Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Ein rundherum tolles Land

Erinnerungen
TaschenbuchKartoniert, Paperback
537 Seiten
Deutsch
btberschienen am01.05.2001
"'Die Asche meiner Mutter' ist so gut - sie verdient eine Fortsetzung." So schrieb die New York Times über Frank McCourts Bestseller. Mit dem vorliegenden Buch erfüllte der Autor nicht nur den Wunsch seines Rezensenten, sondern auch die Hoffnungen der Millionen von begeisterten Lesern und schrieb seine Geschichte fort. "Ein rundherum tolles Land" beginnt dort, wo der erste Teil endet: als Frank McCourt mit 19 Jahren an Bord eines irischen Schiffes nach Amerika kommt und nichts hat als die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Arm, mit schlechten Zähnen und entzündeten Augen, ohne jede nennenswerte Ausbildung, erreicht er das Land seiner Träume - und muss feststellen, dass er mit seinem Aussehen und seinem irischen Akzent ein Nichts ist. Wie er sich trotz aller Widrigkeiten einen Platz im Leben erkämpft, einen Platz "auf dem Bindestrich von Irisch-Amerika", berichtet der große Erzähler McCourt in seiner unnachahmlichen Mischung aus Traurigkeit und Witz. Seine unglaublichen Geschichten über Priester und Jungfrauen, über irische Kneipen, bayrische Bierkeller und die merkwürdigen Sitten der Amerikaner im Allgemeinen verbinden sich zu einer augenzwinkernden Hommage an das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, in der "toll" nicht nur "großartig" bedeutet.mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR10,99

Produkt

Klappentext"'Die Asche meiner Mutter' ist so gut - sie verdient eine Fortsetzung." So schrieb die New York Times über Frank McCourts Bestseller. Mit dem vorliegenden Buch erfüllte der Autor nicht nur den Wunsch seines Rezensenten, sondern auch die Hoffnungen der Millionen von begeisterten Lesern und schrieb seine Geschichte fort. "Ein rundherum tolles Land" beginnt dort, wo der erste Teil endet: als Frank McCourt mit 19 Jahren an Bord eines irischen Schiffes nach Amerika kommt und nichts hat als die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Arm, mit schlechten Zähnen und entzündeten Augen, ohne jede nennenswerte Ausbildung, erreicht er das Land seiner Träume - und muss feststellen, dass er mit seinem Aussehen und seinem irischen Akzent ein Nichts ist. Wie er sich trotz aller Widrigkeiten einen Platz im Leben erkämpft, einen Platz "auf dem Bindestrich von Irisch-Amerika", berichtet der große Erzähler McCourt in seiner unnachahmlichen Mischung aus Traurigkeit und Witz. Seine unglaublichen Geschichten über Priester und Jungfrauen, über irische Kneipen, bayrische Bierkeller und die merkwürdigen Sitten der Amerikaner im Allgemeinen verbinden sich zu einer augenzwinkernden Hommage an das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, in der "toll" nicht nur "großartig" bedeutet.
ZusammenfassungDie Fortsetzung des sensationellen Überraschungserfolgs "Die Asche meiner Mutter": Pulitzerpreisträger Frank McCourt erzählt von seinen abenteuerlichen Erlebnissen in Amerika, dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten.
Details
ISBN/GTIN978-3-442-72545-8
ProduktartTaschenbuch
EinbandartKartoniert, Paperback
Verlag
Erscheinungsjahr2001
Erscheinungsdatum01.05.2001
Seiten537 Seiten
SpracheDeutsch
Gewicht458 g
IllustrationenSW-Abb.
Artikel-Nr.10507416
Rubriken

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Als die Irish Oak im Oktober 1949 von Cork aus in See ging, dachten wir, in einer Woche wären wir in New York. Statt dessen hieß es nach zwei Tagen auf See, wir fahren nach Montreal in Kanada. Ich sagte dem Ersten Offizier, ich hätte nur vierzig Dollar, und ob mir die Irish Shipping die Eisenbahnfahrt von Montreal nach New York bezahlt. Er sagte, nein, dafür kann die Gesellschaft nichts. Er sagte, Frachter sind die Huren der Weltmeere, die sind jedem zu Willen. Man könnte auch sagen, ein Frachter ist wie Murphys alter Hund, er geht mit jedem Wanderer ein Stück des Wegs mit.Zwei Tage später überlegte es sich die Irish Shipping anders, und wir vernahmen die frohe Botschaft, wir laufen New York an, aber wieder zwei Tage später bekam der Kapitän die Order, Albany anzulaufen.Der Erste Offizier sagte mir, Albany sei eine Stadt weit oben am Hudson River, die Hauptstadt des Staates New York. Er sagte, Albany hätte den ganzen Charme von Limerick, ha, ha, ha, ein schöner Ort zum Sterben, aber keiner, wo man heiraten oder Kinder großziehen möchte. Er war aus Dublin und wußte, daß ich aus Limerick war, und wenn er sich über Limerick lustig machte, wußte ich nie, was ich tun sollte. Am liebsten wäre ich ihm mal richtig über den Mund gefahren, aber ich brauchte bloß in den Spiegel zu schauen, pickliges Gesicht, entzündete Augen und schlechte Zähne, und wußte, daß ich mich mit keinem anlegen konnte, schon gar nicht mit einem Ersten Offizier in Uniform und mit der Aussicht auf eine rosige Zukunft als Kapitän seines eigenen Schiffes. Dann sagte ich mir immer, kann mir doch egal sein, was irgendwer über Limerick sagt. Mir war es dort nur schlechtgegangen.Und dann geschah das Seltsame. Ich saß in meinem Liegestuhl in der warmen Oktobersonne, rings um mich der herrliche blaue Atlantik, und versuchte mir New York vorzustellen. Ich sah die Fifth Avenue vor mir, den Central Park oder Greenwich Village, wo alle wie Filmstars aussehen, gesunde Bräune, strahlendweiße Zähne. Aber jedesmal stieß mich Limerick in die Vergangenheit zurück. Anstatt über die Fifth Avenue zu schlendern, mit der Bräune und den Zähnen, war ich auf einmal wieder in den Gassen von Limerick, Frauen standen schwatzend an der Haustür und zogen ihre Tücher enger um die Schultern, Kinder mit marmeladenbrotverschmierten Gesichtern spielten und lachten und riefen nach ihren Müttern. Ich sah Leute Sonntag morgens in der Messe, wo ein Tuscheln durch die Reihen lief, wenn jemand vom Hunger geschwächt in der Bank zusammensank und hinausgetragen werden mußte von den Männern, die hinten in der Kirche standen und zu allen sagten, zurücktreten, zurücktreten, um Christi willen, ihr seht doch, wie sie nach Luft schnappt, und ich wollte auch so ein Mann sein, der den Leuten sagt, sie sollen zurücktreten, denn dann durfte man draußen bleiben, bis die Messe aus war, und man konnte ins Pub gehen, was überhaupt nur der Grund war, warum man mit all den anderen Männern ganz hinten stand. Die Männer, die nicht tranken, knieten immer direkt vorn am Altar, um zu zeigen, was für gute Menschen sie sind und daß sie nichts dagegen hätten, wenn die Pubs bis zum Jüngsten Gericht geschlossen blieben. Sie kannten die Antwortstrophen besser als jeder andere und bekreuzigten sich und standen auf und knieten nieder und seufzten beim Beten, als ob sie den Schmerz unseres Heilands stärker spürten als die übrige Gemeinde. Manche von ihnen hatten dem Trunk vollends abgeschworen, und das waren die schlimmsten, ständig predigten sie von den Übeln der Trunksucht und schauten auf die anderen herab, die ihr noch verfallen waren, als wüßten nur sie den rechten Weg in den Himmel. Sie taten so, als würde der Herrgott jedem den Rücken kehren, der sich mal ein Bier genehmigte, dabei wußte doch jeder, daß es kaum einen Priester gab, der das Bier oder die, die es tranken, von der Kanzel herab verdammte. Die Männer mit dem Durst blieben hinten, damit sie sofort zur Tür rauswischen konnten, sobald der Priester sagte, ite, missa est, gehet hin in Frieden. Sie blieben hinten, weil sie eine trockene Kehle hatten und zu demütig waren, um da vorn bei den Nüchternen zu sein. Ich stand auch an der Tür, weil ich hören wollte, wie die Männer sich leise über die langsame Messe beklagten. Sie gingen bloß hin, weil es eine Todsünde ist, nicht zur Messe zu gehen, aber man konnte sich fragen, ob es nicht eine schlimmere Sünde ist, mit seinem Nebenmann zu scherzen, wenn der nicht ein bißchen schneller macht, muß ich auf der Stelle jämmerlich verdursten. Wenn Pfarrer White herauskam, um die Predigt zu halten, scharrten sie mit den Füßen und stöhnten über seine Predigten, die langsamsten der Welt, und er verdrehte die Augen himmelwärts und erklärte, wir seien alle verdammt, außer wir änderten unseren Lebenswandel und gäben uns ganz der Jungfrau Maria anheim. Die Männer lachten hinter vorgehaltener Hand, wenn mein Onkel Pa Keating seinen Spruch losließ, ich will mich ja gern der Jungfrau Maria anheimgeben, wenn sie mir ein schönes Glas schaumiges schwarzes Porter bringt. Ich wünschte mir, als Erwachsener in langen Hosen zusammen mit meinem Onkel Pa Keating da hinten bei den Männern mit dem großen Durst zu stehen und hinter vorgehaltener Hand zu lachen.Ich saß also in dem Liegestuhl und schaute in meinen Kopf hinein, wo ich mich selbst sah, wie ich mit dem Fahrrad in Limerick herum und hinaus aufs Land fuhr, Telegramme zustellen. Ich sah mich frühmorgens über Landstraßen radeln, wo der Nebel aus den Feldern stieg und Kühe mich anmuhten und Hunde auf mich losgingen, bis ich sie mit Steinwürfen verjagte. Ich hörte kleine Kinder in Bauernhäusern nach der Mutter weinen und Bauern ihre Kühe nach dem Melken mit dem Knüttel wieder auf die Weide treiben.Und manchmal weinte ich ein bißchen vor mich hin in diesem Liegestuhl, rings um mich den herrlichen Atlantik und vor mir New York, die Stadt meiner Träume, wo ich eine goldene Bräune und blendendweiße Zähne haben würde. Ich fragte mich, was um Himmels willen mit mir nicht stimmte, daß ich jetzt schon Heimweh nach Limerick hatte, der Stadt des grauen Elends, dem Ort, wo ich von meiner Flucht nach New York geträumt hatte. Und dann hörte ich die warnenden Worte meiner Mutter, der Teufel, den man kennt, ist besser als der Teufel, den man nicht kennt.Ursprünglich sollten wir vierzehn Passagiere sein, aber einer hatte storniert, und so mußten wir mit einer Unglückszahl auslaufen. Am ersten Abend stand der Kapitän beim Abendessen auf und hieß uns willkommen. Er lachte und sagte, er sei nicht abergläubisch wegen der Anzahl der Passagiere, aber da wir schon mal einen Priester an Bord hätten, wäre es doch schön, wenn Hochwürden ein Gebet sprechen könnte, um uns vor jeglichem Übel zu bewahren. Der Priester war ein kleiner Dicker, in Irland geboren, aber schon so lange in seiner Pfarrei in Los Angeles, daß er keine Spur mehr von einem irischen Akzent hatte. Als er aufstand, um das Gebet zu sprechen, und sich bekreuzigte, ließen vier Passagiere ihre Hände im Schoß liegen, und da wußte ich, das sind Protestanten. Meine Mutter sagte immer, Protestanten erkennt man schon von weitem an ihrem reservierten Gehabe. Der Priester bat den Allmächtigen, mit Liebe und Barmherzigkeit auf uns herabzuschauen, und was immer auf diesen stürmischen Gewässern geschehen mag, wir sind bereit, uns ganz seiner unendlichen Güte anzubefehlen. Einer der Protestanten, ein älterer Mann, nahm die Hand seiner Frau. Sie lächelte und schüttelte den Kopf, und er lächelte ebenfalls, wie um zu sagen, sei unbesorgt.Der Priester saß beim Essen neben mir. Er flüsterte mir zu, die beiden alten Protestanten seien sehr reich, weil sie reinrassige Rennpferde in Kentucky züchten, und wenn ich nur einen Funken Verstand hätte, wäre ich nett zu ihnen, man weiß ja nie.Ich hätte ihn gern gefragt, wie man es anstellt, nett zu reichen Protestanten zu sein, die Rennpferde züchten, traute mich aber nicht, aus Angst, der Priester könnte mich für einen Dummkopf halten. Ich hörte die Protestanten sagen, die Leute in Irland sind so reizend und ihre Kinder so bezaubernd, daß man kaum merkt, wie arm sie sind. Ich wußte, wenn ich jemals mit den reichen Protestanten sprach, würde ich lächeln und meine kaputten Zähne zeigen müssen, und das wäre das Ende vom Lied gewesen. Sobald ich in Amerika ein bißchen Geld verdient hätte, mußte ich gleich zu einem Zahnarzt, mir mein Lächeln richten lassen. In Illustrierten und in Filmen konnte man ja sehen, wie das Lächeln einem Tür und Tor öffnet und die Mädchen in Scharen anlockt, und ohne so ein Lächeln konnte ich genausogut nach Limerick zurückfahren und auf der Post in einem dunklen Hinterzimmer Briefe sortieren, wo sich keiner darum scheren würde, ob ich überhaupt einen Zahn im Mund hatte.Vor dem Schlafengehen servierte der Steward im Salon Tee und Kekse. Der Priester sagte, für mich einen doppelten Scotch, lassen Sie den Tee, Michael, der Whisky hilft mir einzuschlafen. Er trank seinen Whisky und flüsterte mir wieder zu, hast du mit den reichen Leuten aus Kentucky gesprochen?Nein.Verdammt. Was ist eigentlich los mit dir? Willst du denn nicht im Leben vorankommen?Doch.Na also, warum sprichst du dann nicht mit den reichen Leuten aus Kentucky? Vielleicht bist du ihnen ja sympathisch, und sie geben dir Arbeit als Stallbursche oder so, und du könntest dich hocharbeiten, statt nach New York zu gehen, das ein einziger großer Anlaß zur Sünde ist, ein Pfuhl der Verderbtheit, wo ein Katholik Tag und Nacht darum kämpfen muß, seinen Glauben zu behalten. Also, warum kannst du nicht mit den netten reichen Leuten aus Kentucky reden und was aus dir machen?Immer wenn er die reichen Leute aus Kentucky aufs Tapet brachte, flüsterte er, und ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Wenn mein Bruder Malachy hier wäre, würde er schnurstracks zu den reichen Leuten hingehen und sie um den Finger wickeln, und sie würden ihn wahrscheinlich adoptieren und ihm ihre Millionen vermachen mitsamt Stallungen, Rennpferden, einem großen Haus und Dienstmädchen, die es sauberhalten. Mein Lebtag habe ich mit keinen reichen Leuten gesprochen, außer um zu sagen, Telegramm, Madam, und dann hat es geheißen, geh ums Haus herum zum Dienstboteneingang, das hier ist die Vordertür, weißt du denn nicht, was sich gehört?Das wollte ich dem Priester gern sagen, aber mit dem konnte ich auch nicht sprechen. Von Priestern wußte ich nur, daß sie die Messe und alles andere auf lateinisch sagten, daß sie sich meine Sünden auf englisch anhörten und mir auf lateinisch vergaben, im Namen des Herrn, der sowieso allwissend ist. Es muß seltsam sein, wenn man Priester ist und am Morgen aufwacht, im Bett liegt und weiß, daß man die Macht hat, Leuten zu vergeben oder ihnen nicht zu vergeben, je nach Lust und Laune. Wer Latein kann und Sünden vergibt, ist mächtig und unnahbar, weil er die dunklen Geheimnisse der Welt kennt. Mit einem Priester zu sprechen ist, wie mit Gott selbst zu sprechen, und sagt man was Falsches, ist man verdammt.Es war keine Menschenseele an Bord, die mir hätte sagen können, wie man mit reichen Protestanten oder fordernden Priestern spricht. Mein angeheirateter Onkel Pa Keating hätte es mir sagen können, aber der war daheim in Limerick, wo er sich keinen Fiedlerfurz um irgendwas scherte. Ich wußte, wenn er hier wäre, hätte er sich rundweg geweigert, mit den reichen Leuten zu reden, und dann hätte er dem Priester gesagt, er kann ihn mal an seinem königlich-irischen Arsch lecken. So wäre ich auch gern gewesen, aber da war gar nicht dran zu denken, so kaputt wie meine Augen und meine Zähne waren.In der Schiffsbibliothek gab es ein Buch, Schuld und Sühne, und ich dachte, das könnte eine spannende Kriminalgeschichte sein, obwohl es von verwirrenden russischen Namen wimmelte. Ich versuchte, es in einem Liegestuhl zu lesen, aber ich fühlte mich komisch bei der Geschichte, einer Geschichte von einem russischen Studenten, Raskolnikow, der eine alte Frau umbringt, eine Geldverleiherin, und dann redet er sich ein, er hat ein Recht auf das Geld, weil sie nutzlos für die Welt ist und er von ihrem Geld an der Universität studieren kann, um Anwalt zu werden und überall Männer seines Schlags zu verteidigen, die alte Frauen wegen ihres Geldes umbringen. Ich fühlte mich komisch wegen der Zeit in Limerick, als ich mir ein bißchen was damit verdiente, daß ich Drohbriefe für eine alte Geldverleiherin schrieb, Mrs. Finucane, und als sie in ihrem Sessel starb, hatte ich mir etwas von ihrem Geld genommen, um meine Überfahrt nach Amerika bezahlen zu können. Gut, ich hatte Mrs. Finucane nicht umgebracht, aber ich hatte ihr Geld gestohlen, und damit war ich fast so schlecht wie Raskolnikow, und wäre ich in diesem Augenblick gestorben, er wäre der erste gewesen, dem ich in der Hölle begegnet wäre. Ich könnte es dem Priester beichten und meine Seele retten, aber obwohl er die Sünden angeblich in dem Moment vergißt, wo er die Absolution erteilt, hätte er Macht über mich und würde mir komische Blicke zuwerfen und mir sagen, ich soll hingehen und mich bei den reichen Protestanten aus Kentucky einschmeicheln. Ich schlief über dem Buch ein, und ein Matrose, ein Decksmann, weckte mich plötzlich auf und sagte, Ihr Buch wird naß in dem Regen, Sir.Sir. Hier saß ich, ein Junge aus einer Gasse in Limerick, und da steht ein Mann mit grauem Haar und sagt Sir zur mir, obwohl er eigentlich kein Wort mit mir sprechen dürfte wegen der Vorschriften. Der Erste Offizier sagte mir, ein einfacher Matrose darf niemals mit Passagieren sprechen, außer er wünscht ihnen einen guten Tag oder eine gute Nacht. Er erzählte mir, der Matrose mit den grauen Haaren war früher mal Offizier auf der Queen Elizabeth, wurde aber entlassen, weil man ihn mit einer Erste-Klasse-Passagierin in ihrer Kabine erwischte, und was die beiden da machten, sei beichtwürdig gewesen. Der Mann hieß Owen, und das Besondere an ihm war, daß er seine ganze Zeit unter Deck mit Lesen verbrachte, und wenn das Schiff anlegte, nahm er ein Buch mit an Land und las in einem Café, während die anderen von der Besatzung sich sinnlos betranken und in Taxis zum Schiff zurückgekarrt werden mußten. Unser Kapitän hatte solche Achtung vor ihm, daß er ihn manchmal in seine Kabine einlud, und da tranken sie dann Tee und sprachen von der Zeit, als sie zusammen auf einem englischen Zerstörer gedient hatten, der torpediert wurde, worauf die beiden sich an ein Floß im Atlantik geklammert und bibbernd von der Zeit geschwärmt hatten, wo sie wieder daheim in Irland vor einem gepflegten Bier und einem Berg Kohl mit Speck sitzen würden.Owen sprach mich am nächsten Tag an. Er sagte, ich weiß, daß ich gegen die Vorschrift verstoße, aber wenn jemand an Bord Schuld und Sühne liest, muß ich einfach mit ihm reden. Es gibt zwar auch unter der Besatzung Leseratten, aber die kommen nie über Edgar Wallace oder Zane Gray hinaus, und ich würde alles dafür geben, über Dostojewski plaudern zu können. Er wollte wissen, ob ich Die Dämonen oder Die Brüder Karamasow gelesen hätte, und schaute traurig drein, als ich sagte, ich hätte nie davon gehört. Er sagte, sobald ich in New York bin, soll ich auf der Stelle in eine Buchhandlung gehen und mir Dostojewskis Bücher besorgen, dann würde ich nie wieder einsam sein. Er sagte, egal, welches Buch von Dostojewski du liest, er gibt dir immer etwas, woran du zu kauen hast, besser kann man sein Geld gar nicht anlegen. Das sagte Owen, aber ich hatte keinen blassen Schimmer, was er damit meinte.Dann kam der Priester an Deck, und Owen entfernte sich. Der Priester sagte, hast du mit diesem Mann gesprochen? Sag nichts, ich hab's gesehen. Also, ich muß dir sagen, das ist kein Umgang für dich. Das siehst du doch ein, nicht wahr? Ich weiß alles über ihn. Mit seinen grauen Haaren schrubbt er Decks, in seinem Alter. Es ist schon merkwürdig, daß du mit einem Decksmann ohne jede Moral reden kannst, aber wenn ich dich bitte, mit den reichen Protestanten aus Kentucky zu sprechen, hast du keine Zeit.Wir haben nur über Dostojewski gesprochen.Dostojewski, hat man Worte. Der wird dir viel nützen in New York. Du wirst nicht viele Aushilfe-gesucht-Schilder sehen, wo Kenntnisse über Dostojewski verlangt werden. Ich krieg dich nicht dazu, mit den reichen Leuten aus Kentucky zu reden, aber du sitzt stundenlang hier und quasselst mit Matrosen. Halt dich von alten Matrosen fern. Du weißt doch, was das für welche sind. Sprich mit Leuten, die dir was nützen können. Lies Das Leben der Heiligen.Am New Jerseyer Ufer des Hudson River lagen Hunderte von Schiffen dicht bei dicht am Kai. Owen, der Matrose, sagte, das sind die Liberty-Schiffe, die im Krieg und danach Lebensmittel nach Europa gebracht haben, und es ist traurig, daß man sie jetzt bald in Werften schleppen und abwracken wird. Aber so ist die Welt, sagte er, und ein Schiff hält nicht länger als das Stöhnen einer Hure.mehr
Kritik
"Eine bestechende Mischung aus Witz und Trauer, die man nicht vor der letzten Seite aus der Hand legt." Münchner Merkurmehr

Autor

Frank McCourt wurde 1930 in Brooklyn in New York als Kind irischer Einwanderer geboren, wuchs in Limerick in Irland auf und kehrte 1949 nach Amerika zurück. Dreißig Jahre lang hat er an New Yorker High Schools unterrichtet. Für sein erstes Buch, "Die Asche meiner Mutter", 1996 erschienen, erhielt er den Pulitzerpreis, den National Book Critics Circle Award und den L.A. Times Book Award. Frank McCourt verstarb im Juli 2009.Rudolf Hermstein, geb. 1940, studierte Sprachen in Germersheim und ist der Übersetzer von u.a. William Faulkner, Allan Gurganus, Doris Lessing, Robert M. Pirsig und Gore Vidal. Er wurde mit dem Literaturstipendium der Stadt München sowie mehrfach mit Stipendien des Deutschen Übersetzerfonds ausgezeichnet.