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Ich bin ostdeutsch und gegen die AfD

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
C.H. Beckerschienen am14.03.2024
Die AfD ist in Ostdeutschland auf dem Vormarsch. In Umfragen ist sie oftmals die stärkste Partei, und liegt in einigen Bundesländern gar bei 35 Prozent. Doch das heißt: zwei Drittel der Ostdeutschen wählen nicht AfD. Susan Arndt gibt dieser oft übersehenen Mehrheit in ihrem sehr persönlichen Buch eine Stimme und zeigt, dass es auch ein anderes Ostdeutschland gibt und die AfD ein gesamtdeutsches Problem ist. Bei manchen Berichten kann der Eindruck entstehen, als wäre Ostdeutschland fest in der Hand der AfD. Und tatsächlich ist es erschreckend, auf welch fruchtbaren Boden die AfD dort mit ihrer Propaganda trifft. Doch es führt kein zwangsläufiger Weg von ostdeutschen Frustrationen in die Arme einer rechtsradikalen Partei, die für Rassismus, Sexismus und Autokratie steht. Susan Arndt erzählt ihre eigene Geschichte und zeigt, wie ein ostdeutscher Weg auch eine ganz andere Richtung nehmen konnte. Sie erzählt von ihren Gesprächen im Freundes- und Bekanntenkreis, in dem sich AfD-Sprech breit gemacht hat, berichtet aber auch von ihren Erfahrungen als Ostdeutsche seit 1989/1990 und als Person, die gegen Rassismus und Sexismus kämpft. Sie macht die Frustrationen verständlich, die durch westliche Überheblichkeit begünstigt wurden. Vor allem aber fragt sie, wie ein Miteinander gegen Diskriminierungen und Ausgrenzungen gestaltet werden kann. Ein Buch, das die Mitte gegen die AfD mobilisieren will - in Ostdeutschland und deutschlandweit.

Susan Arndt lehrt Englische Literaturwissenschaft und Anglophone Literaturen an der Universität Bayreuth. Bei C.H.Beck sind von ihr erschienen: "Die 101 wichtigsten Fragen Rassismus" (6. Auflage 2020), "Sexismus" (2020), "Rassismus begreifen" (2021).
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR16,00
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
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Produkt

KlappentextDie AfD ist in Ostdeutschland auf dem Vormarsch. In Umfragen ist sie oftmals die stärkste Partei, und liegt in einigen Bundesländern gar bei 35 Prozent. Doch das heißt: zwei Drittel der Ostdeutschen wählen nicht AfD. Susan Arndt gibt dieser oft übersehenen Mehrheit in ihrem sehr persönlichen Buch eine Stimme und zeigt, dass es auch ein anderes Ostdeutschland gibt und die AfD ein gesamtdeutsches Problem ist. Bei manchen Berichten kann der Eindruck entstehen, als wäre Ostdeutschland fest in der Hand der AfD. Und tatsächlich ist es erschreckend, auf welch fruchtbaren Boden die AfD dort mit ihrer Propaganda trifft. Doch es führt kein zwangsläufiger Weg von ostdeutschen Frustrationen in die Arme einer rechtsradikalen Partei, die für Rassismus, Sexismus und Autokratie steht. Susan Arndt erzählt ihre eigene Geschichte und zeigt, wie ein ostdeutscher Weg auch eine ganz andere Richtung nehmen konnte. Sie erzählt von ihren Gesprächen im Freundes- und Bekanntenkreis, in dem sich AfD-Sprech breit gemacht hat, berichtet aber auch von ihren Erfahrungen als Ostdeutsche seit 1989/1990 und als Person, die gegen Rassismus und Sexismus kämpft. Sie macht die Frustrationen verständlich, die durch westliche Überheblichkeit begünstigt wurden. Vor allem aber fragt sie, wie ein Miteinander gegen Diskriminierungen und Ausgrenzungen gestaltet werden kann. Ein Buch, das die Mitte gegen die AfD mobilisieren will - in Ostdeutschland und deutschlandweit.

Susan Arndt lehrt Englische Literaturwissenschaft und Anglophone Literaturen an der Universität Bayreuth. Bei C.H.Beck sind von ihr erschienen: "Die 101 wichtigsten Fragen Rassismus" (6. Auflage 2020), "Sexismus" (2020), "Rassismus begreifen" (2021).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783406815881
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Verlag
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum14.03.2024
Reihen-Nr.6554
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.13571094
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1. Einleitung


Von Mauern und Horizonten: Über dieses Buch


Als Kind glaubte ich meinen Eltern alles. Sie erzählten mir, dass die Erde von einer Hautschicht umgeben sei, die wie ein Trommelfell wirke. Sie schütze uns davor, vom All gefressen zu werden. Deswegen schalle sie, die Schallmauer, wie grollender Donner, wenn ein Flugzeug durch sie hindurchfliege. Sie erzählten mir auch, dass die DDR von einer Betonmauer umzogen sei, die wie ein Wall gegen den Faschismus wirke. Sie schütze uns davor, uns zu verlaufen. Deswegen komme aus der Mauer, die antifaschistischer Schutzwall heiße, Gewehrfeuer, wenn ein Mensch über sie hinweg wolle. Das mit der Schallmauer hatten sie selbst falsch gelernt und deswegen so verwirrend an mich weitergegeben; das mit der Mauer wussten sie besser und brachten es mir doch mit Absicht falsch bei. Als ängstliche opportunistische Menschen glaubten sie, mich so am besten für ein Leben in der Diktatur wappnen zu können. Als ich älter wurde, weihten sie mich in die Rezeptur ihres Lebensmodus ein: So tun, als ob, und hinter verschlossener Tür sein, wer du bist. Dort sangen wir manchmal zusammen sogar das Lied «Die Gedanken sind frei ... / Kein Mensch kann sie wissen/ Kein Jäger erschießen». Doch wer hinter verschlossenen Mauern lebt und die Freiheit nur heimlich besingt, kann am Ende eben doch weder frei denken noch leben. Wenn kein anderer Mensch diese Gedanken kennt, dann bleiben sie eingemauert, und nichts ändert sich.

Als die ostdeutsche Revolution 1989 dann doch auf statt vor der Mauer tanzte, hatte ich die wichtigste Lektion meines Lebens gelernt. Nie wieder werde ich glauben, dass es sich hinter verschlossenen Türen gut leben oder hinter vorgehaltener Hand gut sprechen lässt. Nie wieder werde ich glauben, dass sich etwas nicht ändern lässt, nur weil es gerade so ist. Die ostdeutsche Revolution von 1989 hat mich für immer politisiert. Sie rief mir zu: Wenn du etwas ändern willst, dann musst du das tun. Wenn du Berge versetzen willst, dann lauf los. Schau dir nicht den ganzen Koloss an, gehe einfach den ersten Schritt. Und dann den nächsten. Und den nächsten. Horizonte sind zum Loslaufen da. Auch wenn du ihn nicht erreichst, weil es hinter ihm immer weiter geht, wird der Weg zum Ziel. Horizonte nähren Träume, und sie leben davon, dass sie geträumt werden.

Wovon ich, politisiert durch die Freiheitsrevolution, träume? Von Menschen, die einander beschützend begegnen statt einander weh zu tun. Im Großen wie im Kleinen. Investieren milliardenschwere Traumfabriken nicht in Filme, die Gewalt betrauern und Liebe besingen? Doch warum fühlen sich genau diese Menschen, die Milliarden von Dollar für diese Traumfabrik ausgeben, dann doch viel zu oft wohl dabei, andere Menschen zu verletzen oder auszubeuten? Wir können Teleskope bauen, um uns entfernte Galaxien anzuschauen, und doch können wir das uns Naheliegendste nicht sehen: Wer nur auf seine eigenen Füße blickt, kann nicht siegen. «Wer möchte nicht in Frieden leben, die Sonne und den Mond besehen?» Dieses Kinderlied liebte ich am meisten. Es hatte in der DDR meine Träume gefüttert; und das tut es auch jetzt.

1989 waren meine Träume voller Chagall. Ich lief nicht nur, ich flog, getragen von meinen neuen Möglichkeiten und Eva Strittmatters «Chagall»: «Alles kann man, was man will, und man kann die Welt besiegen... Man bemalt sich einen Schimmel mit zwei Rosen. Und hinauf springt man in den grünen Himmel. Und der Himmel ist schon auf.» Es fühlte sich nach «machen können» an. Klang aber leichter als gedacht. Zwar geschieht nichts, was nicht gemacht wurde. Und was wir uns ersehnen, prägt, was geschehen kann. Und wofür wir uns einsetzen, macht aus, wer wir sein können. Doch das war ebenso wahr wie trügerisch. Denn zwar suchen wir uns unsere Lieder selbst. Doch am Ende singt die Macht im Kanon am lautesten.

Ostdeutsche Stimmen hatten die Revolution von 1989 in die Welt getragen, doch schnell wurden sie umgestimmt, überstimmt, verstimmt. Die 1990er Jahre klangen nach Aufbruch, bis sie sich in Resignation verloren. Am Anfang war Euphorie, Freiheit und ganz viel WOW. Dann kam Enttäuschung dazu. Diese nährte Frust und liebte Wut, obwohl der Wut beste Freundin noch immer die Traurigkeit ist. Ich glaube, Ostdeutschland fühlte das alles auf einmal, während alle auseinander strömten. Manche kamen bei sich an. Andere verloren sich an sich selbst oder an das, was sie nicht finden konnten. Ich beobachtete mich von der Überholspur aus, um den Schmerz aushalten zu können, der mich überrannte, als ich verstand: Nicht nur der Drang nach Freiheit ist es, der Menschen im Innersten zusammenhält - sondern auch die Gleichgültigkeit gegenüber allem, das in ihrer kleinen Welt keinen Wert hat. Viele wollten, dass es ihnen besser geht, und verirrten sich im Glauben daran, dass es helfen wird, anderen weniger zu gönnen.

Am leichtesten ist es immer noch, denen alles wegzunehmen, die ohnehin schon wenig haben. So macht das auch die AfD. Doch ohne die Wahlstimmen derer, die sie betrügt, ist sie ein Nichts. Deswegen schürt sie, Vampiren gleich, den Schmerz, aus dem sie sich zu nähren weiß. So liegt sie da, auf der Lauer: «Auf der Mauer, auf der Lauer liegt ne kleine Wanze.» Auch dieses Kinderlied sang ich mit meinen Eltern. Mir gefiel, wie die Wanze, vor der ich mich ekelte, Buchstabe für Buchstabe verschwand. «Auf der Mauer, auf der Lauer liegt ne kleine Wanz... Auf der Mauer, auf der Lauer liegt ne kleine Wan...» Und schließlich: «Auf der Mauer, auf der Lauer liegt ne kleine ...» Vorbei. So stelle ich mir das auch mit der AfD vor. Denn sonst macht die AfD umgekehrt sämtliche emanzipativen Errungenschaften der letzten Dekaden zunichte. Die Visionen der AfD stellen Frauen an den Herd, unterwerfen Geschlechterdiversität Normierungstherapien, vertreiben Schwarze, muslimische und jüdische Menschen, beenden die Asylgesetzgebung, grenzen behinderte Menschen aus und eskalieren die Armut. Das allein macht mir schon Angst. Beängstigender aber noch finde ich, dass sich die AfD darauf versteht, populistische Nebelkerzen so zu werfen, dass viel zu viele dennoch keine Angst vor ihr haben. Nicht mal jene, die selbst Nachteile haben würden. Nichts steht dafür so symptomatisch, wie dass die AfD auch bei Frauen gut ankommt. Bei den Landtagswahlen in Hessen im September 2023 erreichte die AfD insgesamt 18 Prozent - bei Frauen nicht ganz so viel, aber immerhin noch ganze 14 Prozent. Geringverdienende und Bürgergeldempfangene glauben, dass die AfD ihre Interessen vertreten würde. Doch selbst wenn gar keine Geflüchteten mehr Asyl finden würden, ginge es ihnen nicht besser - sondern im AfD-Neoliberalismus nur noch schlechter.

Angst kann furchterregend sein und eine Schreckstarre verursachen. Meine Angst aber schreckt mich auf. Sie treibt mich an. Nicht verstecken werde ich mich, sondern mich der AfD sichtbar in den Weg stellen. Nicht wegschauen werde ich, sondern hinschauen. Nicht schweigen werde ich, sondern sprechen - notfalls auch schreien.

Ich lasse mich von der AfD weder einschüchtern noch meine Revolution von 1989 wegnehmen. Weder meine Freiheit noch meine Träume von einer gerechten Welt, die sich dem Kampf gegen Diskriminierung stellt, wird sie mir nehmen. Diskriminierung ist eine der katastrophalsten Mauern, welche Menschen je bauten. Die AfD lebt von diesen Mauern, und ich möchte ohne sie leben.

Die nächsten Wahlen werden nicht erst an den Wahlurnen entschieden werden. Sie werden überall dort entschieden, wo der AfD widersprochen wird. Ob die AfD die Zukunft dieses Landes nachhaltig zu bestimmen vermag, wird nicht nur von denen abhängen, die AfD wählen, sondern auch von denen, die dies nicht tun. Und von denen, die diese fehlenden Wahlstimmen erkämpfen.

Die Zukunft der AfD entscheidet sich in der «Mitte der Gesellschaft». Derzeit lässt sich dort ein Rechtsruck beobachten. Viel zu oft wird sich über den Genderstern mehr empört als über die AfD. Wer den Genderstern nicht mag, soll ihn nicht benutzen. Doch wer ihn beschimpft oder gar verbietet, als hänge Wohl oder Wehe unserer Gesellschaft davon ab, der gießt der AfD Wasser auf ihre Mühlen. Das machen auch Politiker wie Friedrich Merz (CDU), Markus Söder (CSU) oder Hubert Aiwanger (Freie Wähler), wenn sie gezielt «volksnah» rassistische Aussagen schwingen. Viele sehen solche als passende realpolitische Strategie an, der AfD Stimmen abzuwerben. Zum einen glaube ich nicht, dass ein Aiwanger oder Merz nicht wirklich so denkt, wie er spricht. Zum anderen zeigen viele Studien, dass Wähler*innen rechtsextremer Parteien letztlich lieber das Original als die Kopie wählen - und sich durch Äußerungen aus...
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