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Unten im Tal

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am11.09.2024
Die Geschichte zweier ungleicher Brüder
Zwei Bäume pflanzte ein Vater vor seinem Haus, einen für jedes Kind. Der erste, eine Lärche, ist wie Luigi, hart und zerbrechlich. In 37 Jahren hat Luigi nie das Tal verlassen, seine Frau Betta und er verliebten sich beim Baden in den Flusstümpeln zwischen den weißen Birken. Nun erwarten sie ein kleines Mädchen. Der zweite Baum, die robustere Fichte, die auf der Schattenseite gedeiht, ist wie der streitsüchtige Fredo. Vor Jahren kehrte er seiner Heimat den Rücken. Jetzt ist er ins Tal zurückgekehrt, um sich nach dem Tod des Vaters vom Elternhaus und seiner Herkunft zu befreien. Die beiden Brüder trennt mehr als sie verbindet und doch wachsen ihre Wurzeln in derselben Erde ...
Paolo Cognetti erzählt die spannende, verdichtete Geschichte eines Loyalitätskonflikts. Nicht nur die Natur im Piemont wird auf wundervolle Weise in Worte gebannt, sondern auch seine eigenwilligen Menschen, die sich durch den Einzug der Moderne und des Fortschritts unwiederbringlich verändern müssen.

Paolo Cognetti, 1978 in Mailand geboren, verbringt seine Zeit am liebsten im Hochgebirge, und seine Erlebnisse in der kargen Bergwelt inspirieren den Mathematiker und Filmemacher zum Schreiben. Für seinen internationalen Bestseller »Acht Berge« , der ins Aostatal führt, erhielt er u. a. den renommiertesten italienischen Literaturpreis, den Premio Strega. »Das Glück des Wolfes« ist sein neuester Roman, der erneut in über 20 Ländern erscheint.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR18,99

Produkt

KlappentextDie Geschichte zweier ungleicher Brüder
Zwei Bäume pflanzte ein Vater vor seinem Haus, einen für jedes Kind. Der erste, eine Lärche, ist wie Luigi, hart und zerbrechlich. In 37 Jahren hat Luigi nie das Tal verlassen, seine Frau Betta und er verliebten sich beim Baden in den Flusstümpeln zwischen den weißen Birken. Nun erwarten sie ein kleines Mädchen. Der zweite Baum, die robustere Fichte, die auf der Schattenseite gedeiht, ist wie der streitsüchtige Fredo. Vor Jahren kehrte er seiner Heimat den Rücken. Jetzt ist er ins Tal zurückgekehrt, um sich nach dem Tod des Vaters vom Elternhaus und seiner Herkunft zu befreien. Die beiden Brüder trennt mehr als sie verbindet und doch wachsen ihre Wurzeln in derselben Erde ...
Paolo Cognetti erzählt die spannende, verdichtete Geschichte eines Loyalitätskonflikts. Nicht nur die Natur im Piemont wird auf wundervolle Weise in Worte gebannt, sondern auch seine eigenwilligen Menschen, die sich durch den Einzug der Moderne und des Fortschritts unwiederbringlich verändern müssen.

Paolo Cognetti, 1978 in Mailand geboren, verbringt seine Zeit am liebsten im Hochgebirge, und seine Erlebnisse in der kargen Bergwelt inspirieren den Mathematiker und Filmemacher zum Schreiben. Für seinen internationalen Bestseller »Acht Berge« , der ins Aostatal führt, erhielt er u. a. den renommiertesten italienischen Literaturpreis, den Premio Strega. »Das Glück des Wolfes« ist sein neuester Roman, der erneut in über 20 Ländern erscheint.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641320744
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum11.09.2024
SpracheDeutsch
Dateigrösse1494 Kbytes
Artikel-Nr.14290593
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



SIE WAR EINE Hündin, die noch keinen zweiten Winter kennengelernt hatte und auch sonst nichts anderes als die Garage an der Landstraße. Ganz hinten in der Werkstatt spielte sie für sich mit dem Gummifetzen eines alten Autoreifens: Sie biss hinein, schleuderte ihn von sich und rannte, um ihn sich wiederzuholen, als sie auf einmal bemerkte, dass sie Zuschauer hatte. Aus der Kiesgrube nebenan war ein grauer Hund aufgetaucht, der sie beobachtete. Dort lag auch der Fluss, der aber im Herbst nicht viel Wasser führte und leicht zu durchqueren war. Sie ließ den Gummifetzen fallen, um den Duft des Rüden zu erschnuppern, doch als sie die Schnauze hob, sah sie drei weitere hinter dem Schrotthaufen hervorkommen. Drei Schäferhunde mit schlammbespritztem Fell und Glöckchen am Halsband. Die kannte sie. Tagsüber hüteten sie die Schafe, die die Stoppelfelder und das Gras um die Lagerhallen abweideten, abends stromerten sie herum und guckten, wo es was zu holen gab. Nur dass sie jetzt nicht zum Fressen, sondern ihretwegen hier waren. Die Hündin wusste, was sie hergeführt hatte und gleichzeitig auch wieder nicht. Jetzt, wo sie knapp über ein Jahr alt war, gehörte dieses neue Interesse der Rüden an ihr zu den Dingen, die sie rasch lernte - aufregende und gefährliche Dinge wie die Lagerfeuer der Jungs im Sommer oder die Strömung des Flusses, die sie einmal fast fortgerissen hätte.

An der Werkstattwand stand ein aufgeplatzter Sitz, auf dem sie sich jetzt zusammenrollte. Ein Autositz, der schon Generationen von Hunden beherbergt hatte. Ganz in der Nähe grub der Bagger seinen Arm ins Flussbett, förderte eine Schaufel Sand und Kies zutage, und genau in diesem Moment kam der graue Hund näher. Die drei Schäferhunde klärten noch mal die Rangordnung. Der Älteste und Kräftigste musste nur knurren und kurz die Zähne fletschen, um den zweiten dazu zu bringen, von seinem Vorhaben abzulassen. Der verschwand winselnd, während der dritte Abstand hielt. Dann näherte sich der Anführer mit kleinen Schritten - ein männliches Ritual, das die Hündin kannte. Drohen, knurren, Zähne fletschen - so trugen die Hunde im Tal ihre Konflikte aus, doch der Graue kam woanders her, hatte eine andere Erziehung genossen -, sei es durch den Menschen, sei es durch das Leben. Als der Anführer die Nackenhaare aufstellte und alle Muskeln anspannte, um ihn einzuschüchtern, stürzte er sich ohne jede Vorwarnung auf ihn. Er war der Schmächtigere der beiden, doch der Aufprall genügte, um den anderen auf den Rücken zu werfen, dann hielt er ihn mit einer Pfote fest und schlug ihm die Zähne in die Kehle. So etwas hatte die Hündin noch nie erlebt. Sie verspürte eine ungekannte Erregung, während sich der Graue festbiss, die Kehle des zappelnden Schäferhunds einfach nicht losließ. Bis auch dessen Gefährten, die nervös um sie herumstrichen, sahen, wie der Körper ihres Anführers erschlaffte, wie das Blut aus seinem Hals strömte und den Boden tränkte. Jetzt wirkte auch er wie ein alter Reifenmantel, und im Nu waren die beiden über die Felder verschwunden.

Ein Tankwagen fuhr vorbei, eine dünne Schicht Raureif auf dem Dach, die als Wolke verwehte. November. Die Hündin verließ den Autositz und begrüßte den sich nähernden Rüden mit einem Schwanzwedeln. Seine Wut von vorhin hatte sich bereits wieder gelegt, er beschnupperte sie sanft und ließ sich beschnuppern. Sie nahm den Duft von Wald, Erde, Laub wahr, vom Blut des Hundes, den er soeben getötet hatte. Sie bekam Lust, an ihm zu lecken, und leckte an ihm. Dann nahm er sie, womit ihre Kindheit unwiederbringlich vorbei war.

Sie zogen flussaufwärts an diesem Tag, rannten vor lauter Begeisterung, sich begegnet zu sein, vorbei an den Schotterbänken und kleinen Inseln, durch die trostlose Landschaft im Tal. Die Bergkämme in der Ferne waren verschneit, aber am Fluss ragten Zementwerke, Möbelfabriken, Agrarhandel-Niederlassungen und Lagerhallen empor. Sie sahen die Ratten in den Abwasserkanälen, die Krähen auf den Mülldeponien, witterten den Dung auf den Feldern. Und als sie am Ufer auf Menschen in einem Transporter stießen, begriff die Hündin, die Menschen nicht fürchtete, dass der Rüde diese mied, weil sie sich einmal mehr umschauten, bevor sie ihren Weg jenseits des Flusses fortsetzten. Sie rannten an einer Umzäunung entlang und bald darauf standen sie vor einem Stauwehr, von dem Rohre wegführten. Sie hörten Verkehrsrauschen, irgendwo jenseits der Böschung. Es dämmerte, und er wollte warten, bis es dunkel war, bevor sie sich aus der Deckung wagten. Während sie ausharrten, bekam die Hündin Hunger, sie hatte schon seit Stunden nichts mehr im Magen, was sie ihm zu verstehen gab wie es Welpen tun, sie leckte ihm das Maul und knabberte sanft daran, so als wäre er ihr Vater und müsste ihr etwas zu fressen besorgen. Insgeheim genoss er diese Tortur.

Bei Dunkelheit führte er sie die Landstraße entlang, zu einem Gebäude mit einer großen Neonreklame an der Fassade, eine Kugel, die in regelmäßigen Abständen auf Kegel zurollte. Auf dessen Rückseite gingen eine Metalltür und ein kleines Milchglasfenster auf einen Parkplatz hinaus. Ein dort angebundener Hund bemerkte sie. Er war klein und zerrte bellend an seiner Leine, während sie sich dort versteckten, wo kein Licht mehr hindrang. Nach einer Minute hörte der Kleine damit auf, starrte in die Dunkelheit, hörte irgendwo einen anderen Hund bellen und antwortete ihm, als die Metalltür aufging und ein junger Mann mit weißer Schürze herauskam. Der Kleine wedelte überglücklich. Der junge Mann warf zwei Müllsäcke gegen die Mauer, schaute in den dunklen Himmel ohne Mond und Sterne, zog etwas aus einem Beutel, reichte es dem Hund und kraulte ihn, während der ihm aus der Hand fraß, am Kopf.

Bei diesem Anblick verspürte die zwischen den Autos versteckte Hündin eine bislang unbekannte Sehnsucht. Nach dem Gestreicheltwerden, nicht nach dem Fressen. Nach der Zuneigung des jungen Mannes und dem bedingungslosen Vertrauen des Hundes - eine Art Wehmut.

Doch der Rüde ließ ihr keine Zeit: Kaum war der junge Mann in die Küche zurückgekehrt, trat er aus der Dunkelheit. Der Kleine nahm das Maul aus der Schüssel, aber er war ein Winzling und außerdem angebunden, was wollte er da schon ausrichten? Noch ehe er bellen konnte, war ihm der andere schon an die Kehle gegangen. Der Kleine stieß ein pfeifendes Röcheln aus, in der Küche hörte niemand etwas und niemand kam, um nach ihm zu schauen. Als sie zu ihnen stieß, lag er bereits tot da: mit offenem Maul und heraushängender Zunge. Ihr Liebhaber hingegen hatte sich bereits abgewandt und riss mit Zähnen und Krallen die Müllsäcke auf. Sie fanden lauter Köstlichkeiten, Fleisch, Nudeln, Knochen, fraßen sich neben dem angeleinten leblosen Körper satt, während die Neonkugel unter dem dunklen Himmel Kegel zu Fall brachte.

In den Dörfern der Valsesia, über die gerade der Winter hereinbrach, sprach sich beidseits des Flusses das mit den toten Hunden herum - der Schäferhund, der Mischling von der Bowlingbahn, dann der Jagdhund, der in den Wald gerannt und nicht mehr zurückgekehrt war, der Wachhund eines Sägewerks ... und das mit dem Killer, der sie alle auf die gleiche Art getötet hatte, alles Rüden. In den Kneipen, wo man sich darüber austauschte, wettete so mancher auf einen Wolf. Nur Wölfe töteten so oder etwa nicht? Andere glaubten, das wäre ein entlaufener Kampfhund, dessen Herrchen den Verlust bewusst verschwiegen hatte. Irgendwann setzte sich die Theorie durch, das wäre ein Mischling, eine dieser Kreuzungen zwischen Streuner und Wolf, die man für eine Mutation hielt. Teuflische Geschöpfe, weil zwei Seelen in ihrer Brust wohnten: die des an den Menschen gewöhnten Haushunds und die des grausamen Wolfs. Örtlichen Legenden zufolge näherten sie sich zutraulich, um dann ohne Vorwarnung anzugreifen. Eine Theorie, die jedoch für Probleme sorgte, weil man einen tollwütigen Hund erschießen durfte, ja sogar musste, nicht aber einen Wolf, der war streng geschützt. Wie hatte man mit einem Hybriden umzugehen? Diskussionen, die beim Aperitif aufkamen. Bei einem zweiten Gläschen Bonarda, einem Weißwein, einem Campari. Und bei der nächsten Runde machte man keinen Hehl mehr daraus, dass die Forstpolizei untätig blieb. Die verteile lieber Bußgeldbescheide statt ihre Bürger zu schützen. Zugegeben, von Angriffen auf Menschen hatte man noch nicht gehört, aber welche Mutter ließ ihr Kind jetzt noch draußen spielen? Es war jedenfalls Jagdsaison, und Jäger gab es genug im Tal. Sie hatten es auf Wildschweine abgesehen, auf Gämsen, Rotwild, Blondinen ... So vertrieben sich Männer eben die Zeit, sie machten Anspielungen und stießen sich in die Seite, warfen zwei Erdnüsse ein und zwinkerten der Kellnerin zu. Um dann ihr Glas zu leeren, zu zahlen, in ihren Pick-up zu steigen und zum Abendessen zu ihrer Ehefrau zurückzukehren. Falls ihnen irgendein Vieh in Gestalt eines Hundes über den Weg lief, überfuhren sie es ohne zu zögern.

In dieser Nacht träumte sie von ihrer Mutter. Sie träumte, dass sie noch klein und wie ihre Wurfgeschwister fast eins mit ihrer Mutter war. Außerhalb des Traums zuckte sie mit den Beinen und winselte leise, im Traum stritt sie mit anderen Welpen um eine Zitze. Es waren Menschen da, keine tatsächlichen Gesichter, aber man spürte ihre Nähe, hörte ihre Stimmen. Dann ließ eine dieser Stimmen die Hand sinken, eine die größer war als sie, sie fühlte die riesigen Ausmaße, die Finger um ihren Körper, die Hand, die sie packte und hochhob.

Vor lauter Schreck wachte sie auf und fand sich im Dunkeln wieder, ohne zu wissen, wo sie eigentlich war. Als...

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Autor

Paolo Cognetti, 1978 in Mailand geboren, verbringt seine Zeit am liebsten im Hochgebirge, und seine Erlebnisse in der kargen Bergwelt inspirieren den Mathematiker und Filmemacher zum Schreiben. Für seinen internationalen Bestseller »Acht Berge« , der ins Aostatal führt, erhielt er u. a. den renommiertesten italienischen Literaturpreis, den Premio Strega. »Das Glück des Wolfes« ist sein neuester Roman, der erneut in über 20 Ländern erscheint.