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Die geheimnisvolle Freundin

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
400 Seiten
Deutsch
Eichbornerschienen am28.06.20241. Aufl. 2024
Zwei Freundinnen und ein folgenreiches Bekenntnis

Abruzzen, 1950er Jahre. Von Geburt an lebt Nina in einem von strengen Nonnen geführten Waisenhaus auf dem Land. Als sie sieben ist, wird Lucia aufgenommen, die gerade ihre Eltern verloren hat. Zwischen den beiden gleichaltrigen Mädchen entwickelt sich über viele Jahre hinweg eine enge Freundschaft. Bis ein dramatisches Missverständnis ihr Vertrauensverhältnis nachhaltig erschüttert und beide getrennte Wege gehen. Nina findet Arbeit in einer Tabakfabrik, erfährt dort Solidarität und schöpft neue Zuversicht für ihr weiteres Leben. Dann steht eines Tages Lucia vor ihrer Haustür. Und vertraut ihr ein für beide weitreichendes Geheimnis an ...

'Eine bewegende Geschichte über Freundschaft und weibliche Solidarität, eindringlich und voller Hoffnung' La Repubblica

Ausgezeichnet mit dem PREMIO LETTERARIO NAZIONALE DONNA SCRITTRICE 2023



Simona Baldelli, geboren 1963, hat Theater und Kreatives Schreiben studiert. Sie lebt als freie Autorin in Rom, mehrere ihrer Werke wurden in Italien mit Literaturpreisen ausgezeichnet,zuletzt ihr RomanDIE GEHEIMNISVOLLE FREUNDINmit demPREMIO LETTERARIO NAZIONALE DONNA SCRITTRICE 2023.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR21,99

Produkt

KlappentextZwei Freundinnen und ein folgenreiches Bekenntnis

Abruzzen, 1950er Jahre. Von Geburt an lebt Nina in einem von strengen Nonnen geführten Waisenhaus auf dem Land. Als sie sieben ist, wird Lucia aufgenommen, die gerade ihre Eltern verloren hat. Zwischen den beiden gleichaltrigen Mädchen entwickelt sich über viele Jahre hinweg eine enge Freundschaft. Bis ein dramatisches Missverständnis ihr Vertrauensverhältnis nachhaltig erschüttert und beide getrennte Wege gehen. Nina findet Arbeit in einer Tabakfabrik, erfährt dort Solidarität und schöpft neue Zuversicht für ihr weiteres Leben. Dann steht eines Tages Lucia vor ihrer Haustür. Und vertraut ihr ein für beide weitreichendes Geheimnis an ...

'Eine bewegende Geschichte über Freundschaft und weibliche Solidarität, eindringlich und voller Hoffnung' La Repubblica

Ausgezeichnet mit dem PREMIO LETTERARIO NAZIONALE DONNA SCRITTRICE 2023



Simona Baldelli, geboren 1963, hat Theater und Kreatives Schreiben studiert. Sie lebt als freie Autorin in Rom, mehrere ihrer Werke wurden in Italien mit Literaturpreisen ausgezeichnet,zuletzt ihr RomanDIE GEHEIMNISVOLLE FREUNDINmit demPREMIO LETTERARIO NAZIONALE DONNA SCRITTRICE 2023.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783751759601
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Verlag
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum28.06.2024
Auflage1. Aufl. 2024
Seiten400 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1880 Kbytes
Artikel-Nr.12611594
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Niemand hatte die Findelkinder je gewollt.

Deren Eltern hatten sie sich ja gleich vom Halse geschafft. Normalerweise wurden sie vor einer Kirche ausgesetzt oder aber in einer Drehlade am Waisenhaus. Einige wenige lagen in reizenden handgearbeiteten Körbchen, eingewickelt in Leinentücher, die eine goldene Sicherheitsnadel zusammenhielt, ein spitzenbesetztes Mützchen auf dem Kopf und warm gehalten von einem Wolldeckchen. Bei solchen Säuglingen fand sich ein Beutel mit Wechselkleidern, ein Umschlag mit etwas Geld und ein Brief, in dem darum gebeten wurde, das Kind aus christlicher Nächstenliebe aufzunehmen.

Meistens aber waren die Findelkinder einfach nur mehr schlecht als recht in eine alte Decke gehüllt.

Nina war ohne jeden Schnickschnack im Morgengrauen des zweiten Dezember im Jahr nach Kriegsende ausgesetzt worden. Man hatte sie dem seligen Giovanni - Jan - von Ruysbroeck zu Ehren getauft, einem der Heiligen, derer man an diesem Tag gedachte. Die anderen Heiligen waren Bibiana, Silverio, Raffaele, Maria Angela, Cromazio und Abacuc. Letzterer war einer der Propheten und Heiligen, deren riesige Statuen die Basilika della Madonna del Ponte schmückten. Für die Oberin war dies ein Zeichen der Jungfrau Maria, und sie wollte den Findling unbedingt auf diesen Namen taufen lassen. Es wurden zahlreiche weibliche Varianten vorgeschlagen wie Abaca, Abacuca, Abuca, doch keine stellte die Oberin zufrieden.

Da es aber Schwester Immacolata gewesen war, die das Kindchen gefunden hatte, widersetzte sie sich der Oberin, die Namenswahl stehe schließlich ihr zu. Und ihr sei der Heilige Flame lieber, denn Giovanni bedeute »Gabe Gottes«, und das Kind sei doch ein Geschenk des Himmels, sagte sie. Und weil das Kindchen so zart war, verniedlichte sie den Namen Giovanna rasch in Giovannina, abgekürzt mit Nina, was zu dem kleinen frierenden Wesen, welches sie in ihre Obhut genommen hatte, viel besser passen wollte. Ein zusammengekrümmtes Etwas mit struppigem schwarzem Haar und dunklen Augen, die fast das ganze Gesicht einnahmen.

Schwester Immacolata war damals gerade einmal zwanzig Jahre alt und lebte erst seit wenigen Monaten im Waisenhaus. Vor Tagesanbruch war sie von ohrenbetäubendem Geschrei geweckt worden und hatte gleich gewusst, um was es sich da handelte. Mit wild pochendem Herzen, denn schließlich war es das erste Mal für sie, rannte sie zur Drehlade. Den Winzling im Arm lief sie zur Oberin, damit diese die Taufe gleich für diesen Morgen in die Wege leite, noch vor der Suche nach einer Amme. Denn das Baby hatte überall blaue Verfärbungen und glühte förmlich. Es war nicht unwahrscheinlich, dass der Herr es wieder zu sich nehmen würde, noch bevor es gesegnet wurde. Im Laufe der Jahre sollte Schwester Immacolata noch Dutzende solcher Bündel an sich nehmen, aber für keines fühlte sie sich so verantwortlich wie für diesen erst wenige Stunden alten Säugling.

Schwester Immacolata wirkte wie ein verwundetes Tier, sie bewegte sich hastig, wie auf der Flucht, und zog die Schultern zum Schutz wovor auch immer hoch bis zu den Ohren. Immer war sie als Erste zur Stelle, wenn ein Kind sich das Knie aufschlug oder in Tränen ausbrach. Sie wollte alle beschützen, vielleicht, um die Kinder für das erlittene Unglück zu entschädigen. Und um Nina war sie doppelt bemüht. Die Geschichte, wie sie Nina gefunden hatte, erzählte sie dem Kind während einer langen Krankheit etwa tausend Mal.

Das war einige Monate her, und Nina hatte währenddessen eine unerwartete Sonderbehandlung bekommen: ein Bettchen in einer Ecke ganz für sich allein, wo sie stetig von den Nonnen umsorgt wurde und dampfende Suppen bekam, obgleich sie nur wenige Löffelchen davon hinunterbrachte. Sie hatte befürchtet, es dafür mit der Rute auf die Handflächen zu bekommen, denn das geschah, wenn man im Speisesaal nicht aufaß. Doch in den Wochen, in denen sie getrennt von den anderen schlief, räumten die Nonnen die noch vollen Teller einfach mit einem betrübten ratlosen Lächeln ab. Der Heilige Geist wachte nun wohl auch über sie und beschützte sie vor Bestrafungen.

Angefangen hatte es wie eine ganz normale fiebrige Erkältung. Niemand dachte sich etwas dabei, denn Nina hatte es ständig an Bronchien und Lunge. Der März 1951 war ganz besonders kalt, ein nahezu winterlicher März, schon nach wenigen Minuten draußen fuhr einem die Kälte durch Mark und Bein.

Zehn Tage später hatte sie noch immer Fieber, und weder kalte Umschläge auf der Stirn noch heiße Brustwickel nützten irgendetwas. Sie bekam schlimmen Husten, bei dem ihre Lunge pfiff wie der Wind durch die Fensterläden. Zäher Schleim lagerte sich im Rachen ab, der sich verhärtete und zusammenzog, sodass weder Nahrung noch Luft einen Durchgang fanden. Jeder Atemzug klang, als stünde sie kurz vor dem Ersticken.

»Das ist Keuchhusten«, sagte der Arzt zu Schwester Brigida, die ihn zu der Kranken geführt hatte, »sie muss von den anderen Kindern separiert werden.«

»Wegen Husten?«

»Das ist kein einfacher Husten. Vielleicht habt Ihr schon mal etwas von Stickhusten gehört?«

Deshalb also hörte sich der Husten an, als würde man daran ersticken. Die Nonne bekreuzigte sich. »Herr im Himmel.«

»Wenn sie diese Woche übersteht, dann gibt es vielleicht noch Hoffnung.«

Man bereitete Nina ein Bett im Krankensaal hinter einem blütenweißen Leintuch als Vorhang. Das Fieber war so hoch, dass es nicht messbar war: Die Quecksilbersäule stieß bis ans Ende des Thermometers.

Die meiste Zeit verbrachte die Patientin in einem Dämmerzustand, durch den Bilder und Klänge nur wie durch einen Nebel zu ihr drangen. Bei vollem Bewusstsein war sie ausschließlich, wenn Schwester Immacolata mit der Penicillinspritze kam, eine umwickelte dampfende Schale in der Hand, in der sie die Spritze zuvor abgekocht hatte. Ninas Hintern war von Einstichen schon übersät, und die Nonne versuchte mit einigen sanften Klapsen, das Gewebe ein wenig weicher zu machen. Es brannte schlimm, und das hielt Nina wach, bis der Schmerz irgendwann nachließ und sie wieder in tiefen Schlaf fiel bis zur nächsten Spritze.

Schließlich tauchte sie aus ihrem Dämmer auf, denn gleich an ihrem Bett betete jemand murmelnd. Mit geschlossenen Augen und dem Rosenkranz in den Händen schaukelte Schwester Immacolata im Takt der Ave-Marias auf einem Stuhl sanft vor und zurück. Das Zimmer war voller weißer Flocken.

»Es schneit«, murmelte Nina. Oder träumte sie nur? Wie konnte es hier drinnen schneien?

Die Nonne hielt inne. »Was hast du gesagt?«

Nina fasste sich an den Hals. Es brannte noch immer, aber nicht mehr so schlimm, dass sie nicht hätte sprechen können. Sie zeigte auf die weißen Tupfen, die auf dem Bett tanzten. »Es schneit.«

»Das sind Pappelblüten. Hier ist inzwischen Frühling geworden.« Schwester Immacolata blickte sie mit Tränen in den Augen an, doch auf ihren Lippen erschien ein zufriedenes Lächeln.

Vollkommen gesund war Nina erst wieder Mitte Mai, aber in den langen Wochen der Genesung freute sie sich noch an ihrem ungestörten Schlafplatz, dem Wohlwollen der Nonnen und der nahezu ständigen Gesellschaft von Schwester Immacolata, die ihr pausenlos von jenem Morgen des zweiten Dezember 1946 erzählte. Und während sie Nina das Hemd wechselte oder sie fütterte, schmückte sie die Geschichte jedes Mal mit neuen Details aus. Die Schreie des Babys wurden immer schriller, das Haar störrischer und dunkler, der kleine Körper immer ausgezehrter.

Manchmal machte sie die Schreie nach, dann lachte Nina, bis ihr der Bauch wehtat. Eines Abends, als alle anderen bei der Vesper waren, erzählte Schwester Immacolata etwas, das sie zuvor nie erwähnt hatte. »Und als ich dich gewickelt habe, da habe ich ein kaffeefarbenes Muttermal unten an deinem Rücken entdeckt.«

»Wo unten?«

»Unten am Rücken.«

»Wo der Hintern anfängt?«

Schwester Immacolata unterdrückte ein Lachen. »Pst! Das sagt man nicht.«

»Aber da, oder?«

»Ja, auf der linken Seite.«

Sobald sie wieder gesund wäre, würde sie gleich nachsehen, ob dieses Fleckchen noch immer da war. »Warum heißt es Muttermal, und warum hat es die Farbe von Kaffee?«

»Als deine Mutter mit dir schwanger war, hatte sie wohl große Lust auf Kaffee.«

So erfuhr Nina zum ersten Mal etwas Greifbares über die Frau, von der sie damals in der Drehlade abgelegt worden war. Bis dahin war sie bloß eine abstrakte Figur gewesen, ohne Gesichtszüge oder Charakter, und schon gar nicht mit Gelüsten. Doch die Mutter hatte Lust auf Kaffee gehabt, und sie hatte wohl allein gelebt, denn niemand hatte sich die Mühe gemacht, ihr einen zuzubereiten. Sonst wäre Nina ja nicht mit diesem Mal zwischen Rücken und Hintern geboren worden. Vielleicht hatte die Mutter ja ein ganz ähnliches Mal, von ihrer eigenen Mutter geerbt und immer so weiter, bis hin zur ersten Frau, die sich eine Tochter und einen Kaffee zugleich gewünscht hatte.

Von diesem Tag an stellte sie sich die Mutter mit einem dampfenden Tässchen in der Hand vor, den Blick in die Ferne gerichtet, während sie auf ihr Kind wartete. Aber woher sollte dieses Kind eigentlich kommen?

Am liebsten wäre Nina für immer isoliert hinter dem Vorhang geblieben. Sie hatte so viel Aufmerksamkeit bekommen, dass sie sich wirklich gemocht fühlte, und als der Arzt - der sich mehr als alle anderen über ihre Genesung wunderte - bei der letzten Untersuchung erklärte, sie könne nun wieder zu den anderen zurückkehren, verließ sie ihr Lager hinter dem Vorhang nur äußerst ungern. Sie war fast...
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Simona Baldelli, geboren 1963, hat Theater und Kreatives Schreiben studiert. Sie lebt als freie Autorin in Rom, mehrere ihrer Werke wurden in Italien mit Literaturpreisen ausgezeichnet,zuletzt ihr RomanDIE GEHEIMNISVOLLE FREUNDINmit demPREMIO LETTERARIO NAZIONALE DONNA SCRITTRICE 2023.
Die geheimnisvolle Freundin