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Überleben

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
376 Seiten
Deutsch
Orlanda Verlag GmbHerschienen am07.09.20211. Auflage
Tambudzai lebt arbeitslos in einem heruntergekommenen Hostel in der Innenstadt von Harare und macht sich Sorgen um ihre Zukunft. Bei jedem Versuch, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen, wird sie mit neuen Demütigungen konfrontiert. Der schmerzhafte Kontrast zwischen der Zukunft, die sie sich ausgemalt und für die sie hart gearbeitet hatte, und ihrer aussichtslosen (Alltags-)Realität, führt sie in die Verzweiflung und an einen Wendepunkt. Als sie schließlich einen vielversprechenden Job angeboten bekommt, ahnt sie noch nicht, dass dieser sie letztlich um die Würde ihrer Familie und ihrer Gemeinschaft bringen wird ... Tsitsi Dangarembga geht in diesem spannenden und psychologisch aufgeladenen Roman der Frage nach, was es heißt, in einer postkolonialen Gesellschaft als Schwarze gebildete Frau zu überleben - in einem Land, das jede Hoffnung verloren hat und politisch wie wirtschaftlich am Boden liegt. 'Wenn du willst, dass das Leiden endet, dann musst du handeln.' Tsitsi Dangarembga

Tsitsi Dangarembga ist Filmemacherin, Dramaturgin und Schriftstellerin. 1988 veröffentlichte sie ihren Roman 'Nervous Conditions', der in zahlreiche Sprachen übersetzt wurde. Das Buch gilt als der erste afrikanische Frauenroman. 1992 gründete sie ihre eigene Produktionsfirma Nyerai Films. Tsitsi Dangarembga setzt sich intensiv für die Förderung filmschaffender Frauen in Simbabwe und anderen afrikanischen Ländern ein. Sie ist Gründerin der Organisation Women Filmmakers of Simbabwe und Direktorin des International Images Film Festival for Women in Harare. Seit 2009 steht Tsitsi Dangarembga dem Institute of Creative Arts for Progress in Africa Trust vor. 2021 erhielt sie den PEN Pinter Prize, den PEN International Award for Freedom of Expression sowie den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR24,00
BuchGebunden
EUR16,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR13,99

Produkt

KlappentextTambudzai lebt arbeitslos in einem heruntergekommenen Hostel in der Innenstadt von Harare und macht sich Sorgen um ihre Zukunft. Bei jedem Versuch, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen, wird sie mit neuen Demütigungen konfrontiert. Der schmerzhafte Kontrast zwischen der Zukunft, die sie sich ausgemalt und für die sie hart gearbeitet hatte, und ihrer aussichtslosen (Alltags-)Realität, führt sie in die Verzweiflung und an einen Wendepunkt. Als sie schließlich einen vielversprechenden Job angeboten bekommt, ahnt sie noch nicht, dass dieser sie letztlich um die Würde ihrer Familie und ihrer Gemeinschaft bringen wird ... Tsitsi Dangarembga geht in diesem spannenden und psychologisch aufgeladenen Roman der Frage nach, was es heißt, in einer postkolonialen Gesellschaft als Schwarze gebildete Frau zu überleben - in einem Land, das jede Hoffnung verloren hat und politisch wie wirtschaftlich am Boden liegt. 'Wenn du willst, dass das Leiden endet, dann musst du handeln.' Tsitsi Dangarembga

Tsitsi Dangarembga ist Filmemacherin, Dramaturgin und Schriftstellerin. 1988 veröffentlichte sie ihren Roman 'Nervous Conditions', der in zahlreiche Sprachen übersetzt wurde. Das Buch gilt als der erste afrikanische Frauenroman. 1992 gründete sie ihre eigene Produktionsfirma Nyerai Films. Tsitsi Dangarembga setzt sich intensiv für die Förderung filmschaffender Frauen in Simbabwe und anderen afrikanischen Ländern ein. Sie ist Gründerin der Organisation Women Filmmakers of Simbabwe und Direktorin des International Images Film Festival for Women in Harare. Seit 2009 steht Tsitsi Dangarembga dem Institute of Creative Arts for Progress in Africa Trust vor. 2021 erhielt sie den PEN Pinter Prize, den PEN International Award for Freedom of Expression sowie den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783944666990
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum07.09.2021
Auflage1. Auflage
Seiten376 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2176 Kbytes
Artikel-Nr.14248781
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2. Kapitel

Der Mann wendet sich vom Fenster ab, um mit dir zu sprechen.

»Oh, Vater, ich wollte dich nicht stören.«

Du hast die ledernen Lady Dis anbehalten, als du vom Haus der Witwe Riley wegmarschiert bist. Du bist schnell gegangen, ohne zu wissen, warum Geschwindigkeit wesentlich war. Der Asphalt war heiß. Deine Füße sind geschwollen und voller Blasen. Im Kombi, der dich zum Wohnheim zurückfährt, ziehst du die Lady Dis aus. Du suchst nach deinen Turnschuhen. Du stößt den Mann neben dir mehrmals an, einmal peinlich nah an seiner Leistengegend.

