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Geschichte und Gegenwart der romanistischen Fachdidaktik und Lehrkräftebildung

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
548 Seiten
Deutsch
Narr Francke Attempto Verlagerschienen am29.04.20241. Auflage
Die Fachdidaktik hat sich in den letzten Jahrzehnten in der deutschsprachigen Romanistik als eigenständige Teildisziplin neben Linguistik, Literatur- und Kulturwissenschaft etablieren können. Die Fachgeschichte dieser Teildisziplin bleibt indes zu schreiben. Während die Geschichte des Fremdsprachenunterrichts selbst - die bis ins 19. Jhd. hinein ganz überwiegend eine Geschichte des Unterrichts der romanischen Sprachen, insbesondere des Französischen, war - bereits relativ gut erforscht ist, bestehen im Bereich der Erforschung der Geschichte der Lehrkräftebildung in den romanischen Sprachen und der Geschichte der akademischen Disziplin Fachdidaktik noch große Lücken. Diesen Desiderata möchte der vorliegende Band begegnen, indem er unterschiedliche Untersuchungen und Einzelfallstudien zur Geschichte der romanistischen Fachdidaktik und Lehrkräftebildung seit dem 19. Jhd. vereint.

Prof. Dr. Daniel Reimann ist Lehrstuhlinhaber / Ordinarius für Didaktik der romanischen Sprachen und Literaturen an der Humboldt-Universität zu Berlin.
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Produkt

KlappentextDie Fachdidaktik hat sich in den letzten Jahrzehnten in der deutschsprachigen Romanistik als eigenständige Teildisziplin neben Linguistik, Literatur- und Kulturwissenschaft etablieren können. Die Fachgeschichte dieser Teildisziplin bleibt indes zu schreiben. Während die Geschichte des Fremdsprachenunterrichts selbst - die bis ins 19. Jhd. hinein ganz überwiegend eine Geschichte des Unterrichts der romanischen Sprachen, insbesondere des Französischen, war - bereits relativ gut erforscht ist, bestehen im Bereich der Erforschung der Geschichte der Lehrkräftebildung in den romanischen Sprachen und der Geschichte der akademischen Disziplin Fachdidaktik noch große Lücken. Diesen Desiderata möchte der vorliegende Band begegnen, indem er unterschiedliche Untersuchungen und Einzelfallstudien zur Geschichte der romanistischen Fachdidaktik und Lehrkräftebildung seit dem 19. Jhd. vereint.

Prof. Dr. Daniel Reimann ist Lehrstuhlinhaber / Ordinarius für Didaktik der romanischen Sprachen und Literaturen an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Zur frühen Geschichte des Unterrichts der romanischen Sprachen im deutschsprachigen Raum



Französischlehr- und lernmethoden aus dem 14. und 18. Jahrhundert


Christine Michler


1 Beweggründe zum Erlernen von Fremdsprachen, insbesondere des Französischen


Sprachliche Kommunikation hat im sozialen Leben der Menschen ein essentielles Gewicht. Die Bandbreite des verbalen Austauschs reicht von Einwortsätzen für einen knappen Kontakt in bestimmten Situationen bis zu umfänglichen Satzkonstruktionen zur Erläuterung komplexer Zusammenhänge. Voraussetzung zur Bildung solcher Aussagen ist die Fähigkeit, nach festgelegten Regeln Satzgefüge bilden zu können. Zwischen Personen aus einer Sprachgemeinschaft ergeben sich normalerweise nur durch dialektal-âsemantische oder aussprachebedingte Varianten Verständigungsschwierigkeiten. Will man jedoch mit Angehörigen anderer Sprachgemeinschaften nicht nur mit isolierten lexikalischen Einheiten sprachlich kommunizieren, ist neben dem Wissen um soziale Regeln die Vertrautheit mit Strukturen und Wortbedeutungen der fremden Sprache erforderlich.

Eine bedeutsame Triebfeder für die Aneignung entsprechender Kenntnisse ist seit jeher das Bedürfnis nach gedanklichem Austausch über die unterschiedlichsten Themen, wobei nicht zuletzt der Wunsch von Geschäftsleuten nach direkten Handelsbeziehungen über Gebiets- und Sprachgrenzen hinweg eine zentrale Rolle einnimmt. Die wirtschaftliche Stärke eines Landes führt folgerichtig zusammen mit seinem politisch-âkulturellen Prestige zur Wertschätzung der Sprache, die dort hauptsächlich gesprochen wird.

Französischkenntnisse waren mindestens seit dem Mittelalter hoch angesehen. Die französische Literatur beeinflusste über die Grenzen der Nation hinaus die Literatur anderer Länder, wie u. a. zahlreiche Übersetzungen bzw. Adaptionen belegen (z. B. der Versromane des Chrestien de Troyes). Spätestens seit Ende des 30-jährigen Krieges 1648 war Frankreich in Europa eine enorme politisch-âwirtschaftliche Macht, so dass die Vertrautheit mit dem Französischen nicht nur für Handeltreibende weiter an Bedeutung gewann, sondern zum Beispiel auch für junge Adelige als Vorbereitung auf die Grand Tour von erheblichem Nutzen war. Da die flüssige Anwendung des Französischen das Renommee des Sprechers steigerte, waren außerdem Kleriker und das aufstrebende Bürgertum daran interessiert, sich in der Sprache unterhalten zu können, denn sie eröffnete den Zugang zu innovativen Ideen in vielen Bereichen (u. a. militärtechnisches Sachwissen) und brachte Vorteile z. B. für die Bekleidung höherer säkularer Ämter (vgl. Reinfried 2014: 11). Das Französische wurde alles in allem für den wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und merkantilen Austausch zur wichtigsten europäischen Fremdsprache (vgl. Michel 2006: 21) und löste ab dem 17./18. Jahrhundert endgültig das Lateinische als lingua franca ab.

Die Aneignung erfolgte und erfolgt immer noch vornehmlich auf zwei Wegen: direkt im fremden Land durch den ungesteuerten Erwerb (Immersion) oder durch das unterschiedlich intensiv gesteuerte Lernen durch Selbstlernmaterialien, durch Privatlehrer oder in einem schulischen Kontext (zur Entwicklung des Fremdsprachenlernen vgl. u. a. Kelly 1969; schwerpunktmäßig auf das Englische bezogen Klippel 1994).

Im Mittelalter war die Unterweisung in Fremdsprachen, d. h. namentlich des Lateinischen, hauptsächlich den Klöstern vorbehalten. Doch bald gab sich insbesondere das erstarkte Bürgertum damit nicht mehr zufrieden, so dass die Aufgabe in zunehmendem Maß auf weltliche Einrichtungen überging. In Deutschland existierte bereits im 17. Jahrhundert Französischunterricht in schulmäßig organisierter Form (Mannzmann 1983: 95), und spätestens im 16. und 17. Jahrhundert gab es für einen gezielten Sprachunterricht neben Grammatiken auch Lehrbücher, die pragmatisch-âfunktional konzipiert waren (vgl. Neuner 2004: 288).

Solche historischen Dokumente zum gesteuerten Lernen des Französischen illustrieren mit Einblicken in Methoden des Lehrens und Lernens die Geschichte des Unterrichts sowie Entwicklungslinien des Fremdsprachenlehrens und -lernens bzw. einer Fremdsprachendidaktik ante litteram. Überdies sind sie von sprachgeschichtlicher und kulturwissenschaftlicher Relevanz, da sie den Sprachstand und die Konversationskultur eines bestimmten Zeitraums veranschaulichen. Für die Untersuchung entsprechender Materialien besteht demnach erhebliches Erkenntnisinteresse.



2 Untersuchungskorpus


Die folgende Analyse fokussiert zwei unterschiedliche Methoden repräsentierende Lehrgänge für das Französische aus zwei Jahrhunderten:

 


Die in drei Fassungen (1396, 1399, 1415) überlieferten Manières de langage eines unbekannten Autors (Kristol 1995). Genutzt wurde der als Sammlung von lexikalischen Einheiten und Redewendungen angelegte Sprachkurs vorwiegend in England, wo ein großes Interesse am Französischen u. a. bei Handeltreibenden bestand (vgl. u. a. Critten 2015; 2019).


Die Grammatik des an der Universität Leipzig tätigen Lehrers der französischen Sprache Christian Lunckenbein (vgl. Jöcher 1813: 168). Die aus dem Jahr 1752 stammende Sprachlehre mit dem zeittypisch ausführlichen Titel Des neuen Versuchs, die Französische Sprache auf eine angenehme und gründliche Art in kurzer Zeit zu erlernen, vollständige Grammatik oder Sprachlehre, zum Gebrauch Academischer Lectionen auf acht Tabellen entworfen, auf eine neue Art eingerichtet, und mit den berühmten Französischen Briefen der Mademoiselle Babet, samt einem Deutsch-âFranzösischen Wörterbuch, nach Alphabetischer Ordnung vermehrt, durch Christian Lunckenbein, der Rechte Beflissenen ist einem systematischen, an grammatischen Gesichtspunkten ausgerichteten Vorgehen verpflichtet.



Untersuchungsschwerpunkte sind jeweils die im Dokument explizit festgelegten Zielsetzungen des Lehrgangs, Aufbau, Anpassung an die Zielgruppe, Auswahl, Schwerpunkte und Darbietung des Lehrstoffes sowie die Gewichtung der Fertigkeiten. In einer abschließenden Bewertung werden soweit möglich Bezüge zur heutigen Sprachvermittlung hergestellt.


2.1 Manières de langage

Da der Rahmen dieses Beitrags die Begutachtung aller drei Fassungen der Manières nicht zulässt, wird nur der Text von 1399 herangezogen - ein ausdrücklich an Kinder gerichtetes französisches Konversationshandbuch: Cy comence un petit livre pour enseigner les enfantz de leur entreparler comun françois.


2.1.1 Aufbau und Inhalt

Der Autor gliedert den Lehrgang in elf Abteilungen, die meist noch weiter unterteilt sind. Nicht alle Rubriken sprechen neue Themengebiete an, vielmehr werden einige Inhalte (z. B. le chemin, salutations) zyklisch mehrfach aufgegriffen.


Rubriken

Inhalt

1. Nominale

1. 1. L´annèe ecclèsiastique

 

Cy comence un petit livre pour enseigner les enfantz de leur entreparler comun françois. Pour ce sçachez primierement que le an est divisè en deux, c´est assçavoir le yver et la estè. Le yver a six mois et la estè atant, que vallent douse. Et ces sont ces: march, april et may sont le primier quarter de l´an; jun, julet et aoust sont le seconde quartier; septembre, octobre et novembre sont le troisiesme; decembre, janver et fevrer sont le quatriesme.

 

Et en chescun mois yl y a des bonnes festes, qar en march comence volentiers le Quaresme, començant par Quaresme prennant. Et luy ens est volentiers l´Anunciaçoun de Nostre Dame et Pasques fleuri et denaprès Pasques. Et april est la feste de mon seignur seint Ambroise evesque et docteur et de mon seignur saint George chivalier et martyr et de mon seignur saint Marc evangelistre. En may est la feste des mes seignurs saint Phelippe et saint Jaque apostres, et la Invencion de la Sainte Crois. Et volenters l´Ascencion de Nostre Sire et le Pentecouste et la feste de la benoite Trinitè. En jun est la feste de mon seignur saint Barnabè l´apostre et de mon seignur Jehan le Baptistre et des mes seignurs saint Pierre et saint Pol apostres. En julet est la feste de ma dame sainte Margarete vierge et martire et de ma dame sainte Marie Magdalene et de mon seignur saint Jaque apostre et de ma dame sainte Anne la mere a Nostre Dame. En aoust est la feste de mon seignur saint Lorens martir et de l´Assumpcion Nostre Dame, et de mon seignur saint Bartholomeu apostre. En septembre est la nativitè de Nostre Dame et l´Exaltacion de la Sainte Crois et la feste de mon seignur saint Mathieu apostre et evangelistre, et de mon seignur saint Michel archangre. En octobre est la feste de mon seignur saint Dienise et ses compaignons et de mon seignur saint Edward roy et confessour, et de mon seignur saint Luc evaungelistre et de mes seignurs saint Simon et saint Jude apostres. En novembre est la feste de Toutz Saintz et Toutez Saintez et de mon seignur saint Leonarde abbè et de mon seignur saint Martin evesque et confessour et de ma dame sainte Katerine vierge et martire et de mon seignur saint Andreu apostre. En decembre est la feste de mon...





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