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Die Tochter der Zarin

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
656 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am08.03.2022
St. Peterburg im Jahr 1725: Auf Elisabeth, die Tochter Peters des Großen und Katharina I., wartet eine schwierige Aufgabe. Eine Seherin hat ihr einst vorhergesagt, dass die Schicksale des russischen Zarenreiches untrennbar mit ihrem eigenen verwoben sind. Doch der Kampf um die Krone ist nach dem Tod Peters des Großen entbrannt und jeder falsche Zug Elisabeths im Spiel der Mächtigen bringt sie in höchste Gefahr. Dass ihren Feinden ein Menschenleben wenig wert ist, bekommt Elisabeths Geliebter am eigenen Leibe zu spüren, der misshandelt und verbannt wird. Die tapfere Elisabeth widersetzt sich den Intrigen und Heiratsplänen, mit denen ihre Verwandten sie auszuschalten versuchen. Erst durch eine neue große Liebe, die alle Hindernisse überwindet, findet sie schließlich die Kraft, sich das zu nehmen, was ihr zusteht: die Krone Russlands.

Ellen Alpsten wurde 1971 in Kenia geboren, verbrachte ihre Kindheit und Jugend dort und studierte dann in Köln und Paris. Sie arbeitete in der Entwicklungshilfe an der Deutschen Botschaft Nairobi und als Moderatorin bei Bloomberg TV. Heute ist sie freie Schriftstellerin und Journalistin, u.a für die FAZ und Spiegel Online. Nach den historischen Romanen Die Lilien von Frankreich, Die Zarin und Die Quellen der Sehnsucht (alle Wilhelm Heyne Verlag) folgten mit Die Schwestern der Roten Sonne und Die Löwin von Kilima zwei zeitgenössische Afrikaromane. Ellen Alpsten lebt mit ihrer Familie in London.
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Produkt

KlappentextSt. Peterburg im Jahr 1725: Auf Elisabeth, die Tochter Peters des Großen und Katharina I., wartet eine schwierige Aufgabe. Eine Seherin hat ihr einst vorhergesagt, dass die Schicksale des russischen Zarenreiches untrennbar mit ihrem eigenen verwoben sind. Doch der Kampf um die Krone ist nach dem Tod Peters des Großen entbrannt und jeder falsche Zug Elisabeths im Spiel der Mächtigen bringt sie in höchste Gefahr. Dass ihren Feinden ein Menschenleben wenig wert ist, bekommt Elisabeths Geliebter am eigenen Leibe zu spüren, der misshandelt und verbannt wird. Die tapfere Elisabeth widersetzt sich den Intrigen und Heiratsplänen, mit denen ihre Verwandten sie auszuschalten versuchen. Erst durch eine neue große Liebe, die alle Hindernisse überwindet, findet sie schließlich die Kraft, sich das zu nehmen, was ihr zusteht: die Krone Russlands.

Ellen Alpsten wurde 1971 in Kenia geboren, verbrachte ihre Kindheit und Jugend dort und studierte dann in Köln und Paris. Sie arbeitete in der Entwicklungshilfe an der Deutschen Botschaft Nairobi und als Moderatorin bei Bloomberg TV. Heute ist sie freie Schriftstellerin und Journalistin, u.a für die FAZ und Spiegel Online. Nach den historischen Romanen Die Lilien von Frankreich, Die Zarin und Die Quellen der Sehnsucht (alle Wilhelm Heyne Verlag) folgten mit Die Schwestern der Roten Sonne und Die Löwin von Kilima zwei zeitgenössische Afrikaromane. Ellen Alpsten lebt mit ihrer Familie in London.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641246587
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum08.03.2022
Reihen-Nr.2
Seiten656 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2056 Kbytes
Artikel-Nr.5690841
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


PROLOG
Im Winterpalast, 6. Dezember 1741, Gedenktag des Heiligen Nikolaus

Mein kleiner Neffe Iwan ist unschuldig - so unschuldig und rein, wie ein Einjähriger nur sein kann. Doch heute Nacht wird der junge Zar durch meinen Befehl für schuldig im Sinne meiner Anklage befunden: Er raubt mir den Thron meiner Väter. Die Strafe dafür ist ein Leben schlimmer als tausend Tode. Ich bekämpfe den Drang, ihn hochzuheben und zu küssen, aber das macht alles nur noch schlimmer. Jenseits seiner Tür höre ich ein Summen wie von Bienen, bereit, zornig durch den Winterpalast zu schwärmen. Stiefel kratzen auf dem Parkett, Sporen klirren aneinander wie Wodkagläser, Bajonette werden auf Musketen gesteckt. So klingt die Zukunft: Der Gedanke spickt mein Herz mit Blei.

Mir bleibt keine andere Wahl. Entweder Iwan oder ich. Nur einer von uns kann Russland regieren, der andere muss der Vergessenheit anheimfallen. Russland zu regieren ist ein Recht, das sowohl erworben als auch ererbt sein will. Iwans Herrschaft zwingt mein Land unter das Joch fremder Herrscher. Das Reich ist verloren; das unsichtbare, heilige Band zwischen dem Zaren und seinem Volk unwiederbringlich zerrissen.

Ich, Elisabeth, bin das einzige überlebende Kind der fünfzehn Söhne und Töchter Peters des Großen. Wenn ich in dieser Nacht zu lange zögere, so soll ich als letztes meiner Geschwister sterben und das Ende meiner Familie besiegeln.

Fluch den Romanows! Ich versuche umsonst, die Prophezeiung, die mein Leben überschattet hat, aus meinen Gedanken zu verbannen.

Auf dem Parkettboden bilden sich Pfützen, während der Schneematsch von meinen oberschenkelhohen Stiefeln tropft. Ihr abgenutztes Leder ist nach meinem Eilmarsch durch die Nacht von Sankt Petersburg durchnässt. Obwohl ich eine Zarewna, eine kaiserliche Prinzessin bin, breitete mir kein Page ein Bärenfell über den Schoß, das mich in einem geschwinden Schlitten vor dem eisigen Wind und dem stiebenden Schnee bewahren sollte. Ich hatte auch keinen Muff, den ich in der so anmutigen Geste der Sankt Petersburger Damen, der damy, an das Gesicht heben konnte. Mein Stelldichein mit dem Schicksal war ein Geheimnis. Schneefall verhüllte die flackernden Lichter der Laternen und verbarg die Stadt ebenso wie mich. In anderen Nächten lullte mich der stete Fall der Flocken ein, doch nun trieb mich die Angst an. Ich jagte über die Brücken, wich den Schlagbäumen mit den bewaffneten Wächtern aus und huschte über die leeren Prospekte, wo meine Hast eine warme Spur in der frostigen Luft hinterließ.

Dies ist eine Nacht der Entscheidung - eine Entscheidung unermesslichen Ausmaßes. Ein Kreuz, das ich mein Leben lang zu tragen habe. Ein gesalbter und gekrönter Zar kann nicht einfach getötet werden. Es erzeugt einen gefährlichen Präzedenzfall. Doch er kann auch nicht am Leben bleiben, zumindest nicht in den Herzen der Russen oder in den wöchentlichen Briefen der Botschafter an alle Höfe Europas.

Was also soll mit Iwan geschehen?

Ich taste nach seiner schlaffen kleinen Hand und kann nicht widerstehen - konnte es noch nie - und streichle seine molligen rosigen Finger. Wir nennen dieses Spiel den Schmetterlingskuss. Dann muss er kichern und windet sich, während mich eine große Zärtlichkeit überkommt. Seine Kinderhaut duftet nach dem Puder, der für ihn allein in Grasse gemischt wird, Vanille und Bergamotte, das Parfüm der Zaren. Ich sauge es ein, und der tiefe Atemzug, den ich nehme, muss ein Leben lang reichen. Die Männer draußen vor der Tür sind still. Sie warten auf meine Entscheidung, die mich retten und verdammen wird. Der Augenblick brandmarkt meine Seele.

Die dick gefütterten französischen Damastvorhänge im kaiserlichen Kinderzimmer sind zugezogen. Der neue Mond und die Sterne stehen am Himmel, aber schmerbäuchige Wolken tauchen die Stunde in dichte, undurchdringliche Dunkelheit. Tagsüber gefrieren den Möwen die Schreie in der Kehle, des Nachts reibt die Kälte die Haut roh. Jedes Licht ist so rar und teuer wie alles andere in dieser Stadt. Die kleinen Läden der Kerzenverkäufer, die nach Bienenwachs, Flachs und Schwefel duften, machen gute Geschäfte. In Zeiten von Angst und Unzufriedenheit brennen in den Kirchen die meisten Opferkerzen, und sowohl die Jultide als auch der Dreikönigstag nahen.

Auf den gegenüberliegenden Kais sind die Läden hinter den hellen Fassaden der Paläste und Häuser der Stadt geschlossen, die dahinter verborgenen Fenster bleiben still, wie lauernd. Auch der Winterpalast selbst wirkt drohend. Seine vielen Korridore, Raumfolgen und Treppenfluchten können so gefährlich wie eine Schlangengrube oder so willkommenheißend wie die Umarmung eines Liebhabers sein.

Entweder Iwan oder ich. Das Schicksal hat uns mitleidlos mit sich gerissen und uns in diesen Kampf gedrängt. Der Hof meidet mich. Niemand will noch eine Kopeke auf meine Zukunft setzen. Werde ich in ein abgelegenes Kloster geschickt, obwohl ich keine Unze Nonnenfleisch im Leib habe, wie sich der Herzog von Liria, der spanische Botschafter, so denkwürdig ausdrückte? Ein einziges Mal habe ich eine solche unglückliche Frau gesehen. Wie beabsichtigt erfüllte mich ihr Anblick mit lebenslanger Furcht. Ihr kahl geschorener Kopf war mit Narben und Frostbeulen übersät, und der Wahnsinn leuchtete ihr aus den Augen. Eine bucklige Zwergin, der die Zunge herausgerissen worden war, leistete ihr Gesellschaft. Beide hausten in schmutzigem Stroh wie in einem Schweinestall. Oder wartet ein Schlitten auf mich, bereit zur Abfahrt in Richtung Sibirien? Es wäre eine Reise ohne Wiederkehr. Ich selbst hörte die Rufe um Gnade der Verurteilten, sah die Angst in ihren Gesichtern ebenso deutlich, wie ich meine Finger ihrem flehenden Griff entzog. Ein Jahr nach ihrer Verbannung waren sie alle tot. Niemand übersteht das Leben im nagenden Frost des Ostens lange. Sibirien ist das größte Gefängnis der Welt; es benötigt weder Tor noch Wärter. Möglicherweise schluckt mich eine Zelle in der Peter-und-Paul-Festung, dem teuflischen Ort, den niemand, weder Mann noch Frau, jemals in einem Stück verlässt. Oder, einfacher noch, man findet mich mit dem Gesicht nach unten unter dem Eis der Newa treibend.

Die Ungeduld der Männer vor Iwans Tür ist spürbar. Nur noch einen Atemzug lang Gemeinsamkeit, bitte! Iwans Amme schläft auf ihrem Schemel in der dunkelsten Ecke des Gemachs, in sich zusammengesunken. Sie sitzt inmitten seiner verstreuten Spielsachen, einer Matrjoschka, Holzbooten aller Größen, einem mechanischen Silberbär, der nach dem Aufziehen die Kiefer öffnet und die Pfoten hebt, und einem Globus aus indischem Elfenbein und belgischem Email. Eine ihrer blassen Brüste liegt noch vom letzten Stillen bloß. Ihr voller Alabasterbusen war der Grund für ihre Rekrutierung im lebhaften deutschen Viertel von Moskau. Sie kümmert sich zu Recht so gut um Iwan, denn Romanow-Männer sind von schwächerer Gesundheit als Romanow-Frauen, obwohl das niemand laut ausspricht. Ich habe Iwans erstes Lebensjahr als eine Zeit der Wunder empfunden und ihm anlässlich seiner Taufe ein mit Rubinen und Smaragden besetztes Kreuz geschenkt. In meinem Stall wird ein edles Hengstfohlen als sein Geschenk zur Jultide aufgezogen; das Futter des jungen Rappen hat mich in Schulden gestürzt.

Iwans Atem wird schwerer. Lasten die Männer an seiner Tür auf seinen Träumen? Ich fasse an seine Hüften, und seine lebendige Wärme trifft mich mitten ins Herz. Oh, nur noch einmal sein süßes Gewicht in meinen Armen zu spüren! Ich ziehe die Hände zurück und falte sie, obwohl die Zeit für Gebete vorbei ist. Keine Pilgerfahrt kann mir Ablass für diese Sünde erwirken, und wenn ich dafür auf den Knien durch ganz Russland rutschen würde. Iwans Wimpern flattern, sein Kinn zittert. Ich kann es nicht ertragen, ihn weinen zu sehen, ganz im Gegensatz zu dem bekannten Sprichwort der russischen Leibeigenen. Die Tränen eines anderen Mannes sind nur Wasser.

Die leichteste Last wird deine größte Bürde sein. Die letzte Prophezeiung erfüllt sich. Verschont mich! Aber alle meine noch so flehentlichen Bitten stoßen auf taube Ohren. Dies ist mein Weg, und ich muss ihm folgen, auch wenn er über die Scherben meines gebrochenen Herzens führt. Iwan gleitet wieder in Tiefschlaf. Lange dunkle Wimpern werfen Schatten auf seine runden Wangen. Die winzigen Fäuste öffnen sich und zeigen glatte rosige Handflächen. Nicht einmal der begabteste Hellseher vermag vorherzusagen, was sich in der düsteren Zukunft des Kleinen verbirgt.

Selbst ich mag diesen Gedanken nicht zu Ende denken.

Hinter der Tür herrscht vollkommene Stille. Ist dies die Ruhe vor dem Sturm, die mein Vater mich fürchten gelehrt hat, wenn wir gemeinsam auf den schieferfarbenen Wassern des Finnischen Meerbusens segelten? In der Ferne rollte seine Flotte über die Wellen, die Masten ragten wie ein Meereswald in den Himmel auf. Schritte nähern sich der Tür. Meine Zeit mit Iwan ist zu Ende. Wenn die nächsten Minuten doch unnötig wären! Es klopft, so leicht und so leise, dass es seinen wahren Zweck verleugnet. Die Zeit ist reif zum Handeln. Russland duldet keine Ausreden mehr. Die Geduld der Soldaten ist zum Zerreißen angespannt. Ich habe ihnen Ruhm und Reichtum versprochen. In einer Nacht wie dieser werden Karrieren gemacht, Vermögen gewonnen und verloren.

»Elisabeth Petrowna Romanowa?«, fragt der Kommandant des kaiserlichen Preobraschenski-Regiments. Sein Sohn ist mein Patenkind, aber kann ich ihm deshalb vertrauen? Ich fühle mich wie am Ertrinken und schütze Iwans Wiege mit meinem Körper. An der Wand mir gegenüber schwebt mein Gesicht in dem vergoldeten hohen Spiegel gespenstisch blass über meiner dunkelgrünen...

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