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Der Cop

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
336 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am03.09.2012
Das Telefon klingelt. Es ist deine Tochter. Sie ist seit vier Monaten tot.
Ian Hunt hat noch eine knappe Stunde bis Schichtende, als seine Tochter anruft. Es ist über sieben Jahre her, dass er ihre Stimme zuletzt gehört hat. Vor vier Monaten wurde sie für tot erklärt. Plötzlich wird der Anruf von einem Mann unterbrochen. Es ist der Mann, der Maggie vor sieben Jahren aus dem Kinderzimmer entführt hat. Maggie kann noch vage Angaben zu ihrem Entführer machen, dann bricht die Verbindung ab. Eine gnadenlose Jagd quer durch Amerika nimmt ihren Lauf.

Ryan David Jahn wuchs in Arizona, Texas und Kalifornien auf. Mit sechzehn Jahren verließ er die Schule, um in einem Plattenladen zu arbeiten. Seit 2004 schreibt er als Drehbuchautor für Film und Fernsehen. Für seinen ersten Roman Ein Akt der Gewalt wurde er mit dem renommierten Debut Dagger Award ausgezeichnet.
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Produkt

KlappentextDas Telefon klingelt. Es ist deine Tochter. Sie ist seit vier Monaten tot.
Ian Hunt hat noch eine knappe Stunde bis Schichtende, als seine Tochter anruft. Es ist über sieben Jahre her, dass er ihre Stimme zuletzt gehört hat. Vor vier Monaten wurde sie für tot erklärt. Plötzlich wird der Anruf von einem Mann unterbrochen. Es ist der Mann, der Maggie vor sieben Jahren aus dem Kinderzimmer entführt hat. Maggie kann noch vage Angaben zu ihrem Entführer machen, dann bricht die Verbindung ab. Eine gnadenlose Jagd quer durch Amerika nimmt ihren Lauf.

Ryan David Jahn wuchs in Arizona, Texas und Kalifornien auf. Mit sechzehn Jahren verließ er die Schule, um in einem Plattenladen zu arbeiten. Seit 2004 schreibt er als Drehbuchautor für Film und Fernsehen. Für seinen ersten Roman Ein Akt der Gewalt wurde er mit dem renommierten Debut Dagger Award ausgezeichnet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641079697
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum03.09.2012
Seiten336 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2281 Kbytes
Artikel-Nr.1201854
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



EINS

Ian Hunt hat noch eine knappe Stunde bis Schichtende, als seine tote Tochter anruft. Es ist über sieben Jahren her, dass er ihre Stimme zuletzt gehört hat. Damals war sie ein anderer Mensch - ein siebenjähriges Mädchen mit dicklichen Fingern, einem fehlenden Schneidezahn und grünen Augen, die einem das Herz brechen konnten, wenn sie es darauf anlegte. Deshalb begreift Ian im ersten Moment nicht, dass er tatsächlich mit seiner Tochter spricht.

Aber es ist seine Tochter.

Ian sitzt in der Leitstelle des Polizeireviers von Bulls Mouth, Texas, in einem kleinen Gebäude an der Crouch Avenue. Wie gewöhnlich ist er allein im Zimmer, aber würde er sich aufraffen und seinen Kopf durch die Tür in den Empfangsraum stecken, würde er dort mit ziemlicher Sicherheit Chief Davis sehen, wie er auf seinem zurückgekippten Stuhl döst, die Stiefel auf dem Tisch, den Stetson über die Augen gezogen. Im Fenster links von Ian rumort die urzeitliche Klimaanlage, Wasser tropft von den Lamellen auf den verschimmelten Teppichboden, doch die Julihitze lässt sich davon kaum beeindrucken. Ian rinnt der Schweiß über die Schläfen. Er neigt den Kopf, hebt die Schulter und reibt die Feuchtigkeit ins Uniformhemd, bevor er sich wieder der Solitär-Partie auf dem rechnergestützten Einsatzleitsystem widmet. Gott sei Dank weiß niemand, dass er fünfundneunzig Prozent seiner Arbeitszeit mit Patiencen totschlägt. Die Leute würden ausrasten, wenn sie es erführen.

Aber Bulls Mouth ist nun mal keine besonders große Stadt: inklusive Umland dreitausend Menschen, und das auch nur dann, wenn man die ganzen Endzeitfanatiker, selbst ernannten Propheten, Schlangenbeschwörer, Meth-Köche, Schulabbrecher und Junkies mitzählt. Wahrscheinlich sollte man sie mitzählen. Mit all diesen Leuten muss die Polizei von Bulls Mouth sich schließlich herumschlagen.

Obwohl Bulls Mouth das prototypische Provinznest ist, handelt es sich bei ihm doch um die zweitgrößte Stadt im gesamten Tonkawa County. Immerhin ein Viertel von dessen Bevölkerung wohnt hier.

Ian greift zum Kaffeebecher und kippt sich die kalte Brühe die Kehle hinunter. Er schneidet eine Grimasse, nimmt aber trotzdem einen zweiten Schluck. Es hilft nichts, er muss seine drei Kannen Folgers-Kaffee täglich schaffen, und so schüttet er sich einen Becher nach dem anderen hinunter, während er sich durch Hunderte Partien von Solitär klickt.

Kaum hat er den Becher abgestellt, kommt der Anruf rein, von einem Münztelefon an der Main Street, ein Stückchen nördlich der Flatland Avenue. Wahrscheinlich bloß ein Scherz, denkt er. Warum sonst sollte man im Handyzeitalter noch ein Münztelefon benutzen? Nein, wahrscheinlich wollen nur ein paar angeödete Highschool-Kids ein bisschen auf den Putz hauen, um sich den langweiligen Sommertag zu vertreiben. Ian kann ihnen nicht wirklich böse sein, denn damals in Venice Beach, Kalifornien, als er selbst noch jung war, war er genauso drauf.

»Polizeinotruf. Was kann ich für Sie tun?«, spricht er ins Headset, die Finger schon über der schwarzen Tastatur, um die notwendigen Informationen einzugeben.

»Bitte helfen Sie mir!«

Ein Mädchen oder eine Frau, Ian ist sich nicht sicher. Auf jeden Fall zittert die Stimme vor Panik, und das Mädchen/die Frau ist völlig außer Atem. In der Leitung knackt es, als würde ein heftiger Wind wehen. Sie keucht in den Hörer, tief aus ihrer Kehle dringen hohe Quietschlaute. Wenn das ein Scherz ist, hat er es mit einer verdammt guten Schauspielerin zu tun.

»Bitte, Ma´am, bewahren Sie Ruhe. Sagen Sie mir einfach, was los ist.«

»Er ist hinter mir her, er ...«

»Wie heißen Sie, und wer ist hinter Ihnen her?«

»Ich heiße Sarah. Das heißt, nein. Nein, ich heiße Maggie, Maggie Hunt, und der Mann, der hinter mir ... Ich war ... Er ... Er ...«

Maggie Hunt. Ian spürt seine Lippen nicht mehr. Ein eigenartiges Zittern läuft durch seinen Körper, als wäre in ihm eine Stahlsaite angeschlagen worden. Schwindelgefühl in fis-Moll.

Er schluckt.

»Maggie?« Ian atmet durch die Nase ein und durch den Mund aus, ein lang gezogenes, bebendes Seufzen. »Ich bin´s, Maggie. Daddy.«

Die Beerdigung war im Mai, das ist jetzt zwei Monate her. Eigentlich wollte Ian keine Beerdigung. Was für ein absurdes Ritual, dachte er - eine Vergangenheit zu begraben, die noch so lebendig war. Noch so lebendig ist. Man schaufelt doch niemandem ein Grab, solange sein Herz noch schlägt. Aber Debbie überzeugte ihn schließlich. Es ginge nicht anders, sagte sie, sie brauche einen deutlichen Schlusspunkt. Zumindest war das die Meinung ihres Therapeuten, für dessen Ratschläge sie jedes Mal bis nach Houston fuhr. Also hielten sie die Beerdigung ab. Viele Leute kamen. Pastor Warden stellte sich vor einen kleinen, leeren Sarg und erging sich in Gemeinplätzen.

Seine Worte waren genauso leer wie der Sarg.

Die Leute weinten, sangen Lieder, selbst wenn sie nicht singen konnten, sanken auf die Knie, neigten den Kopf und beteten. Sie betrachteten Bilder der hübschen kleinen Maggie, von ihrem ersten Lebensjahr bis zum siebten, aber nicht darüber hinaus. Maggie in ihrem Kinderstuhl, das Gesicht mit Kuchen verschmiert. Maggie bei ihren ersten wackligen Gehversuchen. Maggie vor blauem Hintergrund auf dem Porträt im Jahrbuch ihrer zweiten Klasse. Maggie auf der Treppe vor ihrem Haus am Grapevine Circle Nummer 44, mit aufgeschlagenem Knie, einem Sturzhelm auf dem Kopf und einem durchtriebenen Grinsen im Gesicht. Wie die Grinsekatze aus dem Wunderland.

Im September wäre sie fünfzehn geworden.

Ian hatte nicht mitgesungen. Auch nicht mitgeweint. Er hatte überhaupt keinen Laut von sich gegeben. Stattdessen saß er in der letzten Reihe, mit geradem Rücken, die gefalteten Hände auf dem Schoß. Schon im Mai war es in der Baptistenkirche von Bulls Mouth brütend heiß, aber er wischte sich nicht den Schweiß von Stirn oder Schläfen. Er rührte sich überhaupt nicht. Sein Kopf war wie ein leeres Zimmer, unmöbliert. Erst als die Leute kamen, um ihm ihr Beileid auszusprechen, bewegte er sich wieder. Er schüttelte ihnen die Hände, bedankte sich, ließ sich auf jede Umarmung ein. Dabei wollte er die ganze Zeit nur weg, nach Hause gehen und allein sein.

Ganz zum Schluss kam Debbie. Mit Bill Finch, ihrem neuen Mann. Auch Bill war Gesetzeshüter; allerdings arbeitete er nicht für die städtische Polizei, sondern für die Dienststelle des Sheriff´s Department von Tonkawa County in Bulls Mouth, gleich neben dem County-Gefängnis gegenüber von Ians Polizeirevier. Bill stürzte sich immer wieder in Kompetenzstreitigkeiten mit Chief Davis, selbst wenn es bloß um irgendwelche Kleinigkeiten ging, die seit jeher von der örtlichen Polizei geregelt wurden. Überflüssige Diskussionen, die meist in lautstarken Auseinandersetzungen zwischen Davis und Sheriff Sizemore, Bills Vorgesetztem, mündeten. Bill war einer von drei Beamten, die das County in Bulls Mouth stationiert hatte, ihr eigentliches Hauptquartier hatten sie in Mencken. Da die Polizei in Bulls Mouth das Tagesgeschäft mehr oder weniger allein abwickelte, landeten sämtliche Notrufe zunächst in Ians Leitstelle.

Auf der Beerdigung hatte Debbie ihn umarmt und sich bedankt, dass er der Zeremonie zugestimmt hatte. Bill und er nickten sich knapp zu, doch keiner der beiden streckte die Hand aus. Dann gingen sie ihrer Wege - Debbie und Bill zu ihrem Haus, den mittlerweile dreijährigen Zwillingen, den zwei Hunden, dem Garten mit Swimmingpool. Ian zu seinem Apartment an der College Avenue, dem summenden Kühlschrank und seinem persönlichen Ozean aus Reue.

»Daddy?«, fragt Maggie ins Telefon.

Einen Moment glaubt er, die Sprache verloren zu haben. »Ja ... Ich ... Ich bin hier«, antwortet er schließlich. Erst jetzt erinnert er sich an seine eigentliche Aufgabe. »Bitte sag mir, wo du bist. Auf der Main Street?«

Die Ortsangabe des Leitsystems ist eindeutig, aber nicht immer verlässlich. Und wenn seine Tochter in Gefahr ist, will er sichergehen, dass er den Streifenwagen auch zur richtigen Stelle schickt.

»Ich weiß nicht. Bitte hilf mir!«

»Ja, Maggie, ja. Ich helfe dir. Aber dazu muss ich wissen, wo du bist. Siehst du ein Straßenschild? Oder irgendwelche Läden?«

Eine unendlich lange Pause. Ganze Kontinente entstehen und vergehen. »Ja, ja, das ist die Main Street, das Main Street Shopping Center!«

Noch vor zwei Monaten war sie tot. Während Ian mit seiner Tochter spricht, steht ihr Grabstein auf dem Hillside Cemetery gleich hinter der Wallace Street. Reihe 17, Nummer 29. Doch das Grab ist leer, und der Mensch, der eigentlich dort unter der Erde liegen sollte, befindet sich im Main Street Shopping Center und presst sich einen Telefonhörer ans Ohr.

Seine Tochter lebt. Ian weiß es, denn er kann sie atmen hören.

»Gut, Maggie, gut. Und der Mann, der dich entführt hat, wie sieht er aus?«

»Er ... Er ist groß«, sagt sie, »mindestens so groß wie du, vielleicht noch größer. Und alt, wie ein Opa. Oben auf dem Kopf hat er keine Haare mehr, da kann man seine Haut glänzen sehen. Und seine Nase ... an seiner Nase sind lauter aufgeplatzte Adern und...


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Kritik
"Ryan David Jahn legt einen Blitzstart hin (...) und steigert bis zuletzt das Tempo."mehr

Autor

Ryan David Jahn wuchs in Arizona, Texas und Kalifornien auf. Mit sechzehn Jahren verließ er die Schule, um in einem Plattenladen zu arbeiten. Seit 2004 schreibt er als Drehbuchautor für Film und Fernsehen. Für seinen ersten Roman Ein Akt der Gewalt wurde er mit dem renommierten Debut Dagger Award ausgezeichnet.