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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
200 Seiten
Deutsch
Elysion Bookserschienen am21.10.2021
Sex mit dem Ex ist peinlich, dumm und einfach etwas, was sich nicht gehört? Er kann aber auch herrlich, lustig und befreiend sein. In dieser Anthologie berichten Deutschlands lustigste Erotikautorinnen von ihren Popp-Erlebnissen mit dem Ex. Dabei nehmen sie weder ein Blatt vor den Mund, noch verschweigen sie ihre eigenen Fehltritt und lassen auch kein Fettnäpfchen aus.mehr

Produkt

KlappentextSex mit dem Ex ist peinlich, dumm und einfach etwas, was sich nicht gehört? Er kann aber auch herrlich, lustig und befreiend sein. In dieser Anthologie berichten Deutschlands lustigste Erotikautorinnen von ihren Popp-Erlebnissen mit dem Ex. Dabei nehmen sie weder ein Blatt vor den Mund, noch verschweigen sie ihre eigenen Fehltritt und lassen auch kein Fettnäpfchen aus.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783960001997
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum21.10.2021
Seiten200 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse987 Kbytes
Artikel-Nr.14297277
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Die Privatvorstellung





Valerie Puschner



»Bin ich die Erste?« Im Lichtspielhaus Milano ist das eine berechtigte Frage. Obwohl das kleine Kino in ihren Augen eine Institution ist, kommt es gerade im Sommer an einigen Abenden unter der Woche gerne einmal vor, dass man unfreiwillig eine private Filmvorführung bekommt. Seit über einem Jahrzehnt ist Marie ganz verliebt in das heimelige kleine Kino mit seinem einzelnen Saal, den plüschigen blauen Sitzen, der Popcorn-Maschine aus den 80er-Jahren und dem ausgeklügelten Pfand-System. Den Besitzer kennt sie sogar persönlich - und weil sie weiß, dass es um seine Finanzen gerade im Juli und August nicht immer zum Besten steht, geht sie manchmal einfach wieder nach Hause, wenn niemand außer ihr für die Vorstellung erscheint. Doch ehe sie an diesem Abend echte Gewissensbisse wegen der nur für sie verursachten Stromkosten bekommen kann, schüttelt die junge Frau hinter der Kasse lächelnd den Kopf.

»Die Zweite.« Ein guter Tag also. Die Kassenkraft zieht mit einem schiefen Lächeln die Schultern hoch und wirft einen Blick auf die Uhr. 20:13. In zwei Minuten beginnt das Vorprogramm. Das ist noch so eine Sache, die sie am Milano schätzt, man kann bedenkenlos pünktlich sein, ohne eine halbe Stunde Werbung erdulden zu müssen. »Aber dabei bleibt es für heute vermutlich. Sobald Sie oben sind und sitzen, mache ich die Tür zu und starte die Vorstellung. Kommt noch etwas zum Ticket dazu?«

»Eine Fanta, bitte.« Im Kino Fanta zu trinken gehört für sie einfach dazu. Ihr Vater, der sie mit der Attraktion Kino vertraut gemacht hat, ist ein vehementer Gegner von Popcorn und Marie fühlt sich bis heute irgendwie schlecht, wenn sie mit der raschelnden Tüte die anderen Besucher nervt und sich gleichzeitig die Zähne ruiniert. Aber eine Fanta muss sein, so viel Zucker war gerade noch erlaubt. Besonders wenn man sich einen so wenig süßen und so wenig sommerlichen Film wie Shining ansieht. Sie bedauerte immer noch, die DVD bei ihrem letzten Umzug durch den ungeschickten Aufbau ihres neuen Betts zertrümmert zu haben.

Die Kassenkraft öffnet die Fanta für sie und folgt ihr die Treppe hoch zu dem Kinosaal. Sie wünscht ihr mit einem Flüstern viel Spaß und dimmt die Lampen an der Decke des Saals ein wenig. Nachdem die Tür hinter ihr sanft ins Schloss gefallen ist, konzentriert sie sich darauf, den Weg zu ihrem Lieblingsplatz zu finden. Mittig in der Mitte. Aus der letzten Reihe ertönt das Seufzen des anderen Besuchers, der sich bestimmt erhofft hat, alleine zu bleiben.

»Ist das dein Ernst? Wofür habe ich dich die DVD behalten lassen?« Als sie die vertraute Stimme und das blasse Gesicht in der vorletzten Reihe erkennt, lässt sie vor Schreck beinahe die Fanta fallen. Nicht mehr als zehn Treppenstufen weit weg von ihr sitzt Jakob. Jakob, ihr heißgeliebter Jakob, der sich vor etwas mehr als sechs Monaten in Luft aufgelöst hat. Sie hat nicht besonders viele Ex-Freunde, aber keiner von ihnen fand es so offensichtlich langweilig mit ihr Schluss zu machen wie Jakob. Nachdem er ihr verkündet hat, dass es für ihn nicht mehr funktioniert, ist er über die Weihnachtsferien zu seinen Eltern gefahren und hat ihr zwei Wochen Zeit gelassen, um ihre Sachen aus der Wohnung zu entfernen, die immerhin ein Jahr lang ihre »gemeinsame« Wohnung gewesen ist, obwohl er alleine den Mietvertrag unterschrieben hat.

»Ich hab sie verloren.«

Auch jetzt wirkt er nicht wirklich betroffen, sondern nur ein wenig vorwurfsvoll. Als hätte sie mit dem Besitz einer DVD des Klassikers von Stanley Kubrick jedes Anrecht darauf verloren, sich den Film irgendwo anders als in ihrer Wohnung anzusehen. »Außerdem ist das mein Kino. Du weißt genau, dass ich ungefähr einmal die Woche hier bin.«

»Aber doch nicht an einem Mittwochabend, an dem die Bachelorette ihre Rosen verteilt!« Es ist gut, dass der Saal schon abgedunkelt ist. So kann er wenigstens nicht sehen, dass seine bitterböse Ironie, mit der er ihr beweisen will, wie gut er sie kennt und wie spielend leicht er ihr die Röte ins Gesicht treiben kann, sie voll und ganz trifft. Ihre Mutter hat es gerne ganz schonungslos formuliert und behauptet, sie wäre Jakob Grimm nicht gewachsen. Aber was will man einem bissigen Deutschlehrer, der sich schon in seiner Zeit als Referendar den Respekt von 14-jährigen gesichert hat, auch entgegensetzen?

Sie schweigt und stolpert in Richtung ihres Lieblingsplatzes. Was will sie auch noch sagen. Sie trinkt einen Schluck von ihrer Fanta, zieht ihre Schuhe aus, rutscht so tief in den Sitz, dass sie ihre Füße bequem gegen die Lehne vor ihr stemmen kann und wartet darauf, dass der Vorhang sich öffnet. Lange kann es ja nicht mehr dauern, wenn kein Wunder geschehen ist und ein dritter Gast sich ins Milano verirrt hat. Für so einen sichtbaren Dritten würde sie sogar noch hundert Sekunden unangenehmes Schweigen aushalten.

Mit einem leisen Rauschen öffnet sich der schwere, schwarze Vorhang und gibt den ersten Spot der Lokalwerbung frei. Marie ist absolut bereit sich auf die Vorteile der Abfall-App der örtlichen Müllabfuhr einzulassen, auch wenn sie jede Einstellung des Spots in und auswendig kennt. Das Model, das in plüschigen Hausschuhen und seidenem Bademantel mit der Mülltonne zum Straßenrand eilt, ist für sie so was wie eine gute Bekannte, die nicht altert. Seit sechs oder sieben Jahren erfreut sie sich an dem erleichterten Gesichtsausdruck der jungen Frau, die mittlerweile sicher ihren dreißigsten Geburtstag hinter sich hat und immer rechtzeitig ihre Mülltonnen rausstellt, und denkt für wenige Sekunden darüber nach, ob sich so eine App lohnen und einen sinnvollen Ersatz für die kleinen, wilden Markierungen in ihrem Kalender darstellen würde. Während der hyperästhetische Werbestreifen für einen hyperunästhetischen Chemiekonzern eingeblendet wird, knarren die alten, mit Teppich bedeckten Stufen und im Augenwinkel sieht sie einen Schatten, der sich auf sie zubewegt.

Ihr Herz bleibt fast stehen, als Jakob sich auf den Platz neben ihr fallen lässt. Direkt neben ihr. Er hat nicht mal den Anstand einen Sessel freizulassen, sodass sie wenigstens ihre Armlehne behalten kann. Es ist zwar nicht ihre Absicht, ihm kampflos die schmale, aber gut gepolsterte Lehne zu überlassen, doch sie kann gar nicht anders als empört die Arme vor der Brust zu verschränken. Fehlt eigentlich nur noch, dass er mit einer achtlosen Fußbewegung ihre Fanta umwirft, die sie auf den Boden gestellt hat. Sie räuspert sich. Er räuspert sich ebenfalls. Das alte Spiel. Sie hat eine Zeit lang nach jedem Satz ein kleines Hüsteln untergebracht und erst als er angefangen hat sie zu imitieren, hat sie gemerkt, wie anstrengend diese Angewohnheit eigentlich ist. Allerdings hat er sie nie direkt auf diese Unart angesprochen, das war nicht seine Art. Es war ihm am liebsten, wenn man von selber merkte, was man falsch macht. Deswegen war er ein guter Lehrer, gelegentlich ein wirklich schlechter Freund - und ein absolut unzumutbarer Ex-Freund. Wenn es nicht ein Beweis dafür wäre, dass sie das schlechtere Nervenkostüm hat, dann würde sie glatt aufstehen und sich woanders hinsetzen. Aber das ist wiederum nicht ihre Art. Wenn hier einer konfliktscheu ist, dann bestimmt nicht sie.

»Was soll das? Wieso rückst du mir so auf die Pelle? Hier sind mehr als genug freie Plätze.« Sie sieht ihn nicht an, sondern hat den Blick nach vorne in Richtung der Leinwand gerichtet.

Alleine an seinem Tonfall kann sie hören, dass er grinst: »Mir ist aber gerade eben eingefallen, dass das hier der beste Platz ist.«

Das Wissen darum, dass die Akustik nicht etwa in der hintersten Reihe, sondern in der Mitte des Saals am besten ist, hätte sie nicht mit ihm teilen dürfen. Leider konnte sie diese kleinen, etwas altklugen Vorträge manchmal nicht unterdrücken.

»Ich will aber nicht neben dir sitzen.«

»Ach komm, jetzt stell dich nicht so an. Ist doch eigentlich ganz witzig, oder? Ein witziger Zufall?«

»Ich lache, wenn ich Zeit hab.« Demonstrativ platziert sie ihren Ellenbogen auf der Lehne. Erstaunlicherweise macht er keine Anstalten, einen kindischen Wettstreit daraus zu machen. Aber warum sollte er auch. Er hat ja mit ihr Schluss gemacht. Er hat entschieden, dass er keinen Kontakt mehr zu ihr möchte, dass es nicht mehr funktioniert. Also warum sollte er jetzt den Körperkontakt herausfordern? »Seit wann gehst du eigentlich allein ins Kino? Ich dachte, du fühlst dich dann wie eine merkwürdige, alte Dame?« Das stimmte so halb. In ihrer Kennenlernphase hat er seine Vorurteile gegen »kleine« Programmkinos dermaßen breitgetreten, dass sie sich aus Prinzip geweigert hat, mit ihm überhaupt Filme anzusehen. Da Filme in seinem Leben aber eine relativ große Rolle spielen und das Milano in ihrem Leben, hat er sich irgendwann doch dazu durchgerungen mit ihr herzukommen. Und seine Vorurteile für rosarote drei Monate überwunden. Danach hat er die Lust an abendlichen Unternehmungen unter der Woche schnell verloren und sie konnte ihn nur durch große Jammerorgien dazu bewegen, mit ihr ins Kino zu gehen. Das ausschlaggebende Argument ist dabei gewesen, dass er ja wohl nicht zulassen kann, dass sie sich merkwürdig fühlt. Und den Charme einer einsamen, alten Dame versprüht. Aber all diese Kleinigkeiten sind so verdreht und gehören zu dem großen Knoten, den Jakob Grimm in ihrem Kopf und ihrem Herzen hinterlassen hat, dass sie eigentlich lieber nicht darüber nachdenken mag. »Hallo? Willst du mir nicht antworten?«

»Wir sind in einem Kino. Im Kino redet man nicht.« Ihre Stimme klingt viel zu...

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