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Der silberne Sinn

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
765 Seiten
Deutsch
SAGA Egmonterschienen am26.06.2024
Guyana in Südamerika. Die Anthropologin Yeremi Bellmann wird mit einer lebensgefährlichen Expedition durch den Dschungel betraut. Ihr Auftrag: Das sagenumwobene Silbervolk erforschen, das auf geheimnisvolle Weise auf Gedanken und Gefühle Einfluss nehmen kann. Dabei wird Yeremi mit dunklen Erinnerungen an ihre eigene Vergangenheit konfrontiert und schon bald erkennt sie, dass sie sich inmitten einer Verschwörung befindet, deren Rätsel nur sie lösen kann.

Ralf Isau wurde 1956 in Berlin-Tempelhof geboren. Nach einer kaufmännischen Ausbildung war er zunächst als Programmierer tätig, bevor er 1988 zur Schriftstellerei fand. Nach einem erfolgreichen Start im Bereich Kinder- und Jugendbuch wechselte Isau in das Erwachsenengenre. Er hat zahlreiche Fantasyromane veröffentlicht, die häufig mit historischen Fakten gespickt sind. Isau lebt mit seiner Frau in der Nähe von Ludwigsburg.
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Produkt

KlappentextGuyana in Südamerika. Die Anthropologin Yeremi Bellmann wird mit einer lebensgefährlichen Expedition durch den Dschungel betraut. Ihr Auftrag: Das sagenumwobene Silbervolk erforschen, das auf geheimnisvolle Weise auf Gedanken und Gefühle Einfluss nehmen kann. Dabei wird Yeremi mit dunklen Erinnerungen an ihre eigene Vergangenheit konfrontiert und schon bald erkennt sie, dass sie sich inmitten einer Verschwörung befindet, deren Rätsel nur sie lösen kann.

Ralf Isau wurde 1956 in Berlin-Tempelhof geboren. Nach einer kaufmännischen Ausbildung war er zunächst als Programmierer tätig, bevor er 1988 zur Schriftstellerei fand. Nach einem erfolgreichen Start im Bereich Kinder- und Jugendbuch wechselte Isau in das Erwachsenengenre. Er hat zahlreiche Fantasyromane veröffentlicht, die häufig mit historischen Fakten gespickt sind. Isau lebt mit seiner Frau in der Nähe von Ludwigsburg.
Details
Weitere ISBN/GTIN9788728390443
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum26.06.2024
Seiten765 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1536 Kbytes
Artikel-Nr.15611324
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



FLUCHTGEDANKEN



Jonestown (Guyana)

18. November 1978

10.42 Uhr


Der tropische Regen ließ endlich nach. Es war eine Atempause, mehr nicht. Ehe die letzten Tröpfchen zu Boden fallen konnten, raffte der brausende Wind sie zusammen. Dunkle Wolken vor sich hertreibend, machte er sich mit seiner Beute auf die Suche nach einem glücklicheren Ort als diese Hütten und Felder da unten: Dort breitete sich zwischen Verzückung und Hoffnung ein feuchter, stinkender Brodem der Verzweiflung und Todesangst aus. Nicht nur am Himmel standen die Zeichen auf Sturm. Insgeheim wünschten sich viele, wie der Wind aus Jonestown entfliehen zu können.

Jerry stapfte lustlos durch den Matsch. Ihre Mutter hatte sie in blauen Gummistiefeln und gelbem Regenparka vor die Tür geschickt, um etwas mit Vater bereden zu können; es gehe da um eine Überraschung ... Was immer die beiden ausheckten, es musste ziemlich aufregend sein. Jerry hörte ihre angespannten Stimmen aus dem kleinen, alles andere als schalldichten Holzhaus dringen, das sich hochtrabend Bellman Cottage nannte. Gerade verschaffte sich ihr Vater Luft.

»Du hättest zuerst mit mir reden müssen, bevor du dem Congressman eine derart brisante Nachricht zuspielst.«

Jerry spitzte die Ohren. Die Antwort ihrer Mutter klang leiser, weniger vorwurfsvoll, dafür überrascht. »Aber wir waren uns doch einig, von hier fortzugehen, eher früher als zu spät. Jonestown ist nicht das Paradies auf Erden, sondern bestenfalls eine hübsch dekorierte Hölle - waren das nicht deine Worte, Lars? Wenn es nur um uns und unsere zerplatzten Träume ginge ... Aber wir müssen an Jerry denken!«

»Als wenn ich das nicht ständig täte! Ihre Zukunft liegt mir ...«

»Du redest von Zukunft?«, begehrte Rachel Bellman zornig auf. Jerry entging nicht der verzweifelte Unterton in der Stimme ihrer Mutter. »Muss ich dich erst an die Weißen Nächte erinnern? An die Übungen mit den angeblich vergifteten Getränken? Lars, der Reverend ist krank. Sein ganzer Körper zittert, wenn er nicht rechtzeitig seine Drogen bekommt. Und was seinen Verstand anbelangt ... Er spricht ständig von revolutionärem Selbstmord. Mein Kind soll nicht im Dunstkreis eines Mannes aufwachsen, dessen Steckenpferd der Tod ist.«

Jerry rückte näher an die Hütte heran. Mit ihren fünf Jahren begriff sie zwar nur wenig von dem, was da drinnen gesagt wurde, aber dafür spürte sie umso intensiver die heftigen Gefühle ihrer Eltern. Die Stimme des Vaters klang einsichtig, beruhigend, doch auch besorgt.

»Du hast ja Recht, Rachel. Wir werden von hier fortgehen, das habe ich dir versprochen. Aber vergiss bitte unsere Stellung in der Kirche nicht. Wir gehören dem inneren Kreis an. Ist dir klar, was es bedeuten würde, wenn wir zusammen mit Leo Ryan von hier fortgingen? Dieser Mann gehört dem Repräsentantenhaus des Kongresses an. Er genießt die Aufmerksamkeit der Medien. Du hast gestern Abend selbst gesehen, wie viele Nachrichtenleute er im Schlepptau hat. Vom San Francisco Examiner waren auch zwei dabei - an den Schmutz, den das Blatt in den letzten fünf, sechs Jahren über dem Tempel ausgeschüttet hat, muss ich dich ja wohl nicht erst erinnern. Und dann die nbc -Crew. Gleich vier Mann! Diese Meute wartet doch nur auf so eine Sensation. Ich bin ihrem Kameramann gestern vor dem Pavillon in die Arme gelaufen, während drinnen unsere Rockband spielte. Er heißt Robert Brown, eigentlich ein ganz sympathischer Kerl. Aber ich sage dir, er würde keinen Augenblick zögern, jeden unserer Schritte von hier bis nach San Francisco zu filmen. Diese Leute wissen gar nicht, was Privatsphäre ist. Für eine Topnachricht würden sie über Leichen gehen.«

»Es muss ja nicht gleich zum Schlimmsten kommen, Lars.«

»Bis du dir sicher? Was, denkst du, würde passieren, wenn wir heute in Ryans Flugzeug stiegen? Ich kann es dir sagen. Dieser Don Harris wird vor die Kamera treten und der Welt verkünden, Reverend Jim Jones liefen seine engsten Vertrauten weg.«

»Das wäre schlimm. Der Reverend leidet noch unter dem Schock vom Frühjahr, als Debbie Blakeley uns verlassen hat ...«

Das plötzliche Schweigen der Mutter war mit verwirrenden Emotionen aufgeladen, die Jerry schaudern ließen. Das Kind spürte die Beklommenheit im Bellman Cottage wie einen kalten Nebel. Hatte es etwas angestellt, das den Eltern solche Sorgen bereitete? Nach einer Weile hörte es wieder seinen Vater sprechen, leise und undeutlich.

»Jetzt verstehst du, was ich meine, Rachel. Die stundenlangen Hasstiraden sind nicht das Schlimmste. Wenn der Reverend alles und jeden als faschistisch abstempeln will - die Vereinigten Staaten, Congressman Ryan und was weiß ich, wen noch-, dann soll er´s eben tun. Das geht vorüber. Er wird auch uns zu Verrätern erklären, sobald wir von hier fort sind. Auch damit können wir leben, Schatz. Was mir schlaflose Nächte bereitet, ist etwas ganz anderes. Jim Jones sät unablässig Furcht in die Herzen unserer Brüder und Schwestern.«

»Mir läuft es jetzt noch kalt den Rücken runter, Wenn ich an seine Drohung neulich denke: Jeden gefassten Abtrünnigen will er als Menschenstew an uns verfüttern.«

»Nicht nur das. Er prophezeit uns ein Mordkomplott des cia . Während der Weißen Nacht vor zwei Tagen hat er sich sogar zu der absurden Behauptung verstiegen, Leo Ryan - einer der lautesten Kritiker des Auslandsgeheimdienstes! - führe diese Verschwörung persönlich an. Um unser Blut zu trinken, seien diese Besorgten Angehörigen in seinem Gefolge nach Jonestown gekommen. Verstehst du, warum ich in einer solchen Atmosphäre der Angst einen offenen Eklat vermeiden will, Rachel? Wenn Jim Jones vor der Weltöffentlichkeit sein Gesicht verliert, dann könnte er tatsächlich vergifteten Saft austeilen, und womöglich werden unsere Freunde ihn auch trinken.«

»Aber wie soll er so etwas anstellen? Man benötigt dazu hochtoxische Stoffe. Solches Zeug hätte mir in der Klinik doch irgendwann auffallen müssen. Zugegeben, manchmal scheint mir Doktor Schacht mit Substanzen zu experimentieren, deren therapeutischen Nutzen ich nicht erkennen kann; vielleicht sind es nur Placebos. Er hat mich sogar schon einmal zur Schnecke gemacht, weil ich ihn wegen der allzu großzügigen Verabreichung von Valium und Librium zu kritisieren wagte. Aber dabei ging es um sedative Hypnotika, Lars, leichte Beruhigungsmittel. Es gibt bei weitem nicht genug davon, um ganz Jonestown zu vergiften.«

»Ich habe neulich mit Harold Cordell gesprochen. Jemand aus der Schweinezucht hat ihm von einer größeren Lieferung erzählt, die vor einigen Wochen im Lagerschuppen versteckt worden ist. In den Behältern soll sich Zyankali befinden.«

»Kaliumzyanid? Bist du sicher, der Mann hat wirklich Blausäuresalz gesehen?«

»Auf dem Etikett sollen die Buchstaben kcn gestanden haben.«

»Dann ist es Zyankali. Ich fass es nicht! Das ist doch ...«

»Hochgradig giftig. Ich weiß.« Die Stimme von Jerrys Vater wurde plötzlich sehr leise. »Wir sitzen auf einem Pulverfass, Rachel, und ich will nicht derjenige sein, der die Lunte ansteckt. Wir müssen unter allen Umständen eine öffentliche Bloßstellung des Reverend vermeiden. Oder könntest du mit dem Gedanken leben, am Tod von eintausendzweihundert Menschen schuld zu sein?«

Jerrys Ohr saugte sich förmlich an die äußere Hüttenwand, aber alles, was sie hierauf vernahm, war Stille. Erst nach einer Weile drang ein herzerweichendes Schluchzen zu ihr nach draußen. »Nein«, hörte sie ihre Mutter sagen, »nein, natürlich nicht. Aber irgendwie müssen wir diesem Wahnsinn doch ein Ende setzen, Lars! Vielleicht kann der Congressman wenigstens Jerry in Sicherheit bringen.«

»Jerry allein ...? Lass uns nichts überstürzen, Schatz. Und hab keine Angst. Mir wird schon etwas einfallen.«

Nun trat eine noch längere Pause ein, die Jerrys noch wenig entwickelte Geduld über Gebühr strapazierte. Ihre Mutter hatte sie zum Spielen nach draußen geschickt und erklärt, sie solle dort bleiben, bis sie gerufen werde. Aber da rief niemand. Nur leises Weinen war aus der Hütte zu hören, ab und zu begleitet von dem beruhigenden Gemurmel des Vaters. Wenn ein Mensch litt, fühlte Jerry immer das zwanghafte Bedürfnis, den Gepeinigten zu trösten. Aber jetzt war ihr dies verboten. Wie übel riechende Ausdünstungen quollen Furcht und Sorge aus den Ritzen der Hütte, und Jerry konnte nichts dagegen tun. Bald wurde ihr der beißende Gestank unerträglich, und sie lief patschend davon.
...
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