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'Die Zukunft der Juden'

Strategien zur Absicherung jüdischer Existenz in Deutschland (1890-1917) - Großformatiges Paperback. Klappenbroschur.
BuchKartoniert, Paperback
340 Seiten
Deutsch
Campus Verlagerschienen am15.11.2019
Die Geschichte des deutschen Judentums um 1900 wird häufig als die einer Dualität zwischen Tradition und Moderne erzählt. Betrachtet man jedoch die jüdische Gemeinschaft nicht nur in ihrer zeitgenössischen Verfasstheit, sondern auch in ihren vergangenen Zukunftsperspektiven, so wird das Bild komplexer: Um sich angesichts sinkender Geburtenraten, der jüdischen Einwanderung aus Osteuropa und des erstarkenden Antisemitismus abzusichern, nutzten liberale Jüdinnen und Juden neuartige Instrumentarien. Anna Michaelis zeichnet entlang von Demografie, Medizin und Wohltätigkeitsorganisationen nach, wie das jüdische Bürgertum die Zukunft seiner Gemeinschaft konstruierte und bearbeitete.mehr
Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR44,00
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR39,99

Produkt

KlappentextDie Geschichte des deutschen Judentums um 1900 wird häufig als die einer Dualität zwischen Tradition und Moderne erzählt. Betrachtet man jedoch die jüdische Gemeinschaft nicht nur in ihrer zeitgenössischen Verfasstheit, sondern auch in ihren vergangenen Zukunftsperspektiven, so wird das Bild komplexer: Um sich angesichts sinkender Geburtenraten, der jüdischen Einwanderung aus Osteuropa und des erstarkenden Antisemitismus abzusichern, nutzten liberale Jüdinnen und Juden neuartige Instrumentarien. Anna Michaelis zeichnet entlang von Demografie, Medizin und Wohltätigkeitsorganisationen nach, wie das jüdische Bürgertum die Zukunft seiner Gemeinschaft konstruierte und bearbeitete.
Details
ISBN/GTIN978-3-593-51126-9
ProduktartBuch
EinbandartKartoniert, Paperback
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum15.11.2019
Reihen-Nr.7
Seiten340 Seiten
SpracheDeutsch
Gewicht439 g
Artikel-Nr.46719535
Rubriken

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
Vorwort 9
1. Einleitung 13
1.1 Zwischen Vergangenheit und Zukunft - Zur Situation des jüdischen Bürgertums um 1900 15
1.2 Fragestellung und theoretische Überlegungen 19
1.3 Forschungsstand 34
1.4 Quellen und Quellenzugriff 39
1.5 Aufbau und Forschungsdesign 42
2. Dimensionen jüdischer Sozialpolitik - Geschichte und Räume 45
2.1 Wohltätigkeit im Judentum von Zedaka bis zentralisierter Wohlfahrt 45
2.2 Wohlfahrtspraktiken im Raum - Shtot, Hafen und Zentralität 53
2.3 Drei Zentren jüdisch-sozialen Engagements 56
2.3.1 Berlin - Urbanität und soziale Herausforderungen 56
2.3.2 Frankfurt am Main - Tradition, Wandel und Stiftungswesen 66
2.3.3 Hamburg - Bürgerliches Selbstbewusstsein und Transitmigration 75
3. Koordinaten des wissenschaftlichen Diskurses
über die Zukunft der Juden 84
3.1 "Jüdische" Wege in die akademische Bildung 84
3.2 Die Genese des jüdisch-wissenschaftlichen Diskurses
über die "jüdische" Rasse, Pathologien und Demografie 88
3.3 Jüdische Wissenschaftler und Rassenbiologie - Probleme um Backshadowing und Pseudowissenschaft 93
3.4 Die zionistische Prägung der jüdischen Bio- und Sozialwissenschaften 98
3.5 Drei Schlüsselpersonen der Forschung
über die Zukunft der Juden 100
3.6 Der diskursive Hintergrund - Rasse, Degeneration und Vererbung 107
4. Zukunft als "Schwächlinge" oder "Normalmenschen"? - Jüdische Sozialpolitik und Wissenschaft über jüdische Psyche und Körper 112
4.1 Zur Geschichte von jüdischer Gesundheitspolitik und Medizin 112
4.2 Theoretische Überlegungen zu jüdischer Gesundheitspolitik und Medizin 120
4.3 Vom Beginn und vom Ende des Lebens - Nachkommenschaft als Garantin für die jüdische Zukunft? 123
4.4 Erzählungen über physiologische Stärke und Schwäche - "Jüdische" Körper als Arbeitsfeld von jüdischer Fürsorge und Forschung 136
4.5 Tatkräftige und wehrhafte Männer - Jüdische Interventionen
zur Stärkung von jüdischer Arbeitskraft und Militärfähigkeit 149
4.6 Konstruktionen psychischer Stärke und Schwäche zwischen wissenschaftlicher Fixierung und sozialpolitischem Tabu 160
4.7 Zwischenfazit 169
5. Platzierung in Gemeinschaft, Positionierung in Gesellschaft - Jüdische Berufsstatistik, Berufsfürsorge und Zukunft 172
5.1 Zur Geschichte der jüdischen Berufsfürsorge und Berufsstatistik 172
5.2 Theoretische Überlegungen zur jüdischen Berufsfürsorge und Berufsstatistik 181
5.3 Berufsfürsorge auf Abwegen - Die Ausbildung jüdischer Mädchen zwischen Monetarisierung und Gemeinschaftsstärkung 183
5.4 Distanz und Nähe - Verortungen jüdischer Berufsfürsorge in der Gesellschaftshierarchie 198
5.5 Bekämpfung der Arbeitslosigkeit oder der Judenfeindschaft? - Jüdische Berufsfürsorge und Antisemitismus 209
5.6 Ein neues "Dorfjudentum"? - Jüdische Wissenschaftler über den Sinn der Berufsumschichtung in Zeiten von Industrialisierung und Urbanisierung 218
5.7 Zwischenfazit 229
6. Jüdische Gemeinschaft in Zukunft - Demografische Observation und Community building 233
6.1 Zur Geschichte von jüdischer Demografie und Wandererfürsorge 233
6.2 Theoretische Überlegungen zu jüdischer Demografie und Wandererfürsorge 239
6.3 Die "Fundamente unserer Zukunft erschüttert" - Mischehe und Konversion als Bedrohung jüdischer Gemeinschaft 242
6.4 "Untergang der deutschen Juden"? - Jüdische Wissenschaftler über demografische Tendenzen in der jüdischen Bevölkerung 253
6.5 "Zuzug hemmen" und "Durchzug fördern" - Die Fürsorge für die durchwandernden Jüdinnen und Juden aus Osteuropa 263
6.6 Die Verstetigung des Transits - Umgangsweisen jüdischer Sozialpolitik mit dauerhafter Einwanderung 272
6.7 Zwischenfazit 284
7. Fazit 287
7.1 Moderne, Tradition und Strategie -
Ergebnisse in drei Kernthesen 290
7.2 Erstes Szenario: Keine jüdische Zukunft in Deutschland 292
7.3 Zweites Szenario: Keine Zukunft in jüdischer Eigenheit 295
7.4 Drittes Szenario: Erhaltung der jüdischen Eigenheit
in Deutschland 298
7.5 Jüdische
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Leseprobe
Vorwort
In einer historiografischen Arbeit über Zukunftskonzeptionen und -bearbeitungen deutscher Jüdinnen und Juden im Kaiserreich ausgerechnet die jüdische Demografie, jedoch auch Aspekte der "jüdischen" Eugenik und "Rassenbiologie" mit den Maßnahmen jüdischer Sozialpolitik in Verbindung zu setzen, ist mit Einschränkungen ein gewagtes Unternehmen. Ohne hier weiter auf die Erwägungen bei der Wahl dieser Akteursgruppen eingehen zu wollen - das tue ich bereits in der Einleitung - möchte ich meiner Untersuchung daher in aller Kürze ein paar allgemeine Bemerkungen voranstellen. Im Rahmen von Vorträgen auf Konferenzen und bei Kolloquia bin ich häufig auf Erstaunen darüber gestoßen, dass jüdische Wissenschaftler sich an Debatten über Rassenbiologie und Eugenik beteiligt haben. Der Umstand, dass sich Mediziner und Demografen jüdischer Herkunft innerhalb eines diskursiven Rahmens, der später unter anderem die Schoah mitermöglicht hat, bewegt haben, erschien meinen Gesprächspartnerinnen und -partnern oft schwer nachvollziehbar.
Gleichzeitig wurde mir auch immer wieder angetragen, dass doch der Antisemitismus die wesentliche Koordinate gewesen sein müsste, an dem die jüdischen Akteurinnen und Akteure in Wissenschaft wie Sozialpolitik ihr Handeln ausgerichtet hätten.
Beide Einwände haben selbstredend ihre Berechtigung und ich habe dahingehende Gespräche als Möglichkeit begriffen, das Forschungskonzept meiner Arbeit zu schärfen und auszubauen. Am Ende meines Forschungsprozesses bin ich zuversichtlich, gezeigt zu haben, dass es unabdingbar ist, das jüdische Bürgertum des deutschen Kaiserreiches in den aus seiner Perspektive prinzipiell offenen Zukunftsperspektiven ernstzunehmen. Der Antisemitismus und in heutigen Begriffen rassistische Denkstile waren dabei sicherlich bedeutende Faktoren, die das Handeln der jüdischen Akteurinnen und Akteure beeinflusst haben und auch die Geschichte des europäischen Judentums in katastrophaler Weise geprägt haben. Doch ist es im Sinne der Empathie und einer nicht teleologischen verengten Geschichtsschreibung geboten, mit den Akteurinnen und Akteuren gemeinsam ein Wagnis einzugehen: Einen möglichst unverstellten Blick in die vergangene Zukunft.

Ein paar Worte noch zur Sprache dieser Arbeit: Die Ausdrucksweise, in der sich die hier untersuchten Wissenschaftler und zum Teil auch die sozialpolitisch Engagierten geäußert haben, erscheint aus heutiger Perspektive höchst befremdlich, ist aber im Kontext wissenschaftlicher und sozialpolitischer Diskurse um die Jahrhundertwende zu lesen und zu analysieren. Die Tatsache, dass Menschen jüdischer Herkunft den Sprachstil dieser zeitgenössischen Diskurse verwendeten und sogar gezielt nutzten, um ihre Zukunftsperspektiven zu konzipieren, ist erwartbar, wenn man zeitgenössische Diskurse in ihren zahlreichen politischen und forschungsbezogenen Facetten anerkennt und analysiert.
Wie es die methodologische Lauterkeit historiografischer Forschung gebietet, habe ich in der Arbeit darauf geachtet, Distanz zur Quellensprache zu wahren. Denn insbesondere wenn es darum geht, eine wissenschaftliche Debatte nachzuvollziehen, die nach heutigen Kriterien ausgesprochen problematisch ist, ist ein bewusster Umgang mit dem eigenen wissenschaftlichen Duktus unabdingbar. In der Praxis bedeutete dies oftmals, einen Kompromiss zwischen guter Lesbarkeit und klarer Abgrenzung zu finden. An den Stellen, an denen dies weniger gut gelungen sein mag, bitte ich um Nachsicht.

Diese Arbeit wäre ohne die inhaltliche, finanzielle, moralische und emotionale Unterstützung einer Reihe von Personen und Institutionen nicht zustande gekommen, so dass eine Danksagung nur lückenhaft bleiben kann. Am Ende des Prozesses kann ich auf eine schier unübersehbare Zahl vieler Momente der Inspiration, kleiner hilfreicher Bemerkungen und ermutigender Worte zurückblicken - sei es in abendlicher Runde mit Freundinnen und Familie, beim Mittagessen in der Mensa oder beim
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Kritik
»Insgesamt legt Anna Michaelis [...] eine lesens- und erkenntnisreiche Studie zu Fragen der jüdischen Sozialforschung und der Wohlfahrtspraxis großstädtischer jüdischer Gemeinden vor. Der Forschungsansatz, die theoretische Ebene mit der Ebene des 'tatsächlich Machbaren' zu konfrontieren, ist hier ausdrücklich als innovativ zu loben.« Johann Nicolai, H-Soz-Kult, 10.06.2021mehr

Autor

Anna Michaelis ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Jüdische Studien der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
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Michaelis, Anna