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Wohin die Reise geht

Roman
dtv Deutscher Taschenbuch Verlagerschienen am01.07.2021
Zum Leben ist es nie zu früh. Und selten zu spät. Der ehemalige Kaffeefabrikant Jakob macht sich mit 72 Jahren auf den Weg, um für seinen Sohn eine Million Euro Schwarzgeld in die Schweiz zu schmuggeln. Mit dabei: sein ahnungsloser Freund Matthias, Kriminalbeamter und stolzer Wohnwagen-Besitzer, sowie der ausgemusterte Polizeihund Eddie. Unverhofft treffen sie unterwegs auf die betagte Opernsängerin Tilda, die etwas orientierungslos wirkt. Und auf die junge Straßenmusikantin Alex, die ein gefährliches Geheimnis hütet. Es beginnt eine abenteuerliche Reise, die das bunte Quartett unfreiwillig zusammenschweißt.

Marlies Ferber, geboren 1966, studierte Sinologie in Deutschland, China und den Niederlanden und arbeitete als Verlagslektorin, bevor sie sich ganz dem Schreiben und Übersetzen widmete. Sie ist freie Dozentin für kreatives Schreiben der Bundesakademie Wolfenbüttel und lebt mit ihrer Familie in Hagen.
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Produkt

KlappentextZum Leben ist es nie zu früh. Und selten zu spät. Der ehemalige Kaffeefabrikant Jakob macht sich mit 72 Jahren auf den Weg, um für seinen Sohn eine Million Euro Schwarzgeld in die Schweiz zu schmuggeln. Mit dabei: sein ahnungsloser Freund Matthias, Kriminalbeamter und stolzer Wohnwagen-Besitzer, sowie der ausgemusterte Polizeihund Eddie. Unverhofft treffen sie unterwegs auf die betagte Opernsängerin Tilda, die etwas orientierungslos wirkt. Und auf die junge Straßenmusikantin Alex, die ein gefährliches Geheimnis hütet. Es beginnt eine abenteuerliche Reise, die das bunte Quartett unfreiwillig zusammenschweißt.

Marlies Ferber, geboren 1966, studierte Sinologie in Deutschland, China und den Niederlanden und arbeitete als Verlagslektorin, bevor sie sich ganz dem Schreiben und Übersetzen widmete. Sie ist freie Dozentin für kreatives Schreiben der Bundesakademie Wolfenbüttel und lebt mit ihrer Familie in Hagen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423437608
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum01.07.2021
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1852
Artikel-Nr.5145327
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


2

drei Tage zuvor

Beethovens Siebte zum Frühstück war eine Freude. Jakob griff zur Fernbedienung seines neuen Radios und drückte einige Male auf den Lautstärkeregler, bis die beschwingten Klänge die Küche ausfüllten. Er hatte einige Wochen umsichtig haushalten müssen, bevor er sich das Radio leisten konnte. Aber es hatte sich gelohnt. Es besaß eine vernünftige Antenne, die rauschfreien Empfang garantierte, und der Klang war exzellent. Dieses Radio war ein Juwel. Lieber ein paar Wochen auf teuren Aufschnitt und den Wein zum Abendessen verzichten als auf guten Klang. Jakob ging zum Herd, nahm den Milchtopf herunter und goss die heiße Milch vorsichtig über den Zwieback, der schon im Suppenteller bereitlag. Zum Schluss streute er einen Löffel Zucker darüber, stellte den Teller auf den Küchentisch und nahm Platz. Warum in die Ferne schweifen, sieh, das Gute liegt so nah, dachte er, während er genüsslich seine warme Zwiebackmilch löffelte. Ja, Beethoven hören und Zwieback mit Milch und Zucker dazu genießen. Ein wohliger Morgen. Und am Abend würde er sich mit Matthias im Ratskeller treffen, wie jeden Dienstag nach der Chorprobe.

Er hatte gerade abgeräumt, da klingelte das Telefon. Es war Lukas. »Ich wollte nur fragen, ob du da bist, dann komme ich auf einen Sprung vorbei.« - »Natürlich bin ich da«, sagte Jakob. »Gut, Papa, bis gleich!« - »Schön, ich freue mich!«, sagte Jakob noch, aber da hatte Lukas schon aufgelegt. Papa, dachte Jakob verwundert, als er das Telefon an seinen Platz zurücklegte. Er versuchte sich zu erinnern, wann Lukas das letzte Mal Papa zu ihm gesagt hatte. Irgendwann, als an seiner Oberlippe der erste Flaum wuchs, hatte er im Scherz angefangen, Veronika und ihn mit »Vater« und »Mutter« anzureden, und dann war es irgendwie dabei geblieben.

Jakob sah sich um. Die Küche konnte so bleiben, außerdem würde er Lukas ohnehin ins Gute Zimmer führen. Er ging ins Wohnzimmer, seufzte und beschloss, dass es Zeit war für Trick siebzehn. So hatte Veronika das genannt, wenn plötzlich Besuch kam und keine Zeit blieb aufzuräumen. Er ging in die Abstellkammer, zog den Staubsauger hervor und stellte ihn mitten ins Wohnzimmer. Lukas sollte nicht denken, er käme nicht zurecht. Ich wollte gerade sauber machen, würde er sagen. Und dass die Putzfrau krank sei. Dann würde Jakob sich über den Zustand der Wohnung keine Gedanken mehr machen. Er war aber auch so ein Pingel. Schon mit vier Jahren hatte ihr kleiner Lukas seine Pantoffeln abends immer ordentlich vor das Bett gestellt.

Als Nächstes ging Jakob zur Bar und räumte die Flasche Jenever nach vorn. Gut, es war noch früh am Morgen, aber traditionell würde er seinem Sohn einen Drink anbieten, und in dem unwahrscheinlichen Fall, dass er tatsächlich einen nahm, würde er zu dieser Flasche greifen. Die anderen waren nur noch Dekoration, mehr oder weniger stark mit Wasser aufgefüllt, aber das brauchte Lukas nicht zu wissen. Zuletzt ging Jakob ins Schlafzimmer und band sich eine Fliege um, wie immer, wenn er aus dem Haus ging oder Besuch empfing.

Ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle, dachte Jakob wohlgefällig, als er Lukas wenig später den teuren Wollmantel abnahm und das Jackett aus Harris-Tweed zum Vorschein kam. Darunter trug sein Sohn ein farblich geschmackvoll abgestimmtes Polohemd, kombiniert mit lässigen Jeans einer teuren Marke. Dazu auf Hochglanz polierte Budapester. Eine noble Erscheinung. Jakob nahm den Hut entgegen. Es gefiel ihm, dass Lukas inzwischen dieselbe Hutmarke favorisierte, die er selbst gern trug. Was hatte der kleine Lukas sich gegen das Tragen von Mützen gesträubt.

Aus dem kleinen Lukas war der feine Dr. Lukas Hüfner geworden, ein erfolgreicher Unternehmer und hoch angesehenes Mitglied der Bremer Gesellschaft. In diesem Jahr war er sogar zum Schaffermahl eingeladen. Jakob selbst war diese Ehre nie zuteilgeworden. Jedes Jahr hatte er gehofft, aber dann nachher nur die Zeitungsberichte gelesen, die Fotos mit den vielen stattlichen Männern im historischen Ratssaal wehmütig betrachtet und sich gesagt, nächstes Jahr kommt die Einladung ganz bestimmt. Das Aussehen der Gesellschaft im Ratssaal hatte sich verändert im Laufe der Jahre. Frack wurde noch getragen wie eh und je, aber die heutige Stattlichkeit hatte nichts mehr mit Statur zu tun, mit den früher üblichen Wohlstandsbäuchen, vielmehr war jetzt der schlanke Körper das Insigne von Erfolg und Wohlstand. Auch Genuss natürlich, aber der war spektakulärer und schneller als früher. Hatten Jakob und Veronika sich damals am Samstagabend einen Babysitter geleistet, um in die Oper zu gehen, und am Sonntag Waldspaziergang, Schweinebraten und Mittagsschlaf, trainierten Lukas und Michelle für den Marathon, aßen Superfood im Golfclub und flogen mit Geschäftspartnern im Winter zuweilen frühmorgens nach Sankt Moritz, fuhren Ski, feierten in der Après-Bar und flogen am nächsten Tag, manchmal sogar am selben Abend, wieder zurück zu Kindern und Haushälterin.

Während Jakob den Mantel an die Garderobe hängte, ging Lukas schon voraus ins Wohnzimmer. Darin war er noch ganz Sohn: Er klingelte nur kurz der Form halber, benutzte dann seinen eigenen Schlüssel und bewegte sich so ungezwungen in der Wohnung, als wäre er hier immer noch zu Hause. Jakob war neugierig, was sein Sohn auf dem Herzen hatte. Als selbstständiger Bauunternehmer war er stark eingespannt, sein Leben ließ wenig Raum für spontane Treffen. Lukas ließ sich im Ohrensessel nieder und kam auch gleich zur Sache. »Ich wollte dich um etwas bitten. Um einen Gefallen für die Familie. Es ist nicht schwierig, kostet aber Zeit.« Er zuckte mit den Schultern, lächelte seinem Vater zu. »Und du weißt ja â¦«

»Mit Zeit kann ich dienen«, sagte Jakob, nun ebenfalls lächelnd. Er ging zur Bar. »Möchtest du etwas trinken?«

»Ich bin mit dem Auto da.«

»Oder einen Kaffee? Ich habe noch etwas von dem mexikanischen, die starke Röstung, die du so gern magst.«

»Nein, danke.« Das Handy klingelte, Lukas zog es hervor und drückte den Anruf weg. »Ich muss leider gleich weiter.« Dann wartete er, bis sein Vater sich gesetzt hatte.

»Also, wie kann ich dir helfen?«, fragte Jakob.

»Indem du für mich in die Schweiz fährst und eine Million Euro auf mein Konto bei der Banca Edmund de Rothschild in Lugano einzahlst.«

»Oh!« Jakob sah seinen Sohn an und wusste nicht, was er sagen sollte.

»Du solltest dein Gesicht sehen«, meinte Lukas und grinste.

»Warum überweist du das Geld nicht einfach?« Jakob hatte die Frage kaum ausgesprochen, als ihm die Antwort klar wurde. »An der Steuer vorbei?«

Sein Sohn zuckte erneut mit den Schultern, immer noch grinsend, und nickte.

»Bist du nicht ganz bei Trost, mein Junge? Da machst du dich strafbar.«

Das Grinsen wurde noch breiter. »Deshalb sollst du das ja für mich übernehmen.«

»Ich kann doch kein Schwarzgeld über die Grenze schmuggeln wie ein Ganove!«

»Doch, du kannst das, und nur du. Mich würden sie an der Grenze vielleicht durchsuchen, aber dir glaubt jeder, dass du nur Urlaub machst. Lugano ist ein Paradies für ältere Herrschaften, da ist die Zeit stehen geblieben, eine Postkartenidylle wie im vorigen Jahrhundert. Du passt dahin, als wärst du dort geboren.« Lukas schaute sich im Wohnzimmer um. »Lugano ist wie deine Wohnung: in Ehren alt geworden. Es ist nicht mehr so glanzvoll wie früher, aber es hat immer noch Stil und Klasse und seinen eigenen Charme. Oh, du als Gentleman wirst Lugano lieben, Papa. Die südliche Sonne wird dir guttun. Dort ist schon Frühling. Als Erstes bringst du das Geld auf die Bank. Das geht ebenso schnell und problemlos wie hier in Bremen, wenn du früher die Tageseinnahmen eingezahlt hast. Und dann machst du dir einfach noch ein paar schöne, unbeschwerte Tage. Allein das Essen ist die Reise wert. Und dann das Panorama aus Bergen und See - du sitzt vor einem Eiscafé an der palmengesäumten Promenade und schaust auf das glitzernde blaue Wasser und die weißen Segelboote â¦ Natürlich kriegst du auch ein ordentliches Taschengeld für die kleine Reise. Sagen wir zweitausend Euro? Plus Spritgeld natürlich. Du kannst Michelles Auto nehmen.«

»Danke für das Angebot, aber nein.«

»Was meinst du mit Nein, das Auto oder das Geld? Also, wenn du lieber mit deinem eigenen Auto fahren willst, das ist mir gleich, aber wir bestehen darauf, dass du das Geld annimmst. Du tust uns schließlich einen Gefallen und sollst auch etwas von der Reise haben.«

Jakob fühlte einen Niesreiz, suchte nach einem Taschentuch und schnäuzte sich. »Nein, es geht nicht um das Auto. Auch nicht um die Kosten. Es geht um die Fahrt an sich.«

Lukas zog die Augenbrauen hoch, dann nickte er. »Verstehe, du traust es dir nicht mehr zu, die weite Strecke zu fahren. Oder hast du deinen Führerschein schon abgegeben? Nicht schlimm, wir kaufen dir ein Bahnticket erster Klasse. Deinen Koffer geben wir auf, der wartet dann bei deiner Ankunft im Hotel schon auf dich, du müsstest nur eine Reisetasche mitnehmen, für das Geld.«

»Ich habe meinen Führerschein noch. Aber das mit dem Geldtransport, das ist nichts für mich.«

Lukas sah seinen Vater prüfend an. »Es ist illegal. Das ist es, oder?«

»Was ist das überhaupt für Geld? Und warum willst du es an der Steuer vorbei in die Schweiz schmuggeln? Der Staat sind wir alle.«

»Oh, der Staat kriegt genug von mir, das kannst du mir glauben. Fast alles. Aber ich will nicht, dass es mir mal so ergeht wie dir damals. Wo war denn der Staat, als es mit unserer Kaffeerösterei den Bach runterging? Alles haben wir verloren, mit...

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