Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Mozarts letzte Arie

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
318 Seiten
Deutsch
Beck C. H.erschienen am02.03.20121. Auflage
Wien 1791. Vor sechs Wochen hat Wolfgang Amadeus Mozart den Verdacht geäußert, vergiftet worden zu sein. Nun, am 5.Dezember, ist er tot, Diagnose: «hitziges Frieselfieber». Fast vierzig Jahre später überreicht seine Schwester «Nannerl» ihrem Neffen Franz Xaver, Mozarts Sohn, das Tagebuch einer Reise nach Wien kurz nach Mozarts Tod. Es erzählt die Geschichte ihrer Suche nach der Wahrheit, die sie in die Salons des Wiener Hochadels, in Geheimlogen und Konzertsäle, Palais und Opernsäle führt und mit den Komplotten österreichischer und preußischer Geheimdienste konfrontiert. Im Zentrum steht Mozarts letzte Oper «Die Zauberflöte», die den Schlüssel für das Geheimnis um Mozarts Tod enthalten mag. Ein spannend geschriebener, atmosphärisch dichter Krimi um Verbrechen, Wahrheit und Lüge, Sehnsucht und das ewige Band der Geschwisterliebe.

Matt Beynon Rees wurde 1967 in South Wales geboren. Er war lange Jerusalemer Bürochef der Time, für die er weiterhin schreibt. Matt B. Rees lebt mit seiner Familie in Jerusalem. www.mattrees.net
mehr
Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR6,80
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR6,99

Produkt

KlappentextWien 1791. Vor sechs Wochen hat Wolfgang Amadeus Mozart den Verdacht geäußert, vergiftet worden zu sein. Nun, am 5.Dezember, ist er tot, Diagnose: «hitziges Frieselfieber». Fast vierzig Jahre später überreicht seine Schwester «Nannerl» ihrem Neffen Franz Xaver, Mozarts Sohn, das Tagebuch einer Reise nach Wien kurz nach Mozarts Tod. Es erzählt die Geschichte ihrer Suche nach der Wahrheit, die sie in die Salons des Wiener Hochadels, in Geheimlogen und Konzertsäle, Palais und Opernsäle führt und mit den Komplotten österreichischer und preußischer Geheimdienste konfrontiert. Im Zentrum steht Mozarts letzte Oper «Die Zauberflöte», die den Schlüssel für das Geheimnis um Mozarts Tod enthalten mag. Ein spannend geschriebener, atmosphärisch dichter Krimi um Verbrechen, Wahrheit und Lüge, Sehnsucht und das ewige Band der Geschwisterliebe.

Matt Beynon Rees wurde 1967 in South Wales geboren. Er war lange Jerusalemer Bürochef der Time, für die er weiterhin schreibt. Matt B. Rees lebt mit seiner Familie in Jerusalem. www.mattrees.net
Details
Weitere ISBN/GTIN9783406629952
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum02.03.2012
Auflage1. Auflage
Seiten318 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1082144
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Prolog

Wenn sie sang, schien es fast unvorstellbar, dass der Tod so nahe war.

Ihre Zofe ließ mich zu meiner üblichen Besuchszeit am Nachmittag ein. Eine Sopranstimme von bemerkenswerter Klarheit erklang im vorderen Teil der Wohnung.

«Hat sie Besuch, Franziska?», fragte ich.

Die Zofe schüttelte den Kopf. «Sie ist allein, mein Herr.»

Ich durchquerte das Wohnzimmer. Sie sang Zerlinas Arie aus Don Giovanni, in der die Bäuerin der Begierde, die in ihrer Brust schlägt, so kokett Ausdruck verleiht. Beim letzten Vers dämpfte sie ihre Stimme bei der Aufforderung an den Freier des Mädchens: «Berühr mich hier.» Ein rauer Ton schlich sich ein, als sie diese Worte in einem Crescendo wiederholte. Bebend verklang der letzte Ton.

Als ich durch die Tür in Tante Nannerls Schlafzimmer ging, hörte ich einen trockenen Husten. Mit ihrer schmalen Hand dirigierte sie ein imaginäres Orchester durch die letzte Coda.

Sie legte die Finger auf die Bettdecke und ließ das Kinn auf die Brust sinken. Hörte sie den Applaus eines Publikums? Vielleicht hatte die Anstrengung des Gesangs sie erschöpft.

Die Lider ihrer blinden alten Augen zuckten. Mir ging durch den Kopf, dass das Leben, das sie geführt, und all das, was sie gesehen hatte, nun für immer vorbei war. Als Musiker verstand ich die Geheimnisse, die ein Komponist auf den Seiten seiner Partitur verbirgt und vor all denen verschließt, die nicht dazu fähig sind, die Fülle seiner Schöpfung zu erfassen. Ich war mir kaum bewusst, dass ich als Neffe weit weniger einfühlsam gewesen war.

In ihrem Haus in der Nähe des Salzburger Doms hatte ich sie so oft besucht, dass ich versucht gewesen war zu glauben, alles zu wissen, was von ihr in Erfahrung zu bringen war. Ihr Ruhm als Wunderkind am Klavier, ihre gemeinsamen Konzerte als Heranwachsende mit meinem Vater in den großen Städten Europas. Heirat mit einem Provinzbeamten und Erhebung in den niederen Adelsstand, sodass sie seit 1784 den Titel einer Reichsbaronin führte. Nach dem Tod ihres Gatten dann die Rückkehr nach Salzburg, wo sie Klavierunterricht gab, bis ihr Augenlicht erlosch.

Diese Anmaßung, ihr achtundsiebzigjähriges Leben derart zusammenzufassen, war in der Tat die gedankenlose Verabschiedung einer entkräfteten, alten Frau durch einen jungen Mann. Ich sage das mit Gewissheit, weil sie mir heute ein Leben enthüllte, das noch weitaus fantastischer war, als ihre berühmte Geschichte vermuten lässt.

Nachdem sie gesungen hatte, lag meine Tante ruhig und still in ihrem schmalen Bett. Sie trug ein Seidennachthemd und um die Schultern einen schlichten Schal. Ich küsste ihr die trockene Wange, zog einen Stuhl heran und erzählte ihr den Stadtklatsch. Sie nahm meine Anwesenheit gar nicht wahr.

Als ich schwieg, streckte sie mit einer schnellen, mich überraschenden Bewegung den Arm aus und drückte mir fest die Hand. Ihre Finger verfügten noch über die lebenslange Kraft, mit der sie täglich drei Stunden und mehr am Klavier gesessen und sich die Virtuosität erarbeitet hatte, die einst Könige, Prinzen und Grafen ergötzte. «Spiel für mich», sagte sie.

Ihr Pianoforte war ein schönes, altes Instrument von Stein aus Augsburg. Ich spielte die Sonate in A von meinem Vater für sie und hoffte, dass der Tanzrhythmus des türkischen Rondos sie in ihrer Hinfälligkeit aufmuntern möge. Während ich spielte, befingerte sie ein goldenes Kreuz mit Bernsteinintarsien, das sie um den Hals trug. Ihre leeren, blicklosen Augen waren weit geöffnet. Als ich fertig war, krächzte sie meinen Namen: «Wolfgang.»

«Ja, liebste Tante», erwiderte ich.

Sie wandte sich mir zu, als hätte sie mit der Antwort eines anderen gerechnet.

Als ich ihr zum ersten Mal vorgespielt hatte, sagte sie, dass ich sie an meinen Vater erinnerte. In Wirklichkeit sind meine Haare und meine Augen so dunkel wie die meiner Mutter, und meine Fähigkeiten am Klavier sind von einer Art, die mein Vater zweifellos als mechanisch bezeichnet hätte. Ich habe nichts von seinem Genie geerbt. Aber ich heiße Wolfgang, und vielleicht war die Namensgleichheit für meine Tante ausreichend. Bis zu diesem Moment. Ich spürte, dass sie direkt den Mann ansprach, der seit achtunddreißig Jahren tot und ihr Bruder gewesen war - den in ganz Europa und sogar in Amerika als unvergleichlichen Komponisten berühmten Mann.

Wolfgang Amadeus Mozart.

«Auf dem Regal. In einem Kasten mit Perlmuttintarsien.» Ihre Hand hob sich von der Steppdecke mit einer so unerwarteten Anmut, dass ich mich fragte, ob meine Tante bereits tot sei und ich ihren Geist anstarrte, der sich, befreit von ihren gebrechlichen Knochen und ihrer eingefallenen Haut, erhob. Ich öffnete den Kasten und fand unter einigen alten bunten Bändern ein in schartiges braunes Leder gebundenes Buch. Ich drückte es ihr in die Hand.

«Ich werde bald tot sein», murmelte sie.

«Das möge Gott verhüten, liebste Tante. Sprich nicht von derlei Dingen.»

Sie schlug das Buch auf und strich mit den Fingern über die trockenen vergilbten Seiten. Diese waren von mit einem Federkiel, wie ihn schon seit Jahren nur noch wenige benutzen, geschriebenen Zeilen gefüllt, die von links nach rechts leicht aufwärts geneigt waren. Ich erkannte ihre eigene Handschrift, hatte sie mir doch oft geschrieben, während ich durch die Konzertsäle Polens und Preußens gezogen war. Sie blätterte ein paar Seiten um und spreizte ihre knochigen Finger über dem Text. In der ersten Zeile las ich einen Ort und ein Datum: Wien, 21. Dezember 1791.

Mit einem Schlag, der wie ein Kanonenschuss durch die Stille ihrer Wohnung hallte, knallte sie das Buch zu. Während ich noch erschrocken blinzelte, wurde mir der ledergebundene Band zugeworfen und landete in meinen danach tastenden Händen.

«Zeig es aber nicht deiner Mutter», sagte sie.

«Warum nicht?» Ich lächelte. «Was hast du für Geheimnisse, Tante Nannerl?»

Sie hob ihre matten Augenbrauen, und ich hatte das Gefühl, dass in diesen melancholischen, milchig-braunen Augen plötzlich der Anflug eines Blicks einer viel jüngeren Frau lag.

«Nach meinem Tod werde ich alles, was ich habe, meinem Sohn Leopold hinterlassen», sagte sie. «Er erbt mein Geld, meine wenigen wertvollen Schmuckstücke. Auch meine Papiere, meine Tagebücher, meine Haushaltsbücher. Zumeist öde Chroniken der stumpfen Routine Salzburgs und des Dorfs, in dem ich meine Ehejahre verbracht habe.» Sie rang nach Atem. Ihr Kopf sank in die Kissen zurück.

Ich hob das Buch in meiner Hand. «Aber dies â¦?»

«Etwas anderes. Nur für dich.»

«Geht es um meinen Vater?»

Ich konnte meine Erregung kaum verbergen, weil ich erst wenige Monate alt gewesen war, als mein Vater von uns gegangen war. Er hat stets mit mir am Klavier gesessen, wenn auch nur so, wie man von den mythischen Göttern des Olymps sagen konnte, sie seien bei den Griechen gewesen, wenn diese Weizen zu Mehl gemahlen haben.

Meine Tante schluckte heftig und hustete. Ich dachte, dass ich mich vielleicht geirrt hätte. Fragte ich sie nämlich nach den letzten Jahren meines Vaters in Wien, hatte sie stets behauptet, ihm seit 1788 nicht mehr begegnet zu sein, nachdem das Testament meines Großvaters zu ihren Gunsten vollstreckt worden und es zwischen den Geschwistern zu einer Abkühlung gekommen war. Sie war mit ihrem Mann im Dorf St. Gilgen geblieben. Mein Vater hatte seine Karriere in den Opernhäusern und adeligen Salons von Wien fortgesetzt, bis er drei Sommer später in seinem sechsunddreißigsten Jahr dahingerafft wurde.

Sie schürzte die Lippen, sie sammelte sich. «Das Buch berichtet die Wahrheit über Ereignisse, die dein Leben beeinflusst haben - und die gesamte Musikgeschichte.»

«Geht es um ihn?», fragte ich und strich erregt über die schartige Oberfläche des Ledereinbands.

«Um seinen Tod.»

«Das Fieber? Ja, Tantchen, ich weiß.»

Sie schüttelte den Kopf. Ihr Haar, das die Zofe auf altmodische Weise hochgesteckt hatte, obwohl sie im Bett lag, raschelte auf dem Kissen, als wollte es mich unterbrechen und zum Schweigen bringen.

«Seine Ermordung», sagte sie.

Ich hörte ein Geräusch, das wie der letzte Seufzer einer sterbenden Seele klang. Ich wusste nicht, ob er meiner Tante oder mir selbst entfuhr oder ob es vielleicht der gramvolle Geist meines armen Vaters war. Ich wollte sprechen, doch mir stockte der Atem, meine Rippen schienen meine Lunge zusammenzupressen, und die Krawatte um meinen Stehkragen würgte mich plötzlich.

Tante Nannerl entließ mich mit einem Zucken ihres Handgelenks und sank in die Kissen zurück.

Ich eilte zu meinem Zimmer im Haus meiner lieben Mutter in der Nonnberggasse, rannte beinah die steilen Stufen unterhalb der Klippen aufwärts. Der Ledereinband des Tagebuchs meiner Tante verdunkelte sich vom Schweiß meiner Handfläche, obwohl der Tag so kalt war, dass bereits der erste Schnee drohte.

Zu Hause wischte ich an meiner Kniehose die Schweißflecken vom Einband, schloss die Augen, flüsterte ein Ave-Maria für das Seelenheil meines...
mehr

Autor

Matt Beynon Rees wurde 1967 in South Wales geboren. Er war lange Jerusalemer Bürochef der Time, für die er weiterhin schreibt. Matt B. Rees lebt mit seiner Familie in Jerusalem. www.mattrees.net