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»Wir bleiben nur noch bis ...«

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
176 Seiten
Deutsch
Orlanda Verlag GmbHerschienen am20.03.20221. Auflage
Im Sommer 1964 kommt Feride als Zweijährige mit ihrer Familie nach Deutschland, nachdem ihr Vater im Zuge des Anwerbeabkommens mit der Türkei dorthin gezogen war. Eigentlich ist eine Rückkehr in die Türkei geplant, sie verschiebt sich jedoch immer weiter in eine unbestimmte Zukunft. Dabei wird Deutschland für Feride zwischen Fremdem und Vertrautem zu einem neuen Zuhause. Neben der Erzählung über die Lebensumstände der Familie geben Auszüge aus Tagebucheinträgen intensive Einblicke in die Gefühlswelt, die Herausforderungen, Ziele und Hoffnungen sowie die Identitätssuche der jungen Feride. Das Spannungsfeld zwischen ihrem Traum, ein selbstbestimmtes Leben in Deutschland zu führen und Ärztin zu werden, und den traditionellen Moral und Wertvorstellungen ihrer türkischen Eltern, macht nicht nur die Differenzen zwischen den Kulturen, sondern auch zwischen den Generationen erfahrbar. Zahide Özkan-Rashed schildert in ihrem Buch auf detaillierte und feinfühlige Weise die Erfahrungen der heranwachsenden Protagonistin von den 1960ern bis in die 1980er-Jahre und liefert damit ein Zeitzeugnis der Lebensrealitäten der ersten und zweiten Generation türkischer Arbeitsmigrant*innen. Sie will damit einen Dialog zwischen den Kulturen anregen, um Toleranz und ein Bewusstsein für Vielfalt in unserer Gesellschaft zu fördern.

Zahide Özkan-Rashed wurde in der Türkei geboren und lebt seit ihrem zweiten Lebensjahr in Deutschland. Sie studierte Medizin und arbeitet heute als Ärztin und Autorin. Zahide Özkan-Rashed ist Mutter von zwei erwachsenen Töchtern und lebt in Frankfurt am Main.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR18,50
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR13,99

Produkt

KlappentextIm Sommer 1964 kommt Feride als Zweijährige mit ihrer Familie nach Deutschland, nachdem ihr Vater im Zuge des Anwerbeabkommens mit der Türkei dorthin gezogen war. Eigentlich ist eine Rückkehr in die Türkei geplant, sie verschiebt sich jedoch immer weiter in eine unbestimmte Zukunft. Dabei wird Deutschland für Feride zwischen Fremdem und Vertrautem zu einem neuen Zuhause. Neben der Erzählung über die Lebensumstände der Familie geben Auszüge aus Tagebucheinträgen intensive Einblicke in die Gefühlswelt, die Herausforderungen, Ziele und Hoffnungen sowie die Identitätssuche der jungen Feride. Das Spannungsfeld zwischen ihrem Traum, ein selbstbestimmtes Leben in Deutschland zu führen und Ärztin zu werden, und den traditionellen Moral und Wertvorstellungen ihrer türkischen Eltern, macht nicht nur die Differenzen zwischen den Kulturen, sondern auch zwischen den Generationen erfahrbar. Zahide Özkan-Rashed schildert in ihrem Buch auf detaillierte und feinfühlige Weise die Erfahrungen der heranwachsenden Protagonistin von den 1960ern bis in die 1980er-Jahre und liefert damit ein Zeitzeugnis der Lebensrealitäten der ersten und zweiten Generation türkischer Arbeitsmigrant*innen. Sie will damit einen Dialog zwischen den Kulturen anregen, um Toleranz und ein Bewusstsein für Vielfalt in unserer Gesellschaft zu fördern.

Zahide Özkan-Rashed wurde in der Türkei geboren und lebt seit ihrem zweiten Lebensjahr in Deutschland. Sie studierte Medizin und arbeitet heute als Ärztin und Autorin. Zahide Özkan-Rashed ist Mutter von zwei erwachsenen Töchtern und lebt in Frankfurt am Main.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783949545085
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum20.03.2022
Auflage1. Auflage
Seiten176 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1568 Kbytes
Artikel-Nr.14248799
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Von der Grundschule aufs Gymnasium

Schule bedeutete Feride immer mehr. Bald wurde sie das Wichtigste in ihrem Leben. Sie sah darin eine Tür zu einem »besseren«, selbstbestimmten Leben, ein Mittel zur Wiedergutmachung für die schwierige und in mancher Hinsicht leidvolle Situation der Familie als Migranten in einem Land, in dem die Barriere zwischen Gastarbeitern und Deutschen immer präsent war. Ein Gefühl des Willkommenseins und des Dazugehörens konnte nicht entstehen, weil das Fremdartige Distanz erzeugte und den Zugang zu den Herzen behinderte. Es waren die abfälligen Blicke, ein unfreundlicher Umgangston, die Art, wie mit Ausländern gesprochen wurde, etwa in der Du-Form und mit ausgelassenen Artikeln. Oder auch die teils offensive Zurechtweisung durch Einheimische, wenn ungeschriebene Gesetze des öffentlichen Raumes, ausgehend von einem anderen Verständnis von »richtig« und »wichtig«, nicht beachtet wurden. All das führte dazu, dass sich die Fremden hinter die unsichtbaren Grenzen ihrer eigenen kleinen Welt zurückzogen. In dieser fühlten sie sich mit ihresgleichen verbunden und geborgen. Damit einhergehende Einschränkungen in ihrer persönlichen Entwicklung wurden angesichts ihrer Rückkehrambitionen nicht als Verlust angesehen. Feride wollte jedoch Veränderung. Sie wollte die Wachstumschancen, die sich ihr in der Schule anboten, nutzen.

In der vierten Klasse der Grundschule sollte die Vorentscheidung für den weiteren schulischen Werdegang getroffen werden. In Offenbach gab es damals die zweijährige Förderstufe, die über ein Kurssystem nach der sechsten Klasse in die weiterführende Schulform eingliederte. Feride wurde von ihrer Grundschullehrerin in Mathematik dem A-, in Englisch dem B-Kurs zugeteilt. Bald schon offenbarte sich ihre Begabung für Englisch, so dass ihr eine Höherstufung in Aussicht gestellt wurde. Das wollte Feride unbedingt, und entsprechend nervte sie ihre Lehrerin mit der ständigen Frage, wann sie denn endlich in den A-Kurs käme.

Die Spannung war enorm. Es stand viel auf dem Spiel. Als sie dann noch in Deutsch in den A-Kurs kam, war ihr der Besuch des Gymnasiums möglich. Ihre Freude war unbeschreiblich! Und wie sich erst ihre Eltern freuten! Sie waren stolz auf sie. So langsam fingen sie an, sich einem Traum von ihrer Tochter als Ärztin hinzugeben. Und Feride träumte mit. »In die Türkei gehen und die Armen umsonst behandeln«, das war ihr Ideal. Sie würde die große Retterin werden, die Samariterin, deren Einsatz von Selbstlosigkeit geprägt sein würde. Das würde selbstverständlich herausragenden Erfolg voraussetzen. Respekt würden auch diejenigen ihr zollen, die meinten, ihr aufgrund der äußeren Gegebenheiten wie etwa Abstammung, Schichtzugehörigkeit oder finanzieller Lage überlegen zu sein.

Seit sie auf dem Gymnasium war, investierte Feride noch mehr Zeit in die Schule. Einen lockeren Umgang damit konnte sie sich absolut nicht leisten. In ihren Augen waren ihre Defizite gegenüber den anderen Kindern ungemein groß und nur durch ein Vielfaches an Fleiß zu kompensieren. Zu groß war ihre Angst, zu scheitern. So verzichtete sie auf vieles, was die anderen Kinder in ihrer Freizeit machten. In gewissem Maße verzichtete sie damit darauf, Kind zu sein, locker und sorglos.

Besonders faszinierte sie das Rollschuhfahren, und sie liebte es, zu beobachten, wie die Leute auf der Rollschuhbahn im Waldpark schnelle und kraftvolle Kreise zogen, kunstvolle Figuren übten oder im Getümmel auf der Bahn einfach nur Spaß hatten. Sie selbst besaß ein altes Fahrrad, aber keine Rollschuhe und konnte auch nicht Rollschuh fahren.

In der Zweizimmerwohnung, in der sie lange zu sechst wohnten, lief der Fernseher nahezu ständig. Mehrmals in der Woche kam Besuch. Feride zog sich dann, wenn es ging, in das Elternschlafzimmer zurück, um zu lernen. Sie liebte Fernsehsendungen wie »Unsere kleine Farm«, die Westernserie »Bonanza« oder die Abenteuer von »Raumschiff Enterprise« im Weltall. Doch entzog sie sich dem Fernseher recht häufig, denn sie wusste, wenn sie der Verlockung zu oft erlag, würde sie es nicht schaffen. Feride wollte möglichst keine Niederlagen riskieren â zumal sie auch noch den Anspruch hatte, besonders gut zu sein.

Im Haus waren ihre direkten Nachbarn »moderne« Türken. Familie Erçelik war städtischen Ursprungs, das sah man ihnen an. Frau Erçelik kleidete sich nicht nur modebewusst, dem Outfit nach schien sie - anders, als Feride es kannte â nicht erst auf den Preis und dann auf die Ware zu schauen. Zudem war sie nicht zurückhaltend in Sachen Kürze der Kleider oder der Ärmel. Sie sprach ein klares, gehobenes Türkisch, das Feride sehr mochte. Ihr Deutsch hatte zwar einen türkischen Akzent, war aber merklich besser, als Feride es von den meisten Türken um sie herum kannte. Frau Erçelik arbeitete als Verkäuferin für Damenmode bei Karstadt. Ihr Mann war bei einer Zeitung beschäftigt; was für eine Funktion er dort genau ausübte, wusste Feride nicht, vielleicht war er Journalist? Obwohl es Frau Erçeliks Familie finanziell sichtlich besser ging als Ferides Familie, waren die Erçeliks überhaupt nicht überheblich. Sie waren sehr freundlich und respektierten Ferides Familie. Und sie engagierten Feride für ihre Tochter Tülin als Nachhilfelehrerin. Feride freute sich und war aufgeregt: Sie sollte Tülin in Deutsch, Englisch und Mathematik helfen - für 50 Mark pro Monat, ihr erstes eigenes Geld!

Als Feride die Wohnung ihrer Nachhilfeschülerin betrat, wurde ihr erneut klar, dass diese türkische Familie ihren Aufenthalt in Deutschland nicht als Provisorium betrachtete - ganz anders als ihre eigene Familie. Die Ausstattung der Wohnung hatte einiges gekostet, das merkte man deutlich. In einer Ecke des Eingangsbereichs war ein runder Esstisch, über dem ein Kronleuchter hing. Die Couchgarnitur im Wohnzimmer war aus edlem dunklen Leder. An den Wänden hingen Gemälde in goldverzierten Rahmen. Tülin hatte ein eigenes Zimmer mit weißen Möbeln und jede Menge Spiele und andere Dinge zum Zeitvertreib.

Das Arbeiten mit Tülin machte Feride Spaß. Zwar verstand ihre Schülerin nicht immer alles auf einmal. Doch auch Feride war gefordert, ihre Methoden, wie man Schulwissen effektiv vermittelt, zu entwickeln und auszufeilen. Zu Ferides großer Freude erzielte Tülin in den Klassenarbeiten bald bessere Noten. Der Nachhilfeunterricht hatte ihr also etwas gebracht - und gleichzeitig auch Feride, der die positive Resonanz guttat. Bald unterrichtete Feride auch Tülins Bruder Tamer. Das verdiente Geld legte sie vorerst beiseite. Ihre Wunschliste war lang. Auf jeden Fall wollte sie sich davon einen neuen Pelikan-Füller kaufen und ein gutes Schülerlexikon. Und vielleicht wären sogar ein paar Klamotten drin.

Als Feride in der Oberstufe war, wurde sie einem deutschen Mädchen als Nachhilfelehrerin für Französisch empfohlen. Französisch war Ferides Lieblingsfach, und so sagte sie sofort zu.

Ferides neue Nachhilfeschülerin hieß Susanne. Sie war dunkelblond, schmal und etwas schüchtern. Susannes Mutter war eine sehr freundliche, große Frau. Sie wohnte mit ihrer Familie in einem geschmackvoll eingerichteten eigenen Haus. Susannes Zimmer war im zweiten Stock. Feride gab Susanne gerne Nachhilfe. Nicht nur für Ferides Selbstbewusstsein war der Unterricht von Vorteil, auch ihre eigenen Französischkenntnisse profitierten von der Vorbereitung und Vermittlung des Stoffs. Und sogar Ferides Latein kam zum Einsatz, denn viele Wörter und grammatikalische Konstruktionen konnte sie aus dem Lateinischen ableiten.

Zurück in ihrer Wohnung, sah sie die soziale Kluft zu ihrer Familie. Auf der anderen Seite war sie stolz, trotz dieser Mängel bei anderen Dingen überlegen zu sein. Sie, das unscheinbare türkische Mädchen, das in einer Zweizimmerwohnung mit weiteren fünf Familienmitgliedern wohnte, gab wohlhabenden Kindern Unterricht! Ihre Leistungen wurden also geschätzt. Das freute und motivierte sie.

Im Großen und Ganzen kam Feride mit der Schule klar - doch manchmal brauchte sie Hilfe. Ihre Eltern konnte sie nicht fragen, also klopfte sie bei den Nachbarn an, um zu fragen, ob sie ihr bei den Hausaufgaben helfen könnten. In ihrem Hochhaus gab es einige sehr nette Menschen, die ihr entgegenkamen. Am liebsten mochte sie das ältere Ehepaar im neunten Stock, Herrn und Frau Kullmann. Es war immer aufregend, vom Erdgeschoss mit dem Aufzug hochzufahren. Manchmal lief Feride die Treppen hoch. Die Aussicht von da oben war beeindruckend, aber auch Angst einflößend. Anders als im Erdgeschoss, wo man ständig Leute kommen und gehen hörte, war es ungewöhnlich still im neunten Stock. Als ob sie da oben von der Außenwelt abgeschnitten wären. Die Kullmanns hatten zwar einen deutschen Namen, schienen aber nicht »rein deutsch« zu sein, denn ihr Deutsch hatte einen kleinen Akzent. Vielleicht kamen sie aus Tschechien oder Polen. Im Gegensatz zu den Türken, bei denen ständig Leute ein und aus gingen, hatten die Kullmanns eine ruhigere Lebensweise....
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Autor

Zahide Özkan-Rashed wurde in der Türkei geboren und lebt seit ihrem zweiten Lebensjahr in Deutschland. Sie studierte Medizin und arbeitet heute als Ärztin und Autorin. Zahide Özkan-Rashed ist Mutter von zwei erwachsenen Töchtern und lebt in Frankfurt am Main.
Weitere Artikel von
Özkan-Rashed, Zahide