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Frauen und Männer in der Gesellschaft des Mittelalters

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
144 Seiten
Deutsch
Herder Verlag GmbHerschienen am01.07.20131., Aufl
Das Verhältnis der Geschlechter ist für alle Bereiche der mittelalterlichen Geschichte von Bedeutung. Cordula Nolte schreibt eine Sozial- und Kulturgeschichte unter dem Vorzeichen ?Geschlecht?, indem sie die Lebensbedingungen, Lebensformen, Aufgabenbereiche und Handlungsspielräume von Frauen und Männern verschiedener sozialer Schichten ebenso thematisiert wie die Verhaltensnormen und Leitbilder, mit denen sie sich in Welt und Kirche konfrontiert sahen. Dabei wird deutlich, wie sich die Existenzformen von Frauen und Männern vor dem Hintergrund gesellschaftlicher und kultureller Veränderungen entwickelten. Der geographische Schwerpunkt liegt auf dem frühmittelalterlichen Frankenreich bzw. auf dem deutschen Reich im Hoch- und Spätmittelalter. So ergibt sich ein kompakter Überblick im Sinne einer interdisziplinären Mediävistik, die neue Zugänge zur Erforschung von Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Recht, Kultur und Religion unter dem Motto ?Gendering the Middle Ages? liefert.

Cordula Nolte, geb. 1958, ist Professorin für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Bremen.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR22,00
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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
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Produkt

KlappentextDas Verhältnis der Geschlechter ist für alle Bereiche der mittelalterlichen Geschichte von Bedeutung. Cordula Nolte schreibt eine Sozial- und Kulturgeschichte unter dem Vorzeichen ?Geschlecht?, indem sie die Lebensbedingungen, Lebensformen, Aufgabenbereiche und Handlungsspielräume von Frauen und Männern verschiedener sozialer Schichten ebenso thematisiert wie die Verhaltensnormen und Leitbilder, mit denen sie sich in Welt und Kirche konfrontiert sahen. Dabei wird deutlich, wie sich die Existenzformen von Frauen und Männern vor dem Hintergrund gesellschaftlicher und kultureller Veränderungen entwickelten. Der geographische Schwerpunkt liegt auf dem frühmittelalterlichen Frankenreich bzw. auf dem deutschen Reich im Hoch- und Spätmittelalter. So ergibt sich ein kompakter Überblick im Sinne einer interdisziplinären Mediävistik, die neue Zugänge zur Erforschung von Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Recht, Kultur und Religion unter dem Motto ?Gendering the Middle Ages? liefert.

Cordula Nolte, geb. 1958, ist Professorin für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Bremen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783534718078
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum01.07.2013
Auflage1., Aufl
Seiten144 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2182 Kbytes
Artikel-Nr.13995035
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1. Klimatische und demographische Entwicklung


folgenreicher Klimawandel


Das Klima stellte in der agrarisch geprägten Lebenswelt des Mittelalters eine Umweltgröße von maßgeblichem Einfluss auf die gesamte gesellschaftliche Situation dar. Von ihm hingen die Ernteerträge und damit die Ernährung von Mensch und Tier mit Folgen für Gesundheit und Krankheit, Geburtenhäufigkeit und Sterblichkeit ab. Zahlreiche chronikalische Aufzeichnungen dokumentieren, wie genau das Wetter und seine Auswirkungen beobachtet wurden und wie existentiell bedrohlich Natur- und Witterungskatastrophen erschienen. Dabei herrschte in der Zeit von etwa 500 bis 1200 ein günstiges, relativ warmes Klima mit einem Optimum um das 11. Jahrhundert, das ungefähr der Warmphase in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entsprach. Die hohen Durchschnittstemperaturen dürften sich positiv auf den Ackerbau und die Ernährung ausgewirkt haben, da sie in der Regel mit längeren Sommern einhergehen und somit gute Voraussetzungen für die agrarische Arbeit bieten, während die Winter kürzer und niederschlagsreich sind, was ebenfalls die Fruchtbarkeit fördert. Tatsächlich setzten gerade in dieser Zeit starkes Bevölkerungswachstum, intensiver Landesausbau und landwirtschaftlicher Aufschwung ein. Auf die Wärmezeit folgte vom 13. Jahrhundert an eine zunehmend kältere Phase, die für die Zeit von 1550 bis 1850 sogar die kleine Eiszeit genannt wird. Diese Klimaverschlechterung hatte vielfältige Konsequenzen für die allgemeinen Lebensbedingungen. Beispielsweise ging im Norden Deutschlands der Weizenanbau zurück, und in hohen Alpenregionen mussten Siedlungen aufgegeben werden. Überaus harte Winter führten zu Viehsterben, zum Erfrieren der Weinstöcke, zum Verderben der Wintersaat, zu Hungersnöten und Arbeitslosigkeit in Stadt und Land. Menschen erfroren im Schnee, und der Aufenthalt in Häusern oder auf Burgen, in denen bestenfalls einzelne Räume beheizt waren, begünstigte rheumatische Krankheiten. Katastrophale Folgen hatten auch kalte, verregnete Sommer, da das Getreide verdarb und der Wein, der im Spätmittelalter in Deutschland großflächig angebaut wurde und eine bedeutende wirtschaftliche Rolle spielte, nicht gedieh.

Zwar waren vom Klimageschehen alle Menschen betroffen, doch klimatisch mitbedingte Hochzeiten oder Notsituationen wirkten sich nicht nur schichten-, sondern auch geschlechts- und altersspezifisch unterschiedlich aus. Die mittelalterlichen Chronisten beobachteten denn auch, dass in Krisenzeiten Kinder die ersten Opfer waren. So berichtet Gregor von Tours (538 - 594) zum Jahr 580, dass auf Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Erdbeben, Feuersbrünste und Hagelschlag eine ruhrartige Seuche folgte, die zuerst die Kinder befiel und dahinraffte. Ernährungsverbesserungen wie -mängel hatten für Frauen und Männer, selbst bei prinzipiell gleichem Zugang zu bestimmten Nahrungsmitteln, unter Umständen unterschiedliche Folgen, da Frauen zum Beispiel insbesondere während der Schwangerschaft und Stillzeit einen höheren Bedarf an bestimmten Spurenelementen haben. Nach einer seit den 1980er-Jahren diskutierten These begünstigten |3|allgemeine Veränderungen der Ernährungsweise seit dem Frühmittelalter daher Frauen noch mehr als Männer, weil sie von der damit verbundenen erhöhten Eisenaufnahme stärker profitierten. In Verbindung damit sei ihre Lebenserwartung gestiegen. Bei Skelettuntersuchungen erwiesen sich Eisenmangelanämien allerdings nicht als frauenspezifisch, und auch die Annahme, dass Frauen im Frühmittelalter eine besonders niedrige Lebenserwartung gehabt hätten, lässt sich schwer belegen.


Wetterzauber und Hexenverfolgung


Aus Sicht der Geschlechtergeschichte interessieren neben den demographischen, wirtschaftlichen und sozialen Aspekten von Klimaverläufen auch vormoderne Auffassungen und Erklärungen von Wetterphänomenen. Aus der Erfahrung, dem Wetter ausgeliefert zu sein, und den daraus resultierenden Ängsten entsprangen bis in die Neuzeit hinein Vorstellungen, man könne sich mit religiösen und magischen Mitteln schützen und es gebe Wetterzauber, ausgeübt von Frauen und Männern. In Zeiten von klimatisch bedingten Krisen, unter der Last von Missernten, Hungersnöten, Teuerung und sozialen Spannungen, wuchs anscheinend die Bereitschaft, Verantwortliche für Ungemach aller Art zu suchen und gegen sie mit dem Vorwurf der Hexerei vorzugehen. Die Kernzeit der Hexenverfolgung (1560 - 1630) fiel in eine Zeit der deutlichen Klimaverschlechterung und damit einhergehender Agrarkrisen. Das dabei erkennbare Wechselspiel zwischen klimatischen, sozialen und mentalen Faktoren spielte demnach eine maßgebliche Rolle bei der Verfolgung von Frauen und, wie die neuere Forschung unterstreicht, von Männern.


E



Geschlechtergeschichte (Gender Studies)

Entwickelt aus der Frauengeschichtsforschung (Women´s Studies) seit den 1970er-Jahren und mittlerweile erweitert um das Konzept der Männergeschichte (Men's History), versteht sich die Geschlechtergeschichte weniger als eine Teildisziplin, denn als eine Perspektive, die auf die gesamte Geschichte zielt. Dementsprechend erforscht sie - bezogen auf alle Lebensbereiche, Gesellschaftsstrukturen und Ausdrucksformen, anhand der gesamten Quellenüberlieferung und mit den verschiedensten Methoden, die der Geschichtswissenschaft und anderen historisch arbeitenden Disziplinen (Archäologie, Anthropologie, Kunstgeschichte Theologie usw.) zu Gebote stehen -, wie Frauen und Männer dachten und agierten, mit welchen Rollen und Verhaltenserwartungen sie aufgrund ihres Geschlechts konfrontiert wurden und wie sich die Beziehungen zwischen den Geschlechtern im historischen Wandel gestalteten.


 


Probleme der Demographie


Die Bevölkerungsdichte und die Bevölkerungsentwicklung in Europa insgesamt und in seinen einzelnen Regionen sind mit Zahlen nicht zuverlässig anzugeben, da die dazu erforderlichen seriellen Quellen (vor allem Kirchenbücher mit Tauf-, Heirats- und Sterberegistern) weitgehend fehlen oder sich, wie vorhandene Güterverzeichnisse, Steuer- oder Bürgerlisten, nur bedingt für bevölkerungsstatistische Auswertungen eignen. Die auf J. Cox Russell, den bevölkerungsgeschichtlichen Klassiker, zurückgehenden Zahlen, die auch in der neuesten Literatur weiterhin angeführt werden, beruhen daher weitgehend auf Schätzungen. Demnach sank die Bevölkerungszahl im Frühmittelalter gegenüber der Spätantike um fast ein Drittel (von 16,8 auf 11,9 Mio.) und stieg dann bis etwa 1000 kräftig an (auf 23,7 Mio.), um sich danach in steiler Kurve bis knapp zur Mitte des 14. Jahrhunderts sogar mindestens zu verdoppeln (53,9 Mio.). Danach nahm die Bevölkerung, vor allem |4|infolge der Pest seit 1348, deutlich ab (37,0 Mio.) und erholte sich erst allmählich wieder im Lauf des 15. Jahrhunderts.


Biologie und Geschichtswissenschaft: Interpretationen der Bevölkerungsentwicklung


Die Biologin und Anthropologin Gisela Grupe hat den Entwicklungstrend in eine einzige Kurve gefasst, dabei jedoch bewusst auf absolute Zahlen verzichtet, um lokalen Unterschieden in Europa gerecht zu werden und keine trügerischen harten Daten zu suggerieren. Sie interpretiert den Verlauf aus biowissenschaftlicher Sicht ausgehend von den in der Tierökologie gültigen Regeln und ergänzt mit diesem Ansatz zu einer historischen Ökologie die geschichtswissenschaftlichen Erklärungsversuche um wichtige Deutungsangebote.



Abb. 1: Modell der Bevölkerungsentwicklung in Europa, von 500 bis 1500. Aus: Gisela Grupe: Umwelt und Bevölkerungsentwicklung im Mittelalter, S. 27.



Nach diesem Modell stagniert die Bevölkerungsentwicklung im Übergang von der Spätantike zum Frühmittelalter bzw. ist sogar rückläufig - eine Annahme, die in der Forschung kontrovers diskutiert und mit unterschiedlichen Indizien begründet wird. In der Mitte des 6. Jahrhunderts ist ein rapider Einbruch erkennbar, der vermutlich auf Seuchenzüge zurückzuführen ist. Ob es sich bei dieser sogenannten Pest des Justinian tatsächlich um die Pest handelte, ist nicht sicher. Für die Zeit ab etwa 600 verzeichnet Grupe ein anfänglich schnelles, dann sich allmählich verlangsamendes Wachstum. Sie verweist auf die Beobachtung, dass Bevölkerungen sich häufig nach demographischen Krisen dank einer kurzfristigen Steigerung der Geburtenrate rasch erholen. Grupe hält eine gegenüber normalen Zeiten erhöhte Kinderzahl pro Elternpaar denn auch für den ausschlaggebenden Faktor bei dieser Phase des frühmittelalterlichen demographischen Aufschwungs. Ein solches zu sprunghaftem Geburtenanstieg führendes generatives Verhalten erscheint vor dem Hintergrund von Ersatzstrategien - beim |5|Tod von (erstgeborenen) Kindern verkürzt sich der Abstand zur Geburt eines weiteren Kindes gegenüber dem sonstigen durchschnittlichen Intervall - zwar auch für das Frühmittelalter plausibel. Wir wissen allerdings wenig darüber, inwieweit damals Eltern in normalen Zeiten alle Möglichkeiten, Kinder zu bekommen, ausschöpfen konnten und wollten (vgl. S. 22). Eine Verhaltensänderung mit so weitreichenden demographischen Folgen muss daher hypothetisch bleiben. Andere Faktoren, wie etwa ein verbessertes Verhältnis zwischen vorhandenen Ressourcen und geschrumpfter Bevölkerung, müssten in jedem Fall ebenso berücksichtigt werden. Nach einer langsamen, aber stetigen Zunahme zwischen dem 7. und 9. Jahrhundert steigt die Kurve bis etwa 1200 steiler und schnellt dann zwischen 1200 und 1300 noch...

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Autor

Cordula Nolte, geb. 1958, ist Professorin für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Bremen.Martin Kintzinger ist Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Westfälische Wilhelms-Universität Münster.