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Letzte Reise

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
416 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am10.03.2014
Captain James Cook war einer der berühmtesten Entdeckungsreisenden des 18. Jahrhunderts, aber vom Leben seiner Frau Elizabeth, die zu Hause in England immer wieder auf ihn wartete, weiß man wenig. Anna Enquist erzählt in ihrem neuen großen Roman von Elizabeths Leben als Frau und Mutter, als Geliebte und als Verlassene, und zugleich schildert sie farbenprächtig die vorviktorianische Zeit, Cooks Abenteuer und Ideen.
London 1775: Elizabeth Cook wartet in ihrem Haus auf die Heimkehr ihres Mannes James, der eben seine zweite große Weltreise beendet hat. Obwohl sie immer regen Anteil genommen hat an seinen Entdeckungen und wissenschaftlichen Forschungen, hofft sie, dass er nun endlich bei ihr und den Kindern bleibt und seinen wohlverdienten Ruhm genießt. Immerhin hat er es vom Bauernsohn bis zum Admiral der englischen Flotte gebracht und gehört zur gesellschaftlichen Elite des Landes.
Trotz der Aussicht auf ein beschauliches gemeinsames Leben nagen auch Zweifel an Elizabeth: Wie wird es James ohne seine geliebte Seefahrt ergehen, und vor allem, wie wird sie, die sechs Kinder mehr oder weniger allein geboren und aufgezogen und selbständig gelebt hat, mit ihrer neuen Rolle fertig werden - als Frau eines ehrgeizigen, befehlsgewohnten Kapitäns an Land? Doch es kommt anders. Cook bricht das Versprechen, das er ihr gegeben hat, und lässt sich zu einer dritten Reise überreden, von der er nicht zurückkehren wird.
Wie Elizabeth damit umgeht, wie sie trotz Widerstands der Admiralität die unklaren Umstände seines Todes aufdeckt und wie sie die schweren Schicksalsschläge meistert, die das Leben ihr auferlegt - sie überlebt alle ihre Kinder -, das erzählt Anna Enquist spannend und eindringlich, facettenreich und bewegend.

Anna Enquist wurde 1945 in Amsterdam geboren, ist ausgebildete Konzertpianistin und arbeitete lange Jahre als Psychoanalytikerin. Seit 1991 veröffentlicht sie Gedichte, Romane und Erzählungen. Ihre Werke wurden mit mehreren Preisen ausgezeichnet und in fünfzehn Sprachen übersetzt. Anna Enquist lebt in Amsterdam.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR7,99

Produkt

KlappentextCaptain James Cook war einer der berühmtesten Entdeckungsreisenden des 18. Jahrhunderts, aber vom Leben seiner Frau Elizabeth, die zu Hause in England immer wieder auf ihn wartete, weiß man wenig. Anna Enquist erzählt in ihrem neuen großen Roman von Elizabeths Leben als Frau und Mutter, als Geliebte und als Verlassene, und zugleich schildert sie farbenprächtig die vorviktorianische Zeit, Cooks Abenteuer und Ideen.
London 1775: Elizabeth Cook wartet in ihrem Haus auf die Heimkehr ihres Mannes James, der eben seine zweite große Weltreise beendet hat. Obwohl sie immer regen Anteil genommen hat an seinen Entdeckungen und wissenschaftlichen Forschungen, hofft sie, dass er nun endlich bei ihr und den Kindern bleibt und seinen wohlverdienten Ruhm genießt. Immerhin hat er es vom Bauernsohn bis zum Admiral der englischen Flotte gebracht und gehört zur gesellschaftlichen Elite des Landes.
Trotz der Aussicht auf ein beschauliches gemeinsames Leben nagen auch Zweifel an Elizabeth: Wie wird es James ohne seine geliebte Seefahrt ergehen, und vor allem, wie wird sie, die sechs Kinder mehr oder weniger allein geboren und aufgezogen und selbständig gelebt hat, mit ihrer neuen Rolle fertig werden - als Frau eines ehrgeizigen, befehlsgewohnten Kapitäns an Land? Doch es kommt anders. Cook bricht das Versprechen, das er ihr gegeben hat, und lässt sich zu einer dritten Reise überreden, von der er nicht zurückkehren wird.
Wie Elizabeth damit umgeht, wie sie trotz Widerstands der Admiralität die unklaren Umstände seines Todes aufdeckt und wie sie die schweren Schicksalsschläge meistert, die das Leben ihr auferlegt - sie überlebt alle ihre Kinder -, das erzählt Anna Enquist spannend und eindringlich, facettenreich und bewegend.

Anna Enquist wurde 1945 in Amsterdam geboren, ist ausgebildete Konzertpianistin und arbeitete lange Jahre als Psychoanalytikerin. Seit 1991 veröffentlicht sie Gedichte, Romane und Erzählungen. Ihre Werke wurden mit mehreren Preisen ausgezeichnet und in fünfzehn Sprachen übersetzt. Anna Enquist lebt in Amsterdam.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641141288
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum10.03.2014
Seiten416 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2741 Kbytes
Artikel-Nr.1388495
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2

Sie öffnete die Küchentür und lief barfuß in den Garten hinaus. Tau heftete sich in kleinen Tropfen an ihre Fesseln und ihren Rocksaum. Das Gras war zu hoch gewachsen, die Bäume und Sträucher prunkten fast stolz mit ihrer ungestutzten Blätterpracht. Es war früh, das Sonnenlicht fiel noch bleich durch die Zweige, windstill war es, und sie roch den Fluß, wenn sie einen Moment reglos und mit geschlossenen Augen stehenblieb. Ein weiterer Tag. Gleich würden die Jungen aufwachen, mußte Brei gekocht und Tee aufgegossen werden, würde die Küche beben vor schrillen Kinderstimmen.

Jetzt, hier, in der beinah beklemmenden Stille, war sie mit sich allein in dem Garten, den sie als ihr Haus betrachtete. Langsam machte sie einen Rundgang. Die Quitte mit ihren weißrosa Blüten, man konnte sich kaum etwas Verletzlicheres vorstellen, und doch würden sich die Blüten zu steinharten, faustgroßen Früchten auswachsen; die Stachelbeeren mit ihren niederträchtigen, nadelspitzen Stacheln, die Maulbeere und die Mispel voller Versprechen. Hier und da erhoben sich nichtheimische Gewächse, ausländische Gäste in Londoner Erde. Eine kleine Ananas auf einem Stengel, die protzigen Blätter der Bananenpflanze, eine Palme und eine Agave im wärmsten Winkel, an der Mauer. Auf einem unordentlichen, halb umgegrabenen Beet im hinteren Teil lag welkes Grün, das wie Kartoffellaub aussah, aber keines war, zwischen seltsamen dunklen Knollen in den unregelmäßigen Furchen.

James nahm Samen und Wurzelstöcke mit, wenn er auf die Reise ging. Überall, wo er den Fuß an Land setzte, hatte er kleine Kartoffelfelder angelegt und Senfsamen gesät. Möhren, Melonen und Erbsen brachte er den Eingeborenen. Er grub den Boden um, legte die Samen behutsam in ihre Beete, deckte sie zu und gab ihnen Wasser. Er hatte sich auf das Wiedersehen mit den Versuchsgärten gefreut: Hatten die Wilden alles unreif von den Zweigen gerupft, oder hatten sie begriffen und war geerntet und wieder neu gesetzt worden? Von den Inseln brachte er Pflanzen mit, am liebsten eßbare Gewächse. Das meiste davon ging an Banks' Botanische Gärten in Kew, doch einige übrige Exemplare hatte er hierherbringen lassen und sorgfältig in feuchte Erde gesetzt. Hin und wieder starb etwas ab, und sie räumte es heimlich weg, unsicher, was die Ursache für sein Eingehen war. Lag es am Klima, am Boden oder an den sich niederschlagenden Dämpfen von der Ginfabrik nebenan? Sie wußte es nicht.

Apfel- und Holunderbaum standen neben der Waschküche. Unverwüstlich, jedes Jahr wieder.

Seit dem Tag der Tischräumung, vor nunmehr zwei Monaten, stellte sie fest, daß sie mit zweifachem Blick auf Haus, Garten und Kinder schaute. James hatte schon im vorhinein Einzug in ihre Sichtweise gehalten. Dieser zweifache Blick kündigte Veränderungen an, sie war schon nicht mehr ganz allein. Über die Ananas würde er jauchzen. Daß sie den Holunder nicht hatte zurückschneiden lassen, würde ihn verstimmen, er würde zwar nichts sagen, um nicht die fragile Harmonie der Wiederkehr zu zerbrechen, aber er würde kurz die Augenbrauen zusammenziehen. Hinter den gefiederten Holunderblättern wohnte ein Amselpaar. Das Weibchen mit seinem dicken, fahlbraunen Leib schoß in den Garten und landete auf dem Gras. Der Vogel machte kein Gewese, tat nichts Überflüssiges, sondern pickte rasch einen Wurm aus der nassen Erde und flog geradewegs zum Nest zurück. Gezwitscher, Blättergeraschel, ein ganz leises Piepsen. Die Jungen waren geschlüpft.

 


Sie blieb mit dem verklebten Topf und den Breitellern zurück, als die Jungen in die Schule gingen. Nicht zaudern, gleich Wasser pumpen, spülen, scheuern. Verbissen rieb sie das Geschirr trocken und stellte es weg. Die Teller in den Schrank, den Topf aufs Reck, die Löffel in die Schublade. Es muß nicht gleich alles saubergemacht werden, dachte sie, warum treibe ich mich so an, er ist noch lange nicht da. Ihre Schultern schmerzten von der Anspannung, und als sie sich an den Küchentisch setzte, merkte sie, daß ihr Tränen in den Augen standen.

Zwischen Fortsein und Zurückkehren befand sich eine Zwischenregion. In der war sie jetzt. Die Küchenwände müßten geweißt, die Stühle, auf denen die Jungen immer wippten, repariert werden. Sie sollte sich ein neues Kleid schneidern lassen.

Es klopfte. Als die Tür aufging, war sie noch in Gedanken versunken. Ein großer Mann in Kapitänsuniform stand im Schatten neben dem Herd. Sie erschrak.

»Ich überfalle dich, verzeih!« Er streckte den Arm aus, um einige Briefe auf den Tisch zu legen. Ein goldbestickter Ärmel.

»Hugh! Bringst du Neuigkeiten?«

Palliser lehnte seinen Stock an einen Stuhl und setzte sich neben sie. Wie hatte sie ihn mit James verwechseln können, er hatte eine Umgänglichkeit, eine selbstverständliche Herzlichkeit, die James abging. Vor einigen Wochen hatte sie mit ihm im Garten gesessen; die Jungen waren nach Hause gekommen, und es hatte sich ein munteres Gespräch über das Leben an Bord entsponnen. Fragen und Antworten kamen Schlag auf Schlag - wie hoch die Wellen, wie groß die Fische, wie eklig das Essen.

Sie hatte gelauscht, nicht dem, was die Kinder fragten und Palliser antwortete, sondern der Musik aus den aufgekratzten Kehlen der Jungen und dem Kontrapunkt von Pallisers tiefem Baß.

»Prachtjungen hast du«, hatte er beim Abschied gesagt. »Du bist ihnen eine gute Mutter, aber ich hoffe, daß ihr Vater nicht zu lange fortbleibt. Den brauchen sie auch. Prachtjungen, Elizabeth.«

Er gab ihr einen ungeöffneten Brief. Ihr Name stand in James' Handschrift auf dem Kuvert. Sie senkte den Kopf.

»Sie sind auf dem Heimweg. James hat der Dutton am Kap der Guten Hoffnung eine Kiste mit Karten, Briefen und Logbüchern mitgegeben. Kauffahrtei, ein schnelles Schiff. Dem Brief an Stephens habe ich entnommen, daß die Resolution in gut einem Monat hiersein kann. Er hat eine unglaubliche Reise hinter sich, aber das möchte er dir natürlich selbst erzählen. Kerngesunde Besatzung, allerfeinste Karten, ein sehr interessantes Journal, ganz James. Als wäre es das Normalste von der Welt.«

Sie schwieg. Ein Monat. Das Haus würde sich plötzlich zu klein anfühlen, als paßte es nicht. Ein großer Körper würde neben ihr im Bett liegen, die Nacht von unvermitteltem Knarren und Schnarchen erfüllt sein. Sie würde ihm gegenübersitzen. Zögernd würden sie anfangen, ihre Geschichten zu erzählen, du zuerst, nein, lieber erst du. Hier am Tisch. Daß kein kleines Kind da war, würde er schon sehen, riechen, spüren, sobald er über die Schwelle trat. Ich muß mich freuen, dachte sie, das gehört sich so. Sie zerknüllte den Brief zwischen den verkrampften Händen. Palliser legte seine Hand auf die ihre und zog vorsichtig das Papier heraus. Er berührte kurz ihre Schulter.

»Ach, Mädchen«, sagte er sanft, »ich helf dir schon. Danach muß er nie mehr fort, dafür sorge ich.«

Ja, dachte sie, ja. Ein erstrebenswertes Ziel, ein Versprechen. Einem Mann am Ende seiner glänzenden Laufbahn, zweimal um die Erde, Zierde für die Wissenschaft und die Kartographie, ist es vergönnt, sich in seinem Ruhm zu sonnen und fortan zufrieden zu Hause zu bleiben. Genug zu tun. Er konnte seine Reisebeschreibung diesmal selbst bearbeiten und herausgeben und brauchte sie sich nicht von einem verderben zu lassen, dem es nur ums Geld ging. Er konnte seine Söhne kennenlernen, unbehelligt von der Aufregung einer bevorstehenden Abreise. Er würde seine Frau sehen.

Er zählt darauf, daß ich das normale Leben aufrechterhalte, ich muß die Hüterin des Heimathafens sein, ich muß den Kindern Tag für Tag das Bild ihres Vaters vorhalten, damit sie nicht erschrecken, wenn er plötzlich leibhaftig hereinkommt. Ich muß die Stachelbeeren einmachen, ich muß dafür sorgen, daß im Garten nichts zugrunde geht. Daß ich das alles tue, ist Voraussetzung dafür, daß er fortkann. Daß ich dazu in der Lage bin, ist Grund dafür, daß er zurückkommen kann. Der Wind bläst ihn am Treibeis des Südpols entlang, doch in seinem Kopf existiert ein blühender Garten in einer Straße in London, ein Garten mit fröhlich spielenden Kindern und einer Frau, die sich freuen kann.

Eine Frau, die glücklich sein kann für ihn, mit ihm. Eine Frau, die ihn in seinem Kampf gegen Grafen und Barone unterstützt, eine standhafte Frau, die weiß, was sie will, und danach handelt.

So eine Frau war sie gewesen und war sie in seinen Gedanken zweifellos noch immer. In einem Monat würde er sie sehen. Sie spürte, wie alle Kraft, die sie noch besaß, aus ihrem Körper wegfloß. Ich muß sitzen bleiben, dachte sie, nicht umfallen, nicht auf den Boden.

Der neben ihr, der verständnisvolle Nachrichtenüberbringer, hatte den Arm um ihre Schultern gelegt. Er wußte, wie das war, wie Haus und Schiff jedes seinen eigenen Weg gingen, und wie erschreckend es sein konnte, wenn die beiden Linien nach einiger Zeit wieder zusammenkamen. Daß er das verstand, daß sie zumindest dachte, daß er es verstand, ließ den letzten Rest ihrer Gefaßtheit dahinschmelzen. Sie wurde eins mit dem heillosen Durcheinander in ihrem Innern. Unbeherrschter, fliegender Atem, Tränen wie Frühlingsregen, ein Körper, der schamlos fröstelt und bebt.

Der Mann neben ihr knöpfte seine Manschette auf, schob den blaßblauen Ärmel seiner Jacke hinauf und krempelte sein Hemd bis über den Ellbogen hoch. Ohne nachzudenken, legte sie die Wange an die warme Haut, ihre Lippen fühlten die festen Muskeln darunter, sie rieb mit dem Gesicht über den behaarten Unterarm, ließ Speichel und Tränen freien Lauf. Er strich ihr mit der anderen Hand übers Haar und deckte ihren Kopf zu, so daß sie auf dem tröstenden Arm liegenbleiben konnte,...

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Autor

Anna Enquist wurde 1945 in Amsterdam geboren, ist ausgebildete Konzertpianistin und arbeitete lange Jahre als Psychoanalytikerin. Seit 1991 veröffentlicht sie Gedichte, Romane und Erzählungen. Ihre Werke wurden mit mehreren Preisen ausgezeichnet und in fünfzehn Sprachen übersetzt. Anna Enquist lebt in Amsterdam.