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Dunkles Donautal

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Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am11.09.20242024
Ein brutaler Mord führt die junge Kommissarin Tilda Marder zurück in ihr Heimatdorf im Donautal. Die Leiche des 16-jährigen Peter wird an einem Aussichtspunkt gefunden, aus seinem Hals ragt ein schwarzes Kreuz. Schnell fällt der Verdacht auf Freunde des Opfers, drei Brüder, die Außenseiter im Dorf sind. Während ihrer Ermittlungen wird Tilda mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert. Ein Gefühlswirrwarr zwischen Weggehen und Ankommen, zwischen Dazugehören und sich fremd fühlen. Eine erste Spur führt Tilda zu einer heruntergekommenen Waldhütte - und einem weiteren Grab zwischen den Bäumen.

Jeremias Heppeler lebt und arbeitet als Künstler, Autor und Filmemacher in Fridingen an der Donau im Donautal. Für die Filmprojekte »Die Stadt der vergessenen Kinder« und »Dieter Meiers Rinderfarm« reiste er in die Mongolei und nach Argentinien. Zuletzt forschte er in Atakpamé in Togo zur Geschichte der Funkstation Kamina und der deutschen Kolonialgeschichte. Heppeler ist Preisträger des Förderpreis der Stadt Konstanz und des Motion Picture 2.0 Award des ZKM Karlsruhe. Sein Theaterstück »Die ganze Hand« über das Leben und Sterben von Eugen Bolz wurde in der Inszenierung des Theater Lindenhof 2023 als bestes zeitgenössisches Drama für den Monica-Bleibtreu-Preis nominiert. »Dunkles Donautal« ist sein Debütroman.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
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Produkt

KlappentextEin brutaler Mord führt die junge Kommissarin Tilda Marder zurück in ihr Heimatdorf im Donautal. Die Leiche des 16-jährigen Peter wird an einem Aussichtspunkt gefunden, aus seinem Hals ragt ein schwarzes Kreuz. Schnell fällt der Verdacht auf Freunde des Opfers, drei Brüder, die Außenseiter im Dorf sind. Während ihrer Ermittlungen wird Tilda mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert. Ein Gefühlswirrwarr zwischen Weggehen und Ankommen, zwischen Dazugehören und sich fremd fühlen. Eine erste Spur führt Tilda zu einer heruntergekommenen Waldhütte - und einem weiteren Grab zwischen den Bäumen.

Jeremias Heppeler lebt und arbeitet als Künstler, Autor und Filmemacher in Fridingen an der Donau im Donautal. Für die Filmprojekte »Die Stadt der vergessenen Kinder« und »Dieter Meiers Rinderfarm« reiste er in die Mongolei und nach Argentinien. Zuletzt forschte er in Atakpamé in Togo zur Geschichte der Funkstation Kamina und der deutschen Kolonialgeschichte. Heppeler ist Preisträger des Förderpreis der Stadt Konstanz und des Motion Picture 2.0 Award des ZKM Karlsruhe. Sein Theaterstück »Die ganze Hand« über das Leben und Sterben von Eugen Bolz wurde in der Inszenierung des Theater Lindenhof 2023 als bestes zeitgenössisches Drama für den Monica-Bleibtreu-Preis nominiert. »Dunkles Donautal« ist sein Debütroman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783734930584
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum11.09.2024
Auflage2024
Reihen-Nr.1
SpracheDeutsch
Dateigrösse1962 Kbytes
Artikel-Nr.14440715
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Kapitel 1

Und plötzlich war ihr, als würde sie dem wahrhaftigen Teufel in die Augen blicken. Zwei rote Schlitze blitzten sie angriffslustig aus einer Schwärze heraus an, die alles zu verschlucken drohte. Es dauerte einige Sekunden, bis Tilda den ersten Schock abgeschüttelt und sich zurück in die Realität gekämpft hatte. Vor ihr auf dem schmalen Wanderweg lag eine riesige schwarze Kreuzotter, und es hätte nur ein kleiner Schritt, ein Stolpern gefehlt, und sie wäre auf die Schlange getreten. Und was wäre dann passiert? Biss? Allergischer Schock? Tod? Zwei Leichen. Keine Kommissarin.

Ihr Herz pochte so stark, dass sie jede Ader ihres Körpers spürte, und doch glitt ihre Hand vorsichtig in Richtung ihrer Hosentasche, wo sie ihr Smartphone greifen wollte, um die Schlange zu fotografieren. Ein Reflex. Zeichen der Zeit.

Ein solches Tier hatte sie nie zuvor gesehen. Schwarz wie Lack. Schwarz wie die Nacht selbst. Eine Höllenotter. So anders, so bedrohlich, so bildschön, als hätte die Urzeit sie ausgespuckt. Doch bereits ihre vorsichtige Bewegung reichte aus, um das scheue Tier zu verschrecken. Die Otter glitt ins wallende Gras, das ob der Fluchtbewegung hin und her schwang, sodass Tilda die sich entfernende Schlange noch einige Meter lang verfolgen konnte. Und wie das Tier und die Schwärze langsam aus ihrem Leben krochen, da fiel ihr ein Spruch ihrer Großmutter ein: »Der Teufel ist ein Eichhörnchen.«

Wie oft hatte sie diesen Satz gehört? Immer dann, wenn die Idylle ihrer Heimat aufbrach. Wenn ein 18-Jähriger nach dem Dorffest mit seinem Auto gegen einen Baum prallte. Wenn sich herausstellte, dass der nette Herr Nachbar mit den adrett gestutzten Rosenhecken in schöner Regelmäßigkeit seine Frau grün und blau und schwarz und rot und gold prügelte. Wenn ein Kind an Krebs starb, dessen Leben gerade erst begonnen hatte.

Überhaupt Idylle. Was war das für ein Wort? Scheißwort. Scheißidylle.

Und zugegebenermaßen passte der Spruch auf ihre Situation nicht wirklich, weil die Schlange ja keineswegs ein Eichhörnchen war. Soll heißen: Hätte sich der Teufel einen Repräsentanten unter allen Tieren des Waldes gesucht, dann wäre die Kreuzotter wohl sowieso der heißeste Anwärter gewesen. Der Name Höllenotter, wie man die schwarzen Schlangen im Volksmund nannte, kam ja nicht von ungefähr. Schwarze Engel.

Und da, siedend heiß, fiel ihr der eigentliche Grund wieder ein, warum sie zu dieser Unzeit an einem Donnerstagmorgen vor dem regulären Dienstbeginn über diese Wiese stapfte und ihr permanent Gedanken an den Teufel durch das Hirn jagten. Das Tier hatte sich wie eine fleischgewordene Metapher in dieses Panorama geschlängelt. Wie eine absurde Warnung.

Dreh um! Sofort! Solange du noch kannst ... aber ja, umdrehen ist in den meisten Fällen schwerer als einfach weiter geradeaus zu laufen.

An der horizontalen Kante des Hügels, den sie nun mit ihren typischen Stakkatoschritten hinaufstapfte, sah sie schon das flatternde Absperrband. Ein unnatürlicher Kontrast aus Rot und Weiß, der das saftige Grün des aufkeimenden Frühlings zerschnitt. Um das Band herum standen mehrere Gestalten, und je näher sie ihnen kam, desto klarer konnte sie die Silhouetten zuordnen. Da waren Thumler und Pantalic vom Kriminaldauerdienst, kurz KDD, beide lautstark, aufgeregt, ja aufgescheucht, mit dem Handy telefonierend. Daneben, im Aufbruch begriffen, zwei Sanitäter. Und da war ... Ach du Scheiße! Der hatte ihr gerade noch gefehlt.

»Oha, es braucht also einen Ritualmord, damit es das werte Frollein Marder mal wieder in die Heimat am Arsch der Heide verschlägt.«

Tilda biss sich auf die Unterlippe, eine Technik, die sie sich vor einiger Zeit angeeignet hatte, um nicht immer direkt das auszusprechen, was sie gerade dachte. Georg »Grantler-Schorsch« Pfeiffer war ein Dorfpolizist, wie man ihn sich nicht besser hätte ausdenken können. Schnurrbärtig. Übergewichtig. Nasale Stimme. Als sie 16 war, hatte er sie und ihre Freundin aufs Revier einbestellt, weil er den Verdacht hegte, dass ihre Clique ins Freibad eingebrochen war. Mit dem Verdacht hatte er natürlich goldrichtig gelegen. Aber sie hatten alle dichtgehalten. Pfeiffer war fuchsteufelswild geworden. So hatte sie ihn nie zuvor und auch nie danach gesehen. Doch dieser Hauch einer Unberechenbarkeit war längst verflogen. Heute wirkte er eher ... teigig. Wie ein Teddybär aus Kuchenteig.

»Ihr habt ja sonst nicht so viel zu bieten«, knurrte sie ihn an, und er antwortete ihr mit einem dröhnenden Lachen, dem schnell die Luft ausging. Erst jetzt bemerkte Tilda, dass Pfeiffer unfassbar bleich war. Viel bleicher als sonst.

»Schorsch, du siehst ehrlich gesagt nicht besonders gut aus.«

»Ne, passt schon. Es ist ein übler Anblick da oben. Übel, übel, übel, übel. Ich habe ja viel gesehen in den letzten 40 Jahren. Aber das ... Also das ... Das hätte nicht mehr sein müssen.«

Stimmt, Pfeiffer musste kurz vor der Pension stehen. Jahrzehntelang hatte er die Witze am Stammtisch geschluckt. Von wegen leicht verdientes Geld. Dorfsheriff. Faulenzer. Er hatte mitgelacht. Mitgemacht. In Wahrheit hatte er einiges erlebt. Den 18-Jährigen. Die Nachbarsfrau. Die feingliedrigen Risse in der Idylle.

»Wie lange musst du noch?«, fragte Tilda.

»Fast ein Jahr. Ich hab eigentlich gehofft, dass ich die letzten Monate ein wenig austrudeln kann.«

»Hast du das nicht schon das letzte Jahrzehnt so gemacht?«

Wieder dröhnte sein Lachen. Und wieder endete es abrupt, als hätte sich der massige Polizist bei einem unpassenden Gedanken erwischt.

»Vielleicht gehör ich zum alten Eisen, aber im Gegensatz zu euch Jungspunden kipp ich nicht gleich aus den Latschen, wenn ich vor einer Leiche stehe.« Er deutete mit einer ausladenden Geste nach links, wo etwa 20 Meter entfernt sein junger Kollege auf einem Stein kauerte. Ein Häufchen Elend. Als dieser ihre Blicke spürte, winkte er matt ab.

»Geht´s dir besser, Farouk?«, dröhnte nun Pfeiffer, und Spott und Mitleid schienen sich in seinem Satz aufzuwiegen.

»Kannst du mir vielleicht kurz schildern, was passiert ist?« Tilda wurde langsam ungeduldig. Neugier und Angst nagten im Gleichklang an ihr.

Pfeiffer sammelte sich und wischte sich einen dünnen Schweißfilm von der Stirn. »Der Anruf hat uns heute Morgen etwa um sechs erreicht. Die Gisi, du kennst doch die Gisi? Gisi Mohrbrunner. Also, die war heute Morgen mit zwei Damen vom selben Kaliber zum Frühsport unterwegs. Oder wie auch immer man das nennen soll, was die so treiben.«

Natürlich kannte sie Gisi. Jeder hier kannte Gisi, wie man eben jemanden wie Gisi kennt.

Aber wahrscheinlich kannte Tilda sie noch ein bisschen besser. Gisi war eine gute Freundin ihrer Mutter. Obwohl, den Satz musste man wohl um ein »gewesen« erweitern. Gisi und ihre Mutter waren gemeinsam hier im Donautal zunächst zu Dorfhippies und später zu Dorfpunks pubertiert und hatten sich danach langsam zu Altpunks transformiert. Tildas Mutter war glücklicherweise auf dieser Entwicklungsstufe stagniert - mit massiven Einsprengseln eines konservativen Familienlebens - während Gisi den Kreis folgerichtig als Althippie abschloss. Full Circle. Dieser merkwürdige Zustand hatte sie in den vergangenen Jahren in die merkwürdigsten Kreise getrieben, und während der Coronakrise war Gisi zur vermutlich lautesten Stimme der lokalen Querdenkerszene gereift.

»Jedenfalls haben die drei Weib... - entschuldige, ich meine die drei Frauen ... Sie haben dort oben auf dem Schmuckfelsenweg eine Leiche gefunden. Das klang am Telefon total an den Haaren herbeigezogen, doch die Gisi hat halt auch nicht nachgegeben. Ausnahmsweise zu Recht. Dann sind Farouk und ich hierher gefahren, aber wenn ich ehrlich bin, waren wir uns beide sicher, dass sie maximal einen Tierkadaver oder eine weggeworfene Vogelscheuche entdeckt hatten. Wir konnten ja nicht ... Ich mein, wer rechnet mit so was?«

Was war hier passiert? Welcher Schrecken lauerte hinter den Absperrbändern, die im Wind wie wild hin und her flatterten und rauschten? Was hatte diesen gestandenen Dorfpolizisten dermaßen aus der Spur gebracht?

»Zugegeben, als wir ... Also, als wir es mit eigenen Augen gesehen hatten, da wussten wir gar nicht genau, wen wir anrufen sollten. Das ist in meiner Dienstzeit erst der dritte Mord, der im Landkreis passiert. Da ändern sich doch ständig die Zuständigkeiten. Ich hab´s beim KDD und bei euch im Dezernat probiert. Und bei der Rettung, aus Reflex. Das war eher überflüssig.«

»Und die KDDler waren schneller da als ich?«

»Ja, richtig, die sind vor einer halben Stunde eingetrudelt, kurz nach dem Krankenwagen. Aus Singen, wenn ich es richtig verstanden habe. Die haben alles abgesichert und die Spurensicherung gerufen. Wir haben uns in der Zwischenzeit um die Wanderer gekümmert, die unbedingt auf die Felsen wollten.«

Hm, Menschen. Sie lernen es nie.

»Ich sprech mal kurz mit dem KDD, okay?« Tilda nickte Pfeiffer zu, was dieser augenscheinlich als eine Aufforderung zum Weitersprechen missverstand.

»Schon Wahnsinn, dass sich so eine kleine Unruhestifterin wie du bei uns um die Schwerstkriminalität kümmert. Ich werd nie vergessen, wie ihr damals ins Freiba...«

»Tja, Zeiten ändern dich, Pfeiffer«, schnitt ihm Tilda das Wort ab, und sie war sich sicher, dass er das Bushido-Zitat nicht verstanden hatte. Aber ja, irgendwie hatte er auch recht:

So verkorkst die vergangenen fünf Jahre privat gelaufen waren, so perfekt hatte sich ihre Karriere entwickelt.

Sie ließ Pfeiffer stehen, der...

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Jeremias Heppeler lebt und arbeitet als Künstler, Autor und Filmemacher in Fridingen an der Donau im Donautal. Für die Filmprojekte »Die Stadt der vergessenen Kinder« und »Dieter Meiers Rinderfarm« reiste er in die Mongolei und nach Argentinien. Zuletzt forschte er in Atakpamé in Togo zur Geschichte der Funkstation Kamina und der deutschen Kolonialgeschichte. Heppeler ist Preisträger des Förderpreis der Stadt Konstanz und des Motion Picture 2.0 Award des ZKM Karlsruhe. Sein Theaterstück »Die ganze Hand« über das Leben und Sterben von Eugen Bolz wurde in der Inszenierung des Theater Lindenhof 2023 als bestes zeitgenössisches Drama für den Monica-Bleibtreu-Preis nominiert. »Dunkles Donautal« ist sein Debütroman.