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Puls der Arktis

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
416 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am18.01.2023
Klirrende Kälte, erbarmungsloses Eis und eine Frau, die zwischen die Fronten der Weltmächte gerät
Nach einem missglückten Manöver muss NATO-Pilotin Ylva Nordahl mitten über der russischen Tundra aus ihrer Maschine abspringen. Zusammen mit ihrem verletzten Kollegen tritt sie den beschwerlichen Weg zurück durch die eisige Landschaft an. Es wird ein Kampf ums Überleben, gegen die Zeit und die unwirtliche Natur am Polarkreis. Nur das uralte Wissen ihrer samischen Verwandten, die in dieser Gegend mit ihren Rentieren leben, kann sie jetzt noch retten. Dann stellt Ylva fest, dass nicht nur das Eis hier draußen trügerisch sein kann. Jemand ist ihr auf den Fersen - jemand, der etwas mit dem Tod ihres Vaters zu tun hat. Ylva will um jeden Preis herausfinden, was damals geschah. Doch dafür muss sie ihrem Verfolger einen Schritt voraus sein ...

Grethe Bøe ist eine norwegische Autorin und Filmemacherin, deren Leidenschaft schon immer dem hohen Norden galt. Sie hat bereits einige preisgekrönte Produktionen in der Arktis gedreht. »Puls der Arktis« ist ihr erster Thriller, und genau wie ihre Protagonistin Ylva Nordahl gehört sie zum indigenen Volk der Samen, die im Einklang mit der rauen Natur am Polarkreis leben.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR11,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextKlirrende Kälte, erbarmungsloses Eis und eine Frau, die zwischen die Fronten der Weltmächte gerät
Nach einem missglückten Manöver muss NATO-Pilotin Ylva Nordahl mitten über der russischen Tundra aus ihrer Maschine abspringen. Zusammen mit ihrem verletzten Kollegen tritt sie den beschwerlichen Weg zurück durch die eisige Landschaft an. Es wird ein Kampf ums Überleben, gegen die Zeit und die unwirtliche Natur am Polarkreis. Nur das uralte Wissen ihrer samischen Verwandten, die in dieser Gegend mit ihren Rentieren leben, kann sie jetzt noch retten. Dann stellt Ylva fest, dass nicht nur das Eis hier draußen trügerisch sein kann. Jemand ist ihr auf den Fersen - jemand, der etwas mit dem Tod ihres Vaters zu tun hat. Ylva will um jeden Preis herausfinden, was damals geschah. Doch dafür muss sie ihrem Verfolger einen Schritt voraus sein ...

Grethe Bøe ist eine norwegische Autorin und Filmemacherin, deren Leidenschaft schon immer dem hohen Norden galt. Sie hat bereits einige preisgekrönte Produktionen in der Arktis gedreht. »Puls der Arktis« ist ihr erster Thriller, und genau wie ihre Protagonistin Ylva Nordahl gehört sie zum indigenen Volk der Samen, die im Einklang mit der rauen Natur am Polarkreis leben.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641286675
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum18.01.2023
Seiten416 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3192 Kbytes
Artikel-Nr.9098938
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


4

Gestank schlug Ylva entgegen, als sie die Tür öffnete. Das Chaos, die Dunkelheit und der stickige Mief verrieten ihr alles, was sie wissen musste: Ihre Mutter hatte mal wieder eine schlechte Phase. Ylva holte tief Luft, bevor sie den Flur betrat.

Nicht denken, wenn sie jetzt zu viel nachdachte, brachte sie es nicht fertig, hineinzugehen und die Tochter zu sein, die sie sein wollte. Doch der Gestank und der Blick in den Flur beschworen noch immer Erinnerungen herauf, die sich nicht ignorieren ließen.

Ylva schaute zur Treppe, die in den ersten Stock führte. Wachsam blieb sie stehen und lauschte; aus dem Wohnzimmer drang gedämpftes Murmeln, doch die Stille aus dem oberen Stockwerk waberte herunter und hüllte sie ein. Der Nachhall der Geräusche, die sie vor zwanzig Jahren geweckt hatten, saß noch immer in den Wänden.

Sie erinnerte sich an die grauenvolle Nacht, als wäre es gestern gewesen. Sie hatte mit dem Buch Die Brüder Löwenherz auf der Brust im Bett gelegen und geschlafen, als Stimmen sie aus dem Traum rissen. Ängstlich hatte sie sich aufgesetzt und mit pochendem Herzen gelauscht. War da jemand vor dem Haus? Sie spähte aus dem Fenster. Die Stille wurde durch den Schnee verstärkt, der im Schein der Straßenlaternen vom Wind aufgewirbelt wurde. Die Uhr auf dem Nachttisch zeigte 15:30.

Benommen wollte sie wieder zurück unter die warme Decke kriechen, da hörte sie erneut gedämpfte Laute. Sie kamen aus dem Keller. Mit angehaltenem Atem hörte sie jemanden flüstern. Gefolgt von einem leisen Rascheln, das Geräusch eines Menschen, der nicht hier sein sollte, von jemandem, der nicht gehört werden wollte.

Sie schlich hinaus in den Flur. Die Tür zum Schlafzimmer der Eltern war angelehnt. Sie hörte die schweren Atemzüge ihrer Mutter, und im Lichtstreifen, der vom Flur hineinfiel, sah sie die unzähligen Pillendöschen auf dem Nachttisch. Die Mutter schlief tief und traumlos, doch ihr Vater war nicht in seinem Bett. Wo war er?

Barfuß tappte Ylva über den Linoleumboden und so leise sie konnte die Treppe hinunter. Die Kellertür stand einen Spaltbreit offen, das Licht war nicht eingeschaltet, doch jetzt vernahm sie das Flüstern deutlicher. Sie schlich weiter. Ein feuchter Luftzug strömte ihr aus der Dunkelheit entgegen. Der Vater stöhnte. Dann wurde es still.

Ylva konnte gerade noch hinter die Tür huschen, als eine Gestalt die Kellertreppe hochhastete. Ein Windzug ließ die Gardinen in der Küche flattern, als die Tür zur Straße geöffnet wurde, der Schatten glitt in die Nacht hinaus und verschwand. Die Tür fiel lautlos ins Schloss. Mit einem Mal herrschte eine andere Art von Stille, eiskalt und bedrohlich. Es war, als hielte das alte Holzhaus den Atem an.

Die Stille aus dem Keller sandte Schauer über ihre Haut. In ihrem blauen Schlafanzug mit den aufgedruckten Planeten schlich sie die Treppe hinunter. Dort, im Lichtstreifen, der durchs Kellerfenster fiel, sah sie ihn. Mit aufgerissenen Augen lag er auf dem nackten Boden, starrte mit leerem Blick in die Luft. Sein Atem ging in keuchenden Stößen, der Körper wurde von Krämpfen geschüttelt. Ängstlich näherte sie sich ihrem Vater und sah auf ihn hinab. Er kam ihr vor wie ein Fremder, wie ein krankes Tier. Er versuchte, etwas zu flüstern, und sie beugte sich vor, hielt ihr Ohr dicht an seinen Mund.

Sein Atem streifte warm ihre Wange, doch aus seiner Kehle drang nur ein heiseres Röcheln. Die Kälte kroch in sie hinein, und sie spürte, wie sich die Härchen auf ihren Armen aufstellten. Sie wollte weglaufen, aber die Hand ihres Vaters ergriff ihren dünnen Arm, seine Lippen bewegten sich, doch kein Laut kam heraus. Ylva riss sich los und wich zurück, zu erschrocken, um zu schreien. Er streckte die Hand nach ihr aus, seine Lippen formten weiter lautlose Worte. Was wollte er ihr sagen? Oberst Geir Nordahl sah seine Tochter an. Das zierliche, widerspenstige Mädchen starrte voller Angst und Verwirrung zurück, der Blick tränenverschleiert.

Ylva sah, wie der Körper ihres Vaters zu Boden sackte. Die Krämpfe verebbten, während sich unter ihm eine Lache aus Urin ausbreitete und der Tod in seine Muskeln kroch.

Polizei und Rettungsdienst kamen. Der Vater wurde auf eine Trage gehoben und weggebracht, die Mutter weinte hysterisch.

Ylva atmete erneut tief durch, schüttelte das Unbehagen ab und ging ins Wohnzimmer.

Der Fernseher lief und spuckte geistloses Infotainment in Form von grellen Logos und billigen Werbemelodien aus. Ylvas Mutter lag auf dem Sofa und schlief. Mit ihrem nachtblauen Kimono und den langen grauen Haaren, die ihr Gesicht einrahmten, glich sie einer gealterten Proserpina. Wer Proserpina war, wusste die Kulturbanausin Ylva nur, weil ihre Mutter sie ihre gesamte Kindheit und Jugend hindurch in jede Kunstausstellung geschleppt hatte, die sich finden ließ. Ylva hasste die Geschichte von Hades, dem Gott der Unterwelt, der sich in die schöne Proserpina verliebte. Aber statt ihr den Hof zu machen, höflich um ihre Hand anzuhalten und seiner Angebeteten eine Wahl zu lassen, entführte Hades - klischeehafter ging es kaum - die junge Frau und zwang sie, ihn zu heiraten. Ob Hades ein glückliches Leben mit der traumatisierten, ihm hilflos ausgelieferten Proserpina führte, die bei seinem Anblick blanken Hass empfand, hatte Ylva nicht mitbekommen, da sie den weitschweifigen Ausführungen ihrer Mutter selten lange zuhörte.

Sie war nie richtig schlau geworden aus ihrer Mutter und konnte noch immer nicht nachvollziehen, dass diese sich weder mit dem Leben als Pilotenfrau abgefunden, noch Verantwortung übernommen und ihren eigenen Bereich gestaltet hatte, unabhängig von der Lebensweise, die mit der Arbeit ihres Mannes einherging. Stattdessen unterdrückte die Mutter ihr wahres Selbst, bevorzugt unter Zuhilfenahme von Pharmazeutika, und lebte passiv in einem beständigen Vakuum zwischen den Erwartungen anderer und ihrer eigenen Persönlichkeit. In Ylvas Augen war das die schlechteste aller Lösungen, weil es ihre Mutter darauf reduzierte, ihr Dasein wie die in der Unterwelt gefangene Proserpina zu fristen.

Die Militärstützpunkte, auf denen Ylva aufgewachsen war, glichen sich auf surreale Weise. Egal, wo in der Welt die Familie lebte, war es, als befänden sie sich stets am selben Ort. Krieg, Frieden und Geschäfte wurden in der Welt der Männer verhandelt, während den Frauen ein Dasein als dekorative, perspektivlose Heimchen bestimmt war.

Morgen für Morgen hatte Ylva die Mutter dabei beobachtet, wie sie sich in die langweiligsten Sachen kleidete, die sie finden konnte, ehe sie ihre Haare zu einem strengen Knoten hochsteckte und in die Welt hinausging. Sie nahm sich zurück, machte sich hässlich und verbarg ihre Persönlichkeit, um nicht die Eifersucht der anderen Frauen, die Verurteilung der Spießbürger oder das peinliche Begehren der Männer zu erregen.

Doch in ihrem Elend hatte die Mutter Ylva zumindest zwei nützliche Maximen eingetrichtert. Zum einen sollte sie stets darauf hinarbeiten, sich allein versorgen zu können. Nicht wie die Mutter, die finanziell von Ylvas Vater abhängig und diesem daher vollkommen ausgeliefert war. Die niemals wagte, auszubrechen und ihren eigenen Wünschen zu folgen. Niemand, der vom Geld anderer lebt, ist jemals frei. Der zweite Lehrsatz der Mutter lautete, dass sie sich niemals kleinmachen solle, um Männern zu gefallen. Denn, so die Mutter, selbst wenn Männer starke, ungezähmte Frauen hassen, sind sie ihnen vollkommen verfallen. Sie heiraten Mauerblümchen und begehren Wildkatzen.

Ylva stand auf der Türschwelle und betrachtete ihre Mutter, wie sie auf dem Sofa schnarchte. Der Kimono war fleckig, die Seide zerknittert und ausgeblichen. Das flimmernde Licht des Fernsehers warf einen grellblauen Schein ins Zimmer. Der russische Außenminister sprach in die Kamera; er verurteilte die NATO-Übung und erachtete sie als offenkundige Provokation. Die norwegische Verteidigungsministerin indessen versicherte den Reportern, dass die Militärübung rechtzeitig und ordnungsgemäß angekündigt worden sei.

Ylva hatte genug gehört, sie ging in die Küche. Im Kühlschrank standen die Fertiggerichte, die sie vor fünf Tagen gekauft hatte, ungeöffnet und sorgfältig aufgereiht in den Fächern, so wie sie sie dort zurückgelassen hatte. Auf jede Packung hatte sie Post-its geklebt, die mit Montag, Dienstag, Mittwoch usw. beschriftet waren. Nichts davon hatte die Mutter angerührt.

Ylva ging zurück ins Wohnzimmer. Auf dem Couchtisch lagen mehrere Pillendöschen.

»Mama.«

Sie reagierte nicht. Ylva rüttelte sie sachte.

»Mama.«

Noch immer keine Reaktion. Ylva rüttelte etwas fester.

»Mama!«

Das Geleier der Nachrichtensendung ging ihr auf die Nerven, und sie suchte auf dem Sofa zwischen Büchern, schmutzigen Kleidern und Essensresten nach der Fernbedienung. Erst jetzt wurde die Mutter wach. Halsketten und Armreife klimperten, als sie sich erschrocken aufsetzte und Ylva anstarrte wie eine vollkommen Fremde.

Ylva fand die Fernbedienung, die unter der Mutter lag, und schaltete die Kiste aus.

»Hallo, Mama.«

Die Mutter schien verwirrt, verängstigt.

»Ich wollte nur schnell ein paar Sachen holen.«

Die Mutter nickte wortlos, nahm die Fernbedienung und schaltete den Fernseher wieder ein, und erneut wurde das Zimmer von blauem Licht und schnatternden Stimmen erfüllt.

Wie ein dürres, zerzaustes Vogeljunges hockte sie auf dem Sofa und starre apathisch auf die Mattscheibe. Ylva ging in die Küche und wärmte eines der Fertiggerichte in der Mikrowelle auf. Sie musste die Mutter dazu bringen, ein paar Happen...

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Grethe Bøe ist eine norwegische Autorin und Filmemacherin, deren Leidenschaft schon immer dem hohen Norden galt. Sie hat bereits einige preisgekrönte Produktionen in der Arktis gedreht. »Puls der Arktis« ist ihr erster Thriller, und genau wie ihre Protagonistin Ylva Nordahl gehört sie zum indigenen Volk der Samen, die im Einklang mit der rauen Natur am Polarkreis leben.