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Trügerischer Sog

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
320 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am22.03.2021
Wer oben stand, wird unten sein - die Namenlosen begehren auf
Der jungen Geschichtslehrerin Frau Hoppe reicht es: Sara, selbsternannte Fürstin der Klasse, entscheidet, wer in der Schule - von ihr nur »Friedhof der Namenlosen« genannt - beliebt und wer ein Namenloser ist. Kurz entschlossen schickt Frau Hoppe die Klasse auf eine Klassenreise auf die Nordseeinsel Maroog. Das Ziel: den echten Friedhof der Namenlosen zu restaurieren und die Klassengemeinschaft zu stärken. Was sie nicht ahnt: In der neuen Umgebung ändern sich auch die Klassengesetze und die Namenlosen, allen voran der zurückhaltende Kim, begehren auf. Bald ist Sara das Ziel der Tyrannei und mehr als ein Leben in Gefahr ...

Alexandra Kui wurde 1973 in Buxtehude geboren. Sie studierte Soziologie in Hamburg und arbeitete für verschiedene Tageszeitungen, bevor sie anfing, Bücher zu schreiben. Nach den Krimis »Blaufeuer«, verfilmt fürs ZDF unter dem Titel »Der Tote im Watt«, und »Wiedergänger« veröffentlichte die Autorin, die auf der Geest bei Hamburg lebt, mehrere Jugendthriller sowie literarische Jugendromane bei cbj.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextWer oben stand, wird unten sein - die Namenlosen begehren auf
Der jungen Geschichtslehrerin Frau Hoppe reicht es: Sara, selbsternannte Fürstin der Klasse, entscheidet, wer in der Schule - von ihr nur »Friedhof der Namenlosen« genannt - beliebt und wer ein Namenloser ist. Kurz entschlossen schickt Frau Hoppe die Klasse auf eine Klassenreise auf die Nordseeinsel Maroog. Das Ziel: den echten Friedhof der Namenlosen zu restaurieren und die Klassengemeinschaft zu stärken. Was sie nicht ahnt: In der neuen Umgebung ändern sich auch die Klassengesetze und die Namenlosen, allen voran der zurückhaltende Kim, begehren auf. Bald ist Sara das Ziel der Tyrannei und mehr als ein Leben in Gefahr ...

Alexandra Kui wurde 1973 in Buxtehude geboren. Sie studierte Soziologie in Hamburg und arbeitete für verschiedene Tageszeitungen, bevor sie anfing, Bücher zu schreiben. Nach den Krimis »Blaufeuer«, verfilmt fürs ZDF unter dem Titel »Der Tote im Watt«, und »Wiedergänger« veröffentlichte die Autorin, die auf der Geest bei Hamburg lebt, mehrere Jugendthriller sowie literarische Jugendromane bei cbj.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641242459
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum22.03.2021
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1965 Kbytes
Artikel-Nr.5142749
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Die Veränderung
Kim

Ich merkte erst, wie wütend die Hoppe war, als das Reagenzglas in ihrer Hand zersplitterte. Es hatte mal wieder Zoff gegeben. Frau Hoppe verzog selten eine Miene, aber die Hände hatte sie zu Fäusten geballt und dabei war es passiert. Blut sickerte hervor und tropfte auf den weißen Laborkittel und den Fußboden. Zuerst waren alle wie erstarrt, aber dann sprang die halbe Klasse auf, um ihr zu helfen, und ein heilloses Chaos entstand.

Sara blieb sitzen.

Ich auch.

Unsere Blicke begegneten sich genau in dem Moment zum allerersten Mal. Das Gefühl, das dabei in meiner Magengegend entstand, kann ich nicht beschreiben. Es war schön und schrecklich zugleich. Draußen trommelte Regen gegen die Scheiben. Drinnen kreischten die Mädchen, die kein Blut sehen konnten, um die Wette.

Zu der Zeit war ich heimlich verknallt.

In Sara - und in Frau Hoppe, unsere Klassenlehrerin.

Etwas Blöderes hätte mir nicht passieren können. Meine Gefühle fuhren pausenlos Achterbahn, während weder die eine noch die andere groß von mir Notiz nahm.

Nach einer Weile hatte die Hoppe die Situation unter Kontrolle. Ihre Hand war verbunden, die Scherben aufgefegt. Zum Glück war das Reagenzglas noch leer gewesen, sonst hätte sie Kupfersulfat in die Wunde bekommen, und das ist bekanntlich ätzend. Der geplante Versuch, auf den ich mich gefreut hatte, weil ich Chemieversuche meistens ziemlich unterhaltsam fand, erst recht, wenn Frau Hoppe sie vorführte, fiel nun aus. Stattdessen redete sie uns bis zum Klingeln ins Gewissen, sie war mächtig in Rage und ließ kein gutes Haar an uns, jeder, wirklich jeder bekam sein Fett weg.

Zugegeben, ich fand das unfair, da es wie immer Sara gewesen war, die den ganzen Stress ausgelöst hatte. Was ich nicht wahrhaben wollte, war, dass diejenigen, die glauben, sich alles erlauben zu können, und die, die alles mit sich machen lassen, in gewisser Weise im selben Team spielen. Wir alle machten unsere Schule damals zu einem Ort, den Sara unbarmherzig, wie sie war, »Friedhof der Namenlosen« getauft hatte.

»So geht es nicht weiter«, sagte die Hoppe zum Schluss, und sie hatte natürlich recht.

Genau wie Sara war sie noch nicht lange an der Schule und wir wussten, dass die anderen Lehrer sie noch skeptisch sahen, weil sie jung und irgendwie keine typische Lehrerin war. Dauernd schlug sie Aktivitäten vor, die für die Kollegen und sie selbst mit einem gewissen Aufwand verbunden waren. Einmal machten wir zum Beispiel eine Rallye durch Hamburg, bei der wir ausschließlich die U-Bahn benutzen durften - für uns Landeier eine ziemliche Herausforderung. Drei Leute gingen vorübergehend verloren und gerieten in Panik. Die Eltern waren entsetzt, eine Mutter rief sogar die Polizei, und es gab tagelang Stress, sogar das Jugendamt schaltete sich ein.

Ihr eigentliches Ziel, die Klassengemeinschaft zu verbessern, erfüllte die Aktion leider nicht. Wir waren schwer zu knacken, gefangen in unserem Trott. Die Stimmung unter uns war nicht einfach nur schlecht, sie war unterirdisch. Und zwar genau seit dem Tag, an dem Sara auf der Bildfläche erschienen war und unsere heile Welt in ein Minenfeld verwandelt hatte.

Allen war klar, dass sich etwas ändern musste, doch leider besaß niemand den Mut, anzufangen. Meine Freunde und ich redeten oft vom Schwänzen, aber am Ende hockten wir doch wieder jeden Tag von acht bis halb zwei in unserer muffigen »Klassen-Gruft« im zweiten Stock und versuchten klarzukommen, unser Ding zu machen, ohne aufzufallen, denn das war gefährlich. Wir waren die Namenlosen, die schweigende Mehrheit.

Wenn andere Lehrer uns fragten, was mit uns los sei, zuckten wir mit den Schultern und starrten auf die Sneaker an unseren Füßen oder an die verblassenden Klassenregeln an der Wand, ein Überbleibsel aus Klasse fünf, als die Welt noch in Ordnung gewesen war:

Wir helfen uns und sind freundlich zueinander.

Wir schlagen nicht.

Wir petzen nicht.

Tatsächlich petzte niemand, auch nicht zu Hause, wo unsere Eltern ebenfalls anfingen, Fragen zu stellen, doch wir winkten ab und ließen sie hilflos stehen, verkrochen uns in unsere Zimmer, die Temperamentvollen knallten vielleicht die Türen hinter sich zu.

Ich nicht, ich bin keiner, der Türen knallt. Lärm ist überhaupt nicht so mein Ding, das war einer der Gründe, warum ich die Schule hasste, denn für einen Friedhof war es dort verdammt laut. Tausend Leute ohne Plan in einem Bunker aus Glas und Beton, ringsum Felder und Käffer, und eine wütende Großstadtgöre, die den Ton angab. Sie entschied, wer aus der anonymen Masse der lebenden Leichen auferstehen durfte, um im Kreis ihrer Gang Ruhm und Ehre zu erlangen. Die Führungselite bestand aus folgenden Arschgeigen: Lilli, unsere Klassensprecherin, Charlotte und natürlich Nick, fürs Grobe. Niemand wollte Nicks Stiefel in die Quere kommen, er trat zu, wann immer sich eine Gelegenheit bot. Seine Gewalttätigkeit machte selbst vor hilflosen Tieren nicht halt. Einmal, so raunten wir uns zu, hatte er aus Spaß das Schaf eines Nachbarn angezündet, einfach so.

»Er ertränkt Katzenbabys.«

»Er verprügelt seine eigene Mutter, wenn ihm das Essen nicht schmeckt.«

»Halloween hat er eine alte Oma zu Tode erschreckt. Sie hatte einen Infarkt, ich schwöre.«

Das waren noch die harmlosen Sachen, die wir uns über Nick erzählten.

Allein die Tatsache, dass dieser Typ wie ein Schatten an Saras Seite wachte, sicherte ihre Machtposition weit über unsere Klasse hinaus. Und ausgerechnet in so eine musste ich mich verlieben, als wäre es nicht schon schlimm genug, auf die eigene Klassenlehrerin abzufahren.

Beide waren wie gesagt erst vor Kurzem in mein Leben getreten und hatten mich zunächst mit ihrer Schönheit umgehauen. Frau Hoppe hatte feuerrotes Haar und Lippen und lackierte Nägel in derselben Farbe. Sara sah aus wie ein Engel, gleichzeitig war sie klug, zielstrebig und für uns allein schon deswegen interessant, weil sie aus der Großstadt kam - ein Mädchen wie sie hätte locker die beliebteste Schülerin jeder verfluchten Schule bei uns auf dem platten Land werden können, ohne dafür irgendjemanden terrorisieren zu müssen.

Nachtrag: Es versteht sich von selbst, dass ihr Team die Hamburger U-Bahn-Rallye gewonnen hatte (und ganz nebenbei die drei Idioten, die zwischendurch abhandengekommen waren, in eine falsche Richtung geschickt hatte). Ständig zeigte sie uns unsere Grenzen auf - als ob wir die nicht längst gekannt hätten.

Sara dagegen konnte tun, lassen und besitzen, was immer sie wollte, sie schöpfte aus dem Vollen. Ihre Familie lebte in einem schönen Haus, ihr Vater war Flugzeugingenieur und pendelte nach Hamburg, ihre Mutter arbeitete halbtags bei der Gemeindeverwaltung. Nette Leute, die regelmäßig bei Schulfesten mithalfen. Was ich nicht kapierte, war, warum das alles ihr nicht reichte. Warum musste sie so boshaft sein? Einfach nur, weil sie es konnte? Aus schierer Langeweile, Frust über die Verbannung in eine Welt voller Traktoren und Maisfelder? Oder gab es da ein dunkles Geheimnis, das sie zu dem gemacht hatte, was sie war?

Okay, ich gebe zu, ich zerbrach mir ziemlich oft den Kopf über Sara, ich war ihr geradezu verfallen. Zum einen, weil sie in der Klasse schräg vor mir saß, so nah, dass ich den Duft ihres Shampoos riechen konnte. Vor allem in den langweiligen Stunden musste ich mir größte Mühe geben, nicht dauernd ihre langen Haare anzustarren, die wie Weizen in der Sonne glänzten, wenn sie sie lachend zurückwarf. Zum anderen, weil ich unabhängig von meiner Verknalltheit eine Heidenangst vor ihr hatte. Da ging es mir wie allen anderen.

Und dann also dieser Blickkontakt nach dem »Blutbad« in Chemie. Es war einfach unbeschreiblich. Und zufällig genau der Moment, in dem sich mein Leben auf den Kopf stellte - was ich natürlich nicht wusste, aber ich ahnte es. Es war wie in einem Film, wenn die spannende Musik einsetzt.

â

Ich kann fürs Protokoll ja mal kurz erzählen, was davor passiert war. Eigentlich ist die Geschichte banal: Sara hatte sich einen Spaß daraus gemacht, Julian alle paar Minuten mit Spucke getränkte Papierkügelchen in den Nacken zu werfen, was ja Kinderkram für ein Mädchen ist, das einen Schläger und Stiefeltreter zum Freund hat und in Sachen Cybermobbing in der ersten Liga spielt. Doch Julian stand in Chemie auf fünf und brauchte dringend Pluspunkte für seine mündliche Note, weshalb er versuchte mitzuarbeiten. Die beharrlichen Störungen hinderten ihn natürlich daran. Manchmal sind die einfachsten Streiche die effektivsten, von Generationen von Schülern vor uns erprobt. Wenn er aufgerufen wurde, redete er den größten Mist und Saras Gang lachte sich kaputt. Genau deswegen waren die Papierkügelchen eben doch keine Lappalie, sie überbrachten eine unmissverständliche Botschaft: Das hier ist mein Klassenzimmer. Ich entscheide, wer hier heute etwas lernt und wer nicht. Hinter Saras Engelsfassade schwelte die Bereitschaft, wann immer in ihren Augen nötig, Gewalt anzuwenden.

Bis die Hoppe wollte, dass Sara und Julian ihre Plätze tauschen - und ausgerechnet Julian sich weigerte. Das soll einer verstehen: Sie bot ihm einen eleganten Ausweg aus seiner Misere und er probte zum ersten und letzten Mal in seiner Schülerkarriere den Aufstand. Julian, das Lamm.

Dann platzte das Reagenzglas.

Worauf unsere Klassenlehrerin spontan beschloss, uns alle auf eine einsame Insel zu verfrachten. Vier Wochen im Frühherbst, ein Unterrichtsprojekt. Als sie uns am nächsten Tag davon erzählte, war klar, dass sie...

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Autor

Alexandra Kui wurde 1973 in Buxtehude geboren. Sie studierte Soziologie in Hamburg und arbeitete für verschiedene Tageszeitungen, bevor sie anfing, Bücher zu schreiben. Nach den Krimis »Blaufeuer«, verfilmt fürs ZDF unter dem Titel »Der Tote im Watt«, und »Wiedergänger« veröffentlichte die Autorin, die auf der Geest bei Hamburg lebt, mehrere Jugendthriller sowie literarische Jugendromane bei cbj.