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Im Schatten des Mangrovenbaums

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
352 Seiten
Deutsch
dtv Verlagsgesellschafterschienen am30.11.20181. Auflage
Gestrandet an Sumatras Küste Anfang des 19. Jahrhunderts brechen Lillian, ihr Mann Joseph, Handelsagent der East India Company, und der Botaniker Elliot Wilberforce von London nach Singapur auf. Die Reise endet in einer Katastrophe, denn auf hoher See geht das Schiff in Flammen auf. Mit nichts als ihren Kleidern am Leib finden sich Lillian, Joseph, Elliot und die Schiffsmannschaft an der kaum besiedelten Westku?ste Sumatras wieder - und vor der schwierigen Aufgabe, sich durch den Dschungel zuru?ck in die Zivilisation zu kämpfen. Unter den extremen Bedingungen kommt es zu einem unerwarteten Rollentausch.

Liv Winterberg wurde 1971 geboren und studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft. Sie arbeitet als freie Autorin und Rechercheurin fu¨r Film und Fernsehen und lebt mit ihrer Familie in Berlin. Ihr erster Roman >Vom anderen Ende der Welt< wurde gleich ein Bestseller. Mit ihren insgesamt vier Romanen hat sich Liv Winterberg als starke Stimme im historischen Genre etabliert.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextGestrandet an Sumatras Küste Anfang des 19. Jahrhunderts brechen Lillian, ihr Mann Joseph, Handelsagent der East India Company, und der Botaniker Elliot Wilberforce von London nach Singapur auf. Die Reise endet in einer Katastrophe, denn auf hoher See geht das Schiff in Flammen auf. Mit nichts als ihren Kleidern am Leib finden sich Lillian, Joseph, Elliot und die Schiffsmannschaft an der kaum besiedelten Westku?ste Sumatras wieder - und vor der schwierigen Aufgabe, sich durch den Dschungel zuru?ck in die Zivilisation zu kämpfen. Unter den extremen Bedingungen kommt es zu einem unerwarteten Rollentausch.

Liv Winterberg wurde 1971 geboren und studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft. Sie arbeitet als freie Autorin und Rechercheurin fu¨r Film und Fernsehen und lebt mit ihrer Familie in Berlin. Ihr erster Roman >Vom anderen Ende der Welt< wurde gleich ein Bestseller. Mit ihren insgesamt vier Romanen hat sich Liv Winterberg als starke Stimme im historischen Genre etabliert.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423434355
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum30.11.2018
Auflage1. Auflage
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1749 Kbytes
IllustrationenFormat: EPUB
Artikel-Nr.3415931
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Das frühe Stadium: Verliebtsein

Das erste Mal begegnete ich Lillian im August 1818, und ich war überrascht, einer jungen Frau gegenüberzustehen, die von der Männerwelt bisher gänzlich unbemerkt geblieben war. Auch wenn sie auf den ersten Blick unscheinbar wirkte, war sie auf den zweiten Blick durchaus gefällig anzuschauen. Das dunkle, fast schwarze Haar schien, streng gesteckt, einen Rahmen um ihr blasses Gesicht zu bilden. Ihre Züge waren ebenmäßig, die Augenfarbe changierte zwischen Grau und Blau. Sie war mittelgroß, schlank und in allem durchschnittlich, auch ihre Kleidung war so unauffällig wie nur möglich. Das Kleid war unter der Brust geschnürt, jedoch hochgeschlossen, ohne den üblichen Ausschnitt. Obwohl es Sommer war, fehlte dem Stoff das Luftige und den Ärmeln das Gepuffte, Verspielte der Schulterpartie. Die Riemchenschuhe waren flach und bequem, so, wie es die Frauen jener Zeit schätzten.

Zweckmäßig wäre das Wort, das ich rückblickend wählen würde, um Lillian zu beschreiben. Alles an ihr wirkte zweckmäßig.

 

Die Familie war drei Wochen zuvor nach Bath aufgebrochen, um, wie es sich seinerzeit gehörte, die Sommermonate standesgemäß zu verbringen. Sie residierte, wie auch die Jahre zuvor, am Queens Square. Die Mutter und zwei ihrer Freundinnen waren zur Brunnenhalle aufgebrochen, um das Wasser zu trinken, dem eine heilende Wirkung bei Gicht nachgesagt wurde.

Da Lillian unpässlich war, blieb sie zu Hause. Später am Tag, als sie sich besser fühlte, nahm sie am Tisch Platz und betrachtete den Briefbogen, der dort lag. Schon mehrfach hatte sie den Federkiel in die Tinte halten wollen, um dann doch zu zögern. Einen Brief an ihre Freundin Ruth Lloyd wollte sie schreiben.

Die beiden Frauen trafen einander alljährlich in Bath, doch in diesem Sommer hatte sich ein Ereignis zugetragen, das Lillian geradezu verstörte. Ruth hatte einen älteren Bruder namens Joseph. Bisher war er stets in den Kolonien unterwegs gewesen, die rund um das Indische Meer gelegen waren, als Handelsagent im Auftrag der East India Company. In Gegenden, die Lillian auf einer Landkarte nie hätte finden können, weil sie sich die seltsam fremd klingenden Namen nicht hatte merken können. Verheiratet war er zudem, und so hatte sie nie sonderlich genau zugehört, wenn Ruth ihn erwähnt hatte.

Beim Dinner vor drei Tagen war er jedoch zugegen gewesen, und noch einmal tauchte Lillian in die Stunden dieses Abends ab.

Schräg gegenüber von ihr saß er am Tisch. Das Bild eines erfolgreichen Mannes, aus dem eine der grausamen Krankheiten - zumindest ließ er das alle glauben - in weit entfernten Ländern inzwischen nicht nur einen Witwer gemacht hatte. Aber ich will nicht vorgreifen. Vom Leben gebeutelt, sah er älter als neununddreißig Jahre aus, seine Haut war von der Zeit auf See und der ostindischen Sonne gegerbt. Ein Hauch Schwermut lag auf seinen Zügen, der, obwohl Joseph die Klaviatur der Konversation perfekt beherrschte, nicht schwinden mochte.

Schweigend lauschte sie seinen Geschichten, von denen eine fantastischer war als die andere: »Von Javas Ostküste aus begaben wir uns auf eine eintägige Reise und erreichten einen Ort, dessen Bewohner noch nie einem Menschen mit heller Haut begegnet waren«, erzählte er. »Sie reagierten verschreckt, als sie uns bemerkten. Einige der Frauen brachten ihre Kinder in Sicherheit, ganz so, als wollten sie ihnen schlechte Träume durch unseren Anblick ersparen. Nach und nach traten Männer vor und wollten wissen, was wir seien. Die Betonung liegt auf dem was , denn es erschien ihnen unvorstellbar, dass wir von ihrem Schlage sein könnten. Einige näherten sich mir, es waren die Mutigeren unter ihnen. Sie betasteten mein Haar, manche auch die Haut der Wangen oder Hände. Dann das Hemd, die Hose, nicht minder befremdet über das, was wir am Leibe trugen. Nach einer Weile wurden die Kinder zurückgeholt und in unserer Nähe auf den Boden gesetzt, wo sie uns, brav wartend, anstarrten. Auch Kranke wurden herbeigeschleppt, und es brauchte einen Augenblick, bis ich verstand: Ich sollte sie berühren. Erst nahm ich an, es wäre ein Ritual zur Begrüßung, aber bald dämmerte mir der wirkliche Grund: Sie hielten mich für eine Gottheit.«

Lillian schaute in die Runde, die Damen hingen an seinen Lippen, und die Männer konnten nicht verbergen, wie sehr die Geschichte sie beeindruckte. Wer konnte schon von sich behaupten, jemals als Gottheit verehrt worden zu sein?

»Hoffentlich dürfen wir dich weiterhin Joseph nennen«, unterbrach Ruth ihn, und selbst Lillian stimmte in das gemeinsame Gelächter mit ein.

»Die anderen schon, du nicht, Schwesterherz«, konterte Joseph, und dieses Mal waren die Lacher auf seiner Seite.

Als er fortfuhr zu erzählen, hatte Lillian das Gefühl, selbst in Javas Dschungel zu stehen, den Monsun auf das Blätterdach trommeln zu hören und die regennasse Schwüle der Luft zu spüren. »Es war ein nicht endender Strom von Menschen, denen ich meine Hand aufs Haupt legen musste. Die Ernsthaftigkeit aller sprang auf mich über, und so kam es, dass wir alle die Zeremonie, die, genau betrachtet, keine war, feierlich erlebten.«

 

Das war der Moment.

Der, in dem ich spürte, es würde für mich bald etwas zu tun geben. Denn Lillians Blick glitt über seine Hände, die, in die Luft erhoben, seine Worte unterstrichen. Und mit einem Mal wünschte sie sich nicht mehr und nicht weniger, als seine Hände zu fühlen, auf ihrem Gesicht, dem Hals, den Armen. Sie errötete ob des Gedankens, nahm einen großen Schluck Wein und fürchtete sich.

Wovor, das wusste sie nicht.

Aber sie ahnte: Das Gleichmaß in ihrem Leben war in Gefahr. Und sie sollte recht behalten, denn die Wohltat des einförmigen Rhythmus war schon mit jenem begehrenden Aufflackern ins Wanken geraten.

 

So saß Lillian also wenige Tage später, die sich in ihrer Wahrnehmung endlos in die Länge gedehnt hatten, am Tisch und marterte sich. Der Bruder ihrer liebsten Freundin Ruth, Witwer dazu, ein Mann auf Durchreise in England, zog ihre Gedanken auf sich und verursachte in ihrem Unterleib prickelnde Unruhe. Wieder und immer wieder. Das Denken - es fühlte sich an, als würde sie etwas Verbotenes wagen.

Nach einer Weile hatte sie die Worte an die Freundin gefunden und sich damit arrangiert, einen Vorwand zu nutzen. Die Anfrage, wann die beiden einander wieder treffen könnten, vielleicht auf einen Tee oder einen Spaziergang, diente vornehmlich dem Zweck, Joseph wiederzusehen.

Vermutlich war es meine Gesellschaft, die sie ermutigte, zum Abschluss des Briefes nicht nur den üblichen Gruß an die Familie, sondern auch einen explizit an den Bruder mit aufzunehmen.

Mit zitternden Fingern schob sie das feine Papier in den Umschlag und rief den Dienstboten. Es war ein Bursche mit wachem Blick, eine Tatsache, die für ihn sprach. Er würde nicht vom Weg abkommen, wenn er auf seinesgleichen traf, er würde den Brief nicht in seine Hosentasche schieben, vergessen und irgendwo verlieren, es erst auf dem Heimweg bemerken und Geschichten ersinnen, wo er sich herumgetrieben hatte.

Kurz musterte sie seine Hände, ob sie sauber genug waren, den kleinen Umschlag in Empfang zu nehmen und im Hause Lloyd zu übergeben. Nachdem sie sich davon überzeugt hatte, räusperte sie sich. »Bringe das bitte zu Mrs Lloyd und beeile dich.« In Gedanken fügte sie hinzu: Denn an diesen Zeilen hängt mein zukünftiges Leben.

Die Voraussicht dieser jungen Frau bewies mir, dass die Liebe bereits vorbeigeschaut und eine Kostprobe ihres Wirkens hinterlassen hatte.

Das Verliebtsein.

Eine beeindruckende Gefühlswallung, die sie perfekt zu schüren versteht. Dementsprechend musste ich keinen besonderen Aufwand betreiben, denn im frühen Stadium des Verliebtseins gibt es bei den Betroffenen in der Regel keine Zweifel oder Unsicherheiten. Die Emotionen bringen oft bis dahin unbekannte Seiten der Verliebten ans Tageslicht. Der Zaghafte wird waghalsig, die Angepasste zeigt sich rebellisch, der Grobian wandelt sich zum Weichling. Ich vermute, die meisten haben diese Beobachtungen in ihrem Umfeld schon einmal selbst machen können. Die so häufig auf den Rausch folgende Ernüchterung eingeschlossen. Aber dazu kommen wir noch. Lillian, durch ebenjenen wunderbaren Rausch befeuert, ertrug die Warterei auf eine Antwort. Erst am nächsten Nachmittag wurde sie erlöst.

Mit einem Schreiben, in dem sie zwei Tage später samt ihrer Familie zu einem gemeinsamen Picknick eingeladen wurde.

Ihr Herz machte einen Sprung, und ich seufzte.

 

Bevor ich aufbrach, um mich anderen Aufgaben zu widmen, erlebte ich noch - ein wenig gelangweilt, wie ich zugeben muss -, wie Lillian sich ihrem Äußeren widmete. Sie zerbrach sich den Kopf, mit welcher Flechtfrisur und in welchem Kleid sie zu einem Picknick gehen sollte und welches Schuhwerk das passende sein könnte. Sie führte sich erstmalig in ihrem Leben so auf, wie es Millionen anderer Mädchen und Frauen vor ihr bereits getan hatten und wie es Millionen anderer Mädchen und Frauen nach ihr noch tun würden, jede Einzelne mit der unverrückbaren Überzeugung, ihr Erleben sei einzigartig.

Zu gern hätte ich darauf verwiesen, dass nicht einmal feststand, ob Joseph überhaupt noch zugegen oder nicht längst nach London abgereist war. Und wenn er nach wie vor in Bath verweilte, ob er abermals an einem Treffen mit ihrer Familie teilnehmen würde. Schließlich war er ein gern gesehener Gast in den Salons des Ortes und musste sich seine Zeit gut einteilen, um allen Einladungen nachkommen zu können. Falls er beabsichtigte zu erscheinen, blieb fraglich, ob er sie überhaupt bemerken würde. Es war wenig...
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