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Die Kanäle der Macht

Herrschaft und Freiheit im Medienzeitalter
BuchKartoniert, Paperback
264 Seiten
Deutsch
Zsolnay, Paulerschienen am10.03.2003
Internet, E-Mail, Mobiltelefon, TV - die modernen Kommunikationsmittel verändern den Alltag und die Gesellschaft. Die Medien sind ein Faktor der Macht geworden. Wo aber zeigt sich diese Macht? An welchen Orten und in welchen Erscheinungsformen? Lässt sie sich bestimmten Gruppen eindeutig zuordnen und wer kontrolliert sie? Oder wirken die alten Mechanismen unter der neuen Oberfläche weiter? Die Beiträge des sechsten Bandes des Philosophicum Lech u.a. von Robert Menasse, Cora Stephan, Peter Glotz, Walter Grasskamp gehen diesen Fragen nach.mehr

Produkt

KlappentextInternet, E-Mail, Mobiltelefon, TV - die modernen Kommunikationsmittel verändern den Alltag und die Gesellschaft. Die Medien sind ein Faktor der Macht geworden. Wo aber zeigt sich diese Macht? An welchen Orten und in welchen Erscheinungsformen? Lässt sie sich bestimmten Gruppen eindeutig zuordnen und wer kontrolliert sie? Oder wirken die alten Mechanismen unter der neuen Oberfläche weiter? Die Beiträge des sechsten Bandes des Philosophicum Lech u.a. von Robert Menasse, Cora Stephan, Peter Glotz, Walter Grasskamp gehen diesen Fragen nach.
Details
ISBN/GTIN978-3-552-05224-6
ProduktartBuch
EinbandartKartoniert, Paperback
ErscheinungsortWien
ErscheinungslandÖsterreich
Erscheinungsjahr2003
Erscheinungsdatum10.03.2003
Seiten264 Seiten
SpracheDeutsch
Gewicht294 g
Artikel-Nr.11562826

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Wer über die »Kanäle der Macht« spricht, dem eröffnet sich ein weites Assoziationsfeld. Daß die Macht kein statisches Verhältnis ist, sondern dynamisch zwischen Personen und Gruppen, zwischen einzelnen und vielen fließt, sich immer wieder neu konstituiert, verzweigt, neue Zentren sucht und in alte zurückkehrt, wissen wir spätestens seit den diskursanalytischen Arbeiten von Michel Foucault. Daß die Macht aus demokratisch organisierten Gesellschaften nicht verschwunden ist, sondern sich nur eine andere Gestalt gegeben hat, können wir mit guten Gründen vermuten, auch wenn es eine Zeit lang inopportun war, von Macht zu sprechen, und Machträger beredt alle Macht von sich wiesen und nur mehr unter einer mitleidheischenden Last der Verantwortung zu stöhnen schienen.
Wie immer die Macht einer Gesellschaft organisiert ist ? sie braucht Kanäle, Medien, über die sie sich mitteilen und durchsetzen kann, und sie braucht die Bilder ihrer selbst. Keine Macht ohne Attribute, keine Macht ohne ästhetische Präsenz, keine Macht ohne Symbole, aber auch keine Macht ohne Ablenkung, falsche Fährten und Irreführungen. Es gibt nicht nur die glitzernde Oberfläche der Macht, ihre Demonstrationen und ihre Präsenz auf den Bildschirmen, es gibt immer auch die geheimen und die dunklen Kanäle der Macht, die verborgenen Informations- und Befehlsflüsse, die im Hintergrund wirkenden Abhängigkeiten und Sachzwänge, die halblegalen und illegalen Druckmittel und Drohungen, die entscheidenden unausgesprochenen Gesten und Andeutungen, die ominösen Sekretäre und Hintermänner, die unbekannten Ratgeber, Ghostwriter und Einflüsterer, die grauen Eminenzen und die lustvoll kolportierten Gerüchte darüber, wer nun eigentlich »wirklich« das Sagen hat.
Wer das Sagen hat. Diese alltagssprachliche Formel zitiert die Urszene der Macht. Jemand ist imstande, einem anderen seinen Willen aufzuzwingen und seine Interessen gegenüber anderen durchzusetzen. Ich kann machen, was ich will und du machst, was ich sage. Das ist Macht. »Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht. Herrschaft soll heißen die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden.« Die klassische soziologische Definition von Macht und Herrschaft, wie sie Max Weber im frühen 20. Jahrhundert festlegte, hat nichts von ihrer Brisanz eingebüßt, auch wenn die starren Autoritätsverhältnisse längst ausgedient haben und eine illusionäre Beschreibung der Gesellschaft gerne vollmundig von Kommunikation, Kooperation, Verantwortung, Teamwork und Sachkompetenz dort sprach, wo es in der Regel schlicht um Macht ging. Heute sehen wir wieder ein wenig klarer, auch wenn wir die Dinge ungern beim Namen nennen und, um der Wahrheit der eigenen Sprache zu entgehen, gerne in euphemistische Anglizismen verfallen. Aber natürlich meinen leadership und Qualitätsmanagement nichts anderes, als daß die Abfolge von Befehl und Gehorsam wieder funktioniert.
Macht ist nur dort, wo Befehlen gehorcht wird. Der Stachel des Befehls, von dem Elias Canetti schrieb, ist auch der Stachel der Macht, von dieser nicht zu trennen. Daß Befehle nicht im Kasernenhofton herumgebrüllt werden müssen, um befolgt zu werden, weiß jeder, der das sanfte Kopfnicken seines Vorgesetzten, seines Mitarbeiters, seines Partners befolgt. Und in Gesellschaften, in denen der Befehl moralisch diskreditiert ist, scheint der vorauseilende Gehorsam ohnehin die gängige Variante, mit der man der Macht dient, ohne sie in die Verlegenheit zu bringen, sich klar artikulieren zu müssen. Natürlich sind an Stelle nicht weiter befragbarer Befehlsketten heute andere Strategien der Überzeugung, Motivation und Überredung getreten, aber man könnte ? Schopenhauer hat es geahnt ? einmal überlegen, inwiefern sich auch hinter dem Anspruch, einen anderen Menschen zu motivieren, nichts weiter verbirgt als der Versuch, ihm seinen Willen zu nehmen und einen fremden Willen aufzuzwingen.
Allerdings: Macht ist immer ein Verhältnis, an dem mindestens zwei Menschen beteiligt sein müssen. Kommen weitere hinzu, verwandelt sich Macht aus einer einfachen asymmetrischen Konstellation in komplexe, oft informelle Beziehungsgeflechte. Denn vor allem gilt: Macht hält sich nicht nur an ihre institutionalisierten Formen, an deklarierte und geordnete Formen der Abhängigkeit und Kompetenzaufteilung, an festgelegte Rituale und Verfahren, spannender war immer schon, wie sich die Machtverhältnisse hinter diesen Fassaden gestalten. Und es gibt, gerade in komplexen Gesellschaften, in denen die offiziellen Machtgefüge unübersichtlich geworden sind und flache Hierarchien beschworen werden, immer auch die Macht der Ohnmächtigen. Denn Macht selbst ist ein relationaler Begriff. Sie bezieht sich immer auf den anderen, und ist dieser nicht willens und hat man keine Gewalt, kann es mit der Macht auch schon wieder vorbei sein.
Die Macht benötigt die Zustimmung ihrer Adressaten, das macht die Macht immer zu einem tendenziell gefährdeten Unternehmen. Herrscher und Beherrschte ? um einmal eine antiquierte, aber nichtsdestotrotz präzise Begrifflichkeit zu wählen ? waren immer schon ein verschwiegenes Komplizenverhältnis eingegangen. Die von Hegel beschriebene Dialektik von Herr und Knecht setzt sich, wenn auch unter anderen Bezeichnungen, allemal fort. Auch wenn hinter jedem Machtverhältnis letztlich ein elementares Gewaltverhältnis stecken mag ? je vermittelter dieses auftritt, desto größer die Chance, Macht in gleichsam verdünnter Form durch die Kanäle der Gesellschaft pulsieren zu lassen, sodaß sie mitunter einem Geflecht wechselseitiger Abhängigkeiten entspricht, bei dem auf Anhieb gar nicht so leicht zu sagen ist, wer nun eigentlich dabei das Sagen hat.
Den eigentlichen Skandal der Macht hatte allerdings schon Friedrich Nietzsche formuliert: Jeder will sie. Es ist der Wille zur Macht, der Wille zuerst zur Erhaltung, dann zur Steigerung des Lebens, der uns alle pulsieren läßt. Und dieser Wille drückt sich paradoxerweise gerade dort am unverblümtesten aus, wo die Macht noch nicht hingekommen ist, weil sie deren Adressaten sind: bei den Schwachen, den Abhängigen, den »Mindermächtigen«. Gerade weil sie keine oder nur wenig Macht haben, müssen sie nach Macht streben, obwohl sie die Macht der anderen kritisieren. Sie müssen also nach dem streben, was sie bekämpfen. Sie dürfen deshalb auch nie sagen, daß es ihnen um Macht geht. Ohnmächtige, Schwache und Ausgegrenzte kämpfen deshalb offiziell immer um Freiheit, Anerkennung, Teilhabe, Emanzipation, soziale Gerechtigkeit und faire Preise, nie um die Macht. Macht korrumpiert deshalb auch nicht. Mit dieser Formel wird nur umschrieben, daß man endlich das hat, was man wollte: Macht. Die Ziele, die man vorschob, um diese zu erreichen, waren nie ernst gemeint gewesen; aber sie waren strategisch notwendig. Sich darüber zu empören, daß einstens Unterdrückte und Idealisten, kaum zur Macht gekommen, dieser auch schon verfallen, ist deshalb müßig.
Wie stellen sich diese Probleme in einer modernen Mediengesellschaft dar, in der die politische Macht und ihre Protagonisten zunehmend den Gesetzen einer
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