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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
306 Seiten
Deutsch
Orlanda Verlag GmbHerschienen am15.09.20221. Auflage
»Wenn du willst, dass das Leiden endet, dann musst du handeln.« Tsitsi Dangarembga Während des Unabhängigkeitskrieges in Simbabwe beginnt Tambu ihr zweites Jahr am Young Ladies' College of the Sacred Heart - einer Missionsschule, die von weißen Nonnen geführt wird und in der koloniale rassistische Strukturen tief verankert sind. Tambu ist ehrgeizig. Doch trotz ihrer überdurchschnittlichen Leistungen gelingt es ihr nicht, in die Bestenliste der Schule aufgenommen zu werden. In ihrem Bestreben um Anerkennung versucht sie schließlich bis ins Extreme, sich an ihr vorherrschend weißes Umfeld anzupassen. Und verleugnet dabei zunehmend ihre Herkunft. Der zweite Teil der Tambudzai-Trilogie ist ein fesselnder und kraftvoller Roman, der ein Bewusstsein für die weitreichenden und komplexen Auswirkungen des Kolonialismus schafft. »Die Ironie des Romans - und Ironie ist der Anker, an dem an dem die ganze Geschichte hängt, ist, dass Tambu nicht erkennt, wie falsch und unerreichbar ihr Ziel ist. In gewissem Sinne ist dies die gleiche alte Geschichte vom Schwarzsein in einer viel zu weißen Welt, auch wenn hier - noch mehr Ironie - die weiße Welt tatsächlich in Afrika ist.« Helon Habila, The Guardian »Das Perfide ist - und das durchschauen die Lesenden, aber nicht Tambu selbst -, dass sie ohnehin chancenlos ist. Tambudzai, die von ihrer Familie keinerlei Verständnis oder Unterstützung erfährt, begreift nicht, dass der Fehler nicht bei ihr liegt, sondern im System: Eine herausragende schwarze Schülerin ist an einer weißen Schule nicht vorgesehen. Auch wenn, und das ist besonders absurd, diese Schule in Afrika liegt. Tsitsi Dangarembga erzählt in diesem beklemmenden Anti-Bildungsroman mit grausamer analytischer Genauigkeit von Tambudzais wiederholtem Scheitern. Am Schluss fragt sich Tambu, welche Perspektive es für sie als 'neue Simbabwerin' gibt.« Dina Netz, DLF Kultur

Tsitsi Dangarembga ist Filmemacherin, Dramaturgin und Schriftstellerin. 1988 veröffentlichte sie ihren Roman »Nervous Conditions«, der in zahlreiche Sprachen übersetzt wurde. Das Buch gilt als der erste afrikanische Frauenroman. 1992 gründete sie ihre eigene Produktionsfirma Nyerai Films. Tsitsi Dangarembga setzt sich intensiv für die Förderung filmschaffender Frauen in Simbabwe und anderen afrikanischen Ländern ein. Sie ist Gründerin der Organisation Women Filmmakers of Simbabwe und Direktorin des International Images Film Festival for Women in Harare. Seit 2009 steht Tsitsi Dangarembga dem Institute of Creative Arts for Progress in Africa Trust vor. 2021 erhielt sie den PEN Pinter Prize, den PEN International Award for Freedom of Expression sowie den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR24,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR13,99

Produkt

Klappentext»Wenn du willst, dass das Leiden endet, dann musst du handeln.« Tsitsi Dangarembga Während des Unabhängigkeitskrieges in Simbabwe beginnt Tambu ihr zweites Jahr am Young Ladies' College of the Sacred Heart - einer Missionsschule, die von weißen Nonnen geführt wird und in der koloniale rassistische Strukturen tief verankert sind. Tambu ist ehrgeizig. Doch trotz ihrer überdurchschnittlichen Leistungen gelingt es ihr nicht, in die Bestenliste der Schule aufgenommen zu werden. In ihrem Bestreben um Anerkennung versucht sie schließlich bis ins Extreme, sich an ihr vorherrschend weißes Umfeld anzupassen. Und verleugnet dabei zunehmend ihre Herkunft. Der zweite Teil der Tambudzai-Trilogie ist ein fesselnder und kraftvoller Roman, der ein Bewusstsein für die weitreichenden und komplexen Auswirkungen des Kolonialismus schafft. »Die Ironie des Romans - und Ironie ist der Anker, an dem an dem die ganze Geschichte hängt, ist, dass Tambu nicht erkennt, wie falsch und unerreichbar ihr Ziel ist. In gewissem Sinne ist dies die gleiche alte Geschichte vom Schwarzsein in einer viel zu weißen Welt, auch wenn hier - noch mehr Ironie - die weiße Welt tatsächlich in Afrika ist.« Helon Habila, The Guardian »Das Perfide ist - und das durchschauen die Lesenden, aber nicht Tambu selbst -, dass sie ohnehin chancenlos ist. Tambudzai, die von ihrer Familie keinerlei Verständnis oder Unterstützung erfährt, begreift nicht, dass der Fehler nicht bei ihr liegt, sondern im System: Eine herausragende schwarze Schülerin ist an einer weißen Schule nicht vorgesehen. Auch wenn, und das ist besonders absurd, diese Schule in Afrika liegt. Tsitsi Dangarembga erzählt in diesem beklemmenden Anti-Bildungsroman mit grausamer analytischer Genauigkeit von Tambudzais wiederholtem Scheitern. Am Schluss fragt sich Tambu, welche Perspektive es für sie als 'neue Simbabwerin' gibt.« Dina Netz, DLF Kultur

Tsitsi Dangarembga ist Filmemacherin, Dramaturgin und Schriftstellerin. 1988 veröffentlichte sie ihren Roman »Nervous Conditions«, der in zahlreiche Sprachen übersetzt wurde. Das Buch gilt als der erste afrikanische Frauenroman. 1992 gründete sie ihre eigene Produktionsfirma Nyerai Films. Tsitsi Dangarembga setzt sich intensiv für die Förderung filmschaffender Frauen in Simbabwe und anderen afrikanischen Ländern ein. Sie ist Gründerin der Organisation Women Filmmakers of Simbabwe und Direktorin des International Images Film Festival for Women in Harare. Seit 2009 steht Tsitsi Dangarembga dem Institute of Creative Arts for Progress in Africa Trust vor. 2021 erhielt sie den PEN Pinter Prize, den PEN International Award for Freedom of Expression sowie den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783949545108
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum15.09.2022
Auflage1. Auflage
Seiten306 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2282 Kbytes
Artikel-Nr.14248785
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2. Kapitel

Vom Klassenzimmer aus konntest du also die Berge sehen, über die deine Schwester gegangen war, hin und her, hin und her, her und hin, auf dem beharrlichen Weg zu dieser Explosion, die ein Bein wegriss.

Das war im zweiten Jahr; ein Nachlassen der Hoffnung. Das erste Jahr war besser gewesen, weil ich gewusst hatte, was ich wollte. Meine Wünsche in diesem ersten Jahr waren positiv: Etwas leisten, etwas leisten, noch etwas mehr leisten, und ich wusste, wie ich sie wahr werden lassen konnte. Ich würde lernen, bis ich mehr wusste als alle anderen um mich herum, erst im Klassenzimmer, dann in der Schule und schließlich in der Stadt. Das Klassenzimmer der ersten Klasse befand sich im Erdgeschoss, und ich saß stolz ganz vorn, als ich im Young Ladies´ College of the Sacred Heart anfing. Es war ein großes Klassenzimmer. In einem Zimmer der Rutivi-Schule hätten dreimal so viele Schüler gesessen. In diesem großen Raum suchte ich mir immer einen Platz nahe der Lehrerin, um eine gute Schülerin zu sein. Die vordere Wand und die Tafel - die keine verheerend graue Platte war, in die zu Bosheit neigende Schüler mit Nägeln und Steinen Löcher bohrten, um sadistische Lehrer zu verwirren, wie es in der Rutivi-Schule und in geringerem Maß auch in der Missionsschule der Fall war - die Stirnseite und die Tafel waren sehr nah, und die Lehrerin war noch näher, und da ich eine herausragende Schülerin sein wollte, war ich zu großer Konzentration verpflichtet, die ich zufrieden aufrechterhielt. Die Fenster, jedes mit zehn erstaunlicherweise intakten Scheiben, in die Wand an der Seite eingelassen, waren so offen wie Augen, die in die Berge starrten. Doch diese Öffnungen befanden sich in unserem Nacken, während wir vorn aufmerksam dasaßen. Bekam man keine Luft mehr, entweder aufgrund des Wunsches nach Wissen oder aufgrund von zu viel davon, musste man den Hals um mindestens hundertzwanzig Grad drehen, um auf der Wange die Frische der Bergluft zu spüren. Aber wir waren junge Mädchen mit der Mission, uns durch hervorragende Leistungen zu verbessern, und nur wenige der Hälse in den ersten Reihen waren ausreichend beweglich. Und auch wenn einem dieses Manöver gelang, stand auf dem Gelände des Colleges dennoch eine schwankende Reihe wichtigtuerisch spitzer und knarzender Zedern, die den Blick auf die Berge verstellte.

Im ersten Jahr habe ich nicht über diese Barriere nachgedacht. Sie schirmte mich gnädig von Unwägbarkeiten jenseits davon ab, und das College-Gelände war auf idyllische Weise schön. Jetzt kann ich mir nicht mehr vorstellen, dass Menschen etwas so Schönes erschaffen haben. Diese dunklen Koniferen waren wie das ferne Ufer grüner Seen aus stillem Rasen, auf dem der Frieden nach zu vielen Zeitformen und Konjugationen wartete und wir uns an den zu frischen Tagen im Juni in der Pause ausstreckten, unsere Pullover auszogen und die Röcke hochrollten wie frierende Meerjungfrauen, die sich in der Sonne wärmten. Das College-Gebäude, lichtdurchflutet und weiß, stand träge am oberen Rand des Gartens, so wie ein charmantes Resort am Ufer des Karibasees stehen könnte. Wie wunderbar die Ästhetik meiner weiterführenden Schule war, die jenseits allen Zweifels, den ich aufbringen konnte, bewies, dass Trägheit mit Lethargie in Beziehung stand so wie Eleganz mit Schmutz.

Es gab auch noch andere Lektionen, die ein wissbegieriger Geist aus der Lage des Geländes von Sacred Heart lernen konnte. Das Young Ladies´ College of the Sacred Heart lieferte eine überragende Ausbildung und setzte seine Standards bereits Kilometer vor der Ankunft am Schultor. Das College befand sich von der Mission aus, auf der entgegengesetzten Seite von Umtali, wie die Stadt damals hieß, auf einem Stück Land, das zwischen der Stadt und unserer östlichen Landesgrenze ansteigt zu einem zerbrechlichen leuchtenden Himmel. Über diesen Himmel bläst der Wind vom Indischen Ozean, über die Berge von Mosambik, wo sich die Tropfen aus dem Meer zusammenballen wie erschrockene Mädchen. Der Regen fällt sanft. Nähert man sich der Stadt von der Mission her, sieht man als Erstes auf der rechten Seite das Allgemeine Krankenhaus. Dann folgen die staatlichen Schulen und die Wahl zwischen dem Postamt oder einem Fast-Food-Laden, je nachdem in welche Straße man einbiegt. Doch der Unterschied zwischen diesen Alternativen war nicht groß, weil man im Postamt in nach Hautfarbe getrennten Schlangen anstehen musste und dir der Fast-Food-Laden gekühlte Getränke und trockene Brötchen nur aus dem Fenster auf der Rückseite verkaufte, aber keine Hamburger; also nein, da war nicht viel zu lernen auf dem Weg in die Stadt und zur Schule, keine Lektion für ein ehrgeiziges Mädchen.

Auf der anderen Seite der Stadt jedoch sah ich, die Stirn an das Fenster von Babamukurus Wagen gedrückt, in dem Viertel nahe dem College, dass die Bewohner nicht wie wir in den Kleidern herumliefen, die gerade zur Hand waren, sondern in prächtig entworfenen Gewändern und großartigen Schuhen, deren klobige Absätze von den städtischen Behörden vollkommen ebene Pflastersteine forderten und sie dank sich langsam bewegender Männer in grünen Overalls auch erhielten. Auf diese Weise entwickelten ich und viele andere Schülerinnen einen Bekleidungscode, den wir später im Leben bevorzugten, sowie die Einsicht, dass ein effizienter Stadtrat in Kombination mit willigen, wenn auch lethargischen Arbeitskräften die Voraussetzung dafür war, dass irgendetwas passierte. Baba und Maiguru kommentierten dieses Thema nie, wenn sie mich zur Schule fuhren. Ich glaube, Maiguru war bereits deprimiert, weil die schönen Kleider, die sie von ihrem Studium in England mitgebracht hatte, schon von Motten zerfressen wurden, und es bestand keine Hoffnung, sie zu ersetzen, da in den Läden zurzeit nur Waren in der von der Sparpolitik diktierten Kriegsqualität zu finden waren, eine Qualität, die die Standards von allem reduzierte. Babamukuru, das weiß ich jetzt, auch wenn ich es damals nicht wusste, hörte eine andere Musik. Doch es ist seltsam, dass die Eltern, die ich adoptierte, zu diesem Thema schwiegen. Als ich darüber nachdachte, schien mir ihre Schweigsamkeit der Schweigsamkeit der Dorfbewohner zu ähneln, als Babamukuru geschlagen wurde. Es war, als hätten unsere Vorfahren flüchtige Beobachtungen mit einem Fluch belegt, der grausame Vergeltung über aufmerksame Seelen brachte. Wir waren also still im Auto, während in den schattigen Straßen, die zur Schule führten, Schäferhunde mit Stammbaum hinter eisernen Zäunen silbernen Speichel gegen die Arbeiter in den grünen Overalls verspritzten. Sie jaulten sogar und warfen sich rasend gegen die Zäune, um über Babamukuru herzufallen, als wir auf dem Asphalt vorbeifuhren. Die Bewohner schlugen Asse über ihren Tennisplatz oder sprangen platschend in ihren Swimmingpool, und Gärtner in orangefarbenen Overalls schauten lethargisch zu uns, den Menschen dazwischen. Nicht einmal da sagte Babamukuru etwas, auch ich schwieg, denn im Gegensatz zu den Lektionen im Unterricht wurden die im Transit gelernten Lektionen nicht abgefragt.

Auf das College-Gelände fuhr man durch ein großes gusseisernes Tor, so imposant wie das Portal von St Peter. Hügelaufwärts ging es auf der Straße zwischen den Hockeyfeldern und Tennisplätzen zu der von den Zedern gebildeten Grenze. Hier bog man nach links ab um den großen kreisförmigen Platz herum, in dessen Mitte sich der friedliche Rasen befand. Dann fuhr man parallel zu den Schulgebäuden einen ganzen halben Kilometer zum südlichen Rand der Rasenfläche, die immergrün wie Nadelbäume war. Hier stand eine Gruppe Jacaranda-Bäume, die lila Schatten auf den Parkplatz warfen. Schritt, Schritt, Schritt. Schritt, Schritt, Schritt. Sechs oder sieben Schritte waren nötig, um über die Stellplätze zu gehen, deren weiß gestrichene Einfassungen die breiten und langen Fahrzeuge der rhodesischen Elite aufnahmen. Da in jenen Tagen die Größe der Autos der Elite Anlass war für Respekt und nicht für Fragen, erkannte und speicherte ich rasch die ästhetischen Prinzipien meiner Schule, die die Beziehungen zwischen Design und Form und Zweck so opulent prägten, ohne Bezug auf materielle Ressourcen zu nehmen.

Am anderen Ende des Schulgebäudes waren die Wohnheime. Hinter dem Block, in dem die zweite Klasse untergebracht war, schimmerte der Swimmingpool. Er wurde abgeschirmt von einer Hibiskushecke, die zur rechten Zeit üppig rot blühte. Der Pool war an dieser Stelle angelegt, damit Besucher uns nicht überraschten und wir vor ihnen nicht in wenig Bekleidung herumparadierten. Der Parkplatz und der Swimmingpool verwiesen auf Besucher und Erholung und waren deswegen von größter Bedeutung für die meisten Schülerinnen. Für mich jedoch war das Gebäude mit den Klassenzimmern das Wichtigste. Der Block leuchtete lang und weiß in der Sonne wie ein seliggesprochenes Gebäude. Er präsidierte oberhalb der Gärten über das Schulgelände, als wollte er alle unsere Aktivitäten segnen. Unterhalb des Blocks und ihm gegenüber, jenseits der Zedern, waren die Sportplätze, und zwischen allen vieren erstreckten sich die stillen grünen Rasenflächen, die von den...
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Autor

Tsitsi Dangarembga ist Filmemacherin, Dramaturgin und Schriftstellerin. 1988 veröffentlichte sie ihren Roman »Nervous Conditions«, der in zahlreiche Sprachen übersetzt wurde. Das Buch gilt als der erste afrikanische Frauenroman. 1992 gründete sie ihre eigene Produktionsfirma Nyerai Films. Tsitsi Dangarembga setzt sich intensiv für die Förderung filmschaffender Frauen in Simbabwe und anderen afrikanischen Ländern ein. Sie ist Gründerin der Organisation Women Filmmakers of Simbabwe und Direktorin des International Images Film Festival for Women in Harare. Seit 2009 steht Tsitsi Dangarembga dem Institute of Creative Arts for Progress in Africa Trust vor. 2021 erhielt sie den PEN Pinter Prize, den PEN International Award for Freedom of Expression sowie den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.

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