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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
320 Seiten
Deutsch
Hoffmann und Campe Verlagerschienen am02.06.2021
--- Platz 2 der Krimibestenliste August von Deutschlandfunk Kultur ---  'Gekonnt wirft dieser atmosphärische Kriminalroman ein Schlaglicht auf das dunkelste Kapitel in Argentiniens jüngerer Geschichte.' Financial Times   Buenos Aires 1981: Inspector Joaquín Alzada hat sich geschworen, auch in Zeiten der Militärdiktatur ein anständiger Mensch zu bleiben. Gemeinsam mit seiner Frau Paula führt er ein ruhiges Leben - bis eines Tages sein politisch unbequemer kleiner Bruder Jorge spurlos verschwindet. Zwanzig Jahre später: Die Diktatur ist überwunden, und Alzada bereitet sich auf seinen Ruhestand vor. Doch dann wird nicht nur eine Leiche auf einer Müllhalde gefunden, sondern es verschwindet auch eine junge Frau aus einer der reichsten Familien der Stadt. Alzada wird auf schmerzhafte Weise an seine dunkelsten Stunden erinnert - und entschließt sich, alles daran zu setzen, dass sich seine Geschichte, in der sich die Geschichte des ganzen Landes spiegelt, nicht wiederholt.

Eloísa Díaz, geboren 1986 in Madrid, studierte an der Pariser Sorbonne Jura und an der Columbia University/New York Creative Writing. Neben ihrer Arbeit als Anwältin widmet sie sich dem Schreiben. Als Tochter argentinischer Eltern hat sie sich intensiv mit der Geschichte Argentiniens auseinandergesetzt, vor deren Hintergrund ihr Debütroman 1981 spielt.
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Produkt

Klappentext--- Platz 2 der Krimibestenliste August von Deutschlandfunk Kultur ---  'Gekonnt wirft dieser atmosphärische Kriminalroman ein Schlaglicht auf das dunkelste Kapitel in Argentiniens jüngerer Geschichte.' Financial Times   Buenos Aires 1981: Inspector Joaquín Alzada hat sich geschworen, auch in Zeiten der Militärdiktatur ein anständiger Mensch zu bleiben. Gemeinsam mit seiner Frau Paula führt er ein ruhiges Leben - bis eines Tages sein politisch unbequemer kleiner Bruder Jorge spurlos verschwindet. Zwanzig Jahre später: Die Diktatur ist überwunden, und Alzada bereitet sich auf seinen Ruhestand vor. Doch dann wird nicht nur eine Leiche auf einer Müllhalde gefunden, sondern es verschwindet auch eine junge Frau aus einer der reichsten Familien der Stadt. Alzada wird auf schmerzhafte Weise an seine dunkelsten Stunden erinnert - und entschließt sich, alles daran zu setzen, dass sich seine Geschichte, in der sich die Geschichte des ganzen Landes spiegelt, nicht wiederholt.

Eloísa Díaz, geboren 1986 in Madrid, studierte an der Pariser Sorbonne Jura und an der Columbia University/New York Creative Writing. Neben ihrer Arbeit als Anwältin widmet sie sich dem Schreiben. Als Tochter argentinischer Eltern hat sie sich intensiv mit der Geschichte Argentiniens auseinandergesetzt, vor deren Hintergrund ihr Debütroman 1981 spielt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783455010954
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum02.06.2021
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.5429374
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
CoverTitelseiteWidmungMottoProlog1 20012 20013 20014 19815 20016 19817 20018 20019 198110 200111 198112 200113 198114 200115 200116 200117 198118 198119 200120 198121 200122 198123 200124 200125 200126 200127 200128 200129 2001DanksagungÜber Eloísa DíazImpressummehr
Leseprobe


1 2001

Mittwoch, 19. Dezember, 8.30 Uhr


In jedem anderen Land wäre ein Krieg ausgebrochen.

Aber dies war nicht jedes andere Land. Dies war Argentinien. Polizeiinspektor Alzada schoss die Avenida Belgrano hinunter, den rechten Fuß aufs Gaspedal gedrückt, als ihm schummrig vor Augen wurde. Wann hatte er zum letzten Mal etwas gegessen? Oder richtig geschlafen? Du bist nicht mehr der junge Mann von früher, Joaquín, hörte er Paulas Stimme so deutlich, als säße sie auf dem Beifahrersitz. Er rückte seine Pilotensonnenbrille auf der Nase zurecht und seufzte.

Sie hatte recht. Er brauchte eine Pause. Erst letzte Woche war er freundlich in die Personalabteilung zitiert worden, wo man ihm die »Sachlage« erläutert hatte. Der Inspektor hatte sehr genau verstanden, was ihm der vielsagende Blick der geradezu provozierend höflichen Dame mit der Katzenaugenbrille sagen wollte. Trotzdem hatte er sie dazu gebracht, es laut auszusprechen: Er war zwar im pensionsberechtigten Alter, aber leider ließ die Pensionskasse der Polizei es momentan nicht zu, ihn in Rente zu schicken. Sein Traum, dem er jahrzehntelang entgegengefiebert hatte, würde warten müssen. »Bestimmt ist es bald so weit«, hatte die Dame ohne echte Überzeugung gesagt. Selbstverständlich könne er seinen Dienst jederzeit quittieren, hatte sie nachgesetzt, aber das würde sie ihm angesichts des derzeitigen politischen Klimas nicht empfehlen. Interessante Wortwahl, »politisches Klima« - Sturm der Entrüstung traf es wohl eher.

Alzada beugte sich vor und stützte sich aufs Lenkrad. Zu dieser Zeit im Sommer sollte der Himmel unverschämt lapislazuliblau leuchten; stattdessen umhüllte ein klebriger Staubschleier Buenos Aires und färbte die Luft gleichmäßig trüb grau. Definitiv kein normales Klima. Ein matt schimmernder Metalldeckel auf einem Dampfkochtopf. Am Horizont, vor den turbulenten Gewässern des Río de la Plata - dem Fluss von der Farbe eines Löwen, wie die Konquistadoren einst sagten -, standen alle Ampeln auf Grün. Alzada schaltete in den dritten Gang.

Er war mit dem falschen Fuß aufgestanden: Nachts hatte er sich im Bett hin und her gewälzt und dann verschlafen, was ihn genötigt hatte, in der knappen Zeit, die ihm noch blieb, eine schwerwiegende Entscheidung zu treffen: frühstücken oder duschen. Letztlich hatte er keins von beidem getan, sondern war direkt in ein kompliziertes Gespräch mit seiner Frau hineingeraten. Wo er schon so offensichtlich vom Pech verfolgt war, hatte er beschlossen, zumindest sein Lieblingshemd anzuziehen, das hellblaue mit dem weißen Kragen, doch selbst diese kleine Freude war ihm verwehrt geblieben: Das Hemd war nicht gebügelt. Stattdessen trug Alzada jetzt ein graues, ein Impulskauf, den er fast augenblicklich bereut hatte, und er hätte bei Gott schwören können - sofern der fromme Katholik in ihm es je gewagt hätte, etwas Derartiges zu tun -, dass das Hemd in dem sengenden Dunst glitzerte.

Und dann der Anruf des Gerichtsmediziners. Alzada hatte Dr. Petacchis Stimme sofort erkannt, als das Telefon früher am Tag geklingelt hatte - wie könnte er die Stimme dieses Mannes je vergessen. Er hatte sein Bestes gegeben, um einen Besuch im Leichenschauhaus zu vermeiden, und den Gerichtsmediziner gebeten, ihm die Details am Telefon zu erläutern. Dr. Petacchi hatte sich geräuspert. »Ich weiß nicht, Inspektor. Es ist besser, Sie machen sich selbst ein Bild.« Alzada hatte geschwiegen, woraufhin der Gerichtsmediziner nachgesetzt hatte: »Aber natürlich bin ich da, um Ihnen zu helfen. Wenn es Ihnen zu große Umstände bereitet, lasse ich Ihnen den Bericht auf die Wache schicken.«

Na schön.

Anstatt also in seinem Garten Kaffee zu trinken, befand er sich gerade auf dem Weg zu dem Ort, den er in Buenos Aires am wenigsten mochte. Gut, am zweitwenigsten.

Alzada bog links ab und bewunderte die breite Avenida 9 de Julio. Ein Schlachtfeld. Der letzte Rest von Normalität war von den Straßen gewaschen worden, die jetzt vor der nervösen Energie eines unausweichlichen Kampfes vibrierten. Menschen. Überall, wo er hinsah, Menschen. Man erkannte diejenigen, die so schnell wie möglich in eine der Seitenstraßen einscheren und entkommen wollten: Sie liefen dicht an den Gebäuden entlang, an den verschlossenen Fensterläden der Geschäfte vorbei, hinter denen sich leere Regale verbargen. Sie eilten voran, die Köpfe gesenkt.

Zusätzlich zu den ausdauernden wöchentlichen Protesten der Madres de Plaza de Mayo hatte es in der Stadt in letzter Zeit zahllose Demonstrationen gegeben: Buenos Aires Straßen waren unablässig von Wut erfüllt. Trotzdem war heute etwas eindeutig anders. Alzada konnte nur nicht sagen, was.

Er schaltete das Radio ein. Die Regierung hielt eine weitere Krisensitzung ab, um neue Sparmaßnahmen zu beschließen. Deshalb hat die Polizei einige Straßen für den Verkehr gesperrt. Sie rechnen mit einer Revolte. Alzada sah hinter dem Meer der Autos Menschenströme ineinanderfließen. Er wusste, dass jeglicher Versuch, die Massen aufzuhalten, zum Scheitern verurteilt war: Die Blockaden würden den zähen Mob nicht davon abhalten können, langsam, aber stetig bis zur Casa Rosada vorzudringen. Die Demonstranten setzten den Strategien der Beamten ihre eigene entgegen: Sie liefen in den Verkehr hinein, wo es schwieriger war, sie unter Kontrolle zu halten, und fast unmöglich, sie zu fassen zu kriegen - insbesondere diejenigen, die so schlau waren, kein Hemd zu tragen, an dem man sie packen könnte. Im Prinzip war es ein Häuserkampf: Die Demonstranten blockierten die Verkehrsadern der Stadt, nahmen den Polizisten den Platz zum Manövrieren und machten somit deren Vorteil zunichte. Kein Zufall, sondern Absicht.

Alzada kratzte sich an der spärlichen Gesichtsbehaarung, die er zu einem Bart zu verweben versuchte. An welchem Punkt war eine Tragödie unausweichlich geworden? Er setzte seine Brille ab und drückte zwei Finger gegen den Nasenrücken. Nicht einmal die Sirene hilft mir hier raus. Er würde zu spät kommen.

Warum war es nicht zu einer Revolution gekommen? Seit Präsident Fernando de la Rúa beschlossen hatte, die Wirtschaft souverän Richtung Abgrund zu steuern, hatten die Argentinier seinen ganz speziellen Stil der Inkompetenz in mehreren qualvollen Stadien durchlitten: Zunächst war ihnen der Zugriff auf ihre Sparkonten verwehrt worden; dann hatten sie mit ansehen müssen, wie die ungezügelte Inflation das Leben beinahe über Nacht um ein Vielfaches teurer gemacht hatte; jetzt mussten sie damit leben, dass sie immer weniger Geld von ihrem Girokonto abheben durften - in einem Land, in dem man fast ausschließlich mit Bargeld bezahlte. Und bei alldem hatten die Menschen eine stoische Gelassenheit an den Tag gelegt. In Lebensmittelgeschäften und an Tankstellen war es zwar zu Plünderungen gekommen, aber es waren Einzelfälle - zurückhaltend verstreut in den ärmeren Provinzen, weit weg von der Hauptstadt. Als sie in den Abendnachrichten die Bilder gesehen hatten, hatte Paula verkündet: »Gott legt eine Schlinge um unseren Hals, aber er zieht sie nicht ganz zu.« Doch wie hatten sie es überlebt, wo man ihnen über so lange Zeit schon die Luft zum Atmen geraubt hatte? »Wir haben Schlimmeres gesehen« war ein häufig geäußerter Trostspruch, dessen Ursprung sicherlich die kollektive Erinnerung an mehrere aufeinanderfolgende Militärputsche war. Ist das der Grund dafür, dass die Leute nicht aufbegehren? Weil sie dem Militär keinen Vorwand liefern wollen, erneut die Macht an sich zu reißen?

 

Alzada hielt an einer roten Ampel. Es bestand kein wirklicher Grund zur Eile: Der Leichnam war bereits erkaltet. Dem Inspektor fielen zwei Jungen auf, die an der Ampel standen, direkt links von seinem Auto, und als Einzige nicht die Straße überquerten. Der Ältere der beiden war mitten im Teenageralter, der Jüngere war seinen Babyspeck noch nicht ganz losgeworden - ungefähr acht? Sie ähnelten sich wie ein Ei dem anderen. Brüder. Träumer in Maradona-T-Shirts. Alzada kannte diese Art von Jungen: Sie glaubten, vor ihnen habe noch nie jemand versucht, die Welt zu verändern. Sie glaubten, Entrüstung sei ihre Erfindung, sie glaubten, sie wären zum Kampf bereit. Sie glauben, sie könnten ihn gewinnen. Sie waren belogen worden - von grauhaarigen, seriös wirkenden Männern, die predigten, wie die Dinge sein könnten, Männer, die sich in ihren Ledersesseln zurücklehnten und blauäugige Jungen die Drecksarbeit machen ließen. Hungrige Jungen, die mit Reis, Brot und Bohnen entlohnt wurden - und gelegentlich mit Schokolade und Zigaretten. Die Jüngeren unter ihnen standen besonders hoch im Kurs: Ihr Strafregister war noch unbefleckt, und, was noch wichtiger war, sie schnüffelten noch keinen Klebstoff, deshalb galt ihre Loyalität ausschließlich dem Höchstbietenden. Ihnen fielen Botendienste unterschiedlicher Bedeutsamkeit zu, im Dienst der Sache - welcher verfluchten Sache -, vom Nachrichtenüberbringen bis zum Waffenverteilen. Zunächst wurde ihr Potenzial auf die Probe gestellt - ein Initiationsritual an einer Straßenkreuzung: Sie sollten die Ohren offen halten, über alle ungewöhnlichen Vorkommnisse berichten. Und an Tagen wie diesen hatten sie eine konkretere Mission: herauszufinden, welche Straßen verbarrikadiert waren und von wem, wie viele Polizisten im Einsatz waren.

Die beiden sind eindeutig Anfänger. Sie hatten noch nicht gelernt, wie...
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Autor

Eloísa Díaz, geboren 1986 in Madrid, studierte an der Pariser Sorbonne Jura und an der Columbia University/New York Creative Writing. Neben ihrer Arbeit als Anwältin widmet sie sich dem Schreiben. Als Tochter argentinischer Eltern hat sie sich intensiv mit der Geschichte Argentiniens auseinandergesetzt, vor deren Hintergrund ihr Debütroman 1981 spielt.