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Der geheime Zirkel I Gemmas Visionen

Roman
dtv Deutscher Taschenbuch Verlagerschienen am01.07.2014
Teil 1 der eSerie  England, 1895: Die 16-jährige Gemma wird auf einem Internat für höhere Töchter zur heiratsfähigen jungen Dame erzogen. Gemeinsam mit drei anderen Mädchen gründet sie einen geheimen Zirkel, der sich nachts zu »spiritistischen« Sitzungen trifft. Eines Tages passiert es dann: Für Gemma öffnet sich ein Tor aus Licht und mit ihren Freundinnen tritt sie in ein fantastisches Reich über, in dem alle Träume und Wünsche wahr werden. Doch bald schon erkennen sie, dass dieses magische Reich von einer schrecklichen Macht bedroht ist ...

Libba Bray ist die Autorin von mehreren Theaterstücken und einigen Kurzgeschichten. Mit ihrer Trilogie >Der geheime ZirkelOhne. Ende. Leben.< wurde sie mit dem Michael L. Printz Award ausgezeichnet. Heute lebt die in Texas aufgewachsene Autorin mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Brooklyn, New York.
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Produkt

KlappentextTeil 1 der eSerie  England, 1895: Die 16-jährige Gemma wird auf einem Internat für höhere Töchter zur heiratsfähigen jungen Dame erzogen. Gemeinsam mit drei anderen Mädchen gründet sie einen geheimen Zirkel, der sich nachts zu »spiritistischen« Sitzungen trifft. Eines Tages passiert es dann: Für Gemma öffnet sich ein Tor aus Licht und mit ihren Freundinnen tritt sie in ein fantastisches Reich über, in dem alle Träume und Wünsche wahr werden. Doch bald schon erkennen sie, dass dieses magische Reich von einer schrecklichen Macht bedroht ist ...

Libba Bray ist die Autorin von mehreren Theaterstücken und einigen Kurzgeschichten. Mit ihrer Trilogie >Der geheime ZirkelOhne. Ende. Leben.< wurde sie mit dem Michael L. Printz Award ausgezeichnet. Heute lebt die in Texas aufgewachsene Autorin mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Brooklyn, New York.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423426121
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum01.07.2014
Seiten480 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1832
Artikel-Nr.1547535
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
1. Kapitel

Bitte sag nicht, dass die zu meinem Geburtstagsessen heute Abend gehört.«

Ich starre einer Kobra in die Augen. Eine überraschend rosafarbene Zunge züngelt aus ihrem grausamen Mund, während ein blinder Inder meiner Mutter seinen Kopf zuneigt und auf Hindi erklärt, dass Kobras eine schmackhafte Mahlzeit abgeben.

Meine Mutter streckt einen weiß behandschuhten Finger aus, um die Schlange zu streicheln. »Was meinst du, Gemma? Möchtest du Kobra essen, nun, wo du sechzehn bist?«

Schlangen sind mir ein Gräuel. »Danke, ich glaube nicht.«

Der alte, blinde Inder lächelt zahnlos und hält mir die Kobra näher hin. Ich taumle zurück und stoße gegen einen hölzernen Stand voll kleiner Statuen von indischen Gottheiten. Eine der Statuen, eine Frau mit unzähligen Armen und einem furchterregenden Gesicht, fällt zu Boden. Kali, die Vernichterin. Vor Kurzem hat mir Mutter vorgeworfen, ich hätte mir diese Göttin zu meiner persönlichen Schutzpatronin erwählt. Mutter und ich kommen in letzter Zeit nicht besonders gut miteinander aus. Sie behauptet, das liege daran, dass ich gerade in einem unmöglichen Alter sei. Ich erkläre jedem, der es hören will, es liege einzig und allein daran, dass sie sich weigert, mich nach London zu schicken.

»Ich habe gehört, in London muss man seinen Mahlzeiten nicht zuerst die Zähne ziehen«, sage ich. Wir lassen den Mann mit der Kobra stehen und tauchen in die Menschenmenge ein, die sich auf dem Marktplatz von Bombay drängt. Mutter antwortet nicht, scheucht stattdessen einen Drehorgelspieler mit seinem Äffchen fort. Es ist unerträglich heiß. Unter meinem Baumwollkleid mit den Reifröcken rinnt mir der Schweiß in Strömen am Körper hinab. Die Fliegen - meine glühendsten Verehrer - schwirren um mein Gesicht. Ich schlage nach einem der geflügelten kleinen Biester, aber es entwischt mir und ich könnte fast schwören, dass ich höre, wie es mich auslacht. Mein Elend nimmt epidemische Ausmaße an.

Über uns ballen sich dicke, dunkle Wolken zusammen, ein warnendes Zeichen, dass wir uns in der Monsunzeit befinden, wo von einer Minute zur nächsten Regenfluten vom Himmel stürzen können. Der staubige Basar summt von den Stimmen der Männer mit ihren Turbanen, sie schnattern und rufen und feilschen und strecken uns mit braunen, sonnenverbrannten Händen Seidenstoffe in leuchtenden Farben entgegen. Überall sind Karren, behängt mit Strohkörben, in denen alle möglichen Waren und essbaren Dinge zum Kauf angeboten werden - zierliche Kupfervasen, geschnitzte Holzkästchen mit verschlungenen Blumenmustern und in der Hitze reifende Mangos.

»Wie weit ist es denn noch zum neuen Haus von Mrs Talbot? Können wir nicht einen Wagen nehmen?«, frage ich mit, wie ich hoffe, merklicher Verdrossenheit.

»Es ist ein schöner Tag für einen Spaziergang. Und ich wäre dir dankbar, wenn du einen höflicheren Ton anschlägst.«

Meine Verdrossenheit wurde sehr wohl bemerkt.

Sarita, unsere langjährige Haushälterin, bietet mir in ihrer ledrigen Hand Granatäpfel an. »Memsahib, die sind sehr schmackhaft. Vielleicht bringen wir sie Ihrem Vater mit, ja?«

Wenn ich eine gute Tochter wäre, würde ich meinem Vater ein paar Granatäpfel mitbringen, würde mich darauf freuen, sein dröhnendes Lachen zu hören, während er die saftige rote Frucht aufschneidet und dann, wie ein richtiger britischer Gentleman, die winzigen Samen mit einem Silberlöffel isst.

»Er wird nur seinen weißen Anzug bekleckern«, brumme ich. Meine Mutter öffnet den Mund, um etwas zu erwidern, besinnt sich eines Besseren und seufzt - wie üblich. Wir haben immer alles zusammen gemacht, meine Mutter und ich - alte Tempel besichtigt, die Bräuche der Gegend kennengelernt, Hindufeste besucht. Und wir sind oft bis tief in die Nacht aufgeblieben, um die im Kerzenlicht erstrahlenden Straßen zu sehen. Jetzt nimmt sie mich kaum noch zu gesellschaftlichen Anlässen mit. Es ist, als wäre ich eine Aussätzige.

»Er wird seinen Anzug bekleckern. Das tut er immer«, murmle ich zu meiner Verteidigung, obwohl mir niemand Beachtung schenkt außer dem Drehorgelspieler und seinem Äffchen. Sie folgen mir auf Schritt und Tritt in der Hoffnung, für ihre Darbietungen etwas Geld zu bekommen. Der hohe Spitzenkragen meines Kleides ist schweißgetränkt. Ich sehne mich nach dem kühlen, saftigen Grün Englands, das ich nur aus den Briefen meiner Großmutter kenne. Briefe voller Klatsch und Tratsch über Teegesellschaften und Bälle und Skandale in den höheren Ständen, während ich im staubigen, langweiligen Indien hocke und dem Äffchen eines Drehorgelspielers zusehe, das seit Jahren den gleichen Taschenspielertrick vorführt.

»Guckt mal, das Äffchen, Memsahib. Wie entzückend es ist!« Sarita sagt es, als wäre ich erst drei Jahre alt und hinge am Rockzipfel ihres Saris. Niemand scheint zu begreifen, dass ich erwachsene sechzehn bin und nach London will, nein, muss, in die Nähe von Theatern, Bällen und von Männern, die älter als sechs und jünger als sechzig sind.

»Sarita, der Affe ist ein dressierter Dieb, der dir im Handumdrehen deinen Lohn aus der Tasche ziehen wird«, sage ich mit einem Seufzer. Wie aufs Stichwort klettert der haarige Bengel auf meine Schulter und streckt seine flache Hand aus. »Wie würde es dir gefallen, dein Leben in einem Geburtstagseintopf zu beenden?«, frage ich mit zusammengebissenen Zähnen. Das Äffchen faucht. Mutter verzieht tadelnd das Gesicht über mein schlechtes Benehmen und lässt eine Münze in den Becher des Besitzers fallen. Das Äffchen grinst triumphierend und springt über meinen Kopf, bevor es das Weite sucht.

Ein Händler streckt uns eine Maske mit gebleckten Zähnen und Elefantenohren hin. Mutter nimmt sie wortlos und hält sie sich vors Gesicht. »Wo bin ich?«, ruft sie. Es ist ein Spiel, das sie mit mir gespielt hat, seit ich laufen kann - eine Art Versteckspiel, um mich zum Lächeln zu bringen. Ein Kinderspiel.

»Ich sehe immer noch meine Mutter«, sage ich gelangweilt. »Die gleichen Zähne, die gleichen Ohren.«

Mutter gibt dem Händler die Maske zurück. Ich habe sie in ihrer Eitelkeit gekränkt.

»Und ich stelle fest, dass es meiner Tochter nicht sehr gut bekommt, sechzehn zu werden«, sagt sie.

»Ja, ich bin sechzehn. Sechzehn. Ein Alter, in dem die meisten anständigen Mädchen ihre Schulbildung in London erhalten.« Ich lege besondere Betonung auf das Wort anständig, in der Hoffnung, damit an ein mütterliches Grundbedürfnis zu appellieren.

»Die sieht mir noch ein wenig grün aus.« Sie betrachtet konzentriert eine Mango. Die Inspektion der Frucht nimmt ihre volle Aufmerksamkeit in Anspruch.

»Niemand hat versucht, Tom in Bombay festzuhalten«, sage ich, den Namen meines Bruders als letzten Trumpf ausspielend. »Er ist schon vier Jahre dort! Und jetzt beginnt er mit dem Studium.«

»Bei Männern ist das etwas anderes.«

»Das ist ungerecht. Ich werde nie eine Chance haben. Ich werde als alte Jungfer mit Hunderten von Katzen enden, die Milch aus Porzellannäpfen trinken.« Ich breche in Tränen aus. Weinen macht hässlich, aber ich bin machtlos dagegen und kann nicht aufhören zu heulen.

»Ich verstehe«, sagt Mutter schließlich. »Möchtest du in den Ballsälen der Londoner Gesellschaft wie eine Preisstute vorgeführt werden, um deine Zuchtqualitäten abschätzen zu lassen? Würdest du London immer noch so bezaubernd finden, wenn du wegen des kleinsten Regelverstoßes zum Ziel böswilliger Gerüchte wirst? London ist nicht so idyllisch, wie es in den Briefen deiner Großmutter scheint.«

»Was soll ich dazu sagen? Ich habe es ja nie gesehen.«

»Gemma ⦫ Mutters Ton ist beschwörend, auch wenn das unveränderliche, für die Inder bestimmte Lächeln nicht aus ihrem Gesicht weicht. Sie sollen nicht denken, wir Engländerinnen seien so unfein, Meinungsverschiedenheiten auf der Straße auszutragen. Wir reden nur übers Wetter, und wenn das Wetter schlecht ist, tun wir, als bemerkten wir es nicht.

Sarita kichert nervös. »Wie ist s möglich, dass Memsahib jetzt eine junge Dame ist? Mir scheint, als hätten Sie gestern noch im Kinderzimmer gespielt. Oh, schaun Sie nur, Datteln! Ihre Lieblingsspeise.« Sie verzieht den Mund zu einem Lächeln voller Zahnlücken, das jede einzelne der tief eingegrabenen Runzeln in ihrem Gesicht lebendig werden lässt. Es ist heiß und plötzlich möchte ich schreien und davonlaufen, weg von allem und jedem hier.

»Diese Datteln sind wahrscheinlich im Innern faulig. Genau wie Indien.«

»Gemma, jetzt reicht es.« Mutter heftet ihre durchdringenden grünen Augen auf mich. Die gleichen leuchtend grünen Augen mit den hochgewölbten Brauen, die ich auch habe. Die Inder finden sie beunruhigend, verwirrend. Als würde man von einem Geist beobachtet. Sarita lächelt auf ihre Füße hinunter und zupft mit den Händen an ihrem braunen Sari. Ich fühle einen Anflug von schlechtem Gewissen, weil ich etwas so Hässliches über ihr Heimatland gesagt habe. Unsere Heimat, obwohl ich mich gerade nirgendwo wirklich zu Hause fühle.

»Memsahib, Sie wollen bestimmt nicht nach London. Grau und kalt ist es da und es gibt keine Datteln. Es würde Ihnen nicht gefallen.«

Mit schrillem Pfiff fährt ein Zug in der Nähe der glitzernden Bucht ins Depot. Bombay. »Gute Bucht« heißt das, obwohl mir im Moment nichts Gutes dazu einfällt. Dunkler Qualm steigt aus der Lokomotive hoch bis zu den dicken Wolken hinauf. Mutter sieht gedankenverloren zu.

»Ja, kalt und grau.« Sie führt...
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