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Geschichte des Westens

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
1344 Seiten
Deutsch
Beck C. H.erschienen am29.08.20165. Auflage
Der Westen - seit dem Zeitalter der Entdeckungen ist er gleichsam das welthistorische Maß aller Dinge. Er hat fremde Reiche erobert und ganze Kontinente unterworfen, die Erde bis in ihre entlegensten Winkel erschlossen, die Naturwissenschaften und die moderne Technik hervorgebracht, die Menschen- und Bürgerrechte, die Herrschaft des Rechts und die Demokratie erfunden. Aber er hat auch oft genug seine Werte verraten, Freiheit gepredigt und Habgier gemeint und mit dem Kapitalismus eine Ökonomisierung aller Lebensverhältnisse entfesselt, die bis heute die Menschheit in Atem hält. In einem grandiosen Panorama erzählt Heinrich August Winkler zum erstenmal überhaupt die Geschichte des Westens - und damit auch die Geschichte unserer eigenen Identität. 'Eine Geschichte der westlichen Welt, wie sie hier präsentiert wird, gab es bislang nicht.' Volker Ullrich, Deutschlandfunk 'Dem Berliner Historiker ist mit der 'Geschichte des Westens' ein unzeitgemäßes Meisterwerk gelungen.' Jürgen Osterhammel, Rheinischer Merkur

Heinrich August Winkler, geb. 1938 in Königsberg, studierte Geschichte, Philosophie und öffentliches Recht in Tübingen, Münster und Heidelberg. Er habilitierte sich 1970 in Berlin an der Freien Universität und war zunächst dort, danach von 1972 bis 1991 Professor in Freiburg. Seit 1991 war er bis zu seiner Emeritierung Professor für Neueste Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin.
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BuchGebunden
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Produkt

KlappentextDer Westen - seit dem Zeitalter der Entdeckungen ist er gleichsam das welthistorische Maß aller Dinge. Er hat fremde Reiche erobert und ganze Kontinente unterworfen, die Erde bis in ihre entlegensten Winkel erschlossen, die Naturwissenschaften und die moderne Technik hervorgebracht, die Menschen- und Bürgerrechte, die Herrschaft des Rechts und die Demokratie erfunden. Aber er hat auch oft genug seine Werte verraten, Freiheit gepredigt und Habgier gemeint und mit dem Kapitalismus eine Ökonomisierung aller Lebensverhältnisse entfesselt, die bis heute die Menschheit in Atem hält. In einem grandiosen Panorama erzählt Heinrich August Winkler zum erstenmal überhaupt die Geschichte des Westens - und damit auch die Geschichte unserer eigenen Identität. 'Eine Geschichte der westlichen Welt, wie sie hier präsentiert wird, gab es bislang nicht.' Volker Ullrich, Deutschlandfunk 'Dem Berliner Historiker ist mit der 'Geschichte des Westens' ein unzeitgemäßes Meisterwerk gelungen.' Jürgen Osterhammel, Rheinischer Merkur

Heinrich August Winkler, geb. 1938 in Königsberg, studierte Geschichte, Philosophie und öffentliches Recht in Tübingen, Münster und Heidelberg. Er habilitierte sich 1970 in Berlin an der Freien Universität und war zunächst dort, danach von 1972 bis 1991 Professor in Freiburg. Seit 1991 war er bis zu seiner Emeritierung Professor für Neueste Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783406615658
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum29.08.2016
Auflage5. Auflage
Seiten1344 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1045543
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
1;Cover;1
2;Titel;2
3;Zum Buch;3
4;Über den Autor;3
5;Impressum;4
6;Widmung;5
7;Inhalt;7
8;Vorbemerkung;13
9;Einleitung;17
10;1. Die Entstehung des Westens: Prägungen eines Weltteils;25
10.1;Monotheismus als Kulturrevolution: Der östliche Ursprung des Westens;25
10.2;Das frühe Christentum: Ein religiöser Schmelztiegel;30
10.3;Ein Gott, ein Kaiser;35
10.4;Zwei Kaiser, ein Papst;40
10.5;Translatio imperii: Der Reichsmythos;46
10.6;Christianisierung und Kreuzzüge;47
10.7;Geistliche versus weltliche Gewalt: Die Papstrevolution und ihre Folgen;52
10.8;«Stadtluft macht frei»: Die Entstehung des Bürgertums;61
10.9;Feudalismus und beginnende Nationalstaatsbildung: Der Geist des Dualismus;64
10.10;Verhinderte Weltherrschaft: Krise und Niedergang des Reiches;72
10.11;Individualität versus Institution: Beginnende Selbstsäkularisierung des Christentums;75
10.12;Im Zeichen des Schismas: Der Verfall der kirchlichen Einheit;78
10.13;Europa im Umbruch (I): Binnen- und Außengrenzen des Okzidents;83
10.14;Europa im Umbruch (II): Renaissance und Humanismus;93
10.15;Judenverfolgung und Hexenverbrennungen: Die Widersprüche der spätmittelalterlichen Gesellschaft;104
11;2. Der alte und der neue Westen: Von Wittenberg nach Washington;111
11.1;Luthertum und Calvinismus: Das neue Staatskirchentum;111
11.2;Dreißigjähriger Krieg und europäischer Friede;119
11.3;Nachdenken über den Staat: Vom Humanismus zu Hobbes;126
11.4;Von der puritanischen Revolution zur Glorious Revolution;142
11.5;Der Absolutismus und seine Grenzen;154
11.6;Hegemonie und Gleichgewicht nach 1648;157
11.7;Gewaltenteilung und allgemeiner Wille: Von Locke zu Rousseau;175
11.8;Kritik des Bestehenden: Die Aufklärung und ihre Grenzen;226
11.9;Aufgeklärter Absolutismus: Anspruch und Wirkung;235
11.10;Absolutismus in der Krise: Frankreichs Weg in die Revolution;244
11.11;Wirtschaftliche Umwälzung: Die Industrielle Revolution in England;254
11.12;Politische Umwälzung: Die Amerikanische Revolution;259
11.13;Europa am Vorabend der Französischen Revolution;310
12;3. Revolution und Expansion: 1789-1850;315
12.1;1789: Das Ende des Ancien régime und der Beginn der Französischen Revolution;315
12.2;Radikalisierung (I): Von der konstitutionellen Monarchie zur Republik;322
12.3;Gespaltenes Echo: Die Rezeption der Revolution in Deutschland und England;338
12.4;Radikalisierung (II): Die Revolution zwischen Krieg und Schreckensherrschaft;350
12.5;Prekäre Stabilisierung: Thermidor und Direktorium;367
12.6;Vom Ersten Konsul zum Kaiser: Napoleon Bonaparte;374
12.7;Das Grand Empire und das Ende des Alten Reiches;385
12.8;Lernen aus der Niederlage: Die preußischen Reformen;393
12.9;Fichte, Jahn, Arndt: Die Entstehung des deutschen Nationalismus;398
12.10;Großbritannien, die USA und die Kontinentalsperre;408
12.11;Napoleon im Niedergang: Von der spanischen «guerilla» zum Rußlandkrieg;412
12.12;Vom Tauroggen bis Elba: Napoleons erster Sturz;420
12.13;Die «Charte» und die «Hundert Tage»: Napoleons endgültiger Sturz;425
12.14;Konservative, Liberale, Sozialisten: Die nachrevolutionäre Ideenwelt;431
12.15;Rückkehr zum Gleichgewicht: Der Wiener Kongreß;443
12.16;Unterdrückung und Wandel: Die großen Mächte nach 1815;451
12.17;Revolutionen im Mittelmeerraum: Spanien, Portugal, Italien, Griechenland;469
12.18;Die Befreiung Lateinamerikas;484
12.19;Großmacht USA: Von Monroe bis Jackson;492
12.20;Tocqueville in Amerika: Das Zeitalter der Gleichheit;502
12.21;Die französische Julirevolution von 1830;508
12.22;Folgerevolutionen: Europa in den frühen 1830er Jahren;515
12.23;Reform statt Revolution: Großbritannien 1830-1847;530
12.24;Wandel in Preußen: Zollverein und Thronwechsel;539
12.25;Orient und Rhein: Die Doppelkrise von 1840;542
12.26;Hungry fourties: Die Entstehung des Marxismus;545
12.27;Europa am Vorabend der Revolution von 1848;552
12.28;Das Ende der Julimonarchie;560
12.29;Die Märzrevolutionen in Deutschland;570
12.30;Revolution und Konterrevolution im östlichen Mitteleuropa;580
12.31;Die Revolution in Italien;591
12.32;Ordnung vor Freiheit: Frankreichs Zweite Republik bis zum Frühjahr 1849;595
12.33;Weder Einheit noch Freiheit: Die deutsche Revolution von 1848/49;606
12.34;Die Niederwerfung der Revolutionen in Italien und Ungarn;628
12.35;Wandel ohne Revolution: Nord- und Nordwesteuropa;634
12.36;Verselbständigung der Exekutivgewalt: Frankreich auf dem Weg ins Zweite Kaiserreich;640
12.37;Von Erfurt nach Olmütz: Preußens gescheiterte Unionspolitik;647
12.38;Rückblick auf die Revolution (I): Deutschland;654
12.39;Rückblick auf die Revolution (II): Europa;660
12.40;Wandernde Grenzen: Die Westexpansion Amerikas im internationalen Vergleich;672
13;4. Nationalstaaten und Imperien: 1850-1914;687
13.1;Materialismus versus Idealismus: Die geistige Wende in der Mitte des 19. Jahrhunderts;687
13.2;West versus Ost: Der Krimkrieg und die Folgen;690
13.3;Der Westen in Asien: Indien, China, Japan;699
13.4;Von der Reaktionszeit zur «Neuen Ära»: Der Regimewechsel in Preußen;710
13.5;Ein Nationalstaat entsteht: Die Einigung Italiens;714
13.6;Kursänderungen: Die deutschen Großmächte 1859-1862;725
13.7;Reform und Expansion: Rußland unter Alexander II;733
13.8;Sezession: Der amerikanische Bürgerkrieg;740
13.9;Revolution von oben: Das Ende des deutschen Dualismus;757
13.10;Bonapartismus in der Krise: Frankreichs Zweites Kaiserreich 1866-1870;781
13.11;Anpassung durch Reform: England in den 1860er Jahren;789
13.12;Vom Norddeutschen Bund zur Reichsgründung: Deutschland 1867-1871;798
13.13;Nach der Niederlage: Die Anfänge der Dritten Republik in Frankreich;817
13.14;Kulturkampf: Staat und Kirche im Widerstreit;825
13.15;Ein gespaltener Nationalstaat: Italien nach der Einigung;829
13.16;Kampf den Reichsfeinden: Deutschland nach der Reichsgründung;833
13.17;Der Alpdruck der Koalitionen: Bismarcks Europa;852
13.18;Imperialismus (I): Von Disraeli zu Gladstone;860
13.19;Imperialismus (II): Die Aufteilung Afrikas;873
13.20;Befestigungsversuche: Deutschland in den 1880er Jahren;895
13.21;Die opportunistische Republik: Frankreich zwischen Reform und Krise;906
13.22;Rechtsruck und Anarchismus: Das Italien der Ära Crispi;913
13.23;Reaktion, Radikalismus, Revolution: Rußland 1881-1906;919
13.24;Pionierland der Moderne: Amerika vor und nach der Jahrhundertwende;939
13.25;Transnationale Moderne: Die Ungleichzeitigkeit des Fortschritts (I);983
13.26;Zerreißproben: Die innere Entwicklung der Donaumonarchie;1017
13.27;Der Fluch des Epigonentums: Das wilhelminische Deutschland 1890-1909;1029
13.28;Abschied von der «splendid isolation»: Großbritannien 1886-1914;1049
13.29;Die radikale Republik: Frankreich zwischen Antisemitismus und Laizismus;1069
13.30;Demokratisierung und Expansion: Italien in der Ära Giolitti;1099
13.31;Von Barcelona bis Basel: Die Ungleichzeitigkeit des Fortschritts (II);1111
13.32;Repression und Avantgarde: Rußland 1906-1914;1131
13.33;Krieg als Krisenlösung? Das wilhelminische Deutschland 1909-1914;1148
13.34;Sarajewo und die Folgen: Von der Julikrise zum Ersten Weltkrieg;1163
14;Der Westen zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Rückblick und Ausblick;1189
15;Anhang;1201
15.1;Abkürzungsverzeichnis;1203
15.2;Anmerkungen;1205
15.3;Personenregister;1287
15.4;Ortsregister;1323
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Leseprobe
1. Die Entstehung des Westens: Prägungen eines Weltteils
Monotheismus als Kulturrevolution: Der östliche Ursprung des Westens

Am Anfang war ein Glaube: der Glaube an einen Gott. Zur Entstehung des Westens war mehr erforderlich als der Monotheismus, aber ohne ihn ist der Westen nicht zu erklären. Der westliche Monotheismus ist östlichen Ursprungs. Er ist das Ergebnis einer Kulturrevolution, die sich im Ägypten des 14. Jahrhunderts vor Christus unter dem König Amenophis IV. vollzog. Amenophis, der Gemahl der Nofretete, erhob den Sonnengott Aton zum alleinigen Gott und nannte sich selbst Echnaton, was so viel wie «dem Aton wohlgefällig» bedeutet.

Der ägyptische Monotheismus blieb eine Episode. Er wurde von Echnatons Gegnern, obenan den einflußreichen Priestern des Gottes Amun, unterdrückt und aus der Erinnerung gelöscht, also im psychologischen Sinn des Wortes «verdrängt». Dennoch hatte er weltgeschichtliche Wirkungen: in Gestalt der mosaischen Religion. Ob es Moses als historische Figur überhaupt gegeben hat und, wenn ja, ob er ein vornehmer Ägypter oder ein israelischer Gefolgsmann Echnatons war, das ist in der Forschung so umstritten wie alles, was in der Bibel über die ägyptische Gefangenschaft der Israeliten und ihren Exodus ins gelobte Land zu lesen steht. Als sicher darf nur gelten, daß der jüdische Monotheismus eine Metamorphose des ägyptischen, der Aton-Religion, ist. Die Suche nach den Ursprüngen des Okzidents hat uns also in den Orient geführt, und wir werden noch mehrfach dorthin zurückkehren müssen, wenn wir das Werden des Westens erklären wollen.[1]

In Ägypten war der Versuch, die Vielgötterei durch den Glauben an einen Gott zu ersetzen, politische Theologie im strikten Sinn des Begriffs: Der Monotheismus sollte der Festigung eines multinationalen Reiches dienen, war also als Mittel der Herrschaftssicherung gedacht. Der Begriff «politische Theologie» ist durch den deutschen Staatsrechtler Carl Schmitt zum geflügelten Wort geworden. «Alle prägnanten Begriffe der modernen Staatslehre sind säkularisierte theologische Begriffe», lautet die Kernthese seiner 1922 erschienenen Schrift «Politische Theologie». Der Autor verweist auf die Umwandlung des allmächtigen Gottes in den omnipotenten Gesetzgeber im Zeitalter des Absolutismus und stellt fest, für die Jurisprudenz habe der Ausnahmezustand eine analoge Bedeutung wie das Wunder für die Theologie. Die Idee des modernen Rechtsstaates hat sich, so Schmitt, mit dem Deismus entwickelt - jener aufklärerischen Religionsauffassung, die in Gott den Urgrund der Welt sieht, seinen Einfluß auf dieselbe aber mit der Schöpfung enden läßt und jede Art von göttlicher Offenbarung leugnet. So wie der Deismus das Wunder aus der Welt verweist, weil es die Naturgesetze durchbricht, so lehnt die Staatslehre der Aufklärung den unmittelbaren Eingriff des Souveräns in die geltende Rechtsordnung ab. Umgekehrt sind die konservativen Schriftsteller der Gegenrevolution im 19. Jahrhundert nicht zufällig überzeugte Theisten, also Anhänger des Glaubens an einen persönlichen und überweltlichen, die Weltläufte bestimmenden Gott. Sie brauchen diesen Glauben schon deshalb, weil ihnen daran liegt, durch einen Analogieschluß von Gott auf den König die persönliche Souveränität des Monarchen ideologisch zu stützen.[2]

Als Gegenposition zu Carl Schmitt erscheint auf den ersten Blick die These des Ägyptologen Jan Assmann: «Alle prägnanten Begriffe - vielleicht sagen wir lieber bescheidener: einige zentrale Begriffe - der Theologie sind theologisierte politische Begriffe». So wie Schmitt den Prozeß der Säkularisierung zentraler theologischer Begriffe nachweisen wollte, will Assmann in seiner Studie «Herrschaft und Heil. Politische Theologie in Altägypten, Israel und Europa» das Theologischwerden zentraler politischer Begriffe herausarbeiten. Den krassesten Fall einer Umbesetzung ursprünglich politischer Modelle und Begriffe bildet für ihn die alttestamentliche Bundestheologie. «Hier werden die politischen Modelle des Staatsvertrages und der Treueidverpflichtung zur Grundlage einer Theologie gemacht, die das Thema der Weltzuwendung Gottes in eindeutig politischen Formen darstellt und das Thema der politischen Ordnung in geradezu radikaler Weise theologisiert. Diese Theologisierung des Politischen hat die damalige Welt ebenso fundamental revolutioniert wie in der Neuzeit die Säkularisierung des Theologischen.»[3]

Tatsächlich hatte schon Schmitt angedeutet, daß Säkularisierung und Theologisierung zwei Seiten einer Medaille oder, anders gewendet, dialektisch aufeinander bezogene Vorgänge sind: «Das metaphysische Bild, das sich ein bestimmtes Zeitalter von der Welt macht, hat dieselbe Struktur wie das, was ihr als Form ihrer politischen Organisation ohne weiteres einleuchtet.»[4] Und Assmann betont seinerseits, seine Perspektive kehre die Schmittsche These nicht einfach um, sondern erweitere sie um ihre Vorgeschichte. Diese Vorgeschichte beginnt in Ägypten und setzt sich in Israel fort: Der jüdische Monotheismus ist für Assmann die «erste reflexiv gewordene und sich über andere Religionen kritisch erhebende Form der wahren Gottesverehrung».[5]

Wie für die Ägypter war der Monotheismus auch für die alten Israeliten eine politische Theologie. Der Glaube an einen Gott, dessen auserwähltes Volk sie waren, half ihnen, den Zusammenhalt auch in Zeiten des Reichszerfalls, der staatlichen Zersplitterung, der Verfolgung, der Vertreibung und der Fremdherrschaft zu wahren. Sigmund Freud hat in Moses, dem Ägypter, sogar den Schöpfer des jüdischen Volkes und in seiner Lehre von der Auserwählung Israels den Ursprung der Judenfeindschaft gesehen: «Ich wage die Behauptung, daß die Eifersucht auf das Volk, welches sich für das erstgeborene, bevorzugte Kind Gottvaters ausgab, bei den anderen heute noch nicht überwunden ist, so als ob sie dem Anspruch Glauben geschenkt hätten.»[6]

Freuds ägyptischer Moses ist Volks- und Religionsschöpfer in einem und wird eben dadurch zu einem Kulturrevolutionär. Er hat zunächst einem Teil des jüdischen Volkes «eine höher vergeistigte Gottesvorstellung gegeben, die Idee einer einzigen, die ganze Welt umfassenden Gottheit, die nicht minder alliebend war als allmächtig, die, allem Zeremoniell und Zauber abhold, den Menschen ein Leben in Wahrheit und Gerechtigkeit zum höchsten Ziel setzte». Moses von Echnaton übernommenes Verbot, sich ein Bild von Gott zu machen, bedeutete eine «Zurücksetzung der sinnlichen Wahrnehmung gegen eine abstrakt zu nennende Vorstellung, einen Triumph der Geistigkeit über die Sinnlichkeit, streng genommen einen Triebverzicht mit seinen psychologisch notwendigen Folgen». Die «Entmaterialisierung Gottes» bewirkt eine «außerordentliche Steigerung der intellektuellen Fähigkeiten» und die Herausbildung einer ethischen Religion der Triebverzichte. «Nicht daß sie sexuelle Abstinenz fordern würde, sie begnügt sich mit einer merklichen Einengung der sexuellen Freiheit. Aber Gott wird der Sexualität völlig entrückt und zum Ideal ethischer Vollkommenheit erhoben. Ethik aber ist Triebbeschränkung.»[7]

Monotheismus als Kulturfortschritt, ja als Kulturrevolution: Es gibt Autoren, die dieser These widersprechen. Für Assmann hat die monotheistische Gegenreligion des Echnaton die «mosaische Unterscheidung», die Unterscheidung zwischen wahr und falsch, vorweggenommen und damit den «Haß der Ausgegrenzten» auf sich gezogen. «Seitdem ist dieser Haß in der Welt und kann nur im Rückgang auf seine Ursprünge überwunden werden.»[8] Der Monotheismus als Gegenreligion des Hasses, der antike, von Ägypten ausgehende Kosmotheismus, für den Gott und Welt im letzten eines sind, als «Grundlage für Toleranz und interkulturelle Übersetzung»: Assmann macht sich eine Deutung zu eigen, die sich bis auf Spinoza und einige Autoren der Aufklärung zurückverfolgen läßt.[9] Steht der Monotheismus also am Beginn einer weltgeschichtlichen Fehlentwicklung?

Unduldsamkeit gegenüber anderen Göttern, die nur noch Götzen sein konnten, und gegenüber jeder Art von Götzendienst war die Bedingung der Möglichkeit dafür, daß sich der mosaische Monotheismus historisch durchsetzen konnte. Der Gott Moses war die theologische Antwort auf die Frage nach dem Schöpfer der Welt und dem Verhältnis des Menschen zu ihm - eine Frage, der mit polytheistischen Mythen rational nicht beizukommen war. Der jüdische Monotheismus bedeutete also in der Tat einen gewaltigen Schub in Richtung Rationalisierung, Zivilisierung und Intellektualisierung.

Da Moses Gott der unmittelbare Urheber der Zehn Gebote und aller anderen auf Moses zurückgeführten biblischen Vorschriften, mithin des gesamten Rechts, war, ließ sich das Wohlergehen seines auserwählten Volkes fortan damit erklären, daß dieses seinen Anweisungen folgte. Wenn es wider seinen Herrn sündigte oder gar in den Götzendienst zurückfiel, brach es den mit Gott...
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Autor

Heinrich August Winkler, geb. 1938 in Königsberg, studierte Geschichte, Philosophie und öffentliches Recht in Tübingen, Münster und Heidelberg. Er habilitierte sich 1970 in Berlin an der Freien Universität und war zunächst dort, danach von 1972 bis 1991 Professor in Freiburg. Seit 1991 war er bis zu seiner Emeritierung Professor für Neueste Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin.