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Lebenssekunden

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
416 Seiten
Deutsch
Droemer Knaurerschienen am01.03.20211. Auflage
Zwei Frauen, zwei Leben, eine Fotografie Die Geschichte der ersten deutschen Foto-Journalistin und einer Leistungsturnerin aus der DDR - ein bewegendes Stück Zeitgeschichte Der große Traum von Angelika Stein scheint geplatzt, als sie mit 15 von der Schule fliegt: Kein Fotograf in Kassel will einem Mädchen, noch dazu ohne Schulabschluss, eine Lehrstelle geben. Doch Angelika gibt nicht auf - und bekommt schließlich eine Chance von einem Fotografen, der vor Kurzem aus der DDR gekommen ist. Zur selben Zeit wird in Ostberlin die junge Leistungsturnerin Christine Magold darauf gedrillt, die DDR bei den Olympischen Spielen zu vertreten. Doch ist das wirklich ihr Traum? Beim Bau der Berliner Mauer 1961 treffen die beiden jungen Frauen unter dramatischen Umständen aufeinander. Mit viel Liebe zum Detail und großem Einfühlungsvermögen erzählt Katharina Fuchs die Geschichte zweier ebenso eigensinniger wie mutiger junger Frauen in Westdeutschland und der DDR. Zeitgeschichte wird dabei ebenso lebendig wie zwei bewegende Frauen-Schicksale.

Katharina Fuchs, geboren 1963 in Wiesbaden, verbrachte ihre Kindheit am Genfer See, bevor sie zurück nach Deutschland zog Nach ihrem Studium der Rechtswissenschaften in Frankfurt am Main und in Paris wurde sie Rechtsanwältin und Justiziarin eines daxnotierten Unternehmens. Katharina Fuchs lebt mit ihrer Familie im Taunus. 'Zwei Handvoll Leben' und 'Neuleben' basieren auf ihrer eigenen Familiengeschichte. 'Das Flüstern des Lebens' ist nach 'Unser kostbares Leben', 'Lebenssekunden' und 'Der Traum vom Leben' ihr jüngster Roman.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextZwei Frauen, zwei Leben, eine Fotografie Die Geschichte der ersten deutschen Foto-Journalistin und einer Leistungsturnerin aus der DDR - ein bewegendes Stück Zeitgeschichte Der große Traum von Angelika Stein scheint geplatzt, als sie mit 15 von der Schule fliegt: Kein Fotograf in Kassel will einem Mädchen, noch dazu ohne Schulabschluss, eine Lehrstelle geben. Doch Angelika gibt nicht auf - und bekommt schließlich eine Chance von einem Fotografen, der vor Kurzem aus der DDR gekommen ist. Zur selben Zeit wird in Ostberlin die junge Leistungsturnerin Christine Magold darauf gedrillt, die DDR bei den Olympischen Spielen zu vertreten. Doch ist das wirklich ihr Traum? Beim Bau der Berliner Mauer 1961 treffen die beiden jungen Frauen unter dramatischen Umständen aufeinander. Mit viel Liebe zum Detail und großem Einfühlungsvermögen erzählt Katharina Fuchs die Geschichte zweier ebenso eigensinniger wie mutiger junger Frauen in Westdeutschland und der DDR. Zeitgeschichte wird dabei ebenso lebendig wie zwei bewegende Frauen-Schicksale.

Katharina Fuchs, geboren 1963 in Wiesbaden, verbrachte ihre Kindheit am Genfer See, bevor sie zurück nach Deutschland zog Nach ihrem Studium der Rechtswissenschaften in Frankfurt am Main und in Paris wurde sie Rechtsanwältin und Justiziarin eines daxnotierten Unternehmens. Katharina Fuchs lebt mit ihrer Familie im Taunus. 'Zwei Handvoll Leben' und 'Neuleben' basieren auf ihrer eigenen Familiengeschichte. 'Das Flüstern des Lebens' ist nach 'Unser kostbares Leben', 'Lebenssekunden' und 'Der Traum vom Leben' ihr jüngster Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783426461204
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum01.03.2021
Auflage1. Auflage
Seiten416 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2395 Kbytes
Artikel-Nr.5422616
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Angelika

Die Abendsonne stand genau zwischen der Kuppel des Pavillons und der hohen Baumgruppe im Westen. Ein paar diffuse Wolkenbänder hatten sich rechts und links von ihr an den Himmel geheftet. Nur noch wenige Minuten, dann würde die Sonnenkugel hinter dem halb zerstörten Westflügel der Orangerie untergehen.

»Warum erscheint die Sonne abends so viel größer und der Erde näher als am Tag?«, fragte Angelika. Sie lag neben ihrer Freundin im Gras, ihre Jacke zusammengefaltet unter dem Kopf, streckte die Hände in die Luft und formte mit ihren Fingern ein Viereck. Vor ihnen breitete sich die Symmetrie der Parkanlage aus. Sie kniff ein Auge zu und verharrte bewegungslos, als würde sie auf etwas warten.

»Das ist eine optische Täuschung«, sagte Irmgard, ohne von der Zeitschrift hochzusehen, in der sie blätterte. Sie lag auf dem Bauch, mit angewinkelten Beinen. »Herr Pfeiffer hat erklärt, es kommt durch den Bezug zu Objekten am Horizont, denn das Auge orientiert sich an ihnen. Durch den direkten Vergleich mit Bäumen oder Häusern erscheint uns die Sonne größer, aber das ist nur ...« Mitten im Satz hörte sie auf zu sprechen, denn sie hatte gemerkt, dass Angelika erstarrte. Irmgard klappte die Illustrierte zu und drehte sich auf den Rücken.

Herr Pfeiffer war der Direktor des Gymnasiums, gleichzeitig ihr Physiklehrer und erklärter Feind. Ihm schrieben sie jegliche schlechten Eigenschaften zu, die sie aus Romanen und ihren Groschenheften kannten. Alles, was er bei ihnen auslöste, waren Angst und Ohnmachtsgefühle. Bei Angelika waren diese Empfindungen noch ausgeprägter als bei ihrer Freundin. Irmgard war um einiges besser in der Schule, und was die beiden Mädchen vor allem unterschied: Sie war weniger aufmüpfig und nahm regelmäßig am Unterricht teil.

»Vergiss es einfach!«, sagte Angelika, bemüht sorglos.

Irmgard schlug die Constanze wieder auf und tippte mit dem Finger auf ein Foto, das eine junge Frau in engen Caprihosen und einer gepunkteten weiten Bluse zeigte. »Hier, sieh mal, das wäre was für dich!«

Angelika beugte sich darüber und betrachtete das Mannequin, das vor einem roten Sportwagen posierte. »Irgendetwas stimmt nicht mit der Perspektive«, murmelte sie. »Ich glaube, das ist nur eine Kulisse, vor der sie da steht, der Wagen ist gar nicht echt.«

»Das Mädel sieht dir sogar ähnlich«, setzte Irmgard hinzu, ohne auf ihre letzte Bemerkung einzugehen. »Sie hat die gleiche Haarfarbe und Figur, und du trägst doch auch am liebsten Hosen.«

»Du meinst, sie ist genauso eine dürre und flache Bohnenstange wie ich!«, ergänzte Angelika. »Gib dir keine Mühe, die Jungs werden sich nie nach mir umdrehen, sondern immer nur nach dir.« Dabei warf sie Irmgard einen bewundernden Blick zu.

Ihre Freundin war kleiner und kompakter als sie, betonte bereits seit einiger Zeit ihre schmale Taille mit einem breiten Gürtel aus Lackleder, was ihre fast schon frauliche Oberweite besonders gut zur Geltung brachte. Mit ihren schräg stehenden Katzenaugen und den geschwungenen Brauen entsprach sie ziemlich genau dem derzeitigen Schönheitsideal.

»Das bildest du dir ein!«, sagte Irmgard und legte die flache Hand auf das Foto. »Wir könnten uns die Sachen selbst nähen«, schlug sie vor. »Hinten im Heft sind die Schnittmuster drin.«

»Das kannst du vielleicht! Aber du weißt doch, dass ich das niemals hinbekäme.«

Der gleichmäßige Vogelgesang setzte plötzlich aus.

»Warte kurz!«, sagte Angelika. Sie konzentrierte sich wieder voll auf das Bild am Himmel und formte erneut das Viereck mit den Fingern. Dann hörten sie das laute unverwechselbare Schackern einer Elster, und im nächsten Augenblick sahen sie schon ihre Silhouette mit weit ausgebreiteten Flügeln, als sie sich von dem obersten Wipfel einer Eiche löste.

»Klick«, sagte Angelika leise.

Langsam ließ sie ihre Hände sinken und lächelte zufrieden. Sie wusste, dass sie mit einer Kamera genau den Moment eingefangen hätte, in dem sich der schwarz-weiße Vogel im Zentrum des roten Sonnenballs befand. Es fühlte sich an, als wäre die Zeit durch ihr Zutun für den Bruchteil einer Sekunde stehen geblieben.

»Ich hab es!«, murmelte sie vergnügt und stand auf. »Ich hätte es gehabt!«, verbesserte sie sich.

»Was hättest du gehabt?«, fragte Irmgard.

»Das perfekte Bild.«

Im nächsten Augenblick verdunkelte sich der Rasen, als habe jemand das Licht ausgeknipst. Die Sonne war hinter der notdürftig abgestützten Fassade der Orangerie verschwunden, und die langen, dunklen Schatten der Bäume legten sich über die kurz gemähten Rasenflächen der Kasseler Karlsaue. Die Stimmung war plötzlich eine andere. Mit gedeckteren Farben, violettem Licht über dem blaugrauen Erdschattenbogen. Der laue Frühlingsnachmittag war einer kühlen und melancholischen Abendstimmung gewichen.

 

Angelika und Irmgard schüttelten ihre Strickjacken aus und schlüpften in die Ärmel, klopften sich Hose und Rock ab, zogen sich die Strümpfe hoch. Es war schon längst Zeit gewesen, nach Hause zu gehen, doch sie hatten herumgetrödelt, zusammen in der neuen Constanze geblättert, sich nicht trennen können, und nun brach bereits die Dunkelheit herein.

»Woher hast du gewusst, dass die Elster in diese Richtung fliegen würde?«, fragte Irmgard, als sie nebeneinander über den Rasen gingen.

»Ich wusste es nicht, das war nur so eine Ahnung. Irgendwo hatte ich dieses Bild schon einmal gesehen.«

»Es wird wirklich Zeit, dass du einen Fotoapparat bekommst! Dann nähe ich die Kleider nach, und du knipst mich darin.«

»Und du wirst ein berühmtes Mannequin, ich eine weltbekannte Modefotografin, und zusammen gehen wir ganz weit weg, nach Berlin oder Paris ...« Angelika schloss kurz die Augen und legte träumerisch den Kopf in den Nacken. »Das wäre zu schön, um wahr zu sein!«

Irmgard sah ihre beste Freundin von der Seite an. Sie hätte nicht sagen können, was sie an Angelika so sehr anzog, seit sie zusammen am Lyzeum eingeschult worden waren. Vom ersten Tag an waren sie unzertrennlich gewesen. Angelika unterschied sich in so vielen Dingen von den anderen Mädchen ihrer Klasse. Sie gehorchte nicht, sie ließ sich nicht einschüchtern, und früher war sie damit durchgekommen, als ihr blitzgescheiter Verstand und ihr Gedächtnis die Lehrkräfte der Mädchenschule beeindruckt hatten.

»Kommst du morgen wieder in die Schule?«, fragte Irmgard, wie jeden Tag, wenn sie sich verabschiedeten, weil ihre Elternhäuser in verschiedenen Richtungen lagen.

Angelika zuckte mit den Schultern und antwortete wie immer: »Mal sehen!«

Dann tat Irmgard etwas, was sie noch nie gemacht hatte. Sie blieb stehen und griff nach Angelikas Hand. Ihre warme Haut fühlte sich ein wenig klebrig an.

»Bitte komm doch wieder. Es ist alles so ...«, sie suchte nach den richtigen Worten, »... farblos und langweilig ohne dich.«

Angelika sah nach unten auf die Spitzen ihrer Ballerinas. Das abgestoßene Leder war schon unzählige Male mit blauer Schuhcreme behandelt worden und davon ganz hart. In ihrem Kopf spielte sich eine Unterrichtsstunde im Schnelldurchlauf ab. Seit Beginn des letzten Schuljahrs gab es kaum noch ein Fach, das sie gerne mochte. Der Stoff erschien ihr trocken, jegliche neue Idee, alle Zeichen von Fantasie wurden im Keim erstickt. Angelika machte den neuen Direktor dafür verantwortlich. Nachdem ihr Mädchenlyzeum mit dem Jungengymnasium zusammengelegt worden war, hatte er die Leitung übernommen, und er machte keinen Hehl daraus, wie wenig er für die neuen Schülerinnen übrighatte, vor allem für Ungehorsame, die aus der Reihe tanzten. Seine drakonischen Strafen waren schon seit jeher berüchtigt gewesen. Die Mädchen fasste er keinen Deut sanfter an. Einmal hatte sie die Hälfte des Physikunterrichts auf Erbsen kniend verbringen müssen, weil sie Zweifel an einer Anwendung des Gesetzes zur Trägheit der Masse geäußert hatte. Irgendwann hatte sie begonnen, die Schule zu schwänzen. Was Irmgard da von ihr verlangte, bedeutete ein großes Opfer für sie.

»Du willst doch nicht am Ende noch sitzen bleiben und mich in der Klasse allein lassen?«, sagte Irmgard, und als Angelika den Kopf hob, sah sie direkt in die beschwörenden dunkelgrünen Augen ihrer Freundin, und ihr fiel auf, dass sie immer noch ihre Hand hielt. Auf einmal weiteten sich Irmgards Augen: »Oder legst du es etwa darauf an?«

Angelika wusste in diesem Moment nicht, ob das womöglich sogar der Wirklichkeit am nächsten kam.

»Versprich mir, dass du wieder kommst und dich anstrengst!«, flüsterte Irmgard beschwörend. Angelika nickte langsam.

»Na gut, ich komme, aber nur morgen und nur dir zuliebe!«

Dann rannte sie los, so schnell sie konnte, durch die dunkle Parklandschaft. Mit einem Mal war es dort menschenleer, nur an den Wegen gingen elektrische Laternen an, die schmale Lichtkegel auf den Kies warfen. Sie überquerte den Küchengraben auf einer kleinen Brücke, um auf die Stadtseite zu gelangen. Nun führte ihr Weg noch einige Hundert Meter an der dicht überwucherten Böschung dieses schwarzen Kanals entlang, in dessen Schatten lauter Unwägbarkeiten zu lauern schienen. Sie hörte das träge Plätschern des Wassers, das ihr tagsüber kein bisschen unheimlich vorkam. Als sie noch jünger gewesen waren, hatte sie mit Irmgard stundenlang unter der Brücke gespielt, Dämme gebaut und alles an Unrat gesammelt, was in dem stehenden Gewässer herantrieb. Noch...
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Autor

Katharina Fuchs, geboren 1963 in Wiesbaden, verbrachte ihre Kindheit am Genfer See, bevor sie zurück nach Deutschland zog Nach ihrem Studium der Rechtswissenschaften in Frankfurt am Main und in Paris wurde sie Rechtsanwältin und Justiziarin eines daxnotierten Unternehmens. Katharina Fuchs lebt mit ihrer Familie im Taunus. "Zwei Handvoll Leben" und "Neuleben" basieren auf ihrer eigenen Familiengeschichte. "Das Flüstern des Lebens" ist nach "Unser kostbares Leben", "Lebenssekunden" und "Der Traum vom Leben" ihr jüngster Roman.

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt