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Talberg 1935

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
400 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am01.11.2021
Ein Mann, der totgeglaubt war, ist zurückgekehrt. Und einer, der gestern noch lebte, liegt mit zerschmettertem Schädel auf dem Berg.
Der Lehrer Steiner hat einen Turm bauen lassen. Angeblich für Vermessungszwecke. Doch im Wirtshaus erzählen sie sich, er beabsichtige, seine Frau dort hinunterzuwerfen. Aber dann liegt er selber unten, mit zerschmettertem Schädel und leeren Augen. Wer hat seinen perfiden Plan für sich missbraucht? Und wer erbt jetzt den Hof, den der Lehrer nie haben wollte? Seine Frau? Oder der ungeliebte Bruder, dessen Name voreilig ins Kriegerdenkmal gemeißelt worden war? Doch er kehrte zurück, und statt seines Lebens hat er nur einen Arm im Krieg gelassen - und jegliche Menschlichkeit.
Talberg ist ein kleiner abgelegener Ort am äußersten Rand der deutschen Provinz. Fernab der großen Zentren und im Schatten eines gewaltigen Berges gelegen, scheint sich hier über die Jahrzehnte hinweg das Böse immer wieder zu sammeln. Drei Romane spielen zu unterschiedlichen Zeiten in diesem Ort. Vier ortsansässige Familien bestimmen das Geschehen - wechselweise sind sie mal Opfer, mal Täter, mal Ermittler. Und natürlich sind alle Fälle miteinander verbunden ...

Max Korn ist das Pseudonym eines deutschen Autors. Seine Romane stehen regelmäßig in den Top 20 der SPIEGEL-Bestsellerliste. Einen Teil seiner Jugend verbrachte Korn in dem kleinen Ort Thalberg im Bayerischen Wald, dessen Geschichte und Legenden ihn zu einer Reihe von Spannungsromanen inspirierten.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextEin Mann, der totgeglaubt war, ist zurückgekehrt. Und einer, der gestern noch lebte, liegt mit zerschmettertem Schädel auf dem Berg.
Der Lehrer Steiner hat einen Turm bauen lassen. Angeblich für Vermessungszwecke. Doch im Wirtshaus erzählen sie sich, er beabsichtige, seine Frau dort hinunterzuwerfen. Aber dann liegt er selber unten, mit zerschmettertem Schädel und leeren Augen. Wer hat seinen perfiden Plan für sich missbraucht? Und wer erbt jetzt den Hof, den der Lehrer nie haben wollte? Seine Frau? Oder der ungeliebte Bruder, dessen Name voreilig ins Kriegerdenkmal gemeißelt worden war? Doch er kehrte zurück, und statt seines Lebens hat er nur einen Arm im Krieg gelassen - und jegliche Menschlichkeit.
Talberg ist ein kleiner abgelegener Ort am äußersten Rand der deutschen Provinz. Fernab der großen Zentren und im Schatten eines gewaltigen Berges gelegen, scheint sich hier über die Jahrzehnte hinweg das Böse immer wieder zu sammeln. Drei Romane spielen zu unterschiedlichen Zeiten in diesem Ort. Vier ortsansässige Familien bestimmen das Geschehen - wechselweise sind sie mal Opfer, mal Täter, mal Ermittler. Und natürlich sind alle Fälle miteinander verbunden ...

Max Korn ist das Pseudonym eines deutschen Autors. Seine Romane stehen regelmäßig in den Top 20 der SPIEGEL-Bestsellerliste. Einen Teil seiner Jugend verbrachte Korn in dem kleinen Ort Thalberg im Bayerischen Wald, dessen Geschichte und Legenden ihn zu einer Reihe von Spannungsromanen inspirierten.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641264994
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum01.11.2021
Reihen-Nr.1
Seiten400 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1836 Kbytes
Artikel-Nr.5690788
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1
FLORIAN

Den meisten fehlte es an Schneid. Genau genommen, kannte er niemanden, dem er es zutraute. Am allerwenigsten sich selbst. Denn nachts war nichts Gutes im Wald.

Wer nach Sonnenuntergang, spätestens aber nach dem Zwölfuhrläuten dort hineinschlich, tat dies nicht einfach aus einer Laune heraus. Wenn es dennoch passierte, war die Verzweiflung bereits größer als die Furcht vor dem, was in der Finsternis lauerte, im dornigen Dickicht, im undurchdringlichen Unterholz. Es lauerte hinter jedem Baum, egal ob Fichte, Kiefer, Buche, Ahorn oder Eiche, und unter jeder Wurzel, welche die mächtigen Stämme im schwarzen Waldboden festhielt. Verborgen in Reisig und Klaubholz. In den feuchten, lichtlosen Spalten der jahrtausendealten Felsformationen. Bizarre, von Riesen aufgetürmte Gebilde, die den Menschen in seiner Nichtigkeit noch kleiner erscheinen ließen. Wahrlich, die Angst saß überall und lachte im Gleichklang mit dem Heulen des Windes oder dem Gesang der Waldvögel. Und sie atmete. Ein Schnaufen und Stöhnen, verborgen im ewigen Rauschen der wogenden Wipfel. Die Angst sprach mit zahllosen Stimmen und schaute mit tausend Augen. Und ihr hing ein Geruch an, morastig und kupfrig, wie das nasse Fell eines tollwütigen Fuchses, der direkt aus der Hölle gekrochen war. Die Angst gehörte in den Wald, und der Wald gehörte der Angst.

Und trotzdem trieb er sich zu dieser unchristlichen Zeit hier herum. Noch dazu nüchtern. Aus der schieren Verzweiflung heraus, dachte der Schmidinger Florian, und weil der Herrgott für einen wie ihn bisweilen noch größere Ängste bereithielt als die vor einem finsteren Wald und dem, was darin lauerte. Was ihn hierhergetrieben hatte, war nichts weniger als die Furcht vor dem Teufel.

Er hatte seinen stets kargen Lohn wieder viel zu schnell ins Wirtshaus getragen, lange bevor die nächste Auszahlung fällig war. Dabei war es nicht so sehr die Sauferei, die ihm jeden Abend die Münzen aus dem Hosensack zog. Es war vielmehr das Pech, nie ein gutes Blatt auf die Hand zu bekommen. Egal ob beim Watten oder Schafkopfen - beides spielte man beim Hirscher in der Gaststube mit denselben schmierigen, abgegriffenen Karten, die schon durch Hunderte Hände gegangen waren. Die Spielkarten, die in letzter Zeit über den schartigen Wirtshaustisch hinweg in seine Richtung rutschten, schenkten ihm selten mehr als einen kläglichen Stich. Er verlor zu oft und zu viel - und doch konnte er nicht damit aufhören. Schon lange nicht mehr. Zum einen, weil er trotz allem daran festhielt, dass das Glück nur eine läufige Hündin war, die irgendwann auch zu ihm wieder zurückkehren würde. Zum anderen, weil ihm der Teufel im Nacken saß, bei dem er mittlerweile einen dermaßen großen Batzen an Spielschulden angehäuft hatte, dass er sie mit dem schmalen Salär eines Hofknechts niemals würde zurückzahlen
können.

Das Glück, Kreuzkruzifix!

Glück hatte er nie viel besessen, und irgendwann war auch das letzte bisschen davon auf der Strecke geblieben. Darum der Wald. Darum mitten in der Nacht. Der Dunkelheit ausgeliefert, dem pfeifenden Wind, der wie eh und je von Böhmen her um die Ostflanke des Berges blies, als beabsichtigte er, das gesamte Gesteinsmassiv nach Westen zu verschieben. Diesen Berg, in dessen Schatten sich seit Menschengedenken alles und jeder duckte. Aus Ehrfurcht und Demut vor der Schöpferkraft des Herrn - oder aber weil es keine Gewissheit gab, ob nicht vielmehr andere, das Weihwasser scheuende Kräfte hier oben das Sagen hatten.

Schmidinger schlug ein Kreuzzeichen. Dabei ging er sogar ein Stück in die Knie, innerlich wie äußerlich, weil er in dem Moment dem tief hängenden Ast einer Buche ausweichen musste, in den er beinahe hineingestrauchelt wäre. Etwas Klebriges legte sich über sein Gesicht, und er wischte sich angewidert mit dem Unterarm über Stirn und Nase. Nur eine Spinnwebe, versuchte er sich zu beruhigen. Nur eine Spinnwebe!

Dann war er gedanklich wieder bei dem, wovor sich ein einfacher Mann wie er in der heutigen Zeit alles zu ducken hatte. Neuerdings beugte nämlich auch die schnarrende Stimme eines anderen die Leute. Auch vor diesem Österreicher verspürte er jene Form von Respekt, die einen unangenehmen Hohlraum unterhalb seines Zwerchfells entstehen ließ. Niemals würde er laut aussprechen, was er tief in sich drin dachte; nämlich, dass der Hitler in seinen Augen kaum besser war als der Teufel. Einschüchternd vor allem, wenn auch auf eine andere Art.

Schieß mir ein Reh, hatte der Teufel von ihm verlangt, dann lass ich dich eine Woche länger leben.

Dem Teufel gehörte der hiesige Steinbruch.

Ludwig Teufel war ein Geldiger aus der Stadt, der gleich nach dem Krieg den Granitsteinbruch an der Südflanke des Berges gekauft hatte. Damals, als die Leute aus der Gegend noch zu benommen waren, zu desorientiert, zu verstört und in ihrer Trauer gefangen, um ans Geschäftemachen zu denken. Da hatte der Teufel mit einem Geldbündel gewedelt und der Hirscher schneller nachgegeben, als wenn es darum gegangen wäre, eine Runde Schnaps an seine Stammgäste auszuschenken. Knausrig, wie er war, kam dies nur alle heiligen Zeiten und stets in einem Anflug von Leichtsinn vor. Aber in dem unsäglichen Leid, das den Wirt der Dorfschänke kurz nach Kriegsende niederdrückte, hatte er vermutlich nicht mehr vernünftig denken können. Wie so viele andere in jener grauenhaften Zeit der Ernüchterung. Deine Buben kommen eh nicht mehr heim, der Bruch wird dir nur noch eine Last sein, hatte der Teufel wohl gesagt. Und jetzt unterschreib, Hirscher, unterschreib!

Und der Hirscher Franz hat unterschrieben und ihnen dadurch den Teufel ins Dorf geholt. Weshalb ich heute auf der Pirsch bin, resümierte Schmidinger geknickt. Damit der Teufel ihn nicht abstechen ließ, von einem seiner Arbeiter, einem der Tschechen, die er herübergeholt hatte, statt die Hiesigen zu beschäftigen, die Tage- und Wochenlöhner, die jede Arbeit gut gebrauchen konnten. Als wären die Tschechen bessere Steinhauer, als verstünden sie etwas vom bayerischen Granit. Er schüttelte den Kopf und spürte gleichwohl, dass die Wut etwas Wärmendes hatte. Spielschulden sind Ehrenschulden! Und das Leben ist grausam! Darum geh und schieß mir ein Reh, das wär dann der Zins für diese Woche. Außerdem darfst du dann weiterhin gegen mich verlieren, Schmidinger!

Der Teufel war nicht nur ein ausgefuchster Geschäftsmann, sondern zu allem Überfluss auch ein sakrisch guter Kartenspieler, überlegte der Schmidinger, während er durchs Unterholz stiefelte. Mit kalten Füßen, weil die Stiefel Löcher hatten, ebenso wie die Wollsocken, die ihm seine Mutter gestrickt hatte. Dieses letzte Paar, das noch fertig geworden war, bevor der Tod sie im vergangenen Winter geholt hatte. Über ein Dreivierteljahr war das nun her, doch so eiskalt, wie der Ostwind durch die Stämme und Sträucher fegte, würde der erste Schnee auch heuer nicht mehr lang auf sich warten lassen.

Er sollte nicht an den Winter denken, nicht an die Kälte und schon gar nicht an den Tod. Ebenso wenig sollte er zu dieser Stunde im Wald umherirren. Die Büchse hing schwer über seiner Schulter, und der abgewetzte Kolben schlug ihm bei jedem Schritt gegen die Hüfte. Es war nicht sein Gewehr. Selber hat er nie eins besessen, und so, wie die Dinge lagen, würde das auch nie der Fall sein. Zumindest so lange sie ihn nicht holen kamen und wieder in eine Uniform steckten, so wie es einigen der Jüngeren im Dorf schon ergangen war, seit das Reich im März die Wehrpflicht wieder eingeführt hatte. Etwas, das keiner wirklich wollen konnte von denen, die den letzten Krieg überlebt hatten, dachte er bei sich. Und dennoch gab es welche, die es nicht erwarten konnten, aufs Neue einzurücken.

Schmidinger zog Schleim aus dem Rachen und spuckte aus. Nicht mehr für alles in der Welt, schwor er sich, und ganz gewiss nicht für ein eigenes Gewehr. Und erst recht nicht für den Hitler.

Nur gut, dass er wusste, wo der Wegebauer, bei dem er seit drei Jahren in Lohn und Brot stand, seine Büchsen aufbewahrte, und dass der Schrank, der im Gang zwischen Stall und Milchküche stand, nicht immer abgesperrt war. Vor allem jetzt im Oktober nicht, nachdem die Forstverwaltung den Abschuss von Rotwild freigegeben hatte, zumindest für diejenigen, die eine Genehmigung besaßen. So wie der Wegebauer, der es seit der Jagdfreigabe mit dem Absperren des Waffenschranks nicht so genau nahm, um das Gewehr schnell bei der Hand zu haben, falls sich hinter den Stallungen ein Bock in der Niederung sehen ließ. Aus diesem Grund waren die Büchsen auch stets gut geölt, und es lag ausreichend Munition parat. Verkehrt wäre es trotzdem nicht, wenn es ein Geheimnis zwischen ihm und dem Herrgott bliebe, dass er heute Nacht ungefragt ein Gewehr ausgeliehen hatte. Und außerdem wäre es praktisch, wenn er es rechtzeitig wieder zurückgestellt bekäme, bevor es dem Wegebauer einfiel, in seinen Schrank zu schauen.

Immerhin meinte er zu wissen, wo er ein Reh abpassen konnte.

Nicht nur, dass es ihm mittlerweile saumäßig kalt war in seiner dünnen Jacke, die schon oft gestopft worden war und bei der seit seinem letzten Wirtshausbesuch nun auch noch ein dritter Knopf fehlte. Zudem quälte ihn der Hunger bei dem Gedanken an ein Stück saftiges Rehfleisch. Was ihm nicht zu verübeln war, hatte man ihm heute Abend doch wieder nichts als eine dünne Brotsuppe vorgesetzt. Gespart wurde, auf den Winter hin, dabei war die Ernte einträglich ausgefallen, und das Vieh stand gut im Futter. Doch der Wegebauer war ein Knauser wie alle Bauern, für die er sich schon den Buckel...

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Autor

Max Korn ist das Pseudonym eines deutschen Autors. Seine Romane stehen regelmäßig in den Top 20 der SPIEGEL-Bestsellerliste. Einen Teil seiner Jugend verbrachte Korn in dem kleinen Ort Thalberg im Bayerischen Wald, dessen Geschichte und Legenden ihn zu einer Reihe von Spannungsromanen inspirierten.