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Der Mann, der vom Fahrrad fiel und im Paradies erwachte

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
416 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am14.08.2017
Lassen Sie sich inspirieren - Griesgram Valdemar wird Ihr Leben verändern.
Valdemar liegt nach einem Fahrradunfall im Krankenhaus - und liebt es! Er hat fürsorgliche Menschen um sich, ständig gibt es etwas Leckeres zu essen, und er muss sich um rein gar nichts kümmern. Wenn er doch für immer bleiben könnte ... Moment mal - das kann er ja! Valdemar fällt absichtlich auf seine frisch operierte Schulter, schmeißt die falschen Tabletten ein und verirrt sich versehentlich auf dem Weg zur nächsten OP. Als er auf seinen Streifzügen durch das Krankenhaus entdeckt, dass der Hausmeister ein Geheimnis hütet, ist sein kriminalistischer Spürsinn geweckt und er selbst auf dem Weg ins Krankenhaus-Paradies ...

Roger Pihl, geboren 1954, ist ein norwegischer Schriftsteller. Bevor er sich seiner literarischen Karriere widmete, gründete Pihl eine Werbeagentur, eine Softwarefirma und ein Marktforschungsinstitut. Zudem ist Pihl Redakteur der Norwegischen Nationalenzyklopädie und Experte im Bereich dänischer Geografie.
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Produkt

KlappentextLassen Sie sich inspirieren - Griesgram Valdemar wird Ihr Leben verändern.
Valdemar liegt nach einem Fahrradunfall im Krankenhaus - und liebt es! Er hat fürsorgliche Menschen um sich, ständig gibt es etwas Leckeres zu essen, und er muss sich um rein gar nichts kümmern. Wenn er doch für immer bleiben könnte ... Moment mal - das kann er ja! Valdemar fällt absichtlich auf seine frisch operierte Schulter, schmeißt die falschen Tabletten ein und verirrt sich versehentlich auf dem Weg zur nächsten OP. Als er auf seinen Streifzügen durch das Krankenhaus entdeckt, dass der Hausmeister ein Geheimnis hütet, ist sein kriminalistischer Spürsinn geweckt und er selbst auf dem Weg ins Krankenhaus-Paradies ...

Roger Pihl, geboren 1954, ist ein norwegischer Schriftsteller. Bevor er sich seiner literarischen Karriere widmete, gründete Pihl eine Werbeagentur, eine Softwarefirma und ein Marktforschungsinstitut. Zudem ist Pihl Redakteur der Norwegischen Nationalenzyklopädie und Experte im Bereich dänischer Geografie.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641177133
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum14.08.2017
Seiten416 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2225 Kbytes
Artikel-Nr.2384779
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


4

Nach dem Autounfall vor zwölfeinhalb Jahren hatte Valdemar eigentlich aufgehört zu leben. Er hatte gewartet, dass seine Frau mit den Töchtern nach Hause kam, aber nachdem der Nachmittag in den Abend übergegangen und es ihm nicht gelungen war, sie über das Handy zu erreichen, hatte er Unheil geahnt. Sie hatte immer Bescheid gegeben, wenn irgendetwas dazwischenkam, denn sie war selbst ein ängstlicher Mensch, der informiert werden wollte.

In seiner Familie war es üblich, von offenen Gewässern zu träumen, wenn jemand sterben sollte, und sowohl seine Mutter als auch seine Großmutter hatten diese sinnlose Fähigkeit besessen. Oder um was es sich dabei auch handelte. Er selbst hatte es meist als altmodischen Aberglauben abgetan, denn keine von ihnen hatte vor Eintreten des Todesfalls von dem Traum erzählt. Valdemar hielt es daher für etwas in der Art von »Hinterher ist man immer klüger«. Dennoch hatte er nicht widersprochen, als sie erklärten, vorab von dem Todesfall gewusst zu haben. Aber in den Wochen vor dem Unfall hatte er den Traum selbst gehabt. Sogar als er sich ein Mittagsschläfchen gegönnt hatte, war der Traum aufgetaucht. Ihm war, als würde er über einem leicht schwankenden Gewässer schweben, langsam über kleine Wellen gleiten und in die dunkle Tiefe blicken. Das Sonnenlicht schien nur milchig durch die Nebelwolken hindurch. Er hatte versucht, die Träume zu verdrängen, aber er war trotzdem erschrocken gewesen. Wenn er träumte, dass jemand sterben sollte, auf wen bezog es sich dann? Und je mehr er sich mit den Träumen beschäftigte, desto wirklicher wurden sie. Nachdem die Tage ohne Todesfall vergingen, wurde er immer sicherer, dass die Träume genau das waren: Träume, ein Produkt seiner Fantasie. Jeden Morgen hatte er versucht, sie von sich zu schieben, und darüber geschwiegen. Was hätte er darüber auch Vernünftiges sagen sollen? Seine Frau hätte seine Träume sicher als eine Art Hypochondrie abgetan, so bodenständig, wie sie immer gewesen war. Valdemar hatte sich entschieden, die Träume zu ignorieren und so zu tun, als hätten sie ihn nie heimgesucht. Bis zu diesem Abend, an dem er allein in dem großen Haus gesessen und gewartet hatte. In stummer Dunkelheit hatte er versucht, eine Erklärung zu finden. Das Auto könnte einen Platten haben. Es musste nichts Ernstes sein. Es konnte eine ganz natürliche Erklärung dafür geben, warum seine Familie nicht zum vereinbarten Zeitpunkt nach Hause kam. Es spielte keine Rolle, dass das Abendessen kalt geworden war. Es spielte keine Rolle, dass die Kinder viel zu spät ins Bett kommen würden. Hauptsache, sie kämen nach Hause. Das Auto könnte einen Platten haben, hatte er wiederholt. Das Benzin könnte auch ausgegangen sein. Ja durchaus, es konnte auch noch andere Erklärungen geben. Es war ihm nur keine eingefallen. Die Dunkelheit draußen hatte das Haus erfüllt, und er hatte kaum seine Hand vor Augen sehen können. Es spielte keine Rolle, er würde am Küchentisch sitzend warten, mit dem Handy vor sich. Jeden Augenblick hatte er erwartet, dass es klingeln würde, dass das grüne Display aufleuchten und den Namen seiner Frau anzeigen würde. Die Dunkelheit hatte sich enger um ihn gelegt, wie eine dicke Decke. Die Dunkelheit hatte ihn vor allem Bösen beschützen wollen, und solange er von ihr umgeben war, war er sicher gewesen. Die Dunkelheit war aus allen Ecken hervorgekrochen und hatte ihn getröstet. Ruhig, hatte die Dunkelheit gesagt, es muss nichts Ernstes sein. Solange er die Dunkelheit hatte, würde er nie allein sein. Plötzlich war ein schmaler Lichtstreifen auf den Küchentisch gefallen. Er war zusammengezuckt, hatte aus dem Fenster geschaut und den Mond erblickt. Eine karge Sichel zeugte von der abnehmenden Mondphase. Morgen würde er verschwunden sein. Valdemar lief es kalt den Rücken hinunter. Ohne sich darüber im Klaren zu sein, hatte er aufgehört zu hoffen und sich auf den zermalmenden Schlag vorbereitet. Alles, was er tun konnte, war in der Dunkelheit sitzen und warten. Draußen im Flur hatte er die alte Standuhr langsam ticken hören. Das Pendel war von Seite zu Seite geschwungen und hatte jedes Mal, wenn es den niedrigsten Punkt des Bogens erreicht hatte, ein metallisches Klacken von sich gegeben. Die Zeit vergeht nicht, hatte Valdemar gedacht, die Zeit läuft ab.

Er hatte nicht gewusst, auf was er warten sollte, hatte es aber in dem Augenblick verstanden, als es an der Tür klopfte. Es war ein vorsichtiges, höfliches und leicht nervöses Klopfen von einem Menschen, der nicht klingeln wollte, gewesen. Valdemar hatte sich langsam zur Tür geschleppt. Er hatte die Türklinke nach unten gedrückt und gleichzeitig den Schlüssel im Schloss herumgedreht. Im Schein der Straßenlaterne hatte ein Mann gestanden, den er nicht kannte. Ein dicker, recht kleiner und ausgesprochen ruhig wirkender Mann. Er war in Schwarz gekleidet, und an seinem Kragen steckte ein kleines weißes Viereck. »Valdemar Vågen?«, hatte er die Gestalt fragen hören, und Valdemar hatte schwach genickt. »Kann ich für einen Moment hereinkommen?«, hatte er weitergefragt, und Valdemar hatte ihn über die Türschwelle treten lassen. Der Mann hatte sich vorgestellt. Sie waren hinein zum Küchentisch gegangen, doch Valdemar war es nicht in den Sinn gekommen, das Licht einzuschalten. Er fand den Weg in die Küche blind. Vier Schritte geradeaus, drei nach links, zwei nach rechts und wieder drei nach rechts. Er hatte am Tischende gestanden. Der Pfarrer war dem Klang der schweren Schritte gefolgt und hatte sich an die entgegengesetzte Seite des Tisches gesetzt.

Jetzt kam es.

»Ich befürchte, ich habe schlechte Nachrichten«, hatte der Pfarrer gesagt.

»Ich weiß«, hatte Valdemar geantwortet. Die Worte hatten sich wie dicker Brei aus seinem Gaumen gepresst. Der Pfarrer war still geworden, hatte versucht zu entscheiden, wie er anfangen sollte. Selbst einem Pfarrer, mit all seiner Ausbildung und Erfahrung, können die Worte fehlen, wenn er erklären soll, dass eine Mutter und ihre zwei Töchter bei einem Verkehrsunfall getötet wurden. Wie sollte er auf behutsame Weise von dem osteuropäischen Laster erzählen, der auf der glatten Fahrbahn in hohem Tempo auf die andere Seite gefahren war und den entgegenkommenden PKW zermalmt hatte? Wie sollte er erzählen, dass die Insassen keine Chance hatten und auf der Stelle tot waren? Wie sollte er erklären, dass die Körper, die dieser Mann so oft umarmt hatte, deren Wärme und Duft er gespürt hatte, jetzt bis zur Unkenntlichkeit entstellt waren?

»Manchmal gibt mir der Herr schwere Aufgaben auf«, hatte er gesagt. »Und andere Male legt Er mir noch schwerere Bürden auf. Es sind Stunden wie diese, in denen ich im Glauben wanke. Ich möchte versuchen, es mit den Worten Jesu auszudrücken: Mein Gott, warum hast Du mich verlassen?«

Er hatte das seinetwegen gesagt, nicht wegen Valdemar. Denn die Sinnlosigkeit stellte ihn unbarmherzig auf die Probe. Der Pfarrer hatte so schonend er konnte von dem Unfall berichtet. Dabei hatte er alle möglichen Details ausgelassen und so getan, als kenne er sie nicht. Hatte erklärt, dass er selbst nicht am Unglücksort gewesen war, sondern nur mit der Polizei und dem Arzt gesprochen hatte. Valdemar war auf dem Stuhl zusammengesunken und wie ein verwahrloster, alter Mann sitzen geblieben. Seine Haare würden vor Anbruch des nächsten Morgens grau sein. Sein Leben würde zu Ende sein. Alles, wofür er gelebt hatte, alles, was er geliebt hatte, war verschwunden. Von der Zeit ausradiert. Er hatte den Kopf auf die Tischplatte gelegt, die Tränen hatten zwei kleine Lachen auf der abgenutzten Oberfläche gebildet. Die dünne Mondsichel hatte sich darin gespiegelt, aber der Pfarrer hatte noch eine Botschaft vorzubringen gehabt.

»Es muss nicht vollkommen vergebens gewesen sein«, hatte er gesagt. »Sie können das Leben anderer retten.«

Auch das hatte er so schonend erklärt, wie er konnte. Es war unmöglich, über die einzelnen Organe zu sprechen. Das wäre zu brutal gewesen. Der Pfarrer hatte erklärt, dass das Krankenhaus transplantieren und damit anderen Menschen das Leben schenken könne.

Valdemar hatte stumm genickt, sein Kopf ruhte noch immer auf der Tischplatte. Das Stirnbein hatte ein knirschendes Geräusch von sich gegeben.

»Der Herr segne Sie«, hatte der Pfarrer gesagt und ihm die Hand auf die Schulter gelegt.

Valdemar war die ganze Nacht über am Tisch sitzen geblieben, so lange bis sich die ersten Sonnenstrahlen durch die Kronen der Kiefern vor dem Küchenfenster drängten und ihn scharf blendeten. Er war vorsichtig aufgestanden. Wie ein Greis hatte er sich abstützen müssen, um nicht umzufallen. Steif, schwindlig und für einen Moment desorientiert. Dann holte ihn die Wirklichkeit wieder ein. Das Haus war still. Die Standuhr war stehen geblieben, es war ihm am Abend zuvor nicht in den Sinn gekommen, sie aufzuziehen. Der gewohnte Morgenlärm von Mädchen, die sich um das Badezimmer stritten, Rufe und Schreie nach Dingen, die nicht auffindbar waren, sowie der Geruch von Schulbroten fehlten komplett. Er hatte das Blut am Trommelfell vorbeirauschen hören, die Bewegungen in den Nackenwirbeln hören können. Er hatte nicht geträumt. Er war jetzt ganz allein. Das hieß, nicht ganz. Auf dem Sofa im Wohnzimmer hatte der Pfarrer geschlafen, den Mantel über sich gebreitet. Es hatte ungemütlich ausgesehen, also hatte Valdemar eine Decke über ihn gelegt, bevor er sich wieder an den Küchentisch setzte. Er hatte auf die Kühlschranktür gestarrt, auf die kleinen Bilder, die seine Mädchen gemalt hatten. Eines davon zeigte die Frau und die Töchter in einem Auto, während er vor dem Haus stand. In einer Sprechblase sagte er: »Fahr langsam.« Sie fuhr immer langsam und...

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Autor

Roger Pihl, geboren 1954, ist ein norwegischer Schriftsteller. Bevor er sich seiner literarischen Karriere widmete, gründete Pihl eine Werbeagentur, eine Softwarefirma und ein Marktforschungsinstitut. Zudem ist Pihl Redakteur der Norwegischen Nationalenzyklopädie und Experte im Bereich dänischer Geografie.
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Stilzebach, Daniela
Übersetzung