damit er seine Kräfte schonen konnte.

Wie eine Glucke sei sie, spottete Adam manchmal, und Elise musste dann ihr Gesicht abwenden, damit er nicht ihre Verlegenheit sah. Wusste sie doch sehr wohl, dass ihre Sorge um ihren Mann nicht wirklicher Liebe entsprang, sondern eher der Ersatz für Liebe war - Fürsorge, freundliche Worte und zu viele teure Speisen für Adam anstelle von Leidenschaft, Hingabe, Seelenverwandtschaft. All das hatte es zwischen ihnen nie gegeben. Eine Ahnung solcher Gefühle kannte sie zwar auch - doch für Adam hatte Elise sie nie empfunden.

Ihr Blick wanderte über den silbrig grauen Fluss, über die mit noch spärlichem Hellgrün belaubten Bäume am Ufer bis zur Südseite der Stadt. Dort wanden sich die Treppen, Mauern und Geländer der Brühlschen Terrasse am anderen Ufer entlang. Weiter rechts ragte der Turm der Hofkirche auf, dahinter das Schloss. Und daneben lag, nein, thronte die Königliche Semperoper. Ihre goldenen Verzierungen schimmerten in der schwachen Frühlingssonne, und Elises Blick blieb wie immer daran hängen. Das prächtige Gebäude war seit jeher ein Sehnsuchtsort für sie. Nur allzu gern hätte sie dort einmal als Musikerin gewirkt. Und es gab noch einen Grund, weshalb ihr die Oper so viel bedeutete, doch dieser blieb ihr Geheimnis.

«Mama», sagte Netty, «mir ist kalt.»

Elise schrak aus ihren Gedanken auf. Ihre Tochter war von der schlammigen Wiese aufgestanden und mit verdrießlicher Miene zu ihr getreten. Sie hatte alles Brot verfüttert, und die Enten watschelten enttäuscht von dannen, nachdem sie sich überzeugt hatten, dass es nichts mehr geben würde. Nettys Kleid war nass, die Feuchtigkeit der Elbwiesen hatte den Taftstoff durchweicht und dunkle Flecken auf dem Hellblau hinterlassen.

«Komm», sagte Elise und zog sich ihren eigenen Umhang von den Schultern. Sie legte ihn der zitternden Tochter um, wickelte sie fest darin ein und sah kopfschüttelnd auf den dunklen Scheitel nieder. Auch das war typisch für Netty - sobald eine Attraktion vorüber war, ging ihre Euphorie innerhalb von Sekunden in Missmut über. Ihre Launen schwankten wie das unstete Frühlingswetter, und man wusste in ihrer Gegenwart nie, was als Nächstes kam. Sie war in allem so ganz anders als Elise, die, wenn man dem Gerede der Leute Glauben schenkte, ein Ausbund an Beherrschtheit und Freundlichkeit war. Aber auch Elise hatte eine Zeit in ihrem Leben gekannt, in der sie ihren Gefühlen die Vorherrschaft über die Vernunft gegeben hatte. Und auch, wenn diese Zeit lange vorbei war, so spürte sie doch an manchen Tagen, wie sich unter dem glänzenden Taftstoff ihres Kleides in Herznähe eine Kraft zusammenballte und ausbrechen wollte.

«Bringen wir dich nach Hause», sagte sie zu ihrer Tochter, «dort kann Rosel dir eine heiße Schokolade kochen, damit du dich aufwärmst. Sicher bist du müde nach dem Unterricht.»

«Pah», sagte Netty, und ihre Augen funkelten schon wieder übermütig, «wieso denn müde? Ich weiß ja längst alles. Es ist nicht die Spur anstrengend in der Schule, Mama!»

«So?» Elise verbiss sich ein Lächeln. Die Lehrer in der Volksschule hinter dem Neustädter Markt, die Netty besuchte, hatten leider anderes zu berichten: Annette schwatze zu viel, sie sei unaufmerksam und neige zu Streitsucht - so wurde es den Jacobis tadelnd berichtet. Lediglich bei den Leibesübungen, die neuerdings auch mit den Mädchen durchgeführt wurden, glänze sie mit ihrem athletischen, biegsamen Körper und ihrem Talent zum Tanzen. «Aber Tanzen allein reicht nun einmal nicht», hatte der Lehrer grimmig erklärt. «Eine schöne Handschrift und Fleiß beim Sticken wären für ein Mädchen wichtiger, werte Frau Jacobi.»

Elise legte einen Arm um Netty. «Trotzdem, ab mit dir nach Hause. Du musst auch noch deine Klavierübungen machen, das weißt du ja.»

Nettys feine Brauen zogen sich zusammen. «Ich hasse das Klavier», sagte sie leise. «Es klingt schrecklich, wenn ich darauf spiele. Ich verstehe nicht, warum du und Papa es so unbedingt wollt, dass ich mich damit abmühe.»

«Eine musikalische Bildung ist wertvoll», sagte Elise ernst. «Nichts in meinem Leben ist mir so wichtig wie die Musik, nichts macht mich glücklicher.»

«Außer ich!» Netty hüpfte unbekümmert neben ihr her vom Ufer fort, in Richtung Markt.

«Ja, außer du», bestätigte Elise und unterdrückte wieder ein Schmunzeln. Woher nahm ihre Tochter nur diesen unerschütterlichen Gauben an sich selbst? «Aber die Musik bringt unendliche Freude in unser Leben, auch in deines, Netty.»

«Wenn ich dir auf der Geige zuhöre, spüre ich ja auch die Freude», maulte Netty, «glaub mir, Mama! Nur wenn ich selbst Klavier spiele, klingt es, als schlüge jemand mit dem Hammer auf eine Katze ein.»

Elise musste zugeben, dass Netty recht hatte. Es klang wirklich schauerlich, wenn sie übte, auch noch nach Jahren des Klavierunterrichts wurde es einfach nicht besser. Auch das Singen gelang ihr nur leidlich. So musikalisch ihre Tochter war, wenn sie sich zur Musik bewegte - sobald sie selbst auf dem Klavierschemel hockte, fiel alle Musikalität von ihr ab. Es schien, dass alle Liebe zur Musik sich nur in Nettys Armen und Beinen befand. Eigentlich tanzte sie immer, sobald sie sich bewegte. Auch jetzt...
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