»Du musst warten«, sagt er. »Es ist besser, still zu sitzen, egal, was los ist. Wie alle anderen.«

»Diese Schuhe«, sagst du, während du schräg dasitzt. »Sie sind europäisch. Nicht wie unsere hier. Sie dehnen sich nicht so. Ich hätte was Einheimisches anziehen sollen, als ich aus meinem Haus gegangen bin.«

Es ist die Antwort, die er verdient. Er lehnt Kopf und Schulter ans Fenster. Er ist kein Mann mehr, denkst du: Er ist schon kaputt.

»Wo du herkommst, gehört das dir?«, fragt der Mann. In seiner Stimme bebt ein neues Interesse, das er zu verbergen sucht.

»Ja«, lügst du.

»Die Grundstücke dort«, sagt er. »Wenn man an einem Ende steht, kann man das andere Ende nicht sehen. Nicht jeder kann so was finden.«

Du lächelst zustimmend.

»Hast du eine Gärtnerei?«, fragt er.

»Ja«, antwortest du und nickst bestimmt.

»Das ist gut.« Der Mann seufzt. »Seit die Regierung den Leuten Land gibt, wo wir geglaubt haben, dass nur Europäer sein dürfen.«

»Es hat meiner Tante gehört«, sagst du. »Sie hat es von ihrem Arbeitgeber bekommen. Er ist nach Australien gegangen.«

Der Mann legt die Hände in den Schoß und sieht sie an. »Was baust du an?«, fragt er.

»Dahlien«, sagst du stolz. »Ich bin die Einzige, die das kann. Sie konnte den Laden nicht managen, meine Tante, die Sache braucht Köpfchen und man muss den Leuten sagen, was sie tun sollen«, fügst du hinzu. »Da hat unsere Familie gesagt, Tambudzai, du hast studiert, du übernimmst das Grundstück, bevor sie einen Schlaganfall oder so was hat, bevor sie hingeht, wo niemand ihr folgen kann.«

»Ah, Gartenbau«, sagt dein Begleiter. Seine Stimme klingt wehmütig vor Bewunderung, die er jetzt behaglich zur Schau stellt. »Eines Tages werde ich das auch machen«, verspricht er in einem kleinen Aufwallen von Energie. »Obst für mich. Die Leute müssen immer was im Magen haben, und wenn du ihnen den Magen füllst, füllst du auch deinen.«

»Gelbe«, fügst du ein. »Und Rosen. Die sogenannten Teerosen.«

»Oh-ho!« Dein Begleiter nickt. »Ich habe mal in einer Gärtnerei gearbeitet. Dort gab es Teerosen. Ich habe sie eingesprüht.«

»Blau«, sagst du. »Meine Rosen sind blau.«

»Blau«, wiederholt der Mann. Seine Energie verpufft wieder. Er sackt gegen das Fenster. »Solche Rosen! Habe ich nie gesehen.«

»Schweden«, sagst du. Du bist erleichtert, dass du eine Tatsache in den Unsinn einflechten kannst, den du auftischst. Du hast in der Werbeagentur einen ruhmreichen Augenblick erlebt, als du eine Kampagne für eine schwedische Firma entwickelt hast, die landwirtschaftliche Maschinen herstellt. »Ich habe eine Menge Kunden in Schweden. Für Gelb und Blau. Das sind die Farben des Landes. Ich schicke sie mit dem Flugzeug hin«, endest du und stellst dir vor, es würde eines Tages wahr werden.

»Ich könnte als Gärtner arbeiten«, sagt der Mann. »Hast du noch einen Platz für jemanden?«

»Ah, ich werde an dich denken«, sagst du. »Aber dieser Tage sind es schon zu viele.«

»Wenn nur dieser El Niño nicht wäre.« Der Mann seufzt. »Das Wasser und der Wind lassen uns nichts mehr zum Leben, den meisten von uns.«

Dein Begleiter bittet um einen Stift. Er kritzelt die Telefonnummer seines Nachbarn auf einen alten Kassenzettel, den er aus der Tasche zieht. Du nimmst den Zettel.

»Pano! Armadale!«, sagt er.

»Hier! Armadale«, leitet der Schaffner an den Fahrer weiter.

Der Mann steigt mit hochgezogenen Schultern aus und geht davon.

Du lässt den Zettel unter den Sitz fallen. Leute steigen ein. Du rutschst auf den Sitz des Möchtegerngärtners und lehnst dich ans Fenster. Der Kombi hält an der Ecke des Wohnheims. Er darf dich weiterfahren.

Der Marktplatz ist die Endstation des Kombis. Auf dem Boden zwischen den Ständen liegen Bananenschalen und fettige Pommesschachteln. Plastiktüten blähen sich wie die Bäuche von Säufern. Orangenschalen kringeln sich auf dem gerissenen Asphalt.

Ein Straßenjunge saugt an einer Tüte wie an der Brustwarze einer Mutter. Ein zweiter Junge greift nach der Tüte. Der erste sinkt auf den Boden und bleibt auf dem bröckelnden Pflaster liegen. Der Ärmel seiner Jacke ist ein ausgefranster Lumpen. Er flattert in der Gosse. Unter dem Stoff bilden benutzte Kondome und Zigarettenkippen kleine Dämme in dickflüssigen Pfützen aus holzkohleschwarzem Wasser.

Eine Reihe Kombis steht geparkt. Deiner schwingt sich zu einem triumphierenden Halt. Die Fenster scheiden Süßkartoffelschalen und Verpackungen von Süßigkeiten aus. Männer und Frauen maulen zornig und zerstreuen sich. Als die Fahrgäste zum Ausgang drängen, bemerkt eine Frau: »Haben sie uns nicht kommen sehen? Warum sind sie stehen geblieben? Warum sind sie nicht aus dem Weg gegangen?«

Die, die anstehen, um auszusteigen, neigen sich vor. Die Leute, die in der Schlange warten, um einzusteigen, beginnen zu streiten.

Der Schaffner fragt, wohin du willst. Du zuckst die Achseln, und er erinnert dich: »Helensville.«

Du kicherst lautlos. Da du gebildet bist, weißt du, dass der Außenbezirk Helensvale heißt. Helen´s Valley.

»Helensville«, sagt der Schaffner, ohne sich die Ungeduld anmerken zu lassen, die er empfinden muss. »Wir fahren dahin zurück.«

Er springt hinaus, um die Fahrgäste anzuschreien: »Eltern! Wer immer mitfahren will, ich sage euch, steigt ein. Nur wer mitfährt, fährt.«

Du rutschst auf den Sitz neben der offenen Tür des Fahrzeugs. Überlegst es dir anders und rutschst zurück auf den Platz am Fenster. Du überlegst es dir noch einmal anders und setzt dich in die Mitte; halb hier, halb dort, wo es keine Notwendigkeit gibt, etwas zu entscheiden oder zu handeln.

Ein paar Fahrgäste steigen ein.

»Der fährt zu den Geschäften und zum Polizeirevier«, ruft der Schaffner.

Eine Frau dreht sich um und zischt einen Mann an, dass er sich nicht an sie drücken soll. Der Mann lacht.

Ein weiterer Kombi kommt an, spuckt Rauch. Alle prusten, und als sich der Dunst verzogen hat, gafft ihr alle zu einer jungen Frau, die sich zwischen den Ständen mit Obst und Gemüse einen Weg zu den Kombis bahnt.

Trotz des Unrats und der Risse im Asphalt bewegt sie sich elegant auf himmelhohen High Heels. Jeden Teil ihres Körpers, der nach vorn oder hinten geschoben werden kann, schiebt sie nach vorn oder hinten - Lippen, Hüften, Brüste, Po -, mit allergrößter Wirkung. Ihre Hände laufen in spitzen schwarzen und goldenen Nägeln aus. Sie hat mehrere Einkaufstüten in der Hand, die »NEON« und andere Namen von Boutiquen in riesigen zackigen Buchstaben schreien. Sie schwingt die Tüten so lässig wie ihren Körper.

Du gaffst wie alle anderen, Wiedererkennen dämmert. Die junge Frau stolziert zu einem Kombi. Fasha-fasha geht sie, einfach so, alle ihre Teile bewegen sich mit der Selbstsicherheit einer Frau, die weiß, dass sie schön ist. Die Menge rührt sich, gruppiert sich neu. Männer innerhalb und außerhalb der Kombis atmen laut aus. Fenster beschlagen. Du rührst dich auch. Der Atem bleibt dir in der Kehle stecken, als du die Frau endlich identifizierst. Es ist deine Mitbewohnerin Gertrude.

Sie fasst nach dem eisernen Gestell eines Sitzes in einem Kombi, um sich hineinzuziehen. Geübt schwingt sie die Taschen hinter den Po, um ungewollte Anblicke zu verhindern. Als ihr Griff abgleitet, packt sie das billige Material, mit dem der Sitz bezogen ist. Es reißt und spuckt Schaumgummi aus, als sie nach hinten taumelt.

»Knie! Knie!«, ruft eine heisere Stimme deiner Mitbewohnerin zu. »Halt die Knie geschlossen.«

Wieherndes Gelächter.

»Da ist ein kleiner...
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Autor

Tsitsi Dangarembga ist Filmemacherin, Dramaturgin und Schriftstellerin. 1988 veröffentlichte sie ihren Roman "Nervous Conditions", der in zahlreiche Sprachen übersetzt wurde. Das Buch gilt als der erste afrikanische Frauenroman. 1992 gründete sie ihre eigene Produktionsfirma Nyerai Films. Tsitsi Dangarembga setzt sich intensiv für die Förderung filmschaffender Frauen in Simbabwe und anderen afrikanischen Ländern ein. Sie ist Gründerin der Organisation Women Filmmakers of Simbabwe und Direktorin des International Images Film Festival for Women in Harare. Seit 2009 steht Tsitsi Dangarembga dem Institute of Creative Arts for Progress in Africa Trust vor. 2021 erhielt sie den PEN Pinter Prize, den PEN International Award for Freedom of Expression sowie den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt