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Hundert Augen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Suhrkamp Verlag AGerschienen am17.08.20201. Auflage
Sie haben Häuser in Hongkong infiltriert, Geschäfte in Vancouver, die Straßen Sierra Leones, Marktplätze in Oaxaca, Schulen in Tel Aviv, Schlafzimmer in Indiana. Sie sind überall. Sie sind hier. Sie sind wir. Sie sind keine Haustiere, Geister oder Roboter. Sie sind wirkliche Menschen. Aber wie kann sich jemand, der in Berlin ist, frei durch ein Wohnzimmer in Sydney bewegen? Und wie kann jemand in Bangkok mit deinen Kindern in Buenos Aires frühstücken, ohne dass du davon weißt? Besonders wenn diese Person komplett anonym ist, unbekannt und unauffindbar?

Samanta Schweblin erzählt vom Vertrauen in Fremde, von wunderbaren Begegnungen und unerwarteter Liebe. Und davon, wie all diese Schönheiten in unsäglichen Terror umschlagen können.

Samanta Schweblin erzählt eine Geschichte, die bereits stattfindet. Eine Geschichte, die uns bekannt vorkommt und beunruhigt. Weil sie unsere Welt ist, in der wir leben. Wir wissen es nur noch nicht ... Hundert Augen ist ein visionärer Roman über unsere vernetzte Gegenwart und über den Zusammenprall von Humanität und Horror.



Samanta Schweblin wurde 1978 in Buenos Aires geboren. Für ihren Erzählungsband Die Wahrheit über die Zukunft erhielt sie 2008 den Premio Casa de las Américas sowie den Juan-Rulfo-Preis, für den Band Sieben leere Häuser erhielt sie den Premio de narrativa breve Ribera del Duero de España. Ihre Bücher sind in 25 Sprachen übersetzt. Zwei Mal stand sie bereits auf der Shortlist für den International Booker Prize. Samanta Schweblin lebt und arbeitet in Berlin.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextSie haben Häuser in Hongkong infiltriert, Geschäfte in Vancouver, die Straßen Sierra Leones, Marktplätze in Oaxaca, Schulen in Tel Aviv, Schlafzimmer in Indiana. Sie sind überall. Sie sind hier. Sie sind wir. Sie sind keine Haustiere, Geister oder Roboter. Sie sind wirkliche Menschen. Aber wie kann sich jemand, der in Berlin ist, frei durch ein Wohnzimmer in Sydney bewegen? Und wie kann jemand in Bangkok mit deinen Kindern in Buenos Aires frühstücken, ohne dass du davon weißt? Besonders wenn diese Person komplett anonym ist, unbekannt und unauffindbar?

Samanta Schweblin erzählt vom Vertrauen in Fremde, von wunderbaren Begegnungen und unerwarteter Liebe. Und davon, wie all diese Schönheiten in unsäglichen Terror umschlagen können.

Samanta Schweblin erzählt eine Geschichte, die bereits stattfindet. Eine Geschichte, die uns bekannt vorkommt und beunruhigt. Weil sie unsere Welt ist, in der wir leben. Wir wissen es nur noch nicht ... Hundert Augen ist ein visionärer Roman über unsere vernetzte Gegenwart und über den Zusammenprall von Humanität und Horror.



Samanta Schweblin wurde 1978 in Buenos Aires geboren. Für ihren Erzählungsband Die Wahrheit über die Zukunft erhielt sie 2008 den Premio Casa de las Américas sowie den Juan-Rulfo-Preis, für den Band Sieben leere Häuser erhielt sie den Premio de narrativa breve Ribera del Duero de España. Ihre Bücher sind in 25 Sprachen übersetzt. Zwei Mal stand sie bereits auf der Shortlist für den International Booker Prize. Samanta Schweblin lebt und arbeitet in Berlin.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783518753798
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum17.08.2020
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse2442 Kbytes
Artikel-Nr.5139505
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Als Erstes zeigten sie ihre Titten.


Als Erstes zeigten sie ihre Titten. Sie setzten sich zu dritt auf den Bettrand vor die Kamera, zogen die T-Shirts und dann, eine nach der anderen, die BHs aus. Robin hatte fast nichts zum Vorzeigen, machte aber trotzdem mit, wobei sie mehr auf Katias und Amys Blicke als auf das Spiel achtete. Wenn du in South Bend überleben willst, musst du dich mit den Starken anfreunden, hatten ihr die beiden mal gesagt.

Die Kamera befand sich hinter den Augen des Plüschtiers, und manchmal rollte es auf den drei Rädern, die sich unter seiner Basis verbargen, vorwärts oder rückwärts. Gesteuert wurde es von irgendwo anders, sie wussten nicht, von wem. Es hatte das Aussehen eines simplen, schlecht gemachten Pandabären, wirkte aber eher wie ein Rugbyball, dem man eine Spitze abgeschnitten hatte, damit er stehen kann. Wer immer auf der anderen Seite der Kamera saß, versuchte, ihren Bewegungen zu folgen, um nichts zu verpassen. Also stellte Amy den Panda auf einen Hocker, damit ihre Titten auf seiner Höhe waren. Das Plüschtier war Robins, aber alles, was Robin gehörte, gehörte auch Katia und Amy: Diesen Blutpakt hatten sie am Freitag geschlossen, und er sollte sie für den Rest ihres Lebens verbinden. Nun musste jede ihre kleine Nummer vorführen, und sie zogen sich wieder an.

Amy stellte das Plüschtier zurück auf den Boden, nahm den Eimer, den sie sich selbst aus der Küche geholt hatte, stülpte ihn über den Bären und verdeckte ihn dadurch ganz. Der Eimer wanderte hektisch und blindlings durchs Zimmer. Er stieß gegen Schulhefte, Schuhe und auf dem Boden verstreute Kleider, und das brachte das Plüschtier offensichtlich noch mehr in Rage. Als Amys Atem heftiger wurde und sie ein erregtes Stöhnen vortäuschte, blieb der Eimer stehen. Katia beteiligte sich an dem Spiel, und gemeinsam imitierten sie einen langen, heftigen und zeitgleichen Orgasmus.

»Das zählt aber nicht als deine Nummer«, warnte Amy Katia, als sie endlich aufhören konnten zu lachen.

»Nein, natürlich nicht«, sagte Katia und stürmte aus dem Zimmer. »Macht euch bereit!«, brüllte sie aus dem Flur.

Robin war immer etwas unwohl bei diesen Spielen, obwohl sie Katias und Amys Coolness bewunderte, wie sie mit den Jungs redeten, wie sie es schafften, immer duftende Haare und perfekt angemalte Nägel zu haben. Wenn dabei gewisse Grenzen überschritten wurden, fragte Robin sich, ob die beiden sie vielleicht auf die Probe stellen wollten. Sie war dem Clan, wie die beiden ihre Gruppe nannten, zuletzt beigetreten, und sie musste sich sehr anstrengen, um mithalten zu können.

Katia kam mit ihrem Rucksack ins Zimmer zurück. Sie setzte sich vor den Eimer und befreite das Plüschtier.

»Pass auf«, sagte sie in die Kamera, und die Augen des Plüschtiers folgten ihr.

Robin fragte sich, ob der Mensch dahinter sie wohl verstehen konnte. Er schien sie ganz genau zu hören, und sie sprachen Englisch, was ja jeder spricht. Vielleicht war die Tatsache, dass sie Englisch sprach, der einzige Vorteil, in einer so schrecklich langweiligen Stadt wie South Bend zur Welt gekommen zu sein, trotzdem konnten sie es hier immer noch mit einem Ausländer zu tun haben, der nicht mal nach der Uhrzeit fragen konnte.

Katia machte ihren Rucksack auf und holte ein Album mit Fotos von ihrem Sportverein heraus. Amy klatschte in die Hände und rief:

»Hast du die kleine Nutte mitgebracht? Willst du sie ihm zeigen?«

Katia nickte. Sie blätterte in dem Album und suchte, die Zungenspitze zwischen den Zähnen, verzweifelt nach dem Mädchen. Als sie sie gefunden hatte, klappte sie das Album ganz auf und hielt es dem Plüschtier hin. Robin beugte sich vor, um etwas zu sehen. Es war Susan, das merkwürdige Mädchen aus dem Biologiekurs, das der Clan zum Spaß mobbte.

»Sie wird Tropfarsch genannt«, sagte Katia und schürzte ein paarmal die Lippen, wie immer, wenn sie, wie der Clan es verlangte, etwas besonders Übles ausheckte. »Ich zeige dir, wie du Geld mit ihr machen kannst«, sprach Katia in die Kamera. »Robin, Süße, hältst du mal kurz das Buch, während ich dem Herrn seine Aufgabe erkläre?«

Robin trat zu ihr und hielt das Buch vor die Kamera. Amy schaute sich das neugierig an, sie hatte keine Ahnung von Katias Drehbuch. Katia suchte in ihrem Handy, bis sie ein Video gefunden hatte, und hielt dann das Display vor das Plüschtier. In dem Video sah man, wie Susan sich Strumpfhose und Slip herunterzog. Das Ganze war anscheinend vom Boden der Schultoilette aus gefilmt worden, von hinterm Klo; vielleicht hatten sie die Kamera zwischen Abfalleimer und Wand gestellt. Man hörte ein paar Pupse, und die drei lachten schallend. Als Susan vor dem Spülen ihre Kacke betrachtete, brüllten die drei vor Vergnügen.

»Diese Schlampe ist steinreich«, sagte Katia. »Die Hälfte für dich, die andere Hälfte für uns. Unser Clan kann sie nämlich nicht länger erpressen, weil die Schulleitung uns im Blick hat.«

Robin wusste nicht, wovon Katia sprach, und es war nicht das erste Mal, dass der Clan sie in seine illegaleren Aktivitäten nicht einbezogen hatte. Bald wäre Katia mit ihrer Nummer fertig und sie an der Reihe, aber sie hatte noch keine Idee. Ihre Hände waren schwitzig. Katia holte ihr Heft und einen Bleistift aus dem Rucksack und notierte etwas.

»Hier sind der volle Name, Telefonnummer, E-Mail- und die Postadresse von Tropfarsch«, sagte sie und legte das Papier neben das Foto.

»Und wie soll der junge Mann uns das Geld zukommen lassen?«, fragte Amy Katia und zwinkerte dem vermeintlichen Herrn über die Kamera zu. Katia wurde unsicher. »Wir wissen ja nicht, wer verdammt noch mal dieser Typ ist«, sagte Amy, »und nur deswegen zeigen wir ihm ja auch unsere Titten, oder?«

Katia blickte wie hilfesuchend zu Robin. In diesen kurzen Momenten, wenn Katia und Amy sich in den heikelsten Punkten nicht einig waren, wurde sie plötzlich wichtig.

»Wie soll der Herr uns denn seine E-Mail-Adresse geben, hä?«, spottete Amy weiter.

»Ich weiß, wie«, sagte Robin.

Die beiden sahen sie überrascht an.

Das wird meine Nummer, dachte Robin, damit zieh ich meinen Kopf aus der Schlinge. Der Pandabär wandte sich ebenfalls ihr zu, wollte wohl wissen, was nun passierte. Robin legte das Album weg, ging an ihren Schrank und wühlte in den Schubladen. Sie kam mit einem Ouija-Brett wieder und klappte es auf dem Boden auf.

»Komm hier drauf«, sagte sie.

Und das Plüschtier stieg darauf. Die drei Plastikräder unter der Basis fanden problemlos Halt auf der dicken Pappe, und schon war der Panda auf dem Brett. Er bewegte sich über das Alphabet, als würde er es untersuchen. Sein Körper nahm zwar mehr als einen Buchstaben ein, aber man würde dennoch sofort verstehen, welcher Buchstabe gemeint war. Das Plüschtier stellte sich unter die halbkreisförmig angeordneten Buchstaben und blieb dort stehen. Offensichtlich wusste es ganz genau, wie man ein Ouija-Brett benutzte. Robin fragte sich, was sie machen würde, wenn die Mädchen weg wären und sie wieder allein mit dem Plüschtier wäre, jetzt, da sie ihm ihre Titten und eine Möglichkeit, mit ihr zu kommunizieren, gezeigt hatte.

»Genial«, sagte Amy.

Robin musste unwillkürlich grinsen.

»Welche von uns dreien hat für dich die besten Titten?«, fragte Katia.

Das Plüschtier sprang zwischen den Buchstaben des Bretts hin und her.

D I E B L O N D E

Katia lächelte stolz, vielleicht weil sie wusste, dass er recht hatte.

Warum war ihr der Trick mit dem Brett nicht früher eingefallen, fragte sich Robin. Sie hatte das Plüschtier seit über einer Woche im Zimmer, es war hin und her gerollt. Sie hätte sich ganz ruhig mit ihm unterhalten können, vielleicht steckte ja jemand Besonderes dahinter, ein Junge, in den sie sich hätte verlieben können, aber jetzt setzte sie alles aufs Spiel.

»Nimmst du den Deal mit Tropfarsch an?«, fragte Katia und zeigte ihm noch mal das Foto von Susan.

Das Plüschtier bewegte sich und schrieb etwas.

N U T T E N

Robin runzelte die Stirn, sie war gekränkt, auch wenn es vielleicht für ihr Plüschtier sprach, dass es sie beleidigte: Sie wusste, was sie da gerade taten, war nicht korrekt. ...

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Autor

Samanta Schweblin wurde 1978 in Buenos Aires geboren. Für ihren Erzählungsband Die Wahrheit über die Zukunft erhielt sie 2008 den Premio Casa de las Américas sowie den Juan-Rulfo-Preis, für den Band Sieben leere Häuser erhielt sie den Premio de narrativa breve Ribera del Duero de España. Ihre Bücher sind in 25 Sprachen übersetzt. Zwei Mal stand sie bereits auf der Shortlist für den International Booker Prize. Samanta Schweblin lebt und arbeitet in Berlin.
Hundert Augen