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Die Kapelle

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
256 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am10.01.20242024
Der Kunsthistoriker Benedikt Oswald wird von einem Freiburger Kollegen gebeten, in einem Schwarzwalddorf ein Gutachten über den Erhalt einer Kapelle zu erstellen. Doch es kommt anders. Vom Tag der Anreise an findet er sich einer seltsamen Welt gegenüber. Ereignisse aus ferner Vergangenheit werden lebendig, die Gegenwart verwirrt ihn. Die unscheinbare Kapelle mit der Statue der Heiligen Barbara öffnet ihm einen Weg, auf dem nichts ist, wie es scheint. Und dann gibt es die geheimnisvolle Witwe, mit der er sich auf unerklärliche Weise verbunden fühlt.

Thomas Erle, in Schwetzingen geboren, verbrachte Kindheit und Jugend in Nordbaden. Nach dem Studium in Heidelberg zog es ihn auf der Suche nach Menschen und Erlebnissen rund um die Welt. Es folgten 30 Jahre Tätigkeit als Lehrer, in den letzten Jahren als Inklusionspädagoge. Parallel dazu entfaltete er ein vielfältiges künstlerisches Schaffen als Musiker und Schriftsteller. Seit Ende der 90er Jahre verfasste er zahlreiche Kurzgeschichten, von denen die erste 2000 veröffentlicht wurde. 2008 erschien sein erster Kurzkrimi. 2010 gehörte er zu den Preisträgern beim Freiburger Krimipreis, 2011 folgte die Nominierung zum Agatha-Christie-Krimipreis. Thomas Erle ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt am Rande des Schwarzwalds bei Freiburg.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
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Produkt

KlappentextDer Kunsthistoriker Benedikt Oswald wird von einem Freiburger Kollegen gebeten, in einem Schwarzwalddorf ein Gutachten über den Erhalt einer Kapelle zu erstellen. Doch es kommt anders. Vom Tag der Anreise an findet er sich einer seltsamen Welt gegenüber. Ereignisse aus ferner Vergangenheit werden lebendig, die Gegenwart verwirrt ihn. Die unscheinbare Kapelle mit der Statue der Heiligen Barbara öffnet ihm einen Weg, auf dem nichts ist, wie es scheint. Und dann gibt es die geheimnisvolle Witwe, mit der er sich auf unerklärliche Weise verbunden fühlt.

Thomas Erle, in Schwetzingen geboren, verbrachte Kindheit und Jugend in Nordbaden. Nach dem Studium in Heidelberg zog es ihn auf der Suche nach Menschen und Erlebnissen rund um die Welt. Es folgten 30 Jahre Tätigkeit als Lehrer, in den letzten Jahren als Inklusionspädagoge. Parallel dazu entfaltete er ein vielfältiges künstlerisches Schaffen als Musiker und Schriftsteller. Seit Ende der 90er Jahre verfasste er zahlreiche Kurzgeschichten, von denen die erste 2000 veröffentlicht wurde. 2008 erschien sein erster Kurzkrimi. 2010 gehörte er zu den Preisträgern beim Freiburger Krimipreis, 2011 folgte die Nominierung zum Agatha-Christie-Krimipreis. Thomas Erle ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt am Rande des Schwarzwalds bei Freiburg.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839278680
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum10.01.2024
Auflage2024
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.12608358
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Kapitel 2

Das rhythmische Aufblitzen der Scheinwerfer verschmolz zu gleichförmiger Klarheit. Ich blinzelte in den mit Tageslicht erfüllten Raum. Um mich die Wärme des Schlafes. Es roch nach Kaffee.

Die Matratze stöhnte leise, als ich aufstand. Die Hose und das Hemd an meinem Körper brachten die Erinnerung an den gestrigen Tag zurück. Man hatte mich in dieses Zimmer gebracht, mir Schuhe und Socken ausgezogen und mich ins Bett gelegt. Italienisch. Ein Mann, eine Frau.

Wärme.

Ich trat zum Fenster und schob den mit großen bunten Blumen bedruckten Vorhang zur Seite.

Gegenüber eine durchgehende Häuserfront mit Schaufenstern im Erdgeschoss, unter mir die Straße, Autos am Gehweg, verschneit. Die Sonne über den Dächern nur als helles Leuchten hinter einer durchgehenden Wolkendecke.

Meine Reisetasche stand auf dem Boden hinter der Zimmertür. Ich kramte Bürste und Zahnpasta heraus, trat an das Waschbecken und begann, die Zähne zu putzen.

Nach dem Ausspülen schlug ich mir ein paar Hände voll Wasser ins Gesicht. Eine Angewohnheit seit Kindertagen und eine bewährte Methode, um rasch wach zu werden. Dann erst der erste richtige Blick, der normalerweise eher flüchtig und unbewusst vorübergeht.

Ich gehöre nicht zu den Menschen, die sich gleich zu Tagesbeginn im Spiegel ausführlich betrachten. Es war mir nie wichtig, wie zerknittert oder gealtert oder attraktiv ich aussah. Die seit Jahren grassierende Mode, dass Männer ihr Aussehen mit allerlei straffenden, schützenden, nährenden, duftenden Cremes und Wässern glaubten beeinflussen zu müssen und zu können, war mir bis heute unverständlich und fremd geblieben. Ich war mir sicher, dass Belmondo, Adorf oder Connery einen guten Teil ihrer Attraktivität dem Umstand verdankten, dass sie der Natur weitgehend ihren Lauf ließen.

Ich weiß nicht, was es war, dass ich heute ein paar Momente länger vor dem Spiegel stehen blieb als üblich. Meine hellbraunen Haare, in denen sich vereinzelte Silbersträhnen abzeichneten, strebten reichlich zerzaust in alle Richtungen. Die kleinen Säckchen unter den Augen waren wie in jeder Nacht etwas größer geworden, Wangen und Kinn zierten dunkelblonde Bartstoppeln. Die Haut blass mit ein paar wenigen hellbraunen Flecken. Ein ganz normaler Mittvierziger, der den Großteil seines Lebens in Bibliotheken, Seminarräumen, Museen und Kirchen verbracht hatte, ein Gesicht so spannend wie die Zeitung von gestern.

Ich sah auf die Uhr, es war kurz vor 7.30 Uhr. Im Haus war es ruhig. Ich räumte meine Sachen in die Tasche, kippte das Fenster und trat hinaus auf den Flur.

Im dämmrigen Morgenlicht sah ich ein paar weitere Türen, die der glichen, hinter der ich die Nacht verbracht hatte. Auf Augenhöhe waren kleine ovale Messingschildchen mit der Zimmernummer angeschraubt.

Am Ende des Ganges hing ein protziger Spiegel mit mehrfach verziertem Goldrahmen, der überhaupt nicht zu der ansonsten eher zweckmäßigen Ausstattung passte. Die Grünlilie auf der Kommode da­runter teilte sich den Platz mit einem Strauß rot-weißer Plastikblumen, dazwischen ein Stapel großzügig ausliegender Hausprospekte. Sie bestätigten meine verschwommenen Erinnerungen an den gestrigen Abend. Ristorante Pizzeria Venezia, Fremdenzimmer. Inhaber Giuseppe und Rosa Maria Bertolotti, Todtnau, Marktplatz .

Auf halber Treppe wurde ich mit einem freudigen Ausruf empfangen.

»Signore Benedetto! Sie haben gut geschlafen?«

Ohne auf die Antwort zu warten, zog mich Giuseppes Frau, von der ich jetzt wusste, dass sie Rosa Maria ließ, zu einem kleinen Tisch in einer Nische am Fenster. Auf einer frisch gebügelten weißen Tischdecke standen ein Teller mit Messer und Gabel, daneben das frisch gefüllte Brotkörbchen von gestern. Dazu je ein Schälchen mit Marmelade und Honig, ein Glas Wasser und eine Serviette.

»Kommt gleich Espresso. Francesco!« Sie rief laut, im nächsten Moment erklang aus dem Dunkel hinter der Theke das Gurgeln und Zischen einer Kaffeemaschine.

Rosa Maria setzte sich zu mir und deutete auf den Teller: »Iss. Du hast Hunger.«

Ich ließ mich nicht lange bitten. Seit der Abfahrt gestern Mittag in Freiburg hatte ich bis auf die Gemüsesuppe am Abend nichts gegessen. Ich war hungrig und durstig. Das Glas Wasser trank ich in einem Zug leer. Mit Wohlwollen beobachtete Rosa Maria, wie ich in kürzester Zeit den Brotkorb leerte. Der Kaffee, der mir gebracht wurde, war klein, heiß und italienisch stark.

Mit sichtlichem Stolz stellte die Wirtin den jungen Mann vor: »Francesco, mein Sohn.« Und zu ihm gewandt: »Begrüße den Professor, er ist ein großer Künstler!«

Francesco nickte etwas bemüht und verzog sich rasch wieder ins Hinterzimmer. Rosa Maria nutzte die Gelegenheit zum Einstieg in die Präsentation ihrer Familie und deren Geschichte. Ich ließ die übrigen Söhne, Töchter, Väter, Mütter, Cousins, Kinder und zu erwartende Enkel an mir vorübergleiten, ohne wirklich zuzuhören.

Nach dem zweiten Espresso, der zwischenzeitlich lautstark geordert und ein weiteres Mal von Francesco serviert wurde, war ich einigermaßen wach und klar im Denken, dass ich mich auf den eigentlichen Grund meiner Anreise konzentrieren konnte. Ich musste dringend in Todtnauberg anrufen, außerdem wusste ich immer noch nicht, was mit meinem Auto war.

Rosa Marias Redefluss wurde erst gebremst, als Giuseppe auftauchte. Er hatte eingekauft, in den Armen trug er zwei prall gefüllte Papiertüten.

Ich nutzte die Gelegenheit, mit dem Handy meine künftige Vermieterin anzurufen. Doch es meldete sich niemand. So konnte ich nur hoffen, dass es nicht allzu unhöflich war, wenn ich unangemeldet vor der Tür stehen würde. Wenn ich es richtig verstanden hatte, war sie bereits gestern informiert worden, dass etwas dazwischengekommen war.

Es drängte mich jetzt zum Aufbruch. Ich wollte so bald wie möglich meine Aufgabe beginnen.

Rosa Maria schien meine Gedanken zu erraten. »Du willst hochfahren, richtig? Du bist ein fleißiger Mann. Aber es ist schwierig. Giuseppe, sag ihm.«

Ihr Mann hatte den Einkauf inzwischen in der Küche abgeliefert und kam eben mit einer Tasse Kaffee zurück.

»Francesco hat sich dein Auto angesehen«, sagte er und setzte sich. »Das wird nicht gehen, ist zu gefährlich. Die Straße ist jetzt geräumt, aber mit deinen Reifen ... Es ist steil und glatt.«

»Aber was soll ich tun?«

»Johannes macht dir Winterreifen darauf. Vielleicht auch Schneeketten. Er hat eine Werkstatt vorne an der Tankstelle. Ich habe ihn angerufen, bis morgen früh kann er fertig sein.«

»Morgen früh? Das geht nicht, da sitze ich einen ganzen Tag hier fest.«

Giuseppe trank einen Schluck und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Wir haben einen Bus. Ist sicher. Du fährst nachher hoch und holst morgen dein Auto. Oder übermorgen. Ganz wie du willst. Dort oben brauchst du sowieso kein Fahrzeug.«

Ich überlegte. Vielleicht war es das Beste so. Es genügte, wenn ich zu Beginn meine Tasche dabeihatte. Ich konnte mich einrichten und schon einen ersten Blick auf meine Aufgabe werfen.

Ich warf einen Blick aus dem Fenster. Es war immer noch trüb und verhangen, vielleicht würde es sogar noch einmal schneien. Die Erinnerung an die Fahrt über den Schauinsland steckte mir noch in den Knochen. Das musste ich nicht noch einmal haben.

»Wann fährt der Bus?«

Giuseppe trank seinen Espresso mit einem Schluck aus und schob das winzige Tässchen zur Seite. »Unter der Woche dreimal am Tag, morgens, mittags und abends.« Er klopfte auf seine Armbanduhr. »Um 11.30 Uhr am Marktplatz. Du hast noch Zeit. Soll ich Johannes Bescheid geben? Francesco kann das Auto hinbringen.«

Ich nickte. Seit ich gestern Abend am Straßenrand im Schnee gestrandet war, war ich in der Stimmung, alles mit mir geschehen zu lassen. Warum auch nicht. Die Hilfsbereitschaft der Menschen klang ehrlich, und ich kam auf diese Weise leichter zum Ziel, als wenn ich alles selbst hätte erkunden und erledigen müssen.

Ich gab Giuseppe die Autoschlüssel zurück, die die ganze Zeit neben dem jetzt leeren Brotkorb gelegen hatten, und signalisierte mein Einverständnis. Giuseppe erteilte seinem Sohn die nötigen Instruktionen, während Rosa Maria mir zum wiederholten Mal den Arm tätschelte. »Es wird alles gut«, sagte sie beruhigend. »Die Madonna freut sich, wenn du sie wieder schönmachst. Alles wird gut.«

Trotz meiner misslichen Lage konnte ich mir ein inneres Schmunzeln nicht verkneifen. Es war erstaunlich, was Rosa Maria und auch die anderen, mit denen ich bisher zusammengekommen war, über mich zu wissen schienen. Die Visitenkarte mit meinen Kontaktdaten und meiner Berufsbezeichnung war anscheinend ergiebig genug, mich als Maler und Künstler anzusehen, ein Eindruck, den zu korrigieren ich verzichtete. Natürlich verstand ich auch etwas von Farben und Malerei, vielleicht sogar mehr als mancher Künstler, der mit seinem Werk in die Öffentlichkeit ging. Aber ich sah mich in erster Linie als Handwerker. Eine allzu freie Interpretation meiner Arbeit musste ich mir verkneifen. Es sei denn, der Auftraggeber wollte es so, was aber bisher nur selten vorgekommen war.

Auch Rosa Marias Bemerkung zur Madonna ließ ich unkommentiert stehen. Es sah ganz so aus, als sollten in den nächsten Tagen noch einige Überraschungen auf mich zukommen. Ich beschloss, mich nicht allzu weit aus dem Fenster zu lehnen, und konnte nur hoffen, dass die Hiesigen mir weiterhin wohlwollend gesinnt waren. Egal, was ich sagte oder zurechtrücken würde - sie würden sich so oder so ihr eigenes Bild von dem...

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Autor

Thomas Erle, in Schwetzingen geboren, verbrachte Kindheit und Jugend in Nordbaden. Nach dem Studium in Heidelberg zog es ihn auf der Suche nach Menschen und Erlebnissen rund um die Welt. Es folgten 30 Jahre Tätigkeit als Lehrer, in den letzten Jahren als Inklusionspädagoge. Parallel dazu entfaltete er ein vielfältiges künstlerisches Schaffen als Musiker und Schriftsteller. Seit Ende der 90er Jahre verfasste er zahlreiche Kurzgeschichten, von denen die erste 2000 veröffentlicht wurde. 2008 erschien sein erster Kurzkrimi. 2010 gehörte er zu den Preisträgern beim Freiburger Krimipreis, 2011 folgte die Nominierung zum Agatha-Christie-Krimipreis.
Thomas Erle ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt am Rande des Schwarzwalds bei Freiburg